Als sich vor einem Vierteljahrhundert die Handgelenksarthroskopie in der Diagnostik von Verletzungen etablierte, erklärten manche Experten, sie bräuchten dieses Verfahren nicht. Durch eine saubere Anamneseerhebung, klinische Untersuchung, exakte Röntgendiagnostik und sorgfältige Interpretation der Aufnahmen sei die Arthroskopie zur Diagnostik von Handgelenksverletzungen oft entbehrlich. Wie wird heute der Stellenwert der einzelnen Maßnahmen, v. a. auch der Handgelenksarthroskopie, im Rahmen der Diagnostik karpaler Verletzungen beurteilt?

Anamnese

Fast alle Verletzungen des Handgelenks sind Hyperextensionstraumen. Flexionstraumen werden dagegen nur selten angegeben, sie gehen möglicherweise gehäuft mit Abscherfrakturen vom Tuberculum scaphoideum (Typ A1 der Skaphoidfrakturen nach Herbert) einher. Stürze aus einer mittleren Höhe (1–2 m) ziehen oft eine Verletzung des skapholunären Interkarpalbands (SL-Band) nach sich. Rasanztraumata können zu karpalen Verletzungen im Rahmen von Mehrfachverletzungen bzw. zu perilunären Luxationen und Luxationsfrakturen führen.

In der Anamneseerhebung ist zu beachten, dass der vom Patienten angegebene aktuelle Unfall möglicherweise für den Hauptschaden gar nicht ursächlich ist, sondern dass frühere Ereignisse vielleicht bagatellisiert wurden. So wird nicht selten nach einem frischen Unfall eine alte Skaphoidpseudarthrose erstmals diagnostiziert [4].

Klinische Untersuchung

Eine erste orientierende Untersuchung dient der Indikationsstellung zur Röntgendiagnostik. Eine differenzierte klinische Untersuchung (s. unten) ist erst dann sinnvoll, wenn die Röntgenaufnahmen beurteilt worden sind und dem Untersucher vorliegen.

Röntgendiagnostik

Die Aufnahmen des Handgelenks in 2 Ebenen sollten in präziser Technik angefertigt werden: Für die posterior-anteriore (p.-a.-)Projektion wird der Arm auf einen Kasten gelagert, sodass der Oberarm im Schultergelenk 90° abduziert und das Ellenbogengelenk 90° flektiert ist. Das Qualitätskriterium der p.-a.-Aufnahme ist der maximal ulnar projizierte Processus styloideus ulnae. Die seitliche (laterale) Projektion wird dagegen mit angelegtem Arm bei wiederum 90° flektiertem Ellenbogengelenk angefertigt. Qualitätskriterium sind die übereinander projizierten Basen der Mittelhandknochen 2–4 und der mittig im Ulnakopf zur Darstellung kommende Processus styloideus ulnae.

Mit diesen Aufnahmen können die perilunären Luxationen und Luxationsfrakturen gut erkannt werden. Bei exakter Technik der p.-a-Aufnahme kann die relative Länge der Ulna zum Radius eingeschätzt und bei Ulna-plus-Varianten ein Hinweis auf einen Diskusschaden oder ein Ulnar-Impaction-Syndrom gesehen werden. In der seitlichen Aufnahme wird der SL-Winkel bestimmt, in dem (elektronisch) die Senkrechte auf die Verbindungslinie von Vorder- und Hinterhorn des Os lunatum gezeichnet und als zweiter Schenkel des SL-Winkels die Tangente palmar an den distalen und den proximalen Pol des Skaphoids gelegt wird. Normwertig sind SL-Winkel von etwa 50° (30– 60°).

Röntgenschrägaufnahmen des Handgelenks geben wertvolle Zusatzinformationen, sodass die Standardanforderung „Handgelenk in 4 Ebenen“ lauten sollte. Die Projektion nach Stecher wird mit Ulnarduktion des Handgelenks und Faustschluss der Finger ohne Daumen im p.-a.-Zentralstrahl so durchgeführt, dass das Handgelenk ca. 15° extendiert und radialseitig ca. 20° angehoben ist. Es resultiert eine überlagerungsfreie Darstellung des Skaphoids, die nicht nur in der Primärdiagnostik von Skaphoidfrakturen, sondern auch für Verlaufskontrollen bei konservativer oder nach operativer Therapie unentbehrlich ist (Abb. 1). Die andere schräge Projektion erfolgt nach Moneim: Unter leichter Ulnarduktion des Handgelenks werden nur der Ring- und Kleinfinger in die Faust eingeschlagen, Daumen und übrige Finger bleiben gestreckt. Das Ergebnis ist eine p.-a-Aufnahme mit 20° Anhebung der ulnaren Handkante. Hiermit lässt sich nicht nur der SL-Gelenkspalt überlagerungsfrei darstellen, sondern auch die ulnaren Karpalknochen können besser als in der p.-a.-Aufnahme beurteilt werden [6].

Abb. 1
figure 1

Skaphoidpseudarthrose in Höhe der proximalen Drittelgrenze. a Auf den Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (p.-a. und seitlich) ist die Pseudarthrose kaum zu erkennen; b auf den Schrägaufnahmen nach Stecher und Moneim kommt sie klar zur Darstellung. c Die Computertomographie zeigt das Ausmaß der knöchernen Resorption. d Die Magnetresonanztomographie ohne Kontrastmittel zeigt auf den T1-gewichteten Aufnahmen eine Signalalteration, nicht mehr! e Erst eine fehlende Kontrastmittelaufnahme wäre beweisend für eine avaskuläre Nekrose, doch reichert hier der proximale Pol das Kontrastmittel an und ist somit nicht avaskulär. f Versorgungsbild nach vaskularisiertem Radiusspan und Schraubenosteosynthese

Die 4 Röntgenstandardprojektionen des Handgelenks („Handgelenk in 4 Ebenen“) sind also:

  • die p.-a.-Projektion,

  • die seitliche Projektion,

  • die Projektion nach Stecher sowie

  • die Projektion nach Moneim.

Bei Verdacht auf eine karpale Bandverletzung ist die Kinematographie oder auch die einfache Durchleuchtung mit Röntgenbildwandler unter Durchbewegen des Handgelenks oft wegweisend. Sie sollte am Ende jeder Osteosynthese des distalen Radius zum Ausschluss einer begleitenden relevanten Bandverletzung, z. B. einer SL-Bandruptur, routinemäßig erfolgen.

Differenzierte klinische Untersuchung

Erst wenn die Röntgendiagnostik keine frische Fraktur oder Luxation ergeben hat, beginnt die differenzierte klinische Untersuchung. Dazu gehören Palpation und Ermitteln möglicher Druckschmerzpunkte, Provokationstests auf Bandinstabilitäten und Prüfung der Schmerzhaftigkeit des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC) im ulnaren Stresstest unter axialer Stauchung des Unterarm, Ulnarduktion des Handgelenks und abwechselnder Unterarmrotation in Supination und Pronation.

Es sei darauf hingewiesen, dass manchmal schon die einfache Inspektion des Handgelenks wertvolle Hinweise zur Diagnose liefert. Ein Beispiel bei veralteten Verletzungen ist die synoviale Schwellung dorsal über dem radioskaphoidalen Gelenkspalt als Hinweis auf einen karpalen Kollaps mit Arthrose („SLAC wrist“). Ein anderes Beispiel betrifft die akute karpometakarpale Luxation des 5. oder des 4. und 5. Strahls, die oft in der klinischen Inspektion einfacher zu erkennen ist als auf nativen Röntgenaufnahmen [3].

Arthroskopie des Handgelenks

Falls sich in der klinischen und röntgenologischen Untersuchung des Handgelenks Hinweise auf eine karpale Bandinstabilität oder einen TFCC-Schaden ergeben, sollten diese in einer Magnetresonanztomographie (MRT) oder einer operativen Arthroskopie des Handgelenks weiter abgeklärt werden.

Vorteil der Arthroskopie ist die Möglichkeit, viele Befunde direkt arthroskopisch therapieren bzw. bei frischen Bandverletzungen in gleicher Anästhesie offen versorgen zu können (Abb. 2). In der arthroskopischen Untersuchung mit dem Tasthaken können manche Pathologien wesentlich besser erkannt werden („Sehen und Tasten“) als bei alleiniger Betrachtung. Nachteile der Arthroskopie sind die Invasivität des Verfahrens und die Tatsache, dass einige Bereiche des Handgelenks nicht gut eingesehen werden können. Ein Beispiel ist die proximale ulnare Insertion des Diskus in der Fovea ulnaris, deren isolierter Abriss (Typ 1Bc nach Palmer-Atzei [1]) nur durch Arthroskopie des distalen Radioulnargelenks (schwierig) zu erkennen ist [9]. Diese Pathologie kann eine hochauflösende MRT ( ≥ 1,5 t, Handgelenkspule) zuverlässiger darstellen [8].

Abb. 2
figure 2

a Zentraler Diskuseinriss. b Da das Lunatum ulnarseitig eine Knorpelglatze aufweist, ist hier ein degenerativer Schaden wahrscheinlicher als ein traumatischer Riss. c Débridement mit Punch und Vapor. d Der Situs nach Abschluss des zentralen Débridements zeigt die palmar und dorsal sorgfältig geschonten randständigen Ligg. radioulnaria

Computertomographie (CT)

Die Computertomographie sollte eingesetzt werden, wenn sich aus der klinischen Untersuchung der Verdacht auf eine karpale Fraktur ergibt. Sie stellt in diesen Fällen derzeit immer noch das beste weiterführende diagnostische Verfahren dar. Entscheidend ist dabei, dass neben den koronalen, transversalen und sagittalen Standardschichtungen auch Schichten möglichst senkrecht zum Frakturverlauf angefertigt werden. Hierzu sind exakte Angaben des klinischen Untersuchers gleichermaßen erforderlich wie die Optimierung der Schichtung durch den Radiologen. Bei Verdacht auf Skaphoidfraktur ist als Zusatzschichtung die schräg-sagittale Schnittführung in der Längsachse des Skaphoids unabdingbar [4, 10]. Leider fehlt diese bei vielen CT-Untersuchungen, kann aber (zeitaufwendig) in vielen PACS-Systemen auch nachträglich in der operierenden Klinik erstellt werden [2, 5]. Dreidimensionale Rekonstruktionen der Handwurzel werden dagegen oft beigefügt, obwohl ihr klinischer Erkenntnisgewinn meist als minimal anzusehen ist.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die technische Qualität der MRT-Geräte hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Mit Geräten ab 1,5 t und unter Verwendung spezieller Handgelenkspulen lassen sich viele Strukturen des Handgelenks inzwischen nichtinvasiv in hervorragender Qualität darstellen. Die Wertigkeit der MRT im Vergleich zur Arthroskopie wird derzeit in zahlreichen Studien ermittelt.

Eine klare Indikation stellt die Abklärung der knöchernen Vitalität dar, z. B. der Fragmente einer Skaphoidpseudarthrose (Abb. 1d, e) oder des Lunatums bei M. Kienböck. Hier ist die intravenöse Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel unabdingbar, um falsch-positive Eindrücke zu vermeiden: Erst die fehlende Kontrastmittelanreicherung in den T1- oder protonengewichteten Aufnahmen belegt die Avitalität eines knöchernen Fragments [7].

Fazit für die Praxis

  • Die Indikation zur Arthroskopie bei Verdacht auf eine SL-Bandruptur ergibt sich aus der klinischen Untersuchung, exakten Röntgenaufnahmen und ggf. der Röntgendurchleuchtung.

  • In der Diagnostik von Skaphoidfrakturen ist die Röntgenschrägaufnahme nach Stecher von großem Wert.

  • Die MRT-Diagnostik mit aktuellen Geräten (1,5 t, spezielle Handgelenkspule) zeigt TFCC-Verletzungen in hoher Qualität.

  • Ein isolierter proximaler Abriss des Diskus aus der Fovea ulnaris ist in einer MRT hoher Qualität besser zu erkennen als in der Arthroskopie.

  • Zur Vitalitätsbestimmung des proximalen Skaphoidpols bei Pseudarthrosen in der MRT ist die Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel unverzichtbar.

  • Im Rahmen der Handgelenkarthroskopie können die meisten Diskusverletzungen klar abgegrenzt und oft therapiert werden.

  • Die Therapie karpaler Frakturen basiert weitestgehend auf CT-Aufnahmen in adäquater Schnittführung.