Eine Vielzahl von Faktoren begünstigt eine qualitativ schlechte Entlassung von Patienten. Ein Mix aus sozialen und medizinischen Faktoren sowie die Umstände des Besuchs (Infobox 1) sind oftmals miteinander verbunden und es kann meistens nicht mit Sicherheit bestimmt werden, welches der ursächliche Faktor ist. Einige der Risikofaktoren werden im Folgenden näher dargestellt.
Infobox 1 Risikofaktoren für Entlassungsversagen
Sozialen Risikofaktoren
-
Niedriger sozioökonomischer Status
-
Fehlen eines Hausarztes
-
Eingeschränktes Verstehen
-
Niedriges Gesundheitsbewusstsein
-
Migrationshintergrund
Medizinischen Risikofaktoren
-
Alkoholabhängigkeit und Substanzmissbrauch
-
Psychiatrische Erkrankungen
-
Geistige oder körperliche Behinderungen
-
Komorbiditäten und chronische Erkrankungen
-
Altersextreme
Variablen Risikofaktoren
Niedriger sozioökonomischer Status
Die Höhe des Einkommens wird in den meisten Studien nicht erfasst, weswegen als Anhaltspunkt in Studien aus den Vereinigten Staaten der Versicherungsstatus Medicaid oder die Benutzung von Sozialhilfen als Indikator für einen niedrigen sozioökonomischen Status gewertet wird. Es zeigte sich, dass Patienten mit niedrigem sozioökonomischen Status ein erhöhtes Risiko hatten, Nachbehandlungstermine nicht wahrzunehmen [25]. Ebenfalls in den Vereinigten Staaten zeigten Studien, dass Obdachlosigkeit und mangelnder Versicherungsschutz zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von erneuten Notfallkonsultationen innerhalb von 72 h führen (Odds-Ratio [OR] 1,2; [13, 15, 18]).
Fehlen eines Hausarztes
Patienten ohne Hausarzt wiesen ein erhöhtes Risiko für erneute Vorstellung innerhalb von 72 h, mehrfache Vorstellung in der Notfallstation, Malcompliance bei Medikamenten und Verpassen von Nachbehandlungsterminen auf [31].
Eingeschränktes Verstehen und niedriges Gesundheitsbewusstsein
Eingeschränktes Verständnis bei Patienten kann an sich nicht als Entlassungsversagen gesehen werden, obwohl spekuliert wird, dass dies zu einer niedrigen Adhärenz bei Verschreibungen führt [29]. Ein niedriger Ausbildungsstatus (z. B. weniger als 9 Jahre Schulbildung) wurde ebenfalls als Einflussfaktor auf Entlassungsversagen beschrieben mit dem Risiko, die Entlassungsinstruktionen nicht korrekt zu verstehen oder zu erfassen [14].
Migrationshintergrund und unterschiedliche Ethnien
Unterschiedliche Ethnien in US-amerikanischen Studien unter African Americans und Hispanics zeigten, dass Folgetermine bei Hausärzten verpasst wurden, eine Nichtcompliance bei Verschreibungen sowie erneute Besuche in der Notfallstation und Aufnahme ins Krankenhaus [6, 10, 13, 31].
Alkoholabhängigkeit und Substanzmissbrauch
Alkoholabhängigkeit, Drogenmissbrauch und psychiatrische Vorerkrankungen stellen ebenfalls Risikofaktoren für Entlassungsversagen dar. Patienten in aktueller psychiatrischer Betreuung, Anamnese für psychiatrische Hospitalisierungen (OR 2,52), Suizidalität (OR 2,04) und aggressives Verhalten (OR 2,85) sind mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine erneute Vorstellung auf der Notfallstation innerhalb von 6 Monaten verbunden (OR 2,63; [6]). Alkoholabhängigkeit war in einer nationalen US-amerikanischen Studie ebenfalls mit einer Wiedervorstellung innerhalb von 72 h assoziiert (OR 1,39; [18]). Überraschenderweise war Alkoholabhängigkeit bei Patienten über 65 Jahre jedoch mit einer erniedrigten 30-Tage-Wiedervorstellungsrate und einer insgesamt niedrigeren Häufigkeitsrate an Wiedervorstellungen in der Notfallstation verbunden (OR 0,29 und 0,38; [16]).
Alkoholabhängigkeit ist mit einem erhöhten Wiedervorstellungsrisiko assoziiert
Generell wurden Alkoholabhängigkeit, Drogenmissbrauch und psychiatrische Vorerkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Wiedervorstellungen zu verschiedenen Zeitpunkten, für häufige Besuche und Tod assoziiert [16, 18, 28].
Geistige oder körperliche Einschränkungen
Studien bei Patienten im Alter von über 65 oder über 75 Jahren mit physischer oder geistiger Einschränkung zeigten ein erhöhtes Risiko für eine erneute Vorstellung nach 1, 3, 6 und12 Monaten, für häufige Besuche (>3 in 6 Monaten), eine stationäre Aufnahme nach Entlassung aus der Notfallstation und für Schwierigkeiten, die Instruktionen bei der Entlassung zu verstehen [7, 9, 16]. Risikofaktoren für eine stationäre Aufnahme in dieser Altersgruppe sind Unvermögen, selbständig mobil zu sein (OR 2,03) und eine Pflege zu Hause (OR 2,68; [3]). Fehlende Unterstützung im Haushalt in der Altersgruppe über 65 Jahre stellt ebenfalls einen Risikofaktor für häufige Besuche in der Notfallstation dar (OR 3,35; [16]).
Komorbiditäten und chronische Erkrankungen
Eine Vielzahl medizinischer Erkrankungen ist mit dem Risiko eines Entlassungsversagens verbunden. Bei den über 65-jährigen sind Herzerkrankungen (OR 1,45) oder Depressionen (OR 1,77) mit einem erhöhten Risiko für eine erneute Vorstellung innerhalb von 30 Tagen oder die häufige Nutzung der Notfallstation verbunden [16]. Ischämische Herzerkrankungen und Bluthochdruck sind ebenfalls Risikofaktoren für Wiedervorstellungen innerhalb von 3 Monaten [17]. Patienten mit chronischen Erkrankungen haben allgemein ein erhöhtes Risiko für eine Wiedervorstellung innerhalb von 72 h und einen erhöhten Bedarf an medizinischen Transportdiensten [21, 31].
Alter
Eine Vielzahl an Studien beschreibt fortgeschrittenes Alter ab dem 65. Lebensjahr und identifizieren dies als Risikofaktor für Entlassungsversagen mit Wiedervorstellung innerhalb von 72 h bzw. 28 Tagen, Verpassen von Nachbehandlungsterminen, mangelndem Verständnis von Instruktionen bei Entlassung und fehlender Medikamentencompliance [12]. Da höheres Alter mit anderen Faktoren wie chronische Erkrankungen einhergeht, ist nicht eindeutig, ob ein Alter über 65 alleine einen unabhängigen Risikofaktor bezüglich Entlassungsversagen darstellt.
Weitere Risikofaktoren für Entlassungsversagen
Die Umstände eines Besuchs, wie Zeitpunkt, Hauptbeschwerde und Dringlichkeitsstufe, können ebenfalls Einfluss auf die Qualität der Entlassung haben. Patienten über 65 Jahre haben bei einer Vorstellung am Wochenende ein höheres Risiko der Wiedervorstellung (OR 1,03). Hauptbeschwerden, wie Erbrechen, Konstipation, Kopfschmerzen und Nierenkoliken, haben ein erhöhtes Risiko einer Wiedervorstellung [4, 12]. Ebenso ist eine falsche Entlassdiagnose mit einer ungeplanten Wiedervorstellung in der Notfallstation assoziiert [31]. Eine höhere Triagestufe ist ebenfalls mit höherer Wiedervorstellung innerhalb 72 h verbunden [18].
Ein starker Prädiktor für Entlassungsversagen ist die Häufigkeit früherer Besuche in der Notfallstation. Häufige Besuche sind unterschiedlich definiert: Wiedervorstellung innerhalb von 30 Tagen [7, 16] bzw. 90 Tagen, 3 oder mehr Besuche innerhalb eine Jahrs [12] oder 1 Besuch innerhalb von 18 Monaten [13]. Trotz unterschiedlicher Definition sind vorherige und häufigere Besuche ein guter Prädiktor für zukünftige Besuche in der Notfallstation (OR 7,9; [12]).