Unter der Bezeichnung „Damage Control“ finden sich verschiedene Konzepte und Fachgebiete wieder. Neben „Damage Control Surgery“ beschreibt „Damage Control Interventions“ organspezifische Vorgehensweisen, „Damage Control Orthopedics“ fokussiert primär auf den Bewegungsapparat. In jüngster Zeit findet sich der Begriff auch in Zusammenhang mit den frühen lebenserhaltenden Maßnahmen bei Traumapatienten präklinisch bzw. im Schockraum inklusive der Flüssigkeitsgabe unter dem Begriff „Damage Control Resuscitation“ wieder. Die Begriffsherkunft „Damage Control“ wird im Allgemeinen der Kriegsmarine zugeordnet. Bezeichnet werden hier die Bestrebungen, dass bei Leckage des Schiffes zunächst alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um das Sinken des Schiffes und die Manövrierfähigkeit zu erhalten, allen voran das Abdichten der Leckage, und der Schaden kontrolliert wird.

Was ist „Damage Control Surgery“?

Gemäß Leppeniemi [1] ist das Prinzip „Damage Control Surgery“ auf schwerverletzte Patienten anzuwenden. Diese müssen eine Beeinträchtigung ihrer physiologischen Parameter aufweisen. Anstelle einer definitiven Versorgung ist die primäre Zielsetzung die Blutungskontrolle, die Dekontamination und die Dekompression des Abdomens. Auf dem Weg zum heutigen „Damage Control“ war sicher die Arbeit von Pringle et al. [2] wegweisend. Er beschrieb als Erster das perihepatische Packing bei 4 Patienten. Über ein halbes Jahrzehnt finden sich dann kaum Berichte, bis zu den 1970er-Jahren, in denen Lucas et al. [3] (n = 3) und Calne et al. [4] (n = 4) blutstillende Verfahren bei Patienten mit schweren Leberverletzungen beschreiben. Das Konzept wurde von Stone et al. [5] weiter ausgeführt, indem sie 17 Patienten nach Laparotomie und Blutung nach dem „Damage Control“-Prinzip und 14 Patienten nach dem „Early Total Care“-Prinzip behandelten und bei Ersterem Überlebensvorteile sahen. All diese Untersuchungen münden dann in das wegweisende Manuskript von Rotondo und Schwab [6] 1993 und die Etablierung des Konzeptes „Damage Control“.

Mit den heute gängigen und eben erwähnten Kriterien des „Damage-Control“, stellt sich die Frage, wie „Damage-Control Surgery“ im chirurgischen Alltag umgesetzt wird. Diesbezüglich geben die Umfrageergebnisse von Roberts et al. [7] Aufschluss: Die Kollegen publizierten die Daten ihrer Umfrage in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland aus 232 Traumazentren; 50 hiervon wiesen den Status eines Level-1-Traumazentrums auf, 48 % der Befragten besaßen über 10 Jahre Berufserfahrung. Explizit widmeten sie sich der Fragestellung, welche Kriterien präoperativ bzw. intraoperativ von Chirurgen verwendet werden, um die Entscheidung für das „Damage Control“-Prinzip zu treffen. Große Übereinstimmung diesbezüglich wiesen präoperativ das Bestehen der letalen Trias von Hypothermie, Koagulopathie und Azidose, die Gabe von mehr als 10 Erythrozytenkonzentraten sowie eine durchgeführte Thorakotomie präoperativ zur Wiederbelebung auf. Auch eine präoperative Körpertemperatur von <34° bzw. ein präoperativer arterieller pH von <7,2 wurden als Kriterien gesehen, wenn auch mit weniger Übereinstimmung als die Erstgenannten. Zusätzlich herrscht bei folgenden intraoperativen Kriterien große Einigkeit: venöse lebernahe Blutungen, Zerstörung von Pankreas oder Duodenum sowie abdominelle Gefäßverletzungen inklusive der Verletzung von mehr als 2 Bauchorganen.

Wie wird die Anwendung des „Damage-Control“-Prinzips in der Literatur gesehen?

Die Arbeit von Roberts et al. [8] ist eine Metaanalyse der Literatur zwischen 1950 und 2014 und sucht nach den Indikationen für das „Damage Control Surgery“-Prinzip. Es wurden 270 Peer-reviewed-Arbeiten ausgewertet. Insgesamt konnten über 1000 Indikationen für „Damage Control Surgery“ gefunden werden. Nur 9 Indikationen lagen in jeweils mehr als einer Originalstudie vor. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die meiste Literatur (57 %) erwartungsgemäß mit dem Abdominaltrauma beschäftigte; 72 % der Literatur favorisierten die Verwendung des „Damage Control Surgery“ als intraoperative Entscheidung, wobei die physiologischen Parameter zu 58 % indikationsführend waren. Es folgte das Kriterium „Verletzungsmuster“ mit 39 %; 50 % der Literatur definierten nur einen fixen Messpunkt. Zu 75 % wurde lediglich ein bestehendes Kriterium für ausreichend erachtet. Schließlich existieren nur 2 prospektive Studien zwischen 1990 und 2014. Somit lassen sich aus der Literatur lediglich der pH < 7,3, die Massentransfusion sowie eine Körpertemperatur von <35° in Übereinstimmung ableiten. Es ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei der am häufigsten untersuchten Körperregion im Rahmen des „Damage Control Surgery“-Prinzips, d. h. dem Abdomen, bis dato nicht ausreichend Literatur zur abschließenden Bewertung vorliegt. Dies geht aus der Arbeit von Cirocchi et al. [9] hervor.

Während das „Damage Control Surgery“-Prinzip zunächst stark auf das primäre Überleben des Unfallverletzten fokussiert, beschäftigt sich das „Damage Control Orthopedics“-Prinzip auch mit der Reduktion der Spätletalität durch die Wahl geeigneter chirurgischer Maßnahmen und deren Timing in der Frühphase nach Trauma.

Gemäß Giannoudis et al. [10] soll das Prinzip „Damage Control Orthopedics“ bei ausgewählten Polytraumapatienten, die sich in einem instabilen bzw. physiologisch stark beeinträchtigten Zustand befinden, angewandt werden. Zielsetzung sind die Blutungskontrolle, die Stabilisation von Frakturen und das Weichteilmanagement. Maßgeblich ist die Minimalisierung des chirurgischen Impacts. Historisch ist der Blick auf „Damage Control Orthopedics“ eng mit der Entzündungsreaktion nach Trauma verknüpft [11]. Zugrunde liegt die Beobachtung, dass sowohl das Trauma als auch das chirurgische Vorgehen eine sofortige Ganzkörperinflammation nach sich ziehen.

Wovon wird die Entzündungsreaktion nach Trauma und Operation beeinflusst?

Gebhard et al. [12] zeigten in einer klinisch prospektiven Studie mit 94 Patienten, dass der Entzündungsmarker IL-6 im Plasma früh nach Trauma (bereits am Unfallort) erhöht ist und mit der Schwere des Traumas korreliert.

Strecker et al. [13] wiesen zudem nach, dass die posttraumatische Entzündungsreaktion auch von der Art des Traumas abhängt. Das Lungengewebe ist diesbezüglich, z. B. im Rahmen einer Brustkorbverletzung, zu einer relativ ausgeprägten Freisetzung von Entzündungsmediatoren fähig [14].

Pape et al. [15] konnten in einer prospektiven Studie mit 105 Patienten aufzeigen, dass selbst bei bereits hohen Interleukin-6-Spiegeln die intramedulläre Nagelung des Oberschenkels zu einem weiteren Anstieg von Interleukin-6 im Blut und damit der Entzündungsreaktion führt. Allgemein gilt anzumerken, dass Interleukin-6-Werte größer als 800 pg/ml mit Organversagen beim Polytraumapatienten assoziiert sein können [16].

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass u. a. Art und Umfang des Traumas („first hit“) sowie die durchgeführten chirurgischen Interventionen („second hit“), die Entzündungsreaktion nach Trauma bestimmen und somit aufeinander abgestimmt werden müssen.

Im der klinischen Umsetzung zeigt sich dies wie folgt: Nach einer initialen chirurgischen Stabilisierung („day one surgery“) gilt es, zwischen Tag 1 und Tag 5 im Rahmen der posttraumatischen Hyperinflammationsreaktion die chirurgischen Eingriffe zu minimieren. Im sog. „window of opportunity“ ab Tag 5 nach Trauma, können dann definitive Stabilisierungsoperationen durchgeführt werden [17].

Welche Unfallverletzten sollten dem „Damage Control Orthopedics“-Konzept zugeführt werden?

Pape et al. [18, 19] geben hierfür folgende Empfehlung:

  • ISS > 40 ohne Thoraxverletzung, Injury Severity Score (ISS) > 20 mit Thoraxtrauma (Abbreviated Injury Scale (AIS) > 2),

  • Patienten mit multiplen Extremitätenfrakturen und Stammverletzungen,

  • Polytraumapatienten mit Abdominal- und Beckentrauma (Moore > 3) und RR < 90 (Hämorrhagie),

  • Patienten mit Thoraxtrauma und Lungenkontusion auf dem ersten konventionell radiologischen Bild,

  • Patienten bei Initialoperationsdauer > 6 h.

Wie sieht die Evidenz zu „Damage Control Orthopedics“ in der Literatur aus?

Taeger et al. [20] zeigten in einer klinischen prospektiven Studie mit 75 Patienten, dass die Letalität unter Anwendung des „Damage Control Orthopedics“-Prinzips niedriger ist als die vorhergesagte Letalität im Traumaregister. Auch Operationszeit und Blutungsverlust waren niedriger.

Bei 165 Polytraumapatienten kam es zu keinen signifikanten Unterschieden im Outcome zwischen primärer Fixateur-externe-Versorgung und der Nagelosteosynthese. Allerdings konnte in einer Subgruppenanalyse bei Hochrisikopatienten nachgewiesen werden, dass deutlich weniger Lungenversagen mit der Stabilisierung durch Fixateur externe vergesellschaftet war [21].

Fallbeispiel

Vorgestellt wird ein polytraumatisierter Patient im Rahmen eines Motorradunfalles. Das Verletzungsmuster ist wie folgt: Brustwirbelkörper (BWK)-7 B1-Fraktur, Halswirbelkörper (HWK)-6 Proc.-spinosus-Fraktur, BWK-1 Proc.-transversus-Fraktur, Thoraxtrauma mit Lungenkontusion und Pneumothorax beidseits, Klavikulafraktur rechts, Plexus-brachialis-Läsion rechts, Kalottenfraktur (Os temporale) und Schädelbasisfraktur (Felsenbein) sowie Jochbogenfraktur rechts, Femurschaftbruch rechts und Leberlazeration mit subkapsulärem Hämatom. Der ISS beträgt 29 (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

ab Wirbelsäulenfraktur. c Plexusschädigung. d Polytraumatisierter Unfallverletzter mit Thoraxtrauma. e Oberschenkelbruch

In der genauen Analyse zeigte sich im Vergleich mit den oben genannten Kriterien, dass es sich um einen Patienten mit ISS > 20 inklusive Thoraxtrauma handelt. Ebenfalls war auf dem ersten konventionell radiologischen Bild eine Lungenkontusion zu erkennen (Abb. 1). Somit erfolgt die Behandlung nach dem „Damage Control Orthopedics“-Prinzip mit zunächst Fixateur-externe-Anlage im Bereich des Oberschenkels sowie geschlossener Reposition des Jochbogens. Am zweiten Tag wird dann ein kleiner Eingriff, in diesem Falle die Stabilisierung der Klavikula, durchgeführt, anschließend Respektieren der Entzündungsphase und definitive Stabilisierung erst wieder ab Tag 5 mit dorsaler Instrumentierung der Wirbelsäule und Marknagelung des Oberschenkels. Am Tag 8 kann dann die Extubation erfolgen, am Tag 11 die Verlegung auf Normalstation und am Tag 24 die Entlassung (zusammengefasst in Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zeitliche Stabilisierung des Unfallverletzten aus Abb. 1 nach dem „Damage Control Orthopedics“-Konzept. D Tag, ORIF offene Reposition, interne Fixation, CRIF geschlossene Reposition, interne Fixation, Jochb. Jochbein, Clav. Schlüsselbein, Fix. ext. Fixateur externe, WS Wirbelsäule, MN Marknagelung, OS Oberschenkel, Extub. Extubation, ICU Intensivstation, E Entlassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl „Damage Control Surgery“ als auch „Damage Control Orthopedics“ weitverbreitete Konzepte im klinischen Alltag sind, die wissenschaftlich jedoch noch wenig hinterlegt sind. Die gute Erfahrung klinisch tätiger Chirurgen mit diesen Konzepten in der Polytraumaversorgung ist ein wichtiger Faktor, der für die Anwendung des „Damage Control“ spricht.