Einführung

Kinder sind anfällig für die Coronaviruskrankheit 2019 (COVID-19), scheinen jedoch häufig nur einen milden Krankheitsverlauf zu haben [1,2,3,4,5,6,7]. Sehr kleine Kinder und Kinder mit Komorbiditäten sind möglicherweise anfälliger für schwere Krankheitsverläufe. In der größten derzeit veröffentlichten pädiatrischen Fallserie (chinesische CDC 01/16–02/08; n = 2143) hatten 5,2 % der Kinder einen schweren Krankheitsverlauf (definiert als „Dyspnoe, zentrale Zyanose und eine Sauerstoffsättigung von weniger als 92 %“), 0,6 % der erkrankten Kinder hatten einen kritischen Krankheitsverlauf [9]. Jedoch können viele andere Krankheitserreger und/oder Ursachen bei Kindern zu respiratorischem Versagen führen und es kann schwierig sein, eine eindeutige Diagnose zu stellen [10].

In Anbetracht dessen ist sich die ERC Pediatric Guideline Writing Group (pWG) bewusst, dass Änderungen der Reanimationsleitlinien erhebliche Auswirkungen auf das Management und das Outcome kritisch kranker Kinder haben können [11,12,13].

Diese „temporären“ Anpassungen an die bestehenden pädiatrischen Leitlinien im Rahmen von COVID-19 sollen im Kontext jedes Gesundheitssystems interpretiert werden, z. B. unter Berücksichtigung der Verbreitung von COVID-19 und der sich daraus entwickelnden Krankheitsverläufe sowie der allgemeinen Auswirkungen auf die verfügbaren Ressourcen. Angesichts der begrenzten Evidenz sind die folgenden Leitlinien maßgeblich das Ergebnis eines Expertenkonsenses. Sie basieren auf dem aktuellen systematischen Review des International Liaison Commitee on Resuscitation (ILCOR) und den aktuellen Leitlinien anderer Gesellschaften, die entsprechende pädiatrische klinische Studien einschließen [8, 14,15,16,17,18,19,20]. Indirekte Hinweise aus Studien an Erwachsenen oder nichtklinischen Arbeiten (Pathophysiologie usw.) wurden bei der Erstellung dieser Empfehlungen ebenfalls berücksichtigt.

Schutz von Umstehenden und Angehörigen der Gesundheitsberufe

  1. a.

    Gesundheitssysteme sollen über Verfahren und die notwendigen Materialien verfügen, um ihre Mitarbeiter (Angehörige der Gesundheitsberufe, Ersthelfer usw.) angemessen zu schützen. Dies schließt ein: die Verfügbarkeit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und die Anleitung zu ihrem Gebrauch; klare Strategien zu Kohorten, Testverfahren und Dekontamination; schriftlich fixierte Protokolle und Einsatzteams für besonders gefährliche Maßnahmen [21, 22].

    Diese Verfahren müssen den unterschiedlichen klinischen Kontext/Situation und die damit verbundenen Risiken sowie die verfügbaren Ressourcen berücksichtigen. Strategien für die Implementierung in allen Umgebungen und laufende Schulungen (inkl. Simulationen) sind unerlässlich.

  2. b.

    Medizinisches Personal soll eine PSA verwenden, wenn es ein Kind mit Verdacht auf oder bestätigtem Covid-19-Infekt behandelt. Die Art der PSA soll durch die Behörden/Gesellschaft definiert werden, angepasst an das vermutete Übertragungsrisiko [17]. Um das Übertragungsrisiko zu begrenzen und Ressourcen zu schonen, soll die Anzahl von Beteiligten auf das nötige Minimum begrenzt werden.

  3. c.

    Laienhelfer sollen sich so weit wie möglich schützen und Maßnahmen mit einem hohen Übertragungsrisiko vermeiden. Ersthelfer, die Betreuer oder Haushaltsmitglieder des Kinds sind, sind wahrscheinlich bereits dem Virus ausgesetzt gewesen und möglicherweise eher bereit, unabhängig vom potenziell erhöhten Risiko Unterstützung zu leisten.

  4. d.

    Laien und professionelle Helfer müssen sich potenzieller Risiken bewusst sein, die Entscheidung darüber, wann und inwieweit eingegriffen wird, soll individuell getroffen werden, jedoch nur, soweit dies keinen anderen Helfer gefährdet.

Bei etwa 70 % der pädiatrischen Kreislaufstillstände außerhalb des Krankenhauses handelt es sich bei den Ersthelfern wahrscheinlich um Familienmitglieder, die zuvor SARS-CoV‑2 ausgesetzt waren (wenn das Kind infiziert war). Sie mögen auch ihr persönliches Risiko als weitaus weniger wichtig betrachten als den potenziellen Nutzen für das Kind. Dies erscheint für zufällige Ersthelfer unwahrscheinlich. Medizinisches Personal schätzt den Nutzen für das Kind möglicherweise auch höher als das persönliche Risiko ein, soll sich jedoch seiner Verantwortung gegenüber Verwandten, Kollegen und der Gesellschaft bewusst sein [23].

Das Erkennen des kritisch kranken Kinds

Die derzeitige Empfehlung zum Erkennen des kritisch kranken Kinds gilt weiterhin, unabhängig davon, ob das Kind an COVID-19 leidet oder nicht [24]. Der ERC betont die Bedeutung der Früherkennung kritisch Kranker – zunächst durch eine kurze Betrachtung von Verhalten, Atmung und Körperfarbe (z. B. wie im pädiatrischen Dreieck) – und anschließend, falls erforderlich, eines umfassenden schrittweisen, auf der Pathophysiologie basierenden ABCDE-Ansatzes (siehe auch Abschnitt für das Management von Atemwegen und Atmung; [25]). Es gibt keine klinischen Anzeichen oder biochemischen Parameter mit guter Sensitivität oder Spezifität für COVID-19 an sich [2, 26,27,28]. Professionelle Ersthelfer sollen besonderes Augenmerk auf Hypoxie und Myokarditis richten, die auftreten können, ohne dass andere offensichtliche klinische Anzeichen vorliegen. Teamwork ist wichtig für das Management von kritisch kranken oder verletzten Kindern; die Teamgröße sollte in jeder Phase optimiert werden (im Hinblick auf die Wirksamkeit).

Atemwegs- und Beatmungsmanagement eines kritisch kranken Kinds mit potenzieller COVID-19-Infektion

  1. a.

    Öffnen Sie bei Bedarf die Atemwege durch Positionieren und, soweit möglich, durch Überstrecken des Kopfs sowie Anheben des Kinns (siehe auch Abschn. 4) oder Esmarch-Handgriff (bei Trauma oder Beutel-Masken-Beatmung, BMV). Unabhängig vom COVID-19-Status des Kinds bleibt das Offenhalten der Atemwege ein entscheidender Bestandteil des Atemwegsmanagements eines schwerkranken oder verletzten Kinds (siehe auch unten).

  2. b.

    Verwenden Sie frühzeitig zusätzlichen Sauerstoff, um die Sauerstoffversorgung zu unterstützen (vermeiden Sie jedoch unnötige Hyperoxie; [29,30,31]). Sauerstoff kann durch eine Nasenbrille, eine einfache Sauerstoffmaske oder eine Maske ohne Rückatmung verabreicht werden. Legen Sie dem Patienten eine chirurgische Maske an, wenn Sie eines dieser Geräte verwenden (bei allen Patienten, bei denen COVID-19 nicht ausgeschlossen werden kann). Geben Sie bei Bedarf Medikamente über MDI/Spacer (Metered Dose Inhaler/Spacer) anstelle eines Verneblers (auch wenn es sich an sich nicht um ein aerosolerzeugendes Verfahren [AGP] handelt, kann Letzteres mit einem höheren Risiko einer Krankheitsübertragung verbunden sein). Eine High-flow-Sauerstofftherapie über eine Nasenbrille, wiederum kombiniert mit einer chirurgischen Maske, sollte bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen die anfängliche Low-flow-Sauerstofftherapie nicht ausreicht. COVID-19-Patienten können gut auf CPAP („continous positive airway pressure“) ansprechen, wodurch möglicherweise eine Intubation vermieden werden kann.

  3. c.

    Erwägen Sie eine rechtzeitige Intubation zur Unterstützung von Oxygenierung und Ventilation bei Patienten, bei denen eine nichtinvasive Beatmung (NIV) nicht ausreicht, die ein dekompensiertes respiratorisches Versagen mit starker Atemnot zeigen oder bei denen ein Kreislaufstillstand vorliegt. Wenn eine vorübergehende Beutel-Masken-Beatmung erforderlich ist, achten Sie auf minimale Leckage während der Beatmung und verwenden Sie einen Virenfilter (Heat-and-moisture-exchanger[HME]-Filter oder einen High-efficiency-particle-air[HEPA]-Filter) zwischen Maske und Beutel. Wenn ein einzelner Helfer nicht in der Lage ist, die Maske dicht zu halten, wechseln Sie zur 2‑Helfer-Methode (die Person, die Thoraxkompressionen durchführt, kann eine Pause einlegen, um den Beutel zu drücken). Ein supraglottischer Atemweg (SGA) kann von Erfahrenen in Betracht gezogen werden. Es ist jedoch wichtig, eine ordnungsgemäße Abdichtung sicherzustellen. Mit einem SGA kann man weniger zuverlässig Aerosole verhindern als mit einem Trachealtubus, er bietet jedoch möglicherweise eine bessere Atemwegsabdichtung als eine Gesichtsmaske [31].

  4. d.

    Atemwegsinterventionen müssen vom kompetentesten verfügbaren Mitarbeiter durchgeführt werden. Es sollen Protokolle/Handlungsanweisungen für die Notfall- und elektive Intubation von Kindern mit potenzieller COVID-19-Infektion vorliegen [16]. Idealerweise werden spezielle Teams vordefiniert und spezielle Intubationswagen (mit angemessener PSA, einschließlich Gesichtsschutz für die beteiligten Mitarbeiter) vorab zur Verfügung gestellt [17].

    Gecuffte Tuben werden empfohlen und die Durchführenden sollen darauf achten, dass (vor dem ersten Beatmungshub) ein suffizienter Cuffdruck vorliegt. Geübte Durchführende sollen, falls verfügbar, die Verwendung der Videolaryngoskopie anstelle der direkten Laryngoskopie in Betracht ziehen, um sowohl die eigene Sicherheit zu erhöhen als auch eine verbesserte Visualisierung zu gewährleisten. Bei laufender CPR sollen die Thoraxkompressionen während eines Intubationsversuchs unterbrochen werden.

Es besteht ein hohes Risiko der Übertragung von Viren während aller Verfahren zur Atemwegsicherung, einschließlich der trachealen Intubation, der Verwendung einer supraglottischen Atemwegsicherung, der Durchführung einer BMV, der nichtinvasiven Beatmung, einer Tracheotomie, der Dekonnektion von Beatmungshilfen, der Absaugung oder der Verwendung eines oro- oder nasopharyngealen Atemwegs. Diese Verfahren verlangen, dass alle Beteiligten, die im Raum anwesend sind, entsprechende PSA tragen [16]. Begrenzen Sie die Aerosolausbreitung, indem Sie einen Virusfilter (HME-Filter oder HEPA-Filter) zwischen Atemweg (Maske, Tubus, SGA) und Beatmungseinheit (Beutel, Respirator) sowie einen zusätzlichen Filter am expiratorischen Schenkel des Beatmungsgeräts anbringen; klemmen Sie den Tubus ab, bevor Sie dekonnektieren; verwenden Sie ein Muskelrelaxans, um ein mögliches Husten des Patienten zu verhindern; und verwenden Sie geschlossene Absaugsysteme.

Erkennen eines Kreislaufstillstands bei Kindern und BLS-Algorithmus

Prüfen Sie, ob das Kind auf Ansprache oder Stimulation adäquat regiert – bei einem nichtreagierenden Kind beurteilen Sie die Atmung visuell (Brustkorbbewegungen) und optional, indem Sie eine Hand auf den Bauch legen [32]. Nähern Sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht dem Mund oder der Nase des Patienten. Kreislaufstillstand ist definiert als „nicht reagieren und nicht normal atmen“.

Ungeschulte Laienretter haben wahrscheinlich direkt zu Beginn den Rettungsdienst informiert (112/nationale Notrufnummer); geschulte Retter sollen dies tun, bevor sie mit der Thoraxkompression beginnen. In Fällen, in denen 2 oder mehr Helfer vorhanden sind, soll ein zweiter Helfer sofort den Rettungsdienst anrufen.

Sobald ein Kreislaufstillstand festgestellt wurde, sollen die Retter mindestens CPR mit alleinigen Thoraxkompressionen durchführen. Legen Sie in einem solchen Fall eine Mundschutzmaske über Mund und Nase des Kinds, bevor Sie mit Thoraxkompressionen beginnen. Die routinemäßige Verwendung eines Tuchs als Alternative wird wegen des potenziellen Risikos einer Atemwegsobstruktion und/oder einer Einschränkung der passiven Luftbewegung (durch die Kompressionen) nicht empfohlen. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass ein Tuch die Übertragung über die Luft verhindert. Wenn jedoch keine chirurgische Maske verfügbar ist und dieses Tuch die Rettungskräfte dazu ermutigt, Unterstützung zu leisten, wo sie dies sonst nicht tun würden, sollen sie dieses verwenden (leicht über Mund und Nase drapiert).

Sofern kein primärer kardialer Ursprung wahrscheinlich ist („beobachteter Kollaps“), sollen Helfer, die bereit und dazu in der Lage sind, auch die Atemwege öffnen und Atemspende nach den Leitlinien von 2015 geben, in dem Wissen, dass dies wahrscheinlich das Infektionsrisiko steigert (wenn das Kind COVID-19 hat), aber auch das Outcome signifikant verbessern kann (siehe „Schutz von Umstehenden und Angehörigen der Gesundheitsberufe“; [24, 31]).

Wenn ein automatisierter externer Defibrillator (AED) verfügbar ist, sollen geschulte Helfer ihn sobald wie möglich verwenden. Ein AED soll bei vom Leitstellendisponenten geleiteten CPR in den Fällen empfohlen werden, in denen die Wahrscheinlichkeit eines primär schockbaren Rhythmus ausreichend hoch ist: in Fällen eines plötzlichen beobachteten Zusammenbruchs; bei Kindern mit einer kardialen Vorerkrankung; bei Kindern, die älter als 1 Jahr sind und keine erkennbare nichtkardiale Ursache für einen Stillstand haben, vorausgesetzt, es sind mindestens 2 Ersthelfer und ein AED in der Nähe.

Rettungsdienstkräfte oder ALS-Teams im Krankenhaus müssen vor dem Eintreffen am Patienten vor Luftpartikeln schützende PSA anlegen, auch wenn dies den Beginn der CPR verzögert, es sei denn, COVID-19 wurde ausgeschlossen (siehe „Schutz von Umstehenden und Angehörigen des Gesundheitswesens“; [17]). Handlungsanweisungen vor Ort sollen dies erleichtern und Verzögerungen minimieren. Personen, die nur PSA zum Tröpfchenschutz tragen, können in Betracht ziehen, anfänglich eine Defibrillation durchzuführen, bevor sie bei Kindern mit einem identifizierten defibrillierbaren Rhythmus eine weitergehende PSA anlegen. Wenn Sie die entsprechende PSA tragen, führen Sie die CPR nach den Algorithmen aus dem Jahr 2015 durch. Verzögern Sie die CPR nicht, um eine invasive Atemwegssicherung durchzuführen. Beatmen Sie initial mit Beutel-Maske (siehe „Atemwegs und Beatmungsmanagement eines kritisch kranken Kindes mit potenzieller COVID-19-Infektion“).

Teilen Sie allen beteiligten Anbietern den COVID-19-Status des Kindes mit (siehe auch ERC-COVID-19-Richtlinien zur Ethik).

Fremdkörperatemwegsobstruktion (FBAO)

Die bestehenden Leitlinien für das Management von Fremdkörperaspirationen gelten weiterhin, unabhängig vom vermuteten COVID-19-Status [24]. Helfer sind meistens Betreuer oder Haushaltsmitglieder des Kinds und haben daher nur ein begrenztes Risiko. In Fällen, in denen Husten noch als wirksam angesehen wird, sollen Ersthelfer oder professionelle Helfer zum Husten auffordern, während sie ausreichend Abstand halten. Setzen Sie dem Kind zu diesem Zeitpunkt keinen Mund-Nasen-Schutz auf. Anwesende sollen frühzeitig einen Notruf absetzen, insbesondere, wenn Husten unwirksam zu werden droht.

Advanced Life Support (ALS)

  1. a.

    Bei Kindern mit bestätigter oder vermuteter COVID-19-Infektion müssen ALS-Teams eine geeignete PSA tragen, bevor sie beim Patienten ankommen. Halten Sie die Teams so klein wie möglich, ohne die Handlungsfähigkeit zu beeinträchtigen.

  2. b.

    Wenn ein Defibrillator sofort verfügbar ist, schalten Sie ihn ein, legen Sie die Defibrillatorpads an und geben Sie einen Schock ab, wenn der Rhythmus Kammerflimmern/pulslose ventrikuläre Tachykardie (VF/pVT) ist. Wenn das Kind in VF/pVT bleibt und Sie eine PSA mit Luftpartikelschutz tragen, beginnen Sie mit Thoraxkompressionen. Wenn Sie keine entsprechende PSA tragen, geben Sie bis zu 2 zusätzliche Schocks (falls indiziert) ab, während andere Mitarbeiter die empfohlene PSA anlegen [17, 31].

  3. c.

    Eine frühzeitige Identifikation und suffiziente Behandlung reversibler Ursachen während der CPR ist wichtig. Einige dieser reversiblen Ursachen erfordern „erweiterte“ Wiederbelebungstechniken: Erwägen Sie einen frühen Transport zu einem Zentrum, das diese für Kinder durchführen kann. Es gibt keine ausreichende Datenlage zur Verwendung einer extrakorporalen Zirkulation bei Kindern mit COVID-19-Infektion. In Einrichtungen mit entsprechender Ausstattung muss die Verwendung auf Basis einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden.

Ethische Überlegungen bei der Wiederbelebung von Kindern während der COVID-Pandemie

Hierzu verweisen wir auf die speziellen ERC-COVID-19-Richtlinien zur Ethik. Die ethischen Grundsätze und Empfehlungen unterscheiden sich nicht wesentlich bei Erwachsenen und Kindern.