Zusammenfassung
Die proximale Femurfraktur ist nach wie vor eine der häufigsten Frakturen des höheren Alters. Es steht eine Vielzahl an Implantaten mit guter Evidenz zur Versorgung zur Auswahl. Jedoch unterscheidet sich das Patientengut stark, und Abweichungen in der Versorgung vom Standardpatient sind regelmäßig erforderlich. Ziel ist u. a. eine stabile Versorgung mit früher Mobilisierbarkeit, guter Beweglichkeit, geringen Beschwerden und Reduktion der Risiken. Weiterhin sollte dem postoperativen Management große Aufmerksamkeit gewidmet werden, um Problematiken, wie z. B. Delir und erneute Sturzereignisse, zu vermeiden. Da viele Frakturen auf eine vorbestehende Osteoporose zurückzuführen sind, kommt einer erweiterten Diagnostik und Therapie ein besonderer Stellenwert zu. Unter vorbestehender Bisphosphonat-Therapie wurden gelegentlich subtrochantäre Frakturen beschrieben. Nach der aktuellen Literatur besteht jedoch aktuell kein wesentlich erhöhtes Frakturrisiko – selbst unter lang andauernder medikamentöser Therapie. Eine Reevaluation der Gesamtsituation und eine intensivierte Nachsorge werden jedoch empfohlen.
Abstract
Proximal femoral fractures are still one of the most common fractures in elderly people. Many implants with good evidence are available to choose from but patients greatly differ and deviations from the standard patient procedure are regularly necessary. The key objectives are early mobilization, good range of motion, freedom from pain and risk reduction. Furthermore, high priority in postoperative care management should be given to a reduction of postoperative delirium and reoccurrence of falling events. As many fractures are related to the presence of osteoporosis, further assessment and diagnostics are necessary. Bisphosphonates are approved medications in the treatment of osteoporosis but in recent years reports and studies could occasionally be found involving subtrochanteric femoral fractures under bisphosphonate treatment. According to recent references there is no evidence for an increased risk fracture, even during long-term treatment with these medications. Re-evaluation of the patient situation after years of treatment and intensive aftercare is recommended.
Die proximale Femurfraktur (PFF) ist eine Fraktur des höheren Alters. Aufgrund gestiegener Lebenserwartung und Verschiebung der Alterspyramide sehen wir uns einer stetig steigenden Fallzahl an PFF gegenüber. Betrachtet man die zukünftig erwartete Fallzahl der PFF aus dem Jahr 1995 (Abb. 1) und stellt aktuelle Daten (Tab. 1) gegenüber, so fällt eine deutliche Reduktion der 2014 erwarteten Fälle auf. Unter anderem lässt sich dies evtl. auf intensivierte Präventionsmaßnahmen (Sturzprophylaxe, Osteoporosediagnostik und Therapie usw.) zurückführen.
Im Jahr 2014 wurden 108.134 PFF in Deutschland gemeldet. Hiervon waren 54 % Schenkelhalsfrakturen (SHF) und 46 % pertrochantäre Frakturen. Mit >70 % ist überwiegend das weibliche Geschlecht betroffen, und es handelt sich in der Regel um Niedrigenergietraumata. Eine zügige operative Therapie ist empfohlen, kann jedoch nicht in jedem Fall z. B. aufgrund von Multimorbidität oder laufender Antikoagulation erfolgen. So wurden 2014 12 % der PFF erst nach 48 h einer Operation zugeführt. Die perioperative Sterblichkeit beträgt 5,7 %.
Im fortgeschrittenen Alter hat sich die Versorgung der SHF mittels Prothese und bei pertrochantären Femurfrakturen (pertr. FF) mittels Osteosynthese bewährt. Bei der prothetischen Versorgung stellt sich oft die Frage einer bipolaren vs. Totalendoprothese sowie die Frage einer zementfreien vs. zementierten Schaftverankerung. Schenkelhalsschrauben bei SHF haben sich aufgrund schlechterer Knochenqualität und Vitalität bei geriatrischen Patienten nicht bewährt.
Für die Versorgung der pertr. FF steht die Osteosynthese im Vordergrund. Hierfür gibt es eine Vielzahl an Implantaten zur Auswahl, es seien nur der Proximale Femurnagel Antirotation (PFN-A®, Fa. DePuy Synthes), die dynamische Hüftschraube (DHS®, Fa. DePuy Synthes) und der Gamma-Nagel® (Fa. Stryker) mit den jeweiligen Modifikationen genannt. Die korrekte Implantatwahl und Durchführung können über Erfolg oder Misserfolg der Behandlung entscheiden. Die beschriebene Komplikationsrate innerhalb des ersten Jahres nach PFF ist mit bis zu 28 % [2] weiterhin sehr hoch und konnte in den vergangenen Jahren nur unwesentlich verringert werden.
Über die Jahre hinweg zeigt sich nach wie vor eine stetig ansteigende Inzidenz an PFF mit jedoch zunehmend älteren und kränkeren Patienten. Über 73 % weisen einen ASA-Score (American Society of Anaesthesiologists) von >3 auf oder stehen zunehmend unter Antikoagulation, was die Behandlungsmaßnahmen erschweren oder gar die Mortalität erhöhen kann. Die Therapieziele im Alter sind klar definiert, Infobox 1 gibt einen Überblick.
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Schnelle Operation
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Nur 1 Narkose – ohne Zwischenfälle
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Nur 1 Operation – keine Reoperation
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Keine Komplikationen
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Sofortige Vollbelastung der Extremität und Mobilisierung
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Wenig Schmerzen
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Gutes funktionelles Ergebnis.
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Akzeptable Kosten
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Rückführung in den Alltag
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Sturzprophylaxe
Letztendlich beruht ein Großteil an Frakturen auf einer unbekannten oder nicht therapierten Osteoporose in Verbindung mit erhöhter Sturzneigung. Zu den leitliniengerechten Therapeutika der Osteoporose gehören unter anderem die Bisphosphonate. Diese konnten in der Vergangenheit ihren Nutzen in mehreren Studien belegen.
In Fallberichten werden Insuffizienzfrakturen des proximalen Femurs unter Bisphosphonat-Therapie publiziert, die zu einer Verunsicherung des weiteren Vorgehens führen. All diese Fragen sollen anhand der aktuellen Studienlage erörtert und Behandlungsstrategien identifiziert werden.
Klassifikation
Schenkelhalsfraktur
Schenkelhalsfrakturen werden in der Regel nach Garden (Abb. 2; [3, 4]), Pauwels [5] oder der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) klassifiziert. Weiterhin kann man laterale von medialen Schenkelhalsfrakturen unterscheiden, wobei mediale, intrakapsuläre deutlich überwiegen und mit einem intrakapsulären Hämatom einhergehen. Dieses soll für eine Minderperfusion des Hüftkopfes verantwortlich sein.
Pertrochantäre Femurfraktur
Pertrochantäre Femurfrakturen werden u. a. nach AO-Klassifikation (31-A1–A3, Abb. 3) eingeteilt. Entscheidend für die weitere Wahl der Implantate ist hier die Frage einer mehrfragmentären Situation, Beteiligung der lateralen Wand und Instabilität der medialen Säule.
Diagnostik
Bei Schenkelhalsfrakturen und pertr. FF imponieren klinisch eine deutliche Beinverkürzung sowie Außenrotationsstellung verbunden mit lokaler Schmerzsymptomatik und Druckbeschwerden. Die anschließende radiologische Diagnostik wird mittels tiefer Beckenübersicht, ggf. betroffenes Hüftgelenk anterior-posterior (ap), und einer axialen Aufnahme der betroffenen Seite durchgeführt. In der Regel reicht dies aus, um eine Einschätzung der Dislokation und Beurteilung einer mehrfragmentären Situation durchzuführen. In Einzelfällen kann eine Computertomographie (CT) Klarheit verschaffen.
Therapie
Schenkelhalsfraktur – konservativ
Selbst bei nicht dislozierten Garden-I-Frakturen ist die klare Leitlinienempfehlung die operative Stabilisierung. Ein konservativer Therapieversuch der SHF ist nur in Ausnahmefällen bei eingestauchten, stabilen Frakturen (Pauwels I, Garden I) und z. B. erheblicher Komorbidität, Inoperabilität oder auf Patientenwunsch indiziert. Beachtung müssen sowohl ap als auch axiale Aufnahmen finden, es darf allenfalls eine geringe Achsabweichung des Hüftkopfes toleriert werden. Auch bei konservativer Behandlung sollte eine frühzeitige Mobilisierung angestrebt werden, um Risiken, wie z. B. Thrombembolie und Pneumonie, zu reduzieren. Engmaschige radiologische Nachkontrollen (nach 4, 7 und 11 Tagen sowie 3 und 6 Wochen) sind erforderlich, um eine sekundäre Dislokation frühzeitig zu erkennen. Eine sekundäre Dislokation im Behandlungsverlauf wird mit über 20 % und Hüftkopfnekrose mit über 30 % berichtet [7].
Schenkelhalsfraktur – operativ
Osteosynthese
Kopferhaltende Eingriffe (z. B. DHS® oder Schraubenosteosynthese) kommen im Alter nur im Ausnahmefall infrage. „Golden Ager“ mit guter Knochenqualität und hoher Compliance ohne Arthrosezeichen im konventionellen Röntgenbild können von einer zügigen, osteosynthetischen Versorgung profitieren. Hierbei besteht eine Notfallindikation, und die operative Therapie sollte <8 h post Trauma erfolgen. Die Stabilisierung mittels DHS® (Abb. 4) ist der Versorgung mittels kanülierter Schraubenosteosynthese prinzipiell gleichgestellt [8, 9]. Obligat bei Verwendung der DHS® in Kombination mit einer Schenkelhalsfraktur ist die Verwendung einer Antirotationsschraube. Diese muss parallel und kranial der DHS® eingebracht werden, um den dynamischen Gleiteffekt der DHS® zu ermöglichen. Insgesamt ist die Komplikationsrate nach Osteosynthese, bestehend aus Pseudarthrose, Implantatversagen, Infektion und Kopfnekrose, sehr hoch.
Endoprothese
In der Regel wird eine endoprothetische Versorgung mit dem Ziel einer zügigen Remobilisation unter Vollbelastung und Rückkehr in das bisherige Umfeld/Rehabilitation angestrebt. Dieses kann durch eine Totalendoprothese (TEP; Abb. 5) oder bipolare Prothese (Abb. 6) erfolgen.
Aktive Patienten mit hohem Anspruch und Bewegungsgrad sollten bei guter Compliance einer TEP zugeführt werden. Ältere Patienten mit eingeschränkter Mobilität oder mit Komorbiditäten sollten mit einer bipolaren Prothese versorgt werden.
Nach Möglichkeit sollte die operative Therapie innerhalb 24 h erfolgen, um eine Risikoreduktion zu erreichen. Weiterhin sollte in die Entscheidung einfließen, dass bei TEPs zwar in der Regel eine bessere postoperative Funktion zu beobachten ist, diese jedoch auch mit mehr Luxationen [10], Revisionen [11], einem höheren perioperativen Blutverlust und somit einer längeren Operationszeit assoziiert sind [12]. Im Langzeitverlauf zeigt sich jedoch in den meisten Studien kein signifikant erhöhtes Revisionsrisiko zwischen TEP und bipolarer Prothese [13].
Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage der zementierten Schaftverankerung. Registerdaten aus Finnland konnten zeigen, dass 1 Woche nach Zementierung kein erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zu nicht zementierten Schäften besteht [14]. Das kombinierte England-/Australien-Register konnte sogar einen Überlebensvorteil sowie ein geringeres Revisionsrisiko von zementierten Schäften feststellen [11, 15]. Parker et al. [10] konnten weiterhin geringere postoperative Schmerzen als auch eine bessere Funktion 1 Jahr postoperativ dokumentieren. Bei Auswertungen des kombinierten Norwegen- und Schweden-Registers wurde eine Revisionsrate von 3,5 % mit deutlich erhöhtem Risiko für Revisionen als auch periprothetische Frakturen bei Patienten >75 Jahre und zementfreien Schäften festgestellt [16], eine Schaftzementierung wird empfohlen.
Eine ausführliche, präoperative Risikoevaluation der Patienten und enge Zusammenarbeit mit der Anästhesie sind somit erforderlich. Bei geeigneten Patienten lässt sich durch die Zementierung des Prothesenschaftes somit die Operationsmortalität senken und das Outcome bezüglich Funktion, Komplikation und Schmerzen bessern.
Betrachtet man den Kostenfaktor, so ist die zementierte bipolare Prothese kostengünstiger als die zementfreie bipolare und die zementfreie TEP.
Operativ pertrochantäre Fraktur
Pertrochantäre Femurfrakturen bedürfen einer intensiven Analyse bezüglich Frakturausmaß und Lokalisation. Die bisherige Lehre, A1-Frakturen einem extramedullären Kraftträger, wie z. B. der DHS® (Abb. 4), und A2- bis A3-Frakturen einem intramedullären Kraftträger (z. B. PFN-A®, Abb. 7 rechtsseitig) zuzuordnen, gilt es zu überdenken. Sofern die mediale Säule intakt ist, ist die DHS® dem PFN-A® auf die biomechanische Stabilität bezogen ebenbürtig (31-A1-Frakturen). Jedoch konnte in einigen Studien gezeigt werden, dass der PFN-A® eine signifikant kürzere Operationszeit, niedrigeren Blutverlust und geringe Inzisionslänge aufweist [17].
Metaanalysen zeigen weiterhin eine geringere Rate an sekundären Dislokationen und postoperativen Komplikationen nach PFN-A®-Osteosynthese [18, 19]. Sollte aufgrund besonderer Gegebenheiten eine PFN-A®-Osteosynthese bei A2-Frakturen nicht möglich erscheinen, stellt die Implantation einer DHS® in Verbindung mit Abstützplatte (Abb. 8) und ggf. Cerclagen (Abb. 9) eine Alternative dar.
Im Vergleich mit dem Gamma-Nagel®, der weiterhin Verwendung findet, ist der PFN-A® aufgrund geringeren Blutverlusts, Durchleuchtungszeit und verkürzten Krankenhausaufenthalts zu bevorzugen [19].
Jede Fraktur hat ihre besonderen Merkmale und Schwachstellen. Eine außerordentliche Prägnanz kommt einer perfekten Reposition in beiden Ebenen zu. Eine zu varisch eingestellte pertrochantäre Femurfraktur oder in deutlicher Dislokation fixierte Stellung wird das beste Implantat zum Versagen bringen. Weiterhin gilt es, die Knochenqualität und Substanz korrekt einzuschätzen, um z. B. erweiterte Maßnahmen zu erwägen. Bei fortgeschrittener Osteoporose kann z. B. die Zementierung über eine perforierte Klinge des PFN-A® (Abb. 10 rechtsseitig) ein Cutting-out verhindern und eine zügige, sichere Mobilisierung herbeiführen [20].
Nachbehandlung
Um typische postoperative Risiken wie die Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose, Pneumonie und katheterassoziierte Harnwegsinfekte zu reduzieren, ist eine zügige und therapeutisch begleitende Mobilisierung mit Vollbelastung indiziert. Bereits am ersten postoperativen Tag sollte zumindest eine Mobilisierung in den Stand am Patientenbett erreicht werden, ab dem zweiten Tag erste Gehversuche mit Hilfsmitteln. Ohne Thromboseprophylaxe lieg die Inzidenz einer Thrombose bei 60 % [21, 22].
Eine Thromboseprophylaxe mittels niedermolekularem Heparin (NMH) oder Fondaparinux ist nach operativen orthopädischen/unfallchirurgischen Eingriffen daher obligat. Diese sollte für 28 bis 35 Tage durchgeführt werden [23]. Ergänzend kann bei starken Schwellungen und Lymphabflussproblematik Gebrauch von physikalischen Maßnahmen wie Kompressionsstrümpfen (eine Einschnürung im Operationsbereich sollte vermieden werden) oder intermittierender pneumatischer Kompression (Fußpumpe) gemacht werden.
Bei geriatrischen Patienten sollten eine gelegentliche O2-Sättigungskontrolle und ggf. eine supportive O2-Gabe erfolgen. Regionale Schmerzkatheter und eine angepasste Schmerztherapie können sowohl das Narkoserisiko sowie den postoperativen Opiatverbrauch senken und das postoperative Delir, Motilitätsstörungen sowie Schwindel und Übelkeit reduzieren. Einliegende Redondrainagen bieten eine Leitschiene für Hautkeime und somit tiefe Infektionen, eine frühzeitige Entfernung (<48 h postoperativ) wird empfohlen, sofern überhaupt erforderlich. Es gilt, eine schonende Lagerung bei eingeschränkter Mobilität und vulnerablen Hautverhältnissen zu kontrollieren und frühzeitig sich entwickelnde Druckulzera zu erkennen. Bei abfallenden Hämoglobinwerten wird eine Transfusion erst ab einem Hämoglobinwert <8 g/dl und symptomatischen Patienten empfohlen. Eine Begleitung mittels Diätassistenten und Erhebung des Nutritionsstatus ist ebenso angeraten wie eine regelmäßige, geriatrische Visite. Bei erhöhter Sturzneigung sind eine erweiterte, internistische Sturzdiagnostik und präventive Maßnahmen, wie z. B. Hüftprotektoren (s. Infobox 2), zu empfehlen [24].
Eine Osteoporosebasisdiagnostik sollte bei Frauen über dem 70. und Männern über dem 80. Lebensjahr bei jeglicher stattgehabter Fraktur durchgeführt werden. Diese besteht aus Bestimmung von Serumkalzium, Phosphat und AP-Spiegel, GGT, Kreatinin, Serumeiweiß, Vitamin D, CRP, TSH sowie DXA-/QCT-Knochendichtemessung. Nach proximaler Femurfraktur und T‑Wert < –2,0 wird eine medikamentöse Therapie empfohlen, bei klinischen osteoporotischen Aspekten kann ggf. auf eine Knochendichtemessung verzichtet werden [25].
Insuffizienzfrakturen und Bisphosphonat-Therapie
Eine Sonderform stellen die Insuffizienzfrakturen dar. Hierbei entwickelt der menschliche Knochen eine anormale Dichte und Struktur. Selbst unter normaler Last oder Bagatelltraumata kann es so zu Frakturen u. a. im Bereich des proximalen Femurs kommen. In den vergangenen Jahren wurden die Osteoporoseaufklärung, Diagnostik und medikamentöse Therapie u. a. mittels bewährter und gut verträglicher Bisphosphonate weiter vorangetrieben [26]. Die erwartete Inzidenz an PFF konnte nicht zuletzt hierdurch deutlich gesenkt werden. Allerdings werden immer häufiger Fälle von subtrochantären Femurfrakturen beschrieben, die auf die Bisphosphonat-Therapie zurückgeführt werden. Neviaser et al. [27] konnten 2008 eine signifikant höhere Frakturrate subtrochantär (AO-Klassifikation 32-A3) unter Bisphosphonaten nachweisen. Oftmals berichten die Patienten bereits seit Monaten bis Jahren über Beschwerden [28]. Bereits in diesen Stadien zeigt sich häufig in konventionellen Röntgenaufnahmen eine Kortikalisverdickung mit medialem „Kortikalis-Spike“ (Abb. 11 und 12; [27]).
Histologische Untersuchungen wiesen in diesen Frakturbereichen Knochenveränderungen im Sinne einer Hypermineralisation und damit verbunden eine Erhöhung des Elastizitätsmoduls nach [29, 30]. Bei Auftreten eines Niedrigenergietraumas kommt es dann zur Insuffizienzfraktur. Im Durchschnitt tritt ein solches Ereignis nach 5 bis 7 Jahren der Bisphosphonat-Therapie auf [27, 31].
Die Inzidenz der Bisphosphonat-induzierten Frakturen beträgt 2,3/100.000 Patienten [32]. Allerdings sei gesagt, dass die Risikosenkung osteoporotischer Frakturen mit >40 % beziffert wird [33] und dass das Patientengut weitere Risikofaktoren aufweist. Hierzu gehören z. B. die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Komedikationen wie Glukokortikoide und Protonenpumpeninhibitoren sowie eine laufende Tumortherapie [34].
Betrachtet man die Risikoreduktion der Frakturereignisse im Rahmen einer Osteoporosetherapie im Vergleich zur mutmaßlich induzierten Bisphosphonat-Frakturrate sind die auftretenden Komplikationen verschwindend gering [35]. Einige Autoren konnten sogar keine Unterschiede zur Placebogruppe feststellen, und das Frakturereignis trat in jedem Lebensalter auf [34]. Eine aktuelle Auswertung der Registerdaten Dänemarks konnte selbst nach Einnahme von Bisphosphonat über 10 Jahre eine Reduktion der proximalen Femurfrakturen um 30 % nachweisen und kein erhöhtes Frakturrisiko der subtrochantären Region [36].
Weiterhin werden bilaterale, subtrochantäre Femurfrakturen berichtet (Abb. 13; [37, 38]), weshalb nach erstmaligem Ereignis eine weitere Risikoabschätzung einer Bisphosphonat-Therapie erfolgen muss. Je nach Situation erscheint hier ein Abweichen von den Osteosynthesestandards – z. B. in Verbindung mit einer Korrekturosteotomie und Kondylenplattenimplantation – sinnvoll (Abb. 14).
Es stellt sich somit die Frage, bei welchen Patienten und wie lange die Bisphosphonat-Therapie durchgeführt werden soll. Ziel soll sein, dass nur Hochrisikopatienten eine Dauertherapie durchlaufen. Schwartz et al. [39] konnten 2010 aufzeigen, dass eine Bisphosphonat-Therapie über 5 Jahre nur das Frakturrisiko senkt, wenn der T‑Wert der DXA-Messung unter −2,5 liegt. Eine Langzeitgabe bei einem T‑Wert über −2,5 führt zu einem nicht signifikanten Anstieg osteoporotischer Frakturen und wird somit nicht empfohlen.
Eine Re-Evaluation inklusive Knochendichtemessung sollte somit spätestens nach 5 Jahren erfolgen. Sofern keine weiteren Frakturen aufgetreten sind und eine geringe Osteoporose vorliegt, sollte die Therapie beendet werden. Bei Hochrisikopatienten wird eine Therapie über mindestens 10 Jahre empfohlen mit nicht längerer Pausierung als 1 bis 2 Jahre [40]. Eine Übertherapie sollte vermieden werden, und bei Auftreten typischer Prodromalsymptome wie lang andauernden Beschwerden und radiologischen Frühzeichen wie kortikalen „Spikes“ subtrochantär sollte eine Beendigung der Therapie und ggf. Entlastung der Extremität angestrebt werden [37].
Fazit und Guidelines
Analog des Behandlungsschemas in Abb. 15 besteht bei Schenkelhalsfraktur, Alter <70 Jahre sowie guter Knochenqualität und ohne wesentliche Arthrosezeichen die Indikation zur Osteosynthese mittels DHS®. Patienten >70 Jahre mit hohem Anspruch sollten einer Totalendoprothese aufgrund gesteigerter Mobilität mit jedoch erhöhtem Komplikationsrisiko zugeführt werden. Der ältere Patient (>80 Jahre) mit Arthrose und meist mäßiger Knochenqualität sollte eine Duokopfprothese erhalten. Eine Zementierung des Schaftes wird bei diesen Patienten empfohlen, sofern keine weiteren Kontraindikationen, z. B. Zementallergie oder hohes Thrombembolierisiko, bestehen. Eine konservative Therapie ist nur in Ausnahmefällen bei nicht dislozierten Garden-I-Frakturen möglich, weist jedoch eine hohe Versagerquote auf.
Das Standardimplantat der pertrochantären Frakturen (Abb. 16) ist nach wie vor ein intramedullärer Kraftträger (z. B. PFN-A®). Eine DHS®-Osteosynthese mit Antirotationsschraube (AR-Schraube) der A1-Frakturen ist prinzipiell biomechanisch als gleichwertig zu sehen, der PFN-A® ist jedoch auch hier aufgrund geringerer Schnittlänge, verkürzter Operationsdauer und geringerem Blutverlust vorzuziehen. Maß aller Dinge sind eine anatomische Reposition und Vermeidung varischer Fehlstellungen sowie Beachtung der korrekten Klingenposition (Center-Center, Tip-Apex-Abstand 5–10 mm). Zur Vermeidung häufiger Komplikationen des PFN-A®, wie z. B. dem Cutting-out und Klingenlateralisation, kann bei Osteoporose eine Zementaugmentation erwogen werden.
Die Osteoporose ist mit einer Inzidenz von 885.000/Jahr eine häufige Erkrankung des hohen Alters [41] und führt häufig durch Niedrigrasanztraumen zu einer proximalen Femurfraktur. Durch oben genannte Verfahren stehen zuverlässige Operationsmethoden zur Auswahl, v. a. das perioperative Management der geriatrischen Patienten ist jedoch deutlich zu verbessern. Weniger als 20 % der Patienten werden nach erlittenem Trauma einer Osteoporosetherapie zugeführt [42, 43]. Eine Basisdiagnostik sowie Einleitung einer Osteoporosetherapie sollten somit bereits in den Krankenhäusern nach erlittener Fraktur über dem 70. Lebensjahr bei Frauen und über dem 80. Lebensjahr bei Männern forciert werden.
Insuffizienzfrakturen des proximalen Femurs unter Bisphosphonat-Therapie sind eine Rarität und durch ihre subtrochantäre Frakturlokalisation gekennzeichnet. Häufig zeigen sich Prodromalsymptome und radiologische Zeichen (Kortikalis-Spikes). Nach erlittenem Frakturereignis sollte intraoperativ eine perfekte Reposition erreicht und vorzugsweise ein intramedullärer Kraftträger (z. B. PFN-A®) gewählt werden. Postoperativ sind eine neuerliche Knochendichtemessung und Re-Evaluation der Therapienotwendigkeit sowie engmaschige klinische und radiologische Verlaufskontrollen empfohlen. Eine weitere Gabe der Bisphosphonate wird nur bei einer hochgradigen Osteoporose (T-Wert < −2,5) empfohlen. Weitere Risikofaktoren (Protonenpumpeninhibitoren und Glukokortikoide) müssen ebenso in Betracht gezogen werden.
Infobox 2 gibt eine kurze Zusammenfassung der relevanten perioperativen Eckpunkte bei der Behandlung geriatrischer Patienten. Eine geriatrische Kooperation sowie Sekundärprophylaxe ist ebenso wichtig wie die Rückführung in das bisherige Umfeld, ggf. über den Umweg einer Rehabilitation [24].
Infobox 2 Perioperative Guidelines
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Operation <6 h (gelenkerhaltend)/24–36 h (prothetisch)
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Schonende Lagerung (Druckulzera)
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Sättigungskontrolle, ggf. supportiv O2-Gabe
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Thromboseprophylaxe (ggf. Fußpumpe, Thrombosestrümpfe postoperativ)
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Regional-/Spinalanästhesie bevorzugen
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Postoperativ Schmerzkatheter zur Opiatreduktion
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Perioperative Antibiotikaprophylaxe (Gabe bei Einleitung!)
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Frühe Entfernung der Wunddrainage, sofern überhaupt erforderlich
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Hautnaht (weniger Wundinfektionen als Klammern)
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Keine Transfusionen bei asymptomatischen Patienten mit Hb >8 g/dl
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Urinkatheter so früh wie möglich entfernen
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Nutritionsstatus (Diätassistenten)
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Geriatrische Anbindung, Delirprophylaxe (ggf. Low-dose-Haloperidol)
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Frühmobilisation (<48 h)
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Stationäre/ambulante Anschlussrehabilitation
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Osteoporosediagnostik
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Hüftprotektoren.
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Interessenkonflikt
T. Klopfer, P. Hemmann, P. Ziegler, U. Stöckle und C. Bahrs geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Datenbank atypischer Femurfrakturen durch Sektion Alterstraumatologie. Bilder und Fälle können gesendet werden an: Dr. Hans Goost (Goost@krankenhaus-wermelskirchen.de).
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Klopfer, T., Hemmann, P., Ziegler, P. et al. Proximale Femurfraktur und Insuffizienzfrakturen im Alter. Trauma Berufskrankh 19 (Suppl 1), 27–36 (2017). https://doi.org/10.1007/s10039-016-0203-0
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