Hinführung zum Thema

Qualitätsmanagement zielt auf die Erhöhung der Versorgungsqualität durch die Überprüfung konkreter Qualitätsmaßstäbe ab. In der präklinischen Notfallmedizin können auf regionaler Ebene validierte Daten aus EDV-Einsatzprotokollen als Grundlage zur Datenanalyse herangezogen werden [3]. Für den deutschsprachigen bzw. europäischen Raum gibt es jedoch kaum evidenzbasierte Kennzahlen bzw. Zielerreichungsgrade und damit überregional vergleichbare Qualitätsmaßstäbe. Anregungen für die Entwicklung des Kennzahlen- bzw. des Benchmarkberichts Tirol lieferte der Qualitätsbericht der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg (SQR-BW) [8] und der Jahresbericht des Deutschen Reanimationsregisters [4]. Ziel unserer Berichte war es, die Grundlage für ein anhaltendes Berichtssystem zur Stärken- und Schwächen-Analyse der notfallmedizinischen Versorgung in Tirol zu schaffen. Diese Publikation soll zur deutschsprachigen Kooperation motivieren.

Einleitung

Anhand definierter einsatztaktischer Kennzahlen und medizinischer Qualitätsindikatoren wurde im Bundesland Tirol, AT, über die 13 Notarzteinsatzfahrzeug(NEF)-Systeme erstmals ein Halbjahresbenchmarkbericht erstellt, wobei die einzelnen Ergebnisse mittels Zielerreichungsgraden bewertet wurden. Dem Halbjahresbenchmarkbericht ging im Rahmen einer Pilotstudie ein nur intern kommunizierter Ganzjahreskennzahlenbericht voraus.

Kennzahlen sind Verhältniszahlen und beziehen sich auf zwei miteinander verknüpfte Parameter. Qualitätsindikatoren (QI) sind relevante Messgrößen, die sich auf Kennzahlen stützen und induktive Schlüsse zulassen, wie auf die Versorgungsqualität innerhalb bestimmter Diagnosegruppen [1, 6, 7]. Zielerreichungsgrade legen das zu erreichende Qualitätsziel fest und basieren idealerweise auf internationalen Leitlinien. Für den hier dargestellten Benchmarkbericht wurden einzelne Zielerreichungsgrade auf Expertenbasis erstellt.

Die rechtliche Grundlage für diesen Tiroler Benchmarkbericht zur notfallmedizinischen Versorgung liefert das Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 mit dem Qualitätssicherungsauftrag an den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) des Landes Tirol [9].

Methode

Die Entwicklung des Benchmarkberichts verlief in 2 Phasen: 2013 wurde ein interner Kennzahlenbericht für das gesamte Kalenderjahr entwickelt, auf dem aufbauend der Benchmarkbericht für das 1. Hj 2015 erstellt wurde. Die AMPDS-geführte Leitstelle Tirol stellte für beide Berichte die einsatztaktischen Daten der 13 NEF-Stützpunkte zur Verfügung. Für den Kennzahlenbericht 2013 wurden von 10 NEF-Stützpunkten die NACA-X-EDV-Einsatzdokumentationen übermittelt. Anhand dieser Datenkollektive wurden 4 relevante einsatztaktische Intervalle und 8 behandlungsrelevante QI zu den Tracerdiagnosen akutes Koronarsyndrom (ACS), Schlaganfall (Stroke), Reanimation (CPR), starke Schmerzen, Intubation und Schädelhirn-/Polytrauma (SHT/PT) erstellt und graphisch dargestellt.

Einsatztaktische Intervalle:

  • Ausrückzeit (s) „Ressource alarmiert bis Ressource in Anfahrt“,

    • nach Tagesstunde; als 50er-, 70er- und 90er-Perzentil.

  • Eintreffzeit (min): „Eintreffzeit der ersten Ressource am Einsatzort“,

    • nach Dringlichkeit, als 50er- und 90er-Perzentil,

    • urbane vs. rurale Region, als 50er- und 90er-Perzentil,

    • nach Tracerdiagnosen, als 90er Perzentil.

  • „Verweildauer am Einsatzort“ (min),

    • nach Dringlichkeit, als 50er- und 90er-Perzentil,

    • bei Schlaganfall, als 50er- und 90er-Perzentil.

  • „Ressourcenlaufzeit gesamt“ (min),

    • nach Dringlichkeit, als 50er- und 90er-Perzentil.

Behandlungsrelevante Qualitätsindikatoren:

  • Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ACS,

  • Stroke-Onset dokumentiert,

  • Blutzucker gemessen bei Verdacht auf Schlaganfall,

  • Return of Spontaneous Circulation (ROSC) – Rate nach CPR,

  • Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ROSC nach CPR,

  • Analgesie bei starken Schmerzen,

  • Kapnometrie bei endotrachealer Intubation,

  • Intubation bei Schädelhirn- bzw. Polytrauma mit einem Glasgow-Coma-Scale(GCS)-Wert <9.

Für den Benchmarkbericht 1. Hj 2015 wurden von 11 NEF-Stützpunkten die NACA-X-EDV-Einsatzdokumentationen übermittelt. Bei der vorliegenden teilweise geringen Datenmenge pro Notarztstützpunkt wurde für die jeweilige Darstellung der einsatztaktischen Intervalle – neben dem Median = 50er-Perzentil – das 90er-Perzentil gewählt, da ein 10 %-Ausreißer-Anteil realistisch erschien. Zehn Kennzahlendatenkollektive wurden evaluiert, 3 der 8 medizinischen Qualitätsindikatoren aus dem Kennzahlenbericht 2013 neu definiert sowie 6 weitere hinzugefügt.

Die 10 Kennzahlenkollektive:

  • Anzahl Einsätze,

  • Verteilung nach Alarmdringlichkeiten,

  • Ausrückzeit (s) als 50er- und 90er-Perzentil,

  • Status Compliance „Eintreffen am Einsatzort“,

  • Einsatzdauer (min) im Median,

  • Versorgungszeit (min) als 50er- und 90er-Perzentil,

  • Versorgungszeit Tracer ACS (min) als 50er- und 90er-Perzentil,

  • Versorgungszeit Tracer Stroke (min) als 50er- und 90er-Perzentil,

  • „Golden Hour“ Tracer ACS (min) als 50er- und 90er-Perzentil,

  • „Golden Hour“ Tracer Stroke (min) als 50er- und 90er-Perzentil.

Die 3 im Benchmarkbericht neu definierten medizinischen Qualitätsindikatoren:

  • Anlage eines 12-Kanal-EKG bei NACA-6-Einlieferung ins Krankenhaus (KH) bei CPR,

  • NACA-6-Einlieferung ins KH bei CPR,

  • Intubation bei Schädelhirn- bzw. Polytrauma mit einem NACA-Wert >3.

Die 6 neuen medizinischen Qualitätsindikatoren:

  • ACS-Onset dokumentiert,

  • Kombination der Indikatoren „Onset dokumentiert“ und „Anlage eines 12-Kanal-EKG“ bei ACS,

  • Kombination der Indikatoren „Onset dokumentiert“ und „Blutzucker gemessen“ bei Schlaganfall,

  • Anteil Ersthelferreanimation aufgeteilt auf NACA-6 und NACA-7,

  • Anteil von dokumentiertem ROSC am NACA-6-Kollektiv,

  • Intubation bei Reanimationen sowie der Anteil dokumentierter Kapnometrie.

Bei den medizinischen Qualitätsindikatoren wurden Zielerreichungsgrade vorgegeben. Da die EDV-Dokumentation manuell erfolgte, wurde grundsätzlich und in Konsens mit den Mitarbeitern der SQR-BW von einer bis zu 10 %igen Dokumentationsschwäche ausgegangen.

Angewandte Zielerreichungsgrade:

  • 90 % für „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ACS“, „Blutzucker gemessen bei Verdacht auf Stroke“, „Kapnometrie bei endotrachealer Intubation“ und „Analgesie bei starken Schmerzen“,

    • Begründung: angenommene Dokumentationsschwäche.

  • 80 % für „ACS-Onset“ und für „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ROSC nach CPR“,

    • Begründung: Dokumentationsschwäche, schwierige Informationsgewinnung, Zeitmangel zur Durchführung.

  • 67,5 % für „Stroke-Onset“,

    • Begründung: In 14–20 % liegt ein stiller, nächtlicher bzw. „wake-up stroke“ vor [2], darüber hinaus sind weitere unbeobachtete Schlaganfallereignisse anzunehmen, gesamt also ca. 25 %. Bei angenommener Dokumentationsschwäche von 10 % aus ca. 75 % ergibt sich ein Zielerreichungsgrad von 67,5 %.

  • 40 % für „Anteil Ersthelferreanimation“ und „Anteil NACA-6 an CPR“,

    • Begründung: eigene Innsbrucker Daten aus dem Jahresbericht 2014 des deutschen Reanimationsregisters als Zielerreichung auch für die anderen Tiroler NEF-Stützpunkte [4].

Ergebnisse

Im Kennzahlenbericht 2013 standen 13.382 Einsatzdaten (Range: 735 bis 3691) mit 12.111 Primäreinsätzen (Range: 735 bis 3209) zur Verfügung, für den Benchmarkbericht 1. Hj 2015 7193 Einsatzdaten (Range: 108 bis 1812) mit 6186 Primäreinsätzen (Range: 103 bis 1418; Tab. 1).

Tab. 1 Grunddaten zu den zwei Berichten

Beispielhaft für die Darstellungen der einsatztaktischen Kennzahlen aus den in der Leitstelle registrierten Statusmeldungen bei den Alarmierungen zu Verdacht auf ACS bzw. auf Schlaganfall ist in Abb. 1 die Versorgungszeit vor Ort in einer gemeinsamen Graphik in auf den Notarztstützpunkt anonymisierter Form und in ansteigender Versorgungszeit bei ACS vergleichend dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Versorgungszeit bei Tracer akutes Koronarsyndrom und Schlaganfall

Die summativen Daten der medizinischen QI und deren Range über die teilnehmenden NEF-Stützpunkte und über die zwei beurteilten Zeiträume der beiden Berichte sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Gemeinsame Qualitätsindikatoren aus den 2 Berichten im Vergleich

Im Kriterium „Stroke-Onset“ und „Blutzucker gemessen“ lagen über 5 % mehr dokumentierte Maßnahmen im Benchmarkbericht 1. Hj 2015 gegenüber dem Kennzahlenbericht 2013 vor. Im Rahmen des Kennzahlenberichts 2013 wurde bei 585 Schlaganfallpatienten am Einsatzort der Blutzucker gemessen, der in 1,5 % (n = 9) mit <50 mg% hypoglykämierelevant war.

Im Benchmarkbericht 1. Hj 2015 betrug die Ersthelferreanimationsrate 44,2 % (Range: 28−100 % bei n = 3) mit 42,2 % bei NACA-7 und 46,9 % bei NACA-6 und der präklinisch dokumentierte ROSC-Anteil von 21,2 % (Range: 6,3 bis 66,8 %).

In Abb. 2 sind die erhobenen QI summativ und im Vergleich der beiden Zeiträume graphisch sowie jeweils der vorgegebene Zielerreichungsgrad (grau gestrichelte Querlinie) dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Gegenüberstellung der Mittelwerte der summativ erstellten Qualitätsindikatoren in % mit Zielerreichungsgraden der beiden Berichtszeiträume. ACS (akutes Koronarsyndrom) 2013 n = 804, ACS 2015 n = 63; Stroke 2013 n = 748, Stroke 2015 n = 346; CPR (kardiopulmonare Reanimation) 2013 n = 361, CPR 2015 n = 231; Schmerz 2013 n = 2017, Schmerz 2015 n = 1098; Intubation 2013 n = 291, Intubation 2015 n = 204; 2013 n = 13.382 (10 NEF-Stützpunkte); 1. Hj 2015 n = 7193 (11 NEF-Stützpunkte); insgesamt n = 20.575

In Abb. 3 sind die Prozentsätze der beiden ACS-QI „Symptom-Onset“ und „12-Kanal-EKG dokumentiert“ sowie deren Verknüpfung für 11/13 NEF-Stützpunkte und deren Mittelwert im Benchmarkbericht 1. Hj 2015 gezeigt.

Abb. 3
figure 3

Prozentanteile von Qualitätsindikatoren der Tracerdiagnose ACS (akutes Koronarsyndrom) aus dem Benchmarkbericht 1. Hj 2015. Blaue Balken dokumentierter Symptom-Onset; graue Balken dokumentiertes 12-Kanal-EKG; hellblaue Balken beide Indikatoren zusammen dokumentiert; jeweilig mit dem Tiroler Mittelwert (schwarze Balken sowie schwarze Punktlinien) und dem Zielerreichungsgrad (blau gestrichelte Querlinie); die blau gestrichelte Querlinie fehlt bei den hellblauen Balken, da es für „beides zusammen“ keinen Zielerreichungsgrad gibt; ACS n = 463 aus Benchmarkbericht, bei Einsätze insgesamt n = 7193

In Abb. 4 ist anhand des Beispiels des QI „Kapnometrie bei endotrachealer Intubation“ eine auf den jeweiligen Notarztstützpunkt hin anonymisierte Darstellung aus dem Benchmarkbericht 1. Hj 2015 gezeigt.

Abb. 4
figure 4

Anteil von Kapnometrie (etCO2) aus dem Benchmarkbericht 1. Hj 2015. Blaue Balken Prozentsatz für Kapnometrie bei endotrachealer Intubation aus dem Benchmarkbericht; schwarzer Balken Mittelwert; graue gestrichelte Querlinie Zielerreichungsgrad. Alle Intubationen n = 204 aus Benchmarkbericht, bei Einsätze insgesamt n = 7193

In Tab. 3 sind die erreichten Zielerreichungsgrade der medizinischen QI gelistet.

Tab. 3 Zielerreichungsgrad erreicht

Diskussion

Nach Erstellung eines für den internen Gebrauch konzipierten Kennzahlenberichts über die notfallmedizinischen Daten des Kalenderjahrs 2013 im Rahmen eines Pilotprojekts wurde über die Daten des 1. Hj 2015 ein auf Basis der gemachten Erfahrung überarbeiteter und über die Notarztstützpunkte anonymisierter Benchmarkbericht erstellt und in Papierform den Verantwortlichen der NEF-Stützpunkte in Tirol und dem Land Tirol als Auftraggeber des Rettungs- und Notarztsystems ausgegeben. Dabei stellte sich heraus, dass die Datenfelder zur Diagnose z. B. akutes Koronarsyndorm oftmals nicht ausgefüllt, im Freifeldtext aber z. B. „V. a. STEMI“ eingegeben war. Daraus folgend wurden für den Benchmarkbericht komplexere Auswertungen herangezogen und über das Wort-Suchprogramm in Excel unter „ACS“, „STEMI“, „Infarkt“ die entsprechenden Einsätze gefunden.

Vergleichbares gilt für die Einschlusskriterien für Reanimation: NACA 6; Asystolie, PEA, Kammerflimmern; Herzmassage, Defibrillation oder Stichworte wie CPR, Herzkreislaufstillstand, HKL-Stillstand, Herz-Stillstand, HDM, Reanimation, ROSC.

Bei ungenauer Wortwahl wurden Qualitätsindikatoren neu definiert

Qualitätsindikatoren wurden dann neu definiert, wenn sich herausstellte, dass die verwendete Wortwahl ungenau war. Zum Beispiel werden bei dem anfangs verwendeten Kriterium „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ROSC nach CPR“ alle ROSC-Patienten eingeschlossen, also auch diejenigen, die nach einem kurzeitigen ROSC doch am Einsatzort versterben. Richtigerweise geht es aber um die Patienten, die nach ROSC mit eigenem Kreislauf ins Krankenhaus eingeliefert werden und bei denen dann häufig während des Transports diese Monitoring-Maßnahme durchgeführt wird. Daraus entstand der neu definierte QI „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei NACA-6-Einlieferung ins KH bei CPR“.

Aus der mit n = 18 in 6 Monaten eher geringen Anzahl an intubierten Polytrauma-/Schädelhirntraumapatienten im bodengebundenen Notarztsystem in Tirol zeigte sich, dass die GCS <9 kein ideales Kriterium für die Intubationsindikation darstellt, da der im Zahlenfeld dokumentierte GCS-Wert die Situation bei Erstbeurteilung durch den Notarzt darstellt und gerade beim Polytrauma bzw. Schädelhirntrauma erst im weiteren Verlauf den Wert von 9 unterschreiten kann. Demgegenüber sollte der NACA-Wert zu dem Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem es dem Patienten während der notärztlichen Präsenz am schlechtesten geht. Aber auch ein NACA-Wert >3 ist kein ideales Kriterium. Für die Zukunft müsste eine Kombination definiert werden. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass die Entwicklung idealer Kennzahlen für jede ausreichend große Diagnosegruppe im Fluss ist und mehrfach aus der Praxis heraus hinterfragt werden muss. Die Neuaufnahme kombinierter Qualitätsindikatoren bei ACS und Schlaganfall im Benchmarkbericht versucht aufzuzeigen, inwiefern das Notarztteam mehreren Kriterien in der gleichen Patientengruppe, sowohl maßnahmen- als auch dokumentationsbezogen gerecht wird.

Das zum Zeitpunkt der Berichterstellung in Tirol verwendete EDV-NACA-X-Dokumentationssystem wies bezüglich der Eingabe medizinischer Maßnahmen oder des NACA-Grads keine Pflichtfelder auf. Trotzdem wurde bei Primäreinsätzen der NACA-Grad in 98,8 % (Range 98,2−100 %) und der GCS in 97,98 % (Range 96,8−99,8 %) dokumentiert.

Die größte quantitative Änderung (>5 %) zwischen Kennzahlen- und Benchmarkbericht betrifft den dokumentierten Symptom-Onset bei Schlaganfall. Diese Veränderung ist auf eine unterschiedliche Auswertung zurückzuführen, da beim Kennzahlenbericht nur das Feld Notfallzeit, während beim Benchmarkbericht sowohl das Feld Notfallzeit als auch der Freitext im Eingabefeld „Akutanamnese“ nach entsprechenden Stichworten ausgewertet wurden. Für die ebenfalls höhere prozentuelle Datenmenge bei „Blutzucker gemessen“ bei Schlaganfall kann keine Erklärung abgeben werden.

Bei der Datenauswertung fiel auf, dass teilweise große Dokumentationslücken bestehen. Diese gilt es in Zukunft z. B. mit Hilfe von Pflichtfeldern und Plausibilitäten sowie durch die Vermittlung der Bedeutung guter Dokumentation zu verringern.

In der Darstellung der Versorgungszeiten von ACS und Schlaganfall fällt bei den 50er-Perzentilen auf, dass wenn die Versorgungszeit bei ACS ansteigt, diese in der Regel auch bei Schlaganfall ansteigt. Dass die Versorgung bei ACS immer einige wenige Minuten länger dauert als bei Schlaganfall ist nachvollziehbar, da bei ACS mehr ärztliche und Monitor-Aufgaben anfallen. Interessant ist darüber hinaus, dass die Reihung der Stützpunkte nach Versorgungszeit im 50er-Perzentil nicht mit jener im 90er-Perzentil korreliert.

Die Auswahl der einzelnen QI folgte dem Anspruch, aus jeder Tracerdiagnose mindestens einen relevanten Indikator zu entwickeln, der sich sowohl auf einschlägige Literatur bezieht als auch aus den EDV-Einsatzdaten leicht und nachvollziehbar erhoben werden kann.

Gerade die Dokumentation und daraus folgend die Kommunikation des Symptom-Onset bei ACS und Schlaganfall sind ein Beispiel für prozessübergreifende Verantwortung. i.v.-Lyse-Therapie und/oder kardiale bzw. neurologische Katheterintervention innerhalb definierter Zeitfenster sind aktuelle Therapiemethoden der Wahl bei entsprechend stratifizierten Patienten. Klinikspezialisten müssen für ihre Entscheidung also den Symptom-Onset, aber auch den Patientenstatus vor dem Symptombeginn kennen.

Die Indikatoren aus dem Bereich der Reanimation – „Anteil Ersthelferreanimation“, „NACA-6-Einlieferung ins KH“, „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei NACA-6-Einlieferung ins KH“ und „Kapnometrie bei endotrachealer Intubation“ – entstammen den aktuellen ERC-Reanimationsleitlinien (ERC European Resuscitation Council [5]). Das Maß der Erreichung des jeweiligen Zielerreichungsgrads ist somit ein Hinweis auf die Implementierung der Leitlinienforderungen.

Die Bewertung des Erreichens der unterschiedlichen Zielerreichungsgrade ist spekulativ. Als beeinflussende Faktoren können die vordefinierte Höhe des Zielerreichungsgrads, Ersthelferausbildung und Effekte der standardisierten Telefonreanimation für „Ersthelfer CPR“, die zwischen Notarzt und Notfallsanitäter gemeinsame Verantwortung für die entsprechende Maßnahme für „Blutzuckermessung“, absolvierte Aus- und Fortbildungen für „12-Kanal-EKG bei ACS“, berufliche Routine für „Kapnometrie“ angenommen werden.

Die an den Tiroler NEF-Stützpunkten über 90 % erreichte gute Qualität beim QI „Anlage eines 12-Kanal-EKG bei ACS“ zeigt auf, dass das in Tirol jahrzehntelang durchgeführte Integrieren von EKG-Seminaren in die Notarztfortbildung Erfolg zeigen kann.

Der Vergleich mit den jeweiligen Mittelwerten über 170 Notarztstützpunkte in den Darstellungen medizinischer Indikatoren im Qualitätsbericht 2014 Rettungsdienst des deutschen Bundeslands Baden-Württemberg zeigt beim Indikator „Kapnometrie bzw. Kapnographie bei Intubation“ mit 69,1 % für Tirol vs. 72,7 % (2925 intubierte Patienten) für Baden-Württemberg einen leicht niederen, bei „Blutzucker gemessen“ bei Bewusstseinsstörung mit 84,12 % vs. 74,4 % (n = 33.433) sowie bei „ROSC bei Klinikaufnahme“ mit 41,6 % vs. 33,3 % (n = 2090) einen höheren Wert.

Generell kann man festhalten, dass das Qualitätsniveau im Tiroler Notarztsystem hoch ist, wie die Teilnahme am deutschen Reanimationsregister [4], der Vergleich mit den ACS-Versorgungszahlen [7] oder die Einbindung der prähospitalen Notfallmedizin im Tiroler Schlaganfallpfad [10] zeigen. Dennoch ist bei sämtlichen QI noch Verbesserungspotenzial vorhanden; insbesondere müssen in den nächsten Jahren die Abweichungen von den Zielerreichungsgraden verringert werden. Es ist zu erwarten, dass dieser Benchmarkbericht zur weiteren positiven Entwicklung einen Beitrag leistet.

Im Sinne eines überregionalen Benchmarks wäre es dringend notwendig, auch andere Regionen für ein vergleichbares Berichtssystem für die Kommunikation untereinander und zur gemeinsamen Entwicklung vorgegebener Zielerreichungsgrade zu gewinnen.

Limitationen

Im Laufe der Auswertung stellten sich sowohl für den Kennzahlen- als auch für den Benchmarkbericht lösbare und nichtlösbare Probleme dar.

  • Teilweise wurden wichtige Informationen in Freitextfeldern dokumentiert, wobei die Notärzte individuelle Termini verwendet haben, z. B. „CPR“, „HDM“, „Herz-Lungen-Wiederbelebung“, „ALS“ oder „Reanimation“, womit eine Computerauswertung unmöglich war. Diese Herausforderung wurde gelöst, indem die betreffenden EDV-Felder mit Stichworten über die Wort-Suchfunktion abgesucht wurden.

  • Von drei bzw. später dann zwei NEF-Stützpunkten lagen keine EDV-Daten vor, da diese zum damaligen Zeitpunkt ihre Daten nicht in EDV-Form speicherten.

Auf die Daten der 9 Notarztsysteme der Tiroler Peripherie (Notarztselbstfahrer-NAS), in denen niedergelassene Ärzte neben ihrer Praxistätigkeit Notarztdienst verrichten, und auf die der Notarzthubschrauber (NAH) konnte nicht zugegriffen werden. Damit spiegeln der Kennzahlen- und der Benchmarkbericht etwa 60 % der notfallmedizinischen Versorgung im Bundesland Tirol wider.

Ausblick

Um in Zukunft die Erstellung des Benchmarkberichts über alle Notarztsysteme zu erleichtern, sollten sämtliche Daten von allen NEF-Stützpunkten, aber auch von den NAS und den NAH zentral in einer gemeinsamen verschlüsselten Datenbank gesichert werden. Für die NEF-Stützpunkte bietet der am 01.01.2016 installierte CarPC, ein mobiler Tablet-PC, in dem die Software im Kiosk-Modus betrieben und die Daten zentral gespeichert werden, zur Dateneingabe am Notfallort die einheitliche Grundlage. Bei zukünftigen Berichten wird man auf diese zentral gespeicherten Daten zurückgreifen können und damit wichtige Arbeitsschritte vereinfachen.

Erwogen ist eine SOP (Standard Operating Procedure) zur richtigen Dokumentation, um Dokumentationslücken zu schließen. Mit entsprechend implementierten Plausibilitätskontrollen am CarPC könnten bislang aufgetretene Fehldokumentationen vermieden werden.

Fazit für die Praxis

  • Analysen einsatztaktischer Intervalle und medizinischer Qualitätsindikatoren mit konsensuell festgelegten Zielerreichungsgraden können als QI-Instrument im Sinne regionaler oder überregionaler Stärken- und Schwächen-Analysen herangezogen werden.

  • Auf dieser Basis können gezielte Schulungen und andere Maßnahmen erfolgen.