Besonderheiten der gelenknahen Fraktur und Therapieziele

Gelenknahe Frakturen betreffen definitionsgemäß die Metaphyse des Knochens. Aufgrund der höheren Elastizität des Knochens im Wachstumsalter sowie der unmittelbaren Nähe zur Wachstumsfuge finden wir spezifische Frakturmuster, die so nur im Kindesalter vorkommen. Dazu gehören z. B. die Wulstfrakturen, die Grünholzfraktur oder die Wachstumsfugenlösungen [4, 8, 9].

Abhängig von der Lokalisation der Fraktur, des Alters des Kindes sowie der Richtung der Fehlstellung besteht im Bereich der Metaphyse durch die Nähe zur Wachstumsfuge häufig ein gutes Potenzial zur Spontankorrektur. Insbesondere am proximalen Humerus oder distalen Radius kann dies in die Therapieplanung mit einbezogen werden, sodass in vielen Fällen gar kein Implantat erforderlich wird und eine konservative Therapie mit guten Ergebnissen durchgeführt werden kann. An der unteren Extremität führt ein großes Maß an Spontankorrektur jedoch zu einer anhaltenden Wachstumsstimulation der angrenzenden Fugen mit entsprechender Beinlängendifferenz. Aus diesem Grund sollten hier größere Fehlstellungen vermieden werden. Da keine Gelenkbeteiligung vorliegt, muss keine anatomische Rekonstruktion erreicht werden. Eine achsgerechte Reposition ist ausreichend und ermöglicht meist ein geschlossenes Vorgehen.

Auf der anderen Seite besteht die Gefahr einer Verletzung der Proliferationszone der Wachstumsfuge mit dem Risiko einer hemmenden Wachstumsstörung. Auch wenn ein Teil dieser Wachstumsstörungen durch das Trauma selbst bedingt und daher nicht vermeidbar ist, müssen wir bei unserer Reposition und Implantatwahl eine iatrogene Verletzung der Wachstumszone vermeiden. In diesem Sinne kann auf eine Übungsstabilität verzichtet werden. Durch die schnelle Konsolidation der metaphysären Frakturen im Kindesalter werden evtl. notwendige additive Ruhigstellungen in der Regel gut toleriert.

Implantatwahl

Kirschner-Draht-Osteosynthese

Die Kirschner (K)-Draht-Osteosynthese stellt das Hauptverfahren zur operativen Stabilisierung metaphysärer Frakturen im Kindesalter dar. Es ist immer und überall verfügbar, kostengünstig und kann nach geschlossener Reposition minimalinvasiv perkutan durchgeführt werden (Abb. 1). Durch Belassen der Drähte epikutan wird dem Kind eine zweite Narkose zur Metallentfernung erspart. Die Drähte können in aller Regel in der Sprechstunde bzw. Ambulanz problemlos entfernt werden. Mehrere Studien haben gezeigt, dass das gefürchtete höhere Infektionsrisiko nicht besteht [1, 3, 5]. Allerdings kann durch dieses Verfahren keine Übungs- oder gar Belastungsstabilität erreicht werden. Eine zusätzliche Immobilisierung ist bis zur Konsolidierung der Fraktur erforderlich, welche aufgrund der raschen Frakturheilung zu keiner anhaltenden relevanten Bewegungseinschränkung führt. Eine anschließende Physiotherapie ist nur im Ausnahmefall notwendig.

Bei sehr fugennaher Frakturlokalisation bzw. Wachstumsfugenlösung muss die Wachstumsfuge häufig mit den Drähten gekreuzt werden, um beide Frakturfragmente adäquat fassen zu können. Relevante Verletzungen der Proliferationszone und Wachstumsstörungen können vermieden werden, indem Mehrfachbohrungen durch die Wachstumsfuge vermieden werden. Ebenso sollten die Drähte möglichst zentral die Fuge kreuzen. Eine randständige Lage birgt die Gefahr der Verletzung der Ranvier-Ernährungszone der Fuge und einer daraus resultierenden Wachstumsstörung [10].

Abb. 1a–c
figure 1

 Klassisches Verfahren zur Stabilisierung der suprakondylären Humerusfraktur – gekreuzte K‑Draht-Osteosynthese. a Antekurvation der suprakondylären Fraktur; b,c geschlossene Reposition und metaphysäre gekreuzte K-Draht-Osteosynthese

Elastisch stabile intramedulläre Nagelung

An bestimmten Lokalisationen ist die elastisch stabile intramedulläre Nagelung (ESIN) in der Lage, metaphysäre Frakturen zu stabilisieren. Hier weicht die ESIN von ihrem klassischen biomechanischen Prinzip der 3‑Punkt-Abstützung ab. Durch Verankerung zweier Drähte im spongiösen Knochen der Metaphyse können Frakturen fixiert und zum Teil kann sogar eine Übungsstabilität erreicht werden. Klassische Indikationen sind etwa die proximale Humerusfraktur, die suprakondyläre Humerusfraktur, die Radiushalsfraktur oder die distale Femurfraktur [2].

Plattenosteosynthese

Indikationen für eine Plattenosteosynthese sind beim Kind selten. Da keine anatomische offene Reposition erfolgen muss und eine „adaptive“ Stabilität durch K‑Drähte bei schneller Frakturheilung meist ausreicht, ist dieses invasive Verfahren nur selten erforderlich. Hilfreich kann sie insbesondere bei Frakturen im diametaphysären Übergang sein (Abb. 2a–d). Diese liegen zu weit diaphysär, als dass K‑Drähte die Fragmente adäquat fassen könnten.

Abb. 2
figure 2

a, b Dislozierte Unterarmfraktur im diametaphysären Übergang. c, d Offene Reposition und interne Fixation des Radius mit 4‑Loch-Drittelrohrplatte

Für eine antegrade ESIN-Technik als Alternative liegen sie wiederum zu weit metaphysär, sodass eine Abstützung des Drahtes an der Gegenkortikalis vor der Frakturzone schwierig zu erreichen ist. Oft wird das metaphysennahe Fragment nur aufgefädelt, was zu Sekundärdislokationen mit Achsabweichungen und Verkürzungen führen kann (Abb. 3a–c). Ebenso stellt sie eine Alternative bei instabilen metaphysären Frakturen mit Trümmerzone oder pathologischen Frakturen auf dem Boden einer Zyste dar – v. a. bei älteren Kindern und Jugendlichen –, um eine stabile Osteosynthese zu erreichen.

Abb. 3
figure 3

a Diametaphysäre Unterarmfraktur. b Der intramedulläre Draht führt zu keiner ausreichenden Stabilität mit konsekutiver Achsabweichung, c da er sich aufgrund des kurzen Fragmentes nicht distal der Fraktur an der Gegenkortikalis abstützt

Fixateur externe

Der Fixateur externe ermöglicht eine schnelle Stabilisierung im Falle eines Polytraumas und ist nach wie vor Mittel der ersten Wahl bei schlechten Weichteilverhältnissen. Er kann wie die Plattenosteosynthese längs-instabile Frakturen sicher fixieren und ist ebenso geeignet für den zuvor beschriebenen diametaphysären Übergang. Eine besondere Indikation besteht in der instabilen suprakondylären Humerusfraktur. Vor allem bei einer metaphysären Trümmerzone lässt sich mittels K‑Drähten, aber auch ESIN keine ausreichende Stabilität erreichen. Durch Anlage eines radialen externen Fixateurs lassen sich auch diese Frakturen sogar übungsstabil versorgen (Abb. 4). Zudem ermöglichen die eingebrachten Pins als Repositionshilfe häufig eine geschlossene Reposition von Frakturen, die ansonsten offen reponiert werden müssten [6, 7].

Abb. 4
figure 4

Schema eines radialen Fixateur externe zur Osteosynthese instabiler suprakondylärer Humerusfrakturen

Schraubenosteosynthese

Die Schraubenosteosynthese stellt eine Alternative bei Fugenlösungen mit ausreichend großem metaphysärem Keil dar. In diesen Fällen kann eine direkte Verschraubung der Metaphyse erfolgen und die Wachstumsfuge im Vergleich zur K‑Draht-Technik geschont werden. Ebenso ist sie Therapie der Wahl bei knöchernen Bandausrissen mit ausreichend großem Fragment oder Apophysenausrissen. Typisches Beispiel ist der dislozierte Epicondylus-ulnaris-Ausriss, bei dem eine stabile Kompressionsosteosynthese das Risiko einer Pseudarthrose reduziert [8].

Fazit für die Praxis

  • Die gelenknahe Metaphyse stellt eine „gutartige“ Region dar, die sich durch eine schnelle Frakturkonsolidation und ein je nach Lokalisation gutes Spontankorrekturpotenzial auszeichnet.

  • Aus diesem Grund ist bei Kindern mit noch ausreichend verbleibendem Wachstumspotenzial keine anatomische Reposition erforderlich.

  • Meist können eine geschlossene Reposition und eine minimalinvasive Osteosynthese durchgeführt werden.

  • Je nach Frakturcharakteristik müssen jedoch sämtliche Osteosyntheseverfahren beherrscht werden, um eine adäquate Stabilisierung zu gewährleisten.