Einleitung

Im Verlauf einer fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankung richten sich Wünsche und Erwartungen von Patienten zunehmend auf den Erhalt einer bestmöglichen Lebensqualität. Auch aus medizinischer Sicht erscheint die Indikation und Angemessenheit stark interventioneller Maßnahmen zunehmend fraglich [11]. Dieses „palliative“ Verständnis kann mit der Leitidee der Notfallversorgung, wirksame Maßnahmen zum bestmöglichen Lebenserhalt durchzuführen, konkurrieren. Rettungsdiensteinsätze bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung können somit zu belastenden Situationen für Patienten und Angehörige, aber auch für das nichtärztliche rettungsdienstliche Personal führen – insbesondere, wenn dieses vor dem Notarzt beim Patienten eintrifft.

Hintergrund

Die notfallmäßige Hospitalisierungsrate von Patienten mit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen liegt zwischen 3 und 10 % [6, 20]. Angloamerikanische Studien belegen eine Hospitalisierungsrate von bis zu 25 % [13]. Diese Erkenntnisse decken sich mit noch unveröffentlichten Zahlen des Forschungsprojekts „Evaluierung der SAPV-Richtlinie: Outcomes, Interaktionen, Regionale Unterschiede (SAVOIR)“ [3]: Unter Patienten, die in eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) aufgenommen wurden, kommt es bei insgesamt 27,4 % zu mindestens einer Krankenhauseinweisung pro Jahr – in 3,8 % aller Fälle geschieht dies notfallmäßig. Hohe Hospitalisierungsraten werden als Indikator einer Überversorgung diskutiert [14]. Gründe für diese Zahlen werden u. a. in mangelnden Kooperationen zwischen Palliativ- und Notfallversorgung auf regionaler Ebene [23], unzureichender Vorbereitung von An- und Zugehörigen auf die Erkrankungssituation der Patienten [13] sowie fehlenden aussagekräftigen und validen Notfall- und Krisenbögen gesucht.

Notfälle bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung werden zumeist durch akute Symptomexazerbationen (Schmerzkrisen, akute Atemnot, starke Blutungen bzw. drohenden Kreislaufstillstand) hervorgerufen [15, 23]. Für das ersteintreffende, nicht-ärztliche Rettungsdienstpersonal bedeuten diese Einsatzsituationen oft, dass Entscheidungen über die Einleitung von Therapiemaßnahmen und über die Therapieintensität getroffen werden müssen, die über den erlernten oder rechtlich zugesicherten Kompetenzen liegen und für die es – anders als bei den meisten anderen für den Rettungsdienst relevanten Krankheitsbildern – keine allgemeingültig anwendbaren Behandlungsalgorithmen gibt [8]. Inwiefern Handlungsempfehlungen für palliative Situationen [1, 19] oder Kategorien zur Einteilung palliativer Notfälle [7] auch unter nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal bekannt sind oder für Entlastung sorgen, ist derzeit unklar und wurde auch im Rahmen dieser Studie nicht überprüft.

Obwohl bereits 2008 [21] nachgewiesen werden konnte, dass eine Notfallversorgung von Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung auch für das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal aufgrund fehlender Ausbildung, fehlender Leitlinien sowie konfligierender palliativmedizinischer Prinzipien, die dem routinemäßigen Vorgehen in der Notfallsituation gegenüberstehen, zu einer besonderen Herausforderung werden kann, liegt der Forschungsfokus bislang vor allem auf der Situation des ärztlichen Personals [9, 16, 24]. Dabei erzeugen komplizierte rechtliche Rahmenbedingungen zwischen Grundgesetz, Bürgerlichem Gesetzbuch, Heilpraktikergesetz, Notfallsanitätergesetz und Strafrecht besonders für das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal eine rechtlich dilemmatische Entscheidungssituation [10].

Die vorliegende Studie soll daher die wahrgenommenen Konflikte, die Belastungsauswirkung auf das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal (explizit: Rettungsassistenten und Notfallsanitäter) sowie deren Wünsche bezüglich einer Erweiterung ihrer Entscheidungskompetenz analysieren.

Methodik

Aufgrund der geringen Verfügbarkeit empirischer Forschungsdaten zur Thematik wurde ein Fragebogen mit geschlossenen und offenen Anteilen erarbeitet und pilotiert („mixed methods design“). Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte daher sowohl quantitativ (geschlossene Fragen; Ja/nein-Antwortmöglichkeiten, Mehrfachantworten, Skalierungen) als auch qualitativ (offene Fragen; Freitexte). Zur Distribution des Befragungsinstruments wurde ein Schneeballverfahren eingesetzt, bei dem der Fragebogen mit der Bitte um Weiterleitung an das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal an alle deutschen Rettungswachen versandt wurde.

Teilnehmende sollten zunächst im Rahmen einer Freitextangabe im Einsatz erlebte Konflikte im Umgang mit Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung reproduzieren. Dabei wurde mittels drei verschiedener Fallvignetten verdeutlicht, welche Einsatzsituationen hier mit der Begrifflichkeit „fortgeschrittene, unheilbare Erkrankung“ verbunden werden. In einem zweiten Schritt wurden spezifische, vorformulierte Belastungssituationen nach Intensität und subjektiv empfundener Häufigkeit der wahrgenommenen Belastung erfragt (Mehrfachantwortmöglichkeiten). Abschließend wurden die Wünsche des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals bezüglich der Erweiterung ihrer Entscheidungskompetenz geschlossen formuliert abgefragt. Zur Validierung dieser Ergebnisse wurde zusätzlich um die Begründung des Antwortverhaltens im Rahmen eines weiteren Freitextfelds gebeten.

Die im Rahmen des qualitativen Anteils erhobenen Antworten wurden in der Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring) in Themenbereiche kategorisiert (In-vivo-Kategorien) und entsprechend den Kategorien ausgewertet. Hierzu wurde die Software MAXQDA 12 verwendet. Die quantitative Datenauswertung der Belastungsanalyse erfolgte deskriptiv mithilfe des Statistikprogramms IBM SPSS Statistics 26. Zur Zusammenführung der Ergebnisse wurde während der statistischen Datenaufbereitung der Belastungs-Items eine Reliabilitätsanalyse mit Cronbachs Alpha durchgeführt. Diese bestätigte eine interne Konsistenz der Items (∅ Cronbachs α = 0,869, gute interne Konsistenz). Damit wurde eine Mittelwertzusammenfassung der Belastungs-Items in spezifische während der qualitativen Auswertung herausgearbeitete Konfliktdimensionen als zulässig erachtet und durchgeführt. Der Cut-off für „belastend“ bzw. „regelmäßig erlebt“ wurde bei Werten >2 (ursprüngliche Likert-Skala von 1 [„nicht belastend“ bzw. „nicht erlebt“] bis 4 [„sehr belastend“ bzw. „häufig erlebt“]) festgelegt.

Die Auswertung der Daten erfolgte anonymisiert, sodass Rückschlüsse auf einzelne Teilnehmende nicht möglich sind. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen geprüft (18/5/14An).

Ergebnisse

An der Befragung beteiligten sich insgesamt 295 Personen, nach Analyse der Qualifikation (Rettungsassistent/Notfallsanitäter) wurden 283 Personen eingeschlossen, davon 242 männliche (85,5 %) und 41 weibliche (14,5 %) Teilnehmende. Von den Befragten gaben 155 (54,8 %) eine Qualifikation als Notfallsanitäter an, während 128 (45,2 %) als Rettungsassistenten tätig waren. Der Altersbereich der Teilnehmenden erstreckte sich zwischen 20 und 63 Jahren (35,66 ± 9,67 Jahre).

Erlebte Konfliktdimensionen

Im Umgang mit Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung konnten für das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal unterschiedliche Konflikte herausgearbeitet werden, die sich in vier Dimensionen einteilen lassen:

  1. a)

    Patientenbezogene Konfliktdimension: Hierunter werden Konflikte in Bezug auf die durch das Personal erlebte soziale und/oder medizinische Situation des Patienten, aber auch bezüglich der wahrgenommenen (eingeschränkten) Selbstbestimmung des Patienten verstanden. Dabei stehen besonders Konflikte im Umgang mit Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten im Zentrum. Darüber hinaus werden Konflikte in Bezug auf die Kommunikation und den Umgang mit und zwischen An- und Zugehörigen als besonders beanspruchend erlebt.

  2. b)

    Strukturelle Konfliktdimension: Im Rahmen dieser Dimension werden Konflikte in Bezug auf fehlende Ausbildungsinhalte und fehlende Leitlinien für Einsatzsituationen bei Patienten mit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen sowie Unsicherheiten in Bezug auf den rechtlichen Handlungsrahmen zusammengefasst.

  3. c)

    Persönliche Konfliktdimension: Konflikte, die aus der persönlichen ethisch-moralischen Haltung der Teilnehmenden oder aus (fehlender) Berufserfahrung in einem subjektiv empfundenen Entscheidungs- und Handlungsdruck resultieren, werden als „persönlich“ bzw. „in Bezug auf die eigene Haltung“ zusammengefasst.

  4. d)

    Interprofessionelle Konfliktdimension: Diese Dimension umfasst Konflikte, die in der Zusammenarbeit mit ärztlichem Personal oder innerhalb des nichtärztlichen Rettungsdienstteams entstehen.

Es zeigte sich, dass viele Freitextantworten nicht eindeutig einer Kategorie zugeordnet werden können, sondern sich vielfach aufeinander beziehen bzw. miteinander verbunden sind.

Wahrgenommene Belastung

Insgesamt wurden Situationen, in denen Angehörige nicht über die Probleme und Komplikationen der Erkrankung bzw. den Zustand des Patienten aufgeklärt sind, als besonders belastend wahrgenommen: 58,3 % (n = 165) der Befragten gaben an, eine solche Situation als „sehr“ oder „eher belastend“ zu empfinden. 61,5 % (n = 174) der Befragten gaben an, diese Situation „häufig“ oder „gelegentlich“ erlebt zu haben.

Situationen, die mit der eigenen ethischen Haltung in Konflikt stehen, wurden von 48,1 % der Teilnehmenden (n = 136) als belastend („sehr“ oder „eher belastend“) wahrgenommen. 41,9 % (n = 119) der Teilnehmenden geben an, solche Situationen regelmäßig („gelegentlich“ oder „häufig“) zu erleben. Furcht vor (arbeits-)rechtlichen Konsequenzen etwaiger Abweichungen bezüglich eines standardisierten Vorgehens bzw. selbst verantworteter Therapiebegrenzungsentscheidungen wirkten sich auf 40,5 % (n = 115 Teilnehmende) belastend aus. 96 Teilnehmende (33,9 %) gaben an, diese Situation regelmäßig erlebt zu haben. Einsatzsituationen, in denen der Wille des Patienten (z. B. aufgrund fehlender Patientenverfügungen) nicht klar erkennbar ist, wurden von 38,8 % (n = 110) der Teilnehmenden als belastend empfunden. Regelmäßig erlebt wurde dies von 55,5 % (n = 157) der Teilnehmenden. Situationen, in denen eigenständig, ohne (Not‑)Arzt am Einsatzort, in einer medizinisch-rechtlichen Konfliktsituation eine Entscheidung getroffen werden musste, stellten für 37,8 % (n = 107) der Teilnehmenden eine Belastung dar. 133 Teilnehmende (47 %) gaben an, eine solche Situation bereits erlebt zu haben. Ausführliche Darstellungen der wahrgenommenen Belastungsintensität und -häufigkeit sind Abb. 1 und 2 zu entnehmen.

Abb. 1
figure 1

Wahrgenommene Belastungsintensität in Bezug auf Einsatzsituationen bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung. Eigene Darstellung, Angaben in %. NA Notarzt

Abb. 2
figure 2

Wahrgenommene Belastungshäufigkeit in Bezug auf Einsatzsituationen bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung. Eigene Darstellung, Angaben in %. NA Notarzt, RD Rettungsdienst

Wie bereits im Methodikabschnitt geschildert, ermöglichte eine positive Cronbachs-Alpha-Analyse eine Zusammenfassung der verschiedenen Frage-Items analog der zuvor qualitativ herausgearbeiteten wahrgenommenen Konfliktsituationen (vgl. Abb. 3). Vor allem Situationen der patientenbezogenen Konfliktdimension wurden als besonders belastend empfunden und regelmäßig erlebt. Auch Situationen der strukturellen Konfliktdimension wirkten sich stark auf das Belastungsempfinden des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals aus, wohingegen Situationen der persönlichen oder interprofessionellen Konfliktdimension etwas weniger belastend bzw. weniger regelmäßig wahrgenommen werden.

Abb. 3
figure 3

Wahrgenommene Belastung nach Konfliktdimensionen. Eigene Darstellung. NA Notarzt, RD Rettungsdienst

Erweiterung der therapeutischen Entscheidungskompetenz

Abschließend wurde eine Erweiterung der therapeutischen Entscheidungskompetenz des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals zur Therapiebegrenzung bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung als mögliche Entlastungsoption untersucht. Die quantitative Auswertung („stimme zu“, „stimme nicht zu“, „keine Angabe“) ergab dabei eine Zustimmung zu einer solchen Erweiterung von 57,6 % (n = 163). 95 Teilnehmende (33,6 %) lehnten eine solche Erweiterung ab. 8,8 % (n = 25) der Teilnehmenden nutzten die Antwortoption „keine Angabe“.

Die Nutzung der Freitextfelder zur Kommentierung des Antwortverhaltens lag bei dieser Frage bei ca. 33 %. Antworten von Befürwortenden einer Erweiterung der Entscheidungsfreiheit ließen sich in „Zustimmung unter Vorbehalt“ (z. B. „Zustimmung nur unter folgender Bedingung“ bzw. „nur wenn …“) und „uneingeschränkt zustimmend“ kategorisieren. Forderungen nach einer „Anpassung oder Klarstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen“, einer „Erweiterung der Aus‑, Fort- und Weiterbildung“ sowie einer „Etablierung von Leitlinien oder Handlungsanweisungen“ für den Umgang mit Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung stellten hierbei Kategorien der eingeschränkten Zustimmung dar. Wichtig scheint ebenso, dass weiterhin „Rückfallebenen (Nachalarmierung (Not‑)Arzt, Tele-Notarzt) bestehen bleiben“. Uneingeschränkte Zustimmung kann besonders auf „bestehende Kompetenz und Erfahrung“, eine „Verringerung ethischer Konflikte bzw. psychosozialer Belastung“ sowie eine „Schonung von Ressourcen“ zurückgeführt werden.

Diskussion

Diese Studie gibt nach unserem Wissen erstmals Einblick in die als belastend empfundenen Dilemmasituationen nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals. Die Nutzung der Freitextfelder durch die Studienteilnehmer kann als vergleichsweise hoch betrachtet werden und deutet auf ein hohes Maß an Mitteilungsbedürfnis hin [2]. Daraus lässt sich auch eine explizite Aufforderung, die Problemsituation des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals eingehend zu analysieren und nach möglichen Entlastungsoptionen zu forschen, ableiten.

In Bezug auf die wahrgenommenen Konflikte im Umgang mit Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung lässt sich festhalten, dass viele Freitextantworten nicht eindeutig einer Kategorie zugeschrieben werden können, sondern sich vielfach aufeinander beziehen. Damit wird die Vermutung, dass die derzeitige Situation für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal eine komplexe Belastung darstellt, bestärkt. Diese Konflikte führen jedoch nicht nur zu wahrgenommenen Belastungen für das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal, sondern auch zu Unsicherheiten im Umgang mit den Wünschen und Erwartungen der Patienten für ihr Lebensende und im schlechtesten Falle zu einer Nichtwahrnehmung oder Nichtumsetzung dieser Wünsche. Damit wird nicht nur die berufliche Selbstbestimmung des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten beeinträchtigt.

Basierend auf den Ergebnissen der Freitextanalysen, in denen von den Teilnehmern deutliche Vorbehalte gegenüber einer Erweiterung der Entscheidungskompetenz zur Therapiebegrenzung signalisiert wurden, kann eine solche Kompetenzausweitung auch mit Blick auf die geltenden juristischen und strukturellen Bedingungen nicht als mögliche Entlastungsoption empfohlen werden.

Potenzielle Lösungsoptionen

Wie bereits 2008 gefordert, sollten daher dringend weitere Alternativen diskutiert werden [11]: Im Sinne einer umfassend gestalteten gesundheitlichen Versorgungsplanung auf regional-struktureller Ebene können dies z. B. Leitlinien oder Algorithmen für Einsätze bei Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung [8], aber auch eine intensivierte, optimierte Kooperation zwischen SAPV und Rettungsdienst sein. Potenzial wird zudem in Aus- und Fortbildungen im Umgang mit Patienten mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung, ethischen Entscheidungsfindungen [17] sowie in Schulungen und Simulationstrainings der sensiblen Kommunikation gesehen [22].

Um der Realität in Bezug auf Patientenverfügungen, welche im Alltag kritischer medizinischer Entscheidungsfindungen aufgrund mangelnder Aussagekraft, Validität und Verfügbarkeit häufig nur eine untergeordnete Rolle spielen, zu begegnen, bildet das 2015 verabschiedete Hospiz- und Palliativgesetz (§ 132g SGB V) eine Grundlage für Konzepte auf individueller und struktureller Ebene, die künftig dabei helfen sollen, „medizinische Entscheidungen so vorauszuplanen, dass Patienten auch dann zuverlässig nach ihren individuellen Wertvorstellungen und Wünschen behandelt werden, wenn sie diese krankheitsbedingt nicht mehr selbst äußern können“ [12]. Im internationalen Kontext werden verschiedenartige Vorgehensweisen hierfür als „Advance Care Planning“ (ACP) bezeichnet. Im deutschsprachigen Raum bezeichnet der Begriff „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) ein umfassendes Beratungs- und Implementierungskonzept, bei dem neben den individuellen Gesprächsinterventionen auch auf einer institutionellen und systemischen Ebene die Implementierung regional einheitlicher Krisen- und Notfallbögen und die Information und Schulung aller relevanten Versorgungsstrukturen – so auch des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals – im Fokus stehen [12].

Limitationen

Eine exakte Rücklaufquote kann aufgrund des offenen Designs der Studie bzw. der Art der Verteilung des Befragungsinstruments („Schneeballverfahren“) nicht angegeben werden. Damit weist die vorliegende Arbeit Limitationen in Bezug auf deren Repräsentativität des quantitativen Teils der Studie auf. Allerdings sind die Ergebnisse der Belastungsanalyse dieser Studie vergleichbar mit vorherigen Studienergebnissen aus ärztlicher Perspektive [5, 18].

Weiter stellen auch Informationen aus Freitexten stets eine Limitation dar, da dieses Tool nicht selbstverständlich von allen Teilnehmenden genutzt wird. Obwohl die Nutzung der Freitextfelder in dieser Studie vergleichsweise hoch lag [2], kann nicht davon ausgegangen werden, dass Informationen, die von Einzelnen thematisiert wurden, für andere nicht wichtig gewesen wären [4]. Dennoch stellen Freitextantworten ein wichtiges Instrument für eine explorative Datenerhebung in Forschungsfeldern, zu denen bislang kaum Studienergebnisse existieren, dar und fördern ein besseres Verständnis für das Antwortverhalten der Teilnehmenden.

Fazit für die Praxis

  • Nichtärztliches Rettungsdienstpersonal erlebt bei Notfalleinsätzen mit Patienten mit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen komplexe Konfliktsituationen, die zu erheblichen Belastungen führen können.

  • Zur Verringerung dieser Belastungen und im Sinne einer Stärkung der Selbstbestimmung von Patienten sollten zum Beispiel regional einheitliche Ansätze auf der Strukturebene implementiert werden.

  • Dabei können ein verstärkter juristischer Diskurs, Leitlinien/Algorithmen, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie eine intensivierte Kooperation zwischen SAPV-Teams und Rettungsdiensten hilfreich sein.

  • Eine reine Erweiterung der Entscheidungskompetenz wird von den Befragten kritisch und unter Vorbehalt eingeschätzt.

  • Umfassende Konzepte zur gesundheitlichen Versorgungsplanung mit ärztlichen Anordnungen für Notfälle könnten auf systemischer Ebene zu einer verbindlicheren Umsetzung eines vorausverfügten Patientenwillens und zur Vermeidung ungewollter Überversorgung beitragen.