In Deutschland versterben pro Jahr etwa 100.000 Menschen plötzlich und unerwartet. In den USA erliegen jährlich etwa 450.000 Menschen einem plötzlichen Herztod, der damit zu den häufigsten Todesursachen der westlichen Welt gehört [3, 5, 8]. Es besteht Übereinstimmung, dass einem plötzlichen Herztod in etwa 80–90% der Fälle tachykarde Herzrhythmusstörungen (Kammertachykardien oder Kammerflimmern) zugrunde liegen, während bradykarde Arrhythmien eine eher untergeordnet Rolle spielen [7]. Eines der zentralen Aufgaben der modernen Kardiologie liegt in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen, in der Identifikation von Patienten, die hinsichtlich lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen gefährdet sind, aber auch in der Vorstellung therapeutischer Verfahren, die in Akutsituation bradykarde oder tachykarde Rhythmusstörungen sicher und zuverlässig behandeln und somit das Leben von Patienten retten können [6].

Von entscheidender Bedeutung in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen ist das 12-Kanal-Oberflächen-EKG, dessen Einführung in die Medizin fest mit dem Namen Willem Einthoven (1860–1927) verbunden ist. Auch mehr als 100 Jahre nach seinen epochalen Studien ist das EKG aus dem klinischen Alltag nicht wegzudenken.

Mittels 12-Kanal-Oberflächen-EKG gelingt es in mehr als 90% aller Fälle, die richtige Diagnose supraventrikulärer oder ventrikulärer Tachykardien zu stellen

Bei systematischer Analyse und guten Kenntnissen des Elektrokardiogramms gelingt es mittels des 12-Kanal-Oberflächen-EKG in mehr als 90% aller Fälle, die richtige Diagnose supraventrikulärer oder ventrikulärer Tachykardien zu stellen. Allerdings bedarf es ausreichender Vorkenntnisse, denn mehr denn je gilt ein Satz von Prof. Dr. H.J.J. Wellens, damaliger Direktor des Academischen Krankenhauses in Maastricht/Holland, den seine Schüler oft gehört haben: „Was man nicht kennt, erkennt man nicht!“

Bradykarde Rhythmusstörungen kommen bei zahlreichen kardialen und extrakardialen Erkrankungen vor, bei älteren Menschen und im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms. Die Symptome können nur diskret sein, aber auch mit einer Asystolie und einer damit bedrohlichen Situation verbunden sein. Auch tachykarde Arrhythmien sind nicht als eigenständige Erkrankungen aufzufassen, sondern können bei zahlreichen kardialen und extrakardialen Erkrankungen sowie bei Elektrolytstörungen auftreten [1, 7]. Vor allem dem Schweregrad der Herzinsuffizienz und dem Ausmaß der linksventrikulären Pumpfunktionsstörung kommen als prognostische Parameter entscheidende Bedeutung zu. Wenngleich Patienten mit kardialer Grunderkrankung und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sicher die größte Gruppe von Patienten mit Kammerflimmern, Herz-Kreislauf-Stillstand und plötzlichem Tod repräsentieren, sind maligne Tachyarrhythmien und plötzliche Todesfälle auch bei Herzgesunden bekannt [5, 7]. Bei etwa 50% aller plötzlichen Todesfälle ist der Herz-Kreislauf-Stillstand die erste Manifestation einer Herzerkrankung, sodass nicht nur über Akutmaßnahmen für Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand diskutiert werden muss, sondern auch Überlegungen zur Primär- und Sekundärprophylaxe anzustellen sind [7].

Während die Akuttherapie maligner Rhythmusstörungen durch Notärzte und Elektroschocktherapie (Defibrillation) seit vielen Jahren fester Bestandteil therapeutischer Maßnahmen maligner Arrhythmien ist, steht uns die Frühdefibrillation mittels halbautomatischer Defibrillatoren durch ausgebildete Ersthelfer als neues Konzept gegen den plötzlichen Herztod zur Verfügung [1, 2]. Studienergebnisse aus Europa und USA zeigen eindrucksvoll, dass die Frühdefibrillation nicht nur sinnvoll ist, sondern auch sicher und zuverlässig angewendet werden kann und sich hier ein neuer Weg zur Reduktion plötzlicher Todesfälle aufzeigt [4].

Der plötzliche Herztod gehört unverändert zu den großen Bedrohungen des Menschen und trotz großer Studien, und Bemühungen vieler Forscher in aller Welt ist die Zahl plötzlicher Todesfälle weltweit viel zu hoch. Es ist zwar gelungen, Risikopatienten z. T. zu identifieren, Maßnahmen zur Akuttherapie des Herz-Kreislauf-Stillstands zu entwickeln und Überlegungen zur bestmöglichen Primär- und Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztods anzustellen. Trotz unbestrittener Erfolge, besonders der ICD-Therapie, müssen weitere Überlegungen zur Epidemiologie, zu möglichen anderen Risikoparametern und vielleicht noch besseren therapeutischen Strategien angestellt werden, um nicht nur „im Vorfeld“ die Menschen zu charakterisieren, bei denen eines Risiko maligner Rhythmusstörungen besteht, sondern auch so früh wie möglich bestmögliche therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, um das „Gespenst“ plötzlicher Herztod zu vertreiben. Das vorliegende Leitlinienthema „Rhythmusstörungen“ soll neue diagnostische und/oder therapeutische Strategien vorstellen, die zu einer Verbesserung der Versorgung von Patienten mit bradykarden oder tachykarden Rhythmusstörungen führen sollen.

In dem vorliegenden Themenheft sollen lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen im Detail besprochen werden: Wie ist die Situation zu Hause (H.C. Mochmann)? Wie sind die Situationen für den Notarzt (H.R. Arntz) bzw. in der Klinik (H.-J. Trappe)? Welche Nachsorge von Patienten ist nach dem Auftreten von malignen Arrhythmien notwendig (D. Müller)? Viele wichtige Fragen, die in dem vorliegenden Heft umfassend beantwortet werden.

H.-J. Trappe

H.-R. Arntz