„Alter“ ist medizinisch nicht definiert. Umgangssprachlich spricht man von einem alten Menschen dann, wenn er den Anspruch auf „Altersruhegeld“ erreicht hat. In der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) besteht Anspruch auf Regelaltersrente, wenn Rentenversicherte die Regelaltersgrenze erreicht haben. Dieser Anspruch bestand früher mit Erreichen des 65. Lebensjahres, demnächst mit Erreichen des 67. Lebensjahres.

„Geriatrische Medizin ist nicht spezifisch altersdefiniert, sie behandelt jedoch die typische Morbidität älterer Patienten. Die meisten Patienten sind über 65 Lebensjahre alt. Diejenigen Gesundheitsprobleme, die durch Geriatrie als eine Spezialdisziplin am besten angegangen werden können, werden in der Altersklasse über 80-Jähriger viel häufiger.“ [1].

Versicherter Personenkreis

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) gibt es einen zahlenmäßig zunehmenden Personenkreis, der auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiter einer versicherten Tätigkeit nachgeht: Selbstständige, Unternehmer (z. B. in Landwirtschaft oder Gastgewerbe), Zuverdiener, Geringverdiener, Ehrenamtliche. Versichert bis ins hohe Greisenalter ist, wer einen Unfall bei einer stationären oder teilstationären Behandlung zulasten der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) in einem Krankenhaus erleidet.

Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2015 in der Altersgruppe der 70- bis 75-Jährigen 268.000 Personen erwerbstätig, davon 114.000 als Selbstständige und 141.000 als abhängig Beschäftigte [2].

Leistungen der GUV werden weiter gewährt, wenn der Versicherte aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, z. B. das Rentenalter erreicht hat. Beim „alt werdenden Unfallversicherten“, kann eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eintreten (die Behandlungen erfordert oder zu einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] führen können). Es können auch mittelbare Unfallfolgen hinzutreten, wenn es infolge der Unfallfolgen zu weiteren Verletzungen kommt (z. B. Sturz infolge einer auf einen Arbeitsunfall zurückzuführenden Gehbehinderung mit einer Fraktur der körperfernen Speiche). Am häufigsten ist beim alt werdenden Unfallverletzten die Frage zu klären, ob Hilfsmittel oder Pflegebedürftigkeit – oder auch der Tod – auf die anerkannten Unfallfolgen zurückzuführen sind.

Fragen des Ursachenzusammenhangs stellen sich beim alten Versicherten v. a. deswegen, weil der unfallbedingten Einwirkung Gewebeveränderungen gegenüberzustellen sind, die durch unphysiologische Alterungsprozesse (Osteoporose) oder degenerative Verschleißprozesse (Texturstörungen) eingetreten sind.

Zustandsgutachten bei Versicherten über 65/67 Jahre

Für die Zustandsgutachten (Erstes Rentengutachten, Gutachten zur Rente auf unbestimmte Zeit, Gutachten zur Rentennachprüfung) gelten die gleichen Grundsätze (rechtlich/medizinisch) wie bei Versicherten unter 65 Jahren [3]. Die MdE orientiert sich an den Erfahrungswerten. Bei Vorerkrankung der nicht verletzten Seite (paarige Gliedmaßen) kann die MdE höher ausfallen (Beispiel: Hüft-TEP [Totalendoprothese] links, proximale Femurfraktur rechts). Die MdE bei Verschlimmerung einer Vorerkrankung kann niedriger ausfallen, wenn vorbestehende Funktionseinschränkungen in ihrem Ausmaß nachgewiesen sind (Beispiel: proximale Femurfraktur bei vorbestehender Koxarthrose).

Fallbeispiel 1.

Ein 72-jähriger Mann, Landwirt, wurde bei Baumfällarbeiten verletzt, als ihm ein Baum gegen den Rücken stürzte. An Unfallverletzungen wurden festgestellt: instabile Becken-C-Verletzung, periprothetische Azetabulumfraktur rechts mit Pfannenlockerung, Milzkontusion (Abb. 1). Mittelbar traten während der Behandlung hinzu: Lungenembolie, Marcumarisierung. An Vorerkrankungen brachte der Versicherte mit: Koxarthrose beidseitig mit Hüft-TEP beidseitig, degenerative Veränderungen an den Bandscheiben und Wirbelgelenken der Lendenwirbelsäule (LWS), Kardiomyopathie, arterielle Hypertonie, koronare Eingefäßerkrankung. Die Behandlung bestand in einer Ileosakralfugenverschraubung links und einer Plattenosteosynthese der Zweipfeilerfraktur des rechten Azetabulums. Die gelockerte Hüftpfanne musste rechts entfernt werden, und nach Rekonstruktion des dorsalen Pfeilers mittels Plattenosteosynthese wurde als Interimslösung eine Duokopfschale implantiert. Im weiteren Verlauf kam es zu einer permanenten Luxation des Duokopfes nach kranial und zu ausgeprägten periartikulären Ossifikation mit dem Ergebnis einer hochgradigen Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte (Abb. 2). Nach 7 Monaten wurde erkennbar, dass der Versicherte nicht mehr arbeitsfähig werden wird.

Abb. 1
figure 1

Fallbeispiel 1: 72-jähriger Mann, Arbeitsunfall als Landwirt, Beckenringverletzung Typ C. a „Scout“-Übersicht mit Lendenwirbelsäule (LWS), b hinterer Beckenring, c Lockerung der Hüftpfanne

Abb. 2
figure 2

Fallbeispiel 1: a Versorgungsbild nach 3 Monaten, b Ausheilungsbild nach 7 Monaten

Im Rahmen der Begutachtung der Unfallfolgen waren folgende Umstände zu berücksichtigen:

  1. 1.

    Vorerkrankung Hüft-TEP beidseitig, es bestand also eine „Vor-MdE“ von mindestens 20 %,

  2. 2.

    dauernde Verschlimmerung der Vorerkrankung durch den Unfall,

  3. 3.

    Unfallfolgen: Beckenring stabil, rechte Hüfte luxiert, Pseudarthrose dorsaler Pfeiler, ausgeprägte Bewegungseinschränkung rechts,

  4. 4.

    MdE unter Berücksichtigung der Vorerkrankung und deren Verschlimmerung,

  5. 5.

    Erwerbsunfähigkeit in Sinne der Rentenversicherung,

  6. 6.

    Prognose: erneute Hüft-TEP zulasten des Unfallversicherungsträgers.

Kausalitätsgutachten bei Versicherten über 65/67 Jahre

Es gelten die gleichen Grundsätze (rechtlich/medizinisch) wie bei Versicherten unter 65 Jahren [3]. Es ist zunächst der unfallbedingte Gesundheitserstschaden (die Verletzung) im Vollbeweis zu sichern. Vollbeweis bedeutet, dass entweder allein durch Bilddokumente (Röntgenbilder, Magnetresonanztomographie [MRT]-Bilder) oder durch Beiziehen aller sonstigen Anknüpfungstatsachen (Vorgeschichte, Geschehensablauf, Erstbefund, intraoperativ erhobene Befunde, histologische Untersuchungsbefunde) der unfallbedingte strukturelle Erstschaden zweifelsfrei und nachvollziehbar nachgewiesen werden muss.

Sofern konkurrierenden Ursachen für die Entstehung des Gesundheitserstschadens mit ursächlich sind, sind sie ebenfalls im Vollbeweis zu sichern. Infrage kommen z. B. die vorbestehende Arthrose eines Gelenkes, die vorbestehende Herabsetzung der Knochendichte oder eine vorbestehende Texturstörung (z. B. Sehnenschwächung).

Die gutachterliche Beurteilung besteht dann in der Bestimmung oder Schätzung der Ursachenanteile bei Eintritt der Verletzung.

Fallbeispiel 2.

Eine 71-jährige Frau erleidet bei einem Treppensturz eine Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers. Aus der Vorgeschichte ist ein Bruch des 8. Brustwirbels, der nach konservativer Behandlung unter keilartiger Umformung konsolidierte, bekannt. Die konventionellen Röntgenbilder, die 2 Tage nach dem Unfall angefertigt wurden, zeigten keine sicheren Frakturzeichen, und nur im Nachhinein wird man die Wulstbildung der oberen Wirbelkörpervorderkante für das Zeichen einer frischen Fraktur halten (Abb. 3). Die 3 Tage später vorgenommene Computertomographie(CT)- und MRT-Untersuchung ergaben dann eine frische A3-Verletzung mit deutlicher Höhenminderung (Abb. 4) Die Knochendichtemessung (Abb. 5) ergab an den Lendenwirbelkörpern L1 und L2 einen T‑Score von −3,4 (L1-L3 T‑Score –2,7). Therapeutisch erfolgten eine Kyphoplastie und die Anlage eines Fixateur interne von Th12 auf L2. Die sichere Verankerung des Fixateur interne gelang hierbei nur durch eine Zementaugmentation aller Schrauben.

Abb. 3
figure 3

Fallbeispiel 2: 71-jährige Frau, Treppensturz. Vorerkrankung: Brustwirbelkörper(BWK)-8-Fraktur, Röntgen Lendenwirbelsäule (LWS) 2 Tage nach Unfall. a In der Übersicht kein Nachweis einer Fraktur. b Bei starker Vergrößerung: Knochenwulst an der oberen Vorderkante Lendenwirbelkörper (LWK) 1

Abb. 4
figure 4

Fallbeispiel 2: Computertomographie und Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule (LWS) 5 Tage nach dem Unfall. a Lendenwirbelkörper(LWK)-1-Fraktur Typ A3. b Frisches Knochenödem in L1, aktivierte Osteochondrose in L2/L3, c Magnetresonanztomographie-Übersicht (T2): alte Brustwirbelkörper (BWK)-8-Fraktur, mehrere aktivierte Osteochondrosen an der Brustwirbelsäule (BWS)

Abb. 5
figure 5

Fallbeispiel 2: Knochendichtemessung an der Lendenwirbelsäule (LWS). BMD „bone mineral density“, Erw. Erwachsene, Altersvergl. Altersvergleich, AP anterior-posterior, YA „young adults“

Bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs ist der Krafteinwirkung durch den Treppensturz der in ihrem Ausmaß bewiesene Osteoporose der Wirbelsäule gegenüberzustellen. Die Tatsache, dass die primären Röntgenbilder keine wesentliche Deformierung des betroffenen Wirbelkörpers abbildeten und die Sinterung erst danach allmählich eintrat, ist ein Indiz für die primäre Krafteinwirkung (die wohl nicht sehr groß war), der Umstand, dass der Fixateur nur durch Zementaugmentation sicher verankert werden konnte, ein weites Indiz für den hohen Ausprägungsgrad der Osteoporose. In der GUV wird man in diesem Fall den Ursachenanteil der unfallbedingten Krafteinwirkung mit mindestens 50 % einschätzen – v. a. vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ältere spontane Wirbelkörpersinterungen nicht vorhanden waren. Wären diese auf Röntgen‑, CT- oder MRT-Bildern festzustellen, dann wäre der Ursachenanteil der Osteoporose mit über 50 % zu schätzen.

Die Prüfungen des Ursachenzusammenhangs erfordert also – wie auch beim Versicherten unter 65 Jahren – eine subtile Ermittlung und Abwägung der individuellen Ursachenanteile für den Eintritt der Verletzung.

Gutachten bei erwerbsunfähigen Personen

Völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liegt vor, wenn die Fähigkeit fehlt, trotz Nutzung aller nach den Kenntnissen und Fähigkeiten gegebenen Arbeitsmöglichkeiten im gesamten Wirtschaftsleben noch nennenswerten Verdienst zu erzielen. Sehr viele geriatrische Patienten, die sich während einer stationären Behandlung zulasten der GKV bei einem Unfall eine Verletzung zuziehen, werden diese Bedingung erfüllen. Bei einer Person, die zum Unfallzeitpunkt erwerbsunfähig im oben genannten Sinn war, ist deshalb die Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Rentengutachten) entbehrlich. Zusammenhangsfragen sind dennoch häufig wegen strittiger Leistungspflichten erforderlich: z. B. wegen Hilfsbedürftigkeit nach § 44 SGB VII, Pflegegeld oder Heimunterbringung.

Fallbeispiel 3.

Ein alleinstehender 86-jähriger Mann, der bislang selbstständig in häuslicher Umgebung gelebt hat, wird zulasten der Krankenkasse wegen folgender Diagnosen stationär behandelt: Herzrhythmusstörung, Schrittmacher, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Schlafapnoe und Stauchungsdermatitis an der unteren Extremität. Auf dem Weg zur Behandlung erleidet er eine pertrochantäre Femurfraktur, die operativ mittels Gammanagel behandelt wird (Abb. 6). Nach Abschluss der Akutbehandlung und der geriatrischen Rehabilitation bleibt der Versicherte trotz tadelloser Frakturheilung stark gehbehindert und kann sich nur noch mit dem Rollator fortbewegen. Er ist dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen (Plegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung). Die Unterbringung in einem Pflegeheim wird erforderlich. Zu klären ist, wie groß der Ursachenanteil des Unfalls und seiner Folgen an der Notwendigkeit der Heimunterbringung ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Unfall als zeitlich letzter Faktor wesentlich war, sondern darauf, welche Bedeutung der Unfall für den Eintritt der Pflegebedürftigkeit hatte. Wiederum müssen – wie auch beim erwerbstätigen Versicherten über 65 Jahre – subtil die individuellen Ursachenanteile für den Eintritt der Pflegebedürftigkeit ermittelt und abgewogen werden.

Abb. 6
figure 6

Fallbeispiel 3: 86-jähriger Mann, Patient, Sturz auf dem Weg zur Therapie. a Pertrochantäre Femurfraktur. b Ausheilungsbild nach Versorgung mit Gammanagel

Proximale Femurfrakturen führen trotz bestmöglicher unfallchirurgisch/orthopädischer Behandlung in einer Vielzahl der Fälle zur Pflegebedürftigkeit und in hohem Maße bei bereits pflegebedürftigen Patienten zu einer weiteren Abnahme der Selbstständigkeit. Welche Dimensionen dies hat, wurde in einer Studie unter Zugrundelegung der Daten der Krankenkassen ermittelt. Von 1425 Patienten, die vor dem Unfall noch im häuslichen Umfeld gepflegt werden konnten, war 1 Jahr nach der proximalen Femurfraktur in 548 Fällen stationäre Pflege erforderlich [4]. Nach einem versicherten Unfall ist also immer zu klären, welchen Ursachenanteil der Unfall an der Entstehung der stationären Pflegebedürftigkeit hatte.

Gutachterliche Fragen bei älter werdenden Unfallverletzten

Der demografische Wandel betrifft auch fast alle Verletzte, die mit ihren Unfallfolgen immer älter werden. Bei älter werdenden Unfallverletzten können sich die Unfallfolgen verschlimmern (z. B. Entstehung oder Zunahme sekundärer Arthrosen nach Gelenkverletzungen), oder zu den Unfallfolgen treten altersbedingte Verschleißveränderungen hinzu, die mit den Unfallfolgen in Wechselwirkung treten: Folgen einer Wirbelsäulenverletzung am Brust-Lendenwirbelsäulen-Übergang und fortschreitendende Bandscheibenschädigungen am lumbosakralen Übergang. Folgen einer Schulterverletzung und Hinzutreten von Funktionsstörungen aufgrund eines Rotatorenmanschettenschadens. Diese Nachschäden wirken sich zwar nicht auf die MdE aus, sie führen aber meistens dazu, dass eine Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der GKV und der GUV erforderlich wird, und oftmals ist dies nur über eine Begutachtung möglich. Dies setzt voraus, dass der Gutachter nicht nur die Grundsätze der Zusammenhangsbegutachtung beherrscht, sondern sich auch den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand über die Ätiologie und Pathogenese orthopädischer Erkrankungen zu eigen gemacht hat.

Am häufigsten ist beim alt werdenden Unfallverletzten die Frage der Hilfsmittel und der Pflegebedürftigkeit zu klären:

  • orthopädische Hilfsmittel,

  • Fahrzeughilfe,

  • Wohnungshilfe,

  • Leistungen zur Teilhabe nach § 4 SGB IX,

  • Hilfsbedürftigkeit nach § 44 SGB VII – unfallbedingt?,

  • Pflegebedürftigkeit nach SGB XI, unfallbedingter Anteil?,

  • Heimunterbringung, unfallbedingter Anteil?.

Grundlage der Entscheidung ist immer der Versicherungsfall als Ausgangsbasis. Die Klärung der Frage, ob die erforderliche Leistung im Unfallzusammenhang steht, geschieht wie bei jedem Zusammenhangsgutachten über die Ermittlung der Ursachenanteile, wobei der Unfallversicherungsträger (UVT) entscheidet, ob der Zusammenhang rechtlich wesentlich (es spricht mehr dafür als dagegen) ist oder nicht – haftungsausfüllende Kausalität. Grundsätzlich ist der Zusammenhang positiv festzustellen, d. h. es reicht nicht aus, dass der Ursachenzusammenhang nicht ausschließbar ist.

Das Alter ist keine Schadensanlage. Das heißt: Wenn im Begutachtungsprozess erforderlich ist, die Ursachenanteile für die Entstehung eines Schadens (für den Umfang der Unfallfolgen, für die Gewährung einer Leistung etc.) zu bestimmen, dann können im unfallchirurgisch-orthopädischen Fachgebiet nur bewiesene individuelle strukturelle Veränderungen der unfallbedingten Krafteinwirkung gegenübergestellt werden. Eine guter übergeordneter Begriff für diese altersbedingten Veränderungen ist der Terminus „Schwächung“, weil er wiedergibt, dass die von außen kommende Krafteinwirkung auf Strukturen trifft, die leichter verletzlich sind als bei einer jungen Person. So ist bei einem durch Osteoporose geschwächten Knochen eine geringere von außen eintreffende Gewalt erforderlich, um zu einer Fraktur zu führen. Erst wenn die Gewebeschwächung so weit fortgeschritten ist, dass das Organ einer alltäglichen Belastung nicht mehr standhalten konnte, ist der Ursachenanteil der strukturellen „Schadensanlage“ höher zu bewerten als die unfallbedingte Krafteinwirkung. Dabei muss das Ausmaß der Schwächung – sei es durch Bildgebung, feingeweblichen Untersuchungsbefund, Knochendichtemessung u. a. – zweifelsfrei bestimmt werden, und nur im Ausnahmefall kann die Analyse des Geschehensablaufes (die Bestimmung der Intensität der Krafteinwirkung) indirekte Hinweise auf eine vorbestehende Gewebeschwächung ergeben.

Die Knochendichtemessung ist zur Graduierung der Osteoporose etabliert. Die Bestimmung der Schwäche einer Sehne ist objektiv nur durch eine feingewebliche Untersuchung möglich, wobei eine Klassifikation der Schwäche ein guter Hinweis dafür wäre, ob der Ursachenanteil einer Sehnenvorschädigung gering oder hoch einzuschätzen ist. Die Klassifikation der Texturstörung nach Krenn [5, 6] bietet ein einfaches Klassifikationsschema, mit dem auch der medizinische Laie gut umgehen könnte (Tab. 1). Allerdings hat sich diese Klassifikation bei den Pathologen noch nicht so weit durchgesetzt, dass damit im Gutachtenalltag regelhaft gearbeitet werden kann.

Tab. 1 Histologische Kriterien der Texturstörungsgrade. (Aus [5])

Fazit für die Praxis

  • Beim geriatrischen Patienten gibt es keine allein auf das Alter zu beziehenden Fragen bei der Begutachtung.

  • Die im Alter zunehmende Schwächung des Gewebes ist bei Fragen des ursächlichen Zusammenhanges als Schadensanlage nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu belegen, wenn sie als Mitursache für die Entstehung einer Verletzung in Betracht kommt.

  • Die meisten gutachterlichen Fragen bei geriatrischen Patienten betreffen Leistungen, die alterstypisch sind, wie Hilfsmittel, sowie die ambulante und stationäre Pflegebedürftigkeit.