Um die Versorgungskette beim Schlaganfall vom Erkennen der Erkrankung bis hin zum Abschluss der ambulanten Rehabilitation zu optimieren, wurde der Tiroler Schlaganfallpfad realisiert. Das standardisierte und qualitätsgesicherte Versorgungskonzept schließt alle beteiligten Berufsgruppen ein und hinterlegt Prozessabläufe für alle Behandlungsschritte.

Der Schlaganfall stellt nach Tumoren und Myokardinfarkt die dritthäufigste Todesursache in Österreich dar, er ist die häufigste Ursache von körperlicher Behinderung im Erwachsenenalter und eine häufige Ursache für die Entwicklung einer Demenz [1]. Durch Fortschritte in der Akuttherapie, besonders durch die Einführung der Thrombolyse und Thrombektomie, werden bessere Heilungschancen und eine Minderung körperlicher Behinderung erreicht.

Um die Versorgungskette beim Krankheitsbild Schlaganfall zu optimieren, hat das Land Tirol gemeinsam mit den Versicherungsträgern im Jahr 2006 das Projekt „Integrierter Patientenpfad/Behandlungspfad Schlaganfall“ ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, ein standardisiertes ganzheitliches Konzept zu etablieren, das die gesamte Schlaganfallversorgungskette optimiert und eine stärkere Vernetzung aller beteiligten Berufsgruppen (Allgemeinmediziner*innen, Fachärzt*innen, Therapeut*innen, Pflegepersonal etc.) und Sektoren (Rettungswesen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, mobile Pflege, Rehabilitationseinrichtungen, Sozialversicherungsträger) fördert. Ziel ist es, eine Verbesserung der Versorgungsqualität beim Schlaganfall zu erreichen.

Situation im Bundesland Tirol (Österreich)

Der Bevölkerung von Tirol (750.000 Einwohner*innen) sowie zahlreichen Tourist*innen mit jährlich > 45 Mio. Übernachtungen stehen acht öffentliche Krankenanstalten und drei öffentliche Sonderkrankenanstalten mit rund 4000 Betten zur Verfügung. Patient*innen mit akutem Schlaganfall werden in allen Akutkrankenhäusern auf neurologischen und internistischen Abteilungen behandelt. Spezialisierte Stroke Units sind an der Universitätsklinik Innsbruck sowie an den Bezirkskrankenhäusern Kufstein und Lienz verfügbar. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten mit Haupt- und vielen Seitentälern und dem gebirgigen Landschaftsbild ist bei allen medizinischen Notfällen der zeitnahe Rettungstransport in das dafür geeignete Krankenhaus oft eine Herausforderung. Um dieser Herausforderung zu entsprechen, stehen in Tirol 13 bodengebundene Notarztrettungsmittel und bis zu 16 Notarzthubschrauber für die Disposition durch die Leitstelle Tirol zur Verfügung. Sie ermöglichen es, fast jeden Ort in Tirol in weniger als 15 min zu erreichen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schlaganfallnetzwerk Tirol. Krankenhäuser: 8, davon 3 mit Stroke Unit (SU) und 5 ohne Stroke Unit (H); Leitstelle Tirol gGmbH in Innsbruck (rot); Notarztstützpunkte (Auto): 13; Rettungshubschrauberstützpunkte (Hubschrauber): 8 ganzjährig und 6 saisonal besetzt; Anstalten mit Rehabilitationsschwerpunkt (RH): 2. (Mit freundl. Genehmigung, © Elsevier, alle Rechte vorbehalten [2])

Überblick über den Schlaganfallpfad Tirol

Nach zweijähriger Planungsphase wurden die Kernelemente des Tiroler Schlaganfallpfads 2009 aktiv geschaltet und werden seither kontinuierlich angepasst und erweitert. Mittlerweile wurden mehr als 10.000 Schlaganfallpatient*innen dem Pfad entsprechend behandelt. Seit 2020 ist nun auch die ambulante Rehabilitation zu Hause flächendeckend umgesetzt. Um alle Aspekte der Schlaganfallversorgung sowie die Nahtstellen und Übergänge zwischen den einzelnen Phasen der Versorgung optimieren zu können, wurde die Organisation auf vier Teilprojekte aufgeteilt. Zu den Projektbeteiligten gehören der Tiroler Gesundheitsfonds mit seinen Fondskrankenanstalten, die Abteilung Soziales des Landes Tirol, die Tiroler Sozialversicherungsträger, die Tirol Kliniken und Bezirkskrankenhäuser, das Landesinstitut für Integrierte Versorgung und die Ärztekammer. Neben einer ärztlichen Leitung des Projekts (Kiechl, Willeit) wurde auch ein wissenschaftlicher Beirat installiert und für jedes der vier Teilprojekte ein eigenes Projektteam gebildet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Teilprojekte des Tiroler Schlaganfallpfads. ANB Akutnachbehandlung, CT Computertomographie, EKG Elektrokardiogramm, ICH intrazerebrales Hämatom, KH Krankenhaus, MR Magnetresonanztomographie, NAW Notarzteinsatzfahrzeug, NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale, Reha Rehabilitation, SA Schlaganfall, Sono Sonographie, Stat. REHA stationäre Rehabilitation, TIA transitorische ischämische Attacke, TP Teilprojekt. (Nach [2, 3]. Mit freundl. Genehmigung, © Amt der Tiroler Landesregierung, Tiroler Gesundheitsfonds, alle Rechte vorbehalten)

Der Tiroler Schlaganfallpfad ist online in allen Krankenanstalten hinterlegt. Mittels eines interaktiven Dokuments können Details zu den Prozessabläufen der einzelnen Teilprojekte aufgerufen und die entsprechenden Arbeitshilfen und Standardarbeitsanweisungen heruntergeladen werden, die sich an den internationalen und nationalen Behandlungsrichtlinien orientieren und für die regionale Situation angepasst sind.

Für den Erfolg des Projekts sind neben der Involvierung aller beteiligten Berufsgruppen das zentrale und erfahrene Projektmanagement des Tiroler Gesundheitsfonds sowie die Installierung einer Qualitätssicherung mit klaren Qualitätskriterien verantwortlich.

1. Teilprojekt – Prähospitalphase

In der Akutphase eines Schlaganfalls ist sowohl das Erkennen von Schlaganfallsymptomen durch den Laien bzw. durch Notrufexpert*innen der Rettungsleitstelle als auch eine reibungslos funktionierende Rettungskette notwendig, da die Zeit vom Auftreten von Symptomen bis zur Behandlung eine zentrale Rolle spielt. Die Ausschöpfung der spezifischen Akuttherapie ist nur in den ersten Stunden nach Auftreten eines Schlaganfalls möglich, und mit jeder Minute, in der das Gehirn mit Blut unterversorgt ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer guten Erholung („Time is brain“). Deshalb ist das Notfallmanagement bei Schlaganfallpatient*innen besonders kritisch. Auf die Prähospitalphase wird unten im Detail eingegangen.

2. Teilprojekt – Hospitalphase

Bei Eintreffen im Krankenhaus sichert eine möglichst rasch durchzuführende zerebrale Bildgebung (Computertomographie/Magnetresonanztomographie) die klinische Verdachtsdiagnose. Neben einer Vielzahl von Arbeitshilfen, beispielweise einem einheitlichen Protokoll für die Thrombolyse inklusive der Triagekriterien für eine Thrombektomie, sind auch Lehrvideos für die Anwendung der gängigsten Schlaganfallskala (National Institutes of Health Stroke Scale [NIHSS]) oder auch eine Checkliste für den Sekundärtransport in eine (Comprehensive) Stroke Unit hinterlegt. Ein weiterer Schwerpunkt sind die möglichst frühe und gezielte Mobilisierung und Rehabilitation wie auch die Planung der Nachsorge und Weiterführung der Rehabilitation in einer stationären oder ambulanten Versorgungseinrichtung.

3. Teilprojekt – stationäre Rehabilitation/Akutnachbehandlung

Ziel ist es, beim Transfer aus dem Akutkrankenhaus eine möglichst nahtlose und zeitnahe rehabilitative Weiterversorgung sicherzustellen. Dazu wurden strukturelle Nachbesserungen sowie eine Prozessoptimierung an den Schnittstellen durchgeführt. Dies betrifft unter anderem die Anmeldung, Terminvergabe und Weitergabe des Therapieberichts an die nächste zuständige Institution. In den Rehabilitationszentren werden interdisziplinär das Therapiekonzept und die Therapieziele definiert und in der wöchentlichen interdisziplinären Evaluierung die Dauer und die weiteren Maßnahmen der Versorgung festgelegt. Werden die Therapieziele erreicht, kann die Planung für die Entlassung aus der stationären Rehabilitation erfolgen. Nun gilt es, die weitere ambulante Therapie inklusive Hilfsmittel zu organisieren und die Sicherstellung der häuslichen Versorgung zu gewährleisten.

4. Teilprojekt – ambulante Rehabilitation

Nach der Entlassung aus einer stationären Rehabilitationseinrichtung oder dem Akutkrankenhaus folgt eine Phase mit intensiver ambulanter Therapie in der häuslichen Umgebung des Betroffenen bzw. in entsprechenden Pflegeeinrichtungen. Hier werden Folgetherapie- und Betreuungskonzepte basierend auf der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) mit den jeweiligen Berufsgruppen sowie mit dem Betroffenen und den Angehörigen vereinbart. Unter Einbindung der Allgemeinmediziner*innen werden die Therapien weiter verordnet. Die Ergebnisqualität aller Maßnahmen wird in einer standardisierten Nachuntersuchung durch Fachärzt*innen für Neurologie 3 Monate nach dem Schlaganfallereignis evaluiert. Anhand dieses Assessments wird entschieden, ob eine weiterführende Therapie zielführend und notwendig ist. Das Konzept der ambulanten Rehabilitation ist voll finanziert und qualitätskontrolliert.

Teilprojekt Prähospitalphase

Neben regelmäßigen Awareness-Programmen und Presseaktivitäten um das Thema Schlaganfall wurden Plakataktionen in und auf öffentlichen Verkehrsmitteln, Fernseh- und Radioeinschaltungen (Werbespots, Informations‑ und Aufklärungssendungen) und zielgruppenspezifische Informationsveranstaltungen durchgeführt und eigene Websites (https://www.schlaganfall-tirol.at und https://www.schlaganfall-tirol.info) eingerichtet. Um die Akutversorgung durch das Notarzt- und Rettungswesen zu optimieren, wurden im Zuge des Projekts die Abläufe der Notrufbearbeitung, das Erstellen von Einsatzcodes und Diagnosen sowie die Versorgungsintervalle (Versorgungszeit durch Rettungskräfte vor Ort, Prähospitalzeitintervall < 60 min) und medizinische Qualitätsindikatoren (Erhebung des Zeitpunkts des Symptombeginns) angepasst. Aufgrund der komplexen Koordination der unterschiedlichen Blaulichtorganisationen und wegen der Erfahrungen im Rahmen des Lawinenunglücks in Galtür 1999 wurde bereits 2005 eine zentrale Leitstelle geschaffen, die seit 2012 als Leitstelle Tirol die Alarmierung, Koordination, Disposition und Einsatzunterstützung aller Tiroler Einsatzkräfte (mit Ausnahme der Polizei) übernimmt. Bei Eingang des Notrufs wird mittels Kernfragen und eines modifizierten Face-arm-speech-time(FAST)-Tests auf Schlaganfall gescreent und bei Verdacht auf einen Schlaganfall die Austrian Prehospital Stroke Scale (APSS; [5]; Tab. 1) eingesetzt. Hier werden Symptome eines Schlaganfalls abgefragt und anhand der Punktzahl der Schweregrad eingeschätzt.

Tab. 1 Austrian Prehospital Stroke Scale (APSS). (Nach [5])

Der Schlaganfall wird in Tirol als Notarztindikation eingestuft und eine sorgfältige und schnelle Auswahl eines geeigneten Transportmittels getroffen (Notarzteinsatzfahrzeug bzw. Rettungshubschrauber). Anhand der Einschätzung durch Notärzt*innen vor Ort wird dann das geeignete Zielkrankenhaus anhand eines Entscheidungsbaums ausgewählt. Dieser umfasst

  • die Verifizierung der Schlaganfallsymptome,

  • die Zeit des Symptombeginns,

  • die Blutzuckermessung,

  • das Rhythmuselektrokardiogramm,

  • die Stabilisierung der Vitalfunktionen,

  • den i.v.-Zugang,

  • den APSS-Score sowie

  • die Beurteilung der Lebensumstände der Patient*innen:

    • Erkrankungen,

    • vorbestehende Bettlägerigkeit,

    • schwere Demenz.

Die standardisierte Vorankündigung an das Zielkrankenhaus gewährleistet die Bündelung der Ressourcen ebendort, um diese auf das Eintreffen vorzubereiten (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Entscheidungsbaum für den akuten Schlaganfall des Tiroler Schlaganfallpfads. APSS Austrian Prehospital Stroke Scale, CT Computertomographie, CTA computertomographische Angiographie, KH Krankenhaus, LKI Landeskrankenhaus Innsbruck, MR Magnetresonanztomographie, MRA Magnetresonanzangiographie, NA Notarzt, RACE Rapid Arterial Occlusion Evaluation, SU Stroke Unit. (Nach [6]. Mit freundl. Genehmigung, © Landesregierung Tirol, alle Rechte vorbehalten)

Der Schlaganfall wird in Tirol als Notarztindikation eingestuft

Im Median erreichen 12 der 13 Notarztstützpunkte den Zielerreichungsgrad eines Eintreffens im Krankenhaus innerhalb von 60 min nach Alarmierung (in einem Stützpunkt wurde 2020 ein Median von 64 min berichtet). Je nach Situation und Schweregrad kann es sinnvoll sein, das Schlaganfallzentrum in Innsbruck mit der Möglichkeit zur mechanischen Thrombektomie (Universitätsklinik Innsbruck) direkt anzusteuern. Wenn dieser Transport > 30 min dauert, wird der Primärtransport in das nächstgelegene Akutkrankenhaus mit Stroke Unit zur Bildgebung und zum potenziellen Start einer Thrombolysetherapie erfolgen. Bei Notwendigkeit einer mechanischen Thrombektomie erfolgt nach dem Start einer intravenösen Thrombolysetherapie der Sekundärtransport in die Comprehensive Stroke Unit. Um nicht unnötig Zeit zu verlieren, ist gerade bei Sekundärtransporten eine klare Definition der Zuständigkeiten wichtig.

Die Dokumentation des Symptombeginns ist für die weiterbehandelnden Fachärzt*innen wichtig, insbesondere für die Entscheidung zu den oben genannten Akuttherapiemaßnahmen. Da Schlaganfallpatient*innen in vielen Fällen nicht kommunikationsfähig sind, sind die Kontaktdaten von Angehörigen wichtig, um möglichst alle notwendigen Informationen eruieren zu können. Eine standardisierte Übergabe im Zielkrankenhaus an die weiterbehandelnden Ärzt*innen schließt die Prähospitalphase mit dem Spitalseintritt ab.

Prähospitale Abschätzung des Schlaganfallschweregrads

Für die rechtzeitige Erkennung von Symptomen eines Schlaganfalls hat sich der Einsatz klinischer Tests bewährt, beispielsweise des FAST-Tests [7], der Cincinnati Prehospital Stroke Scale (CPSS; [8]) oder der Los Angeles Motor Scale (LAMS; [9]). Dabei wird der Schwerpunkt auf motorische Symptome gelegt. Diese beinhalten Elemente des Goldstandardtests der Schlaganfalldiagnostik (NIHSS; [4]). In Österreich wurden die Rettungskräfte in der Anwendung des FAST-Tests geschult, der ab einem erfüllten Parameter als positiv gilt (= Verdacht auf Schlaganfall).

Seit 2015 gibt es mit der mechanischen Thrombektomie eine neue Therapiemöglichkeit [10]. Bei diesem Katheterverfahren können Thromben aus großen Hirnarterien („large vessel occlusion“ [LVO]) mechanisch entfernt werden. Die Technik kann nur in den großen Zentren mit Comprehensive Stroke Units angeboten werden. Mit dieser neuen Therapiemöglichkeit ergeben sich auch Änderungen in der prähospitalen Triage. Da die Schwere des Schlaganfalls stark mit dem Vorliegen eines Hauptgefäßverschlusses korreliert, ist es wichtig, nicht nur die Schlaganfallsymptome, sondern auch die Schwere des Schlaganfalls vor Ort zu evaluieren, um Patient*innen schnellstmöglich der Einrichtung mit Thrombektomiemöglichkeit zuweisen zu können. Dafür wurden neue klinische Scores entwickelt [5], die nicht nur motorische Parameter, sondern auch kortikale Hirnfunktionen berücksichtigen (Tab. 2). Die Blickwendung zum Herd ist das Symptom mit der stärksten Korrelation zum proximalen Gefäßverschluss [11].

Tab. 2 Large-vessel-occlusion(LVO)-Scores im Vergleich

Klinische Scores zur Schweregradeinschätzung berücksichtigen neben der Motorik auch kortikale Hirnfunktionen

Vergleiche zwischen den einzelnen Scores gestalten sich schwierig. So konnte eine große Beobachtungsstudie keine signifikanten Unterschiede für die Detektion einer LVO finden [5, 12]. Die APSS wird derzeit in zwei österreichischen Bundesländern in zwei Einsatzvarianten erprobt. Einerseits wird versucht, sie über die Leitstelle bei Erstmeldung (und positivem FAST-Test) abzufragen, andererseits wurden in Wien die Rettungskräfte geschult und Patient*innen bei einem Score über 3 in die Comprehensive Stroke Unit transferiert. Durch die Reduktion der Sekundärtransporte – von der Stroke Unit ins Thrombektomiezentrum – kann dabei die Zeit bis zur Rekanalisierung signifikant reduziert werden.

Qualitätssicherung – Ergebnisse – Erfolge

Um die implementierten Prozesse überwachen zu können, werden umfangreiche Maßnahmen zur Qualitätssicherung installiert. Diese beinhalten eine verpflichtende Dokumentation des Patient*innenpfads beim Schlaganfall. Um eine lückenlose Datenerfassung zu gewährleisten, wurde tirolweit die International-Classification-of-Diseases(ICD-10)-Codierung der Entlassung, an die in Österreich die Vergütung geknüpft ist, auf I63 und I61 reduziert. Eine Abrechnung ist nur bei vollständig ausgefülltem Datensatz möglich. Diese Dokumentation wird von den jeweiligen Krankenanstalten durchgeführt und zentral durch den Tiroler Gesundheitsfonds (Land Tirol) gesammelt. Eine Plausibilitätskontrolle der Daten sowie eine Kontrolle der Vollständigkeit wird quartalsweise durch den Abgleich mit den Informationen aus der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung durchgeführt, fehlende Daten werden nachgefordert bzw. es wird um Bereinigung gebeten (Tab. 3).

Tab. 3 Verpflichtende Dokumentation des Tiroler Gesundheitsfonds

Zur Qualitätssicherung und -verbesserung wird zusätzlich einmal pro Jahr ein Bericht seitens des Tiroler Gesundheitsfonds erstellt, der einen anonymen Vergleich der Krankenanstalten ermöglicht und sowohl im Expert*innengremium als auch in persönlichen Gesprächen mit der entsprechenden Krankenanstalt diskutiert wird. Die Prozessabläufe und die Qualität der Schlaganfallversorgung werden auf Ebene der Krankenanstalten und zusätzlich auf Ebene der Wohnbezirke ausgewertet und verglichen. So können auch regionale Probleme aufgezeigt werden, beispielsweise lange Antransportzeiten oder eine Unterversorgung mit Thrombolysebehandlung oder Rehabilitation. Regelmäßige Treffen der Projektbeteiligten in den verschiedenen Krankenanstalten sollen Versorgungsprobleme aufzeigen und Verbesserungen des Behandlungsalgorithmus einleiten. So konnten beispielsweise in den letzten Jahren in einzelnen Regionen höhere Sekundärtransportraten von akuten Schlaganfallpatient*innen, die nicht direkt an ein Lysezentrum transportiert wurden, beobachtet werden. Nach Evaluation der Fälle wurden punktuell Nachschulungen im Prähospitalbereich angeboten. Im Folgenden werden einzelne Ergebnisse des Tiroler Schlaganfallpfads erläutert.

Thrombolyserate und Outcome nach Implementierung des Schlaganfallpfads

Im Jahr 2007 betrug die Thrombolyserate beim ischämischen Schlaganfall in Tirol flächendeckend 6,6 %. Nach Implementierung des Tiroler Schlaganfallpfads verdoppelte sie sich nahezu (12,9 %). In den folgenden drei Jahren stieg sie weiter auf 16,8 % [2]. Ursächlich für den Anstieg der Thrombolyserate sind die bessere Vernetzung aller Berufsgruppen sowie eine Homogenisierung der Thrombolyserate in ganz Tirol. Auch in anderen österreichischen Bundesländern, die einen vergleichbaren Schlaganfallpfad implementiert haben, ist die Thrombolyserate deutlich angestiegen [2].

Das klinische Outcome nach 3 Monaten hat sich nach Implementierung des Schlaganfallpfads ebenso deutlich verbessert. Während noch im Jahr 2010 etwa 40 % der Schlaganfallpatient*innen ein exzellentes funktionelles Outcome (modifizierte Rankin-Scale [mRS] 0–1, keine von Patient*innen bemerkbare Defizite) nach 3 Monaten erreichten, waren es im Jahr 2013 schon mehr als 50 %. Ähnlich verhalten sich die Zahlen für ein gutes funktionelles Outcome (mRS 0–2, allenfalls geringe Defizite) mit 56 % im Jahr 2010 gegenüber 66 % im Jahr 2013. Auch eine Homogenisierung des klinischen Outcomes bei Schlaganfallpatient*innen über alle Bezirke im Bundesland Tirol wurde durch den Schlaganfallpfad erreicht [2].

Weitere Erfolge sind eine deutliche Verbesserung der logopädischen Betreuung von Schlaganfallpatient*innen, ein obligates Dysphagiescreening und eine deutliche Abnahme von Aspirationspneumonien von initial knapp 10 % auf nun mehr 2,5 %. Diagnostische Abläufe wurden wesentlich beschleunigt. Knapp 80 % aller Schlaganfallpatient*innen erhalten die erste Bildgebung innerhalb einer Stunde, knapp 60 % erhalten eine transösophageale oder transthorakale Echokardiographie, 90 % eine Ultraschalluntersuchung der hirnzuführenden Gefäße [14]. Gerade die Coronavirus-disease-2019(COVID-19)-Pandemie mit den begleitenden Lockdown-Maßnahmen stellt eine Herausforderung an alle Bereiche des Gesundheitssystems dar. Besonders in diesem Setting sind klare Prozessabläufe und Zuständigkeiten sowie eine gut etablierte Kommunikation zwischen den beteiligten Disziplinen essenziell. Die ausgewerteten Daten des Jahres 2020 zeigen, dass der Versorgungsprozess über den Schlaganfallpfad äußerst stabil ist und die Prozessabläufe durch die Pandemie nicht beeinträchtigt wurden (Publikation in Vorbereitung).

Diskussion

Der Schlaganfallpfad Tirol konnte ein standardisiertes Konzept etablieren, das die gesamte Schlaganfallversorgungskette optimiert und eine stärkere Vernetzung aller beteiligten Berufsgruppen und Sektoren gefördert hat. Nach Implementierung hat sich die Thrombolyserate fast verdoppelt und die Rate des guten funktionellen Outcomes ist im Laufe der Jahre angestiegen. Die Anzahl der Patient*innen im Schlaganfallpfad Tirol ist in den letzten Jahren konstant geblieben bzw. gering gestiegen (Abb. 4). Gemäß den Leitlinien der American Stroke Association und der American Heart Association liefert das Projekt eine Evidenzlevel-IB-Empfehlung für evidenzbasierten Gebrauch der Thrombolysetherapie und gute Outcomes nach Schlaganfall in Versorgungsprogrammen [14]. In den letzten Jahren wurden viele Nachsorgekonzepte nach ischämischem Schlaganfall umgesetzt. Der europäische Aktionsplan Schlaganfall 2018–2030 empfiehlt die Etablierung umfassender Schlaganfallpfade in allen Regionen und Ländern Europas [15]. Neben dem Schlaganfallpfad Tirol mit der ambulanten Rehabilitation gibt es keine qualitätsgesicherten publizierten Schlaganfallnachsorgeprogramme mit multimodalen Komponenten, welche die gesamte Versorgungskette umfassen [16].

Abb. 4
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Patient*innen im Schlaganfallpfad Tirol

Das Konzept der mobilen Stroke Units ist in komplexen geografischen Lagen keine Option

Ein anderes Konzept der Akutversorgung sind die sogenannten mobilen Stroke Units. Hier werden mobile Computertomographen sowie das nötige Material und Medikamente mit dem Fahrzeug zum Patienten transportiert und die Akutversorgung mit potenzieller Thrombolyse extramural durchgeführt [17]. Das Konzept konnte bisher jedoch nur in urbanen Regionen überzeugen und ist in komplexen geografischen Lagen wie in Tirol keine Option. Prähospitalscores wie der FAST-Test und die APSS können eine bessere Organisation der Rettungskette ermöglichen und sollten flächendeckend eingesetzt werden.

Fazit für die Praxis

  • Mit dem Schlaganfallpfad Tirol konnte ein standardisiertes Konzept etabliert werden, das die gesamte Schlaganfallversorgungskette optimiert und eine stärkere Vernetzung aller beteiligten Berufsgruppen und Sektoren gefördert hat.

  • Das Konzept der integrierten Versorgung mit Optimierung der Versorgungsprozesse hat zu einer signifikanten Verbesserung der Ergebnisqualität 3 Monate nach dem akuten Schlaganfallereignis geführt.

  • Nach Implementierung hat sich die Thrombolyserate fast verdoppelt und die Rate des guten funktionellen Outcomes ist angestiegen.

  • Für eine schnelle und effektive Rettungskette werden Prähospitalscores empfohlen.