Zusammenfassung
Hintergrund
Frakturen im Bereich des Sprunggelenks im Wachstumsalter machen etwa 8 % aller Frakturen der langen Röhrenknochen aus.
Diagnostik
Voraussetzung für eine exakte Diagnostik ist die Kenntnis der stereotypen Verletzungsmuster. In Abhängigkeit vom Alter kommen rein metaphysäre Frakturen, Wachstumsfugenlösungen, epiphysäre Frakturen im eigentlichen Wachstumsalter, Übergangsfrakturen und knöcherne Bandausrisse vor.
Therapie
Die Erstellung einer posttraumatischen Wachstumsprognose bestimmt das zielgerichtete therapeutische Handeln. Hemmende Wachstumsstörungen können durch therapeutische Maßnahmen nicht völlig verhindert werden.
Abstract
Background
Fractures of the ankle during the growth period account for approximately 8 % of all fractures of the long bones.
Diagnostics
The prerequisite for an exact diagnosis is knowledge of the stereotype injury patterns. Purely metaphyseal fractures, growth plate separation, epiphyseal fractures in the growth phase, transitional fractures and bony avulsions can occur depending on age.
Therapy
The establishment of a posttraumatic growth prognosis determines the targeted therapeutic action. Inhibitory growth disorders cannot be completely avoided by therapeutic measures.
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Unter den Verletzungen der langen Röhrenknochen im Wachstumsalter machen Frakturen des distalen Unterschenkels etwa 8 % aus [6]. In Abhängigkeit vom Alter kommen rein metaphysäre Frakturen, Wachstumsfugenlösungen, epiphysäre Frakturen im eigentlichen Wachstumsalter, Übergangsfrakturen und knöcherne Bandausrisse vor. Die typischen Außenknöchelfrakturen des Erwachsenen sind dagegen vor dem Verschluss der Wachstumsfugen eine absolute Rarität. Wie in jeder anderen Körperregion bestimmt die Erstellung einer posttraumatischen Wachstumsprognose das zielgerichtete therapeutische Handeln. Die distalen Wachstumsfugen von Tibia und Fibula tragen ca. 45 % zum Längenwachstum ihrer Knochen bei. Die Integration wachstumsassoziierter Korrekturprozesse in das Therapiekonzept kann zu einer stimulativen Wachstumsstörung mit der Folge einer meist milden Beinlängendifferenz führen. Die Rate hemmender Wachstumsstörungen nach Frakturen im Sprunggelenkbereich ist abhängig von der Fugenbeteiligung und bei Fugenlösungen (Salter-Harris I und II) sowie epiphysären Frakturen (Salter III und IV) besonderes hoch. Hemmende Wachstumsstörungen können durch therapeutische Maßnahmen nicht völlig verhindert werden. Die Voraussetzungen für ein unbeeinträchtigtes weiteres Wachstum lassen sich jedoch verbessern.
Diagnostik
Sprunggelenkfrakturen folgen wie alle Frakturen im Wachstumsalter stereotypen Verletzungsmustern. Deren Kenntnis steht für den Kindertraumatologen vor jeglicher bildgebenden Diagnostik. Das Diagnostikum der Wahl ist das konventionelle Röntgenbild in 2 Ebenen. Die Sonographie hat im Gegensatz zur oberen Extremität für die Diagnostik und Verlaufsbeobachtung am Sprunggelenk noch keinen festen Stellenwert. Die Computer- (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) spielen eine untergeordnete Rolle. Sie sind nicht geeignet, die fehlende Kenntnis und ein fehlendes Verständnis der altersspezifischen Verletzungsformen zu ersetzen. Wer die Fraktur nicht kennt, wird sie auch im Schnittbild nicht erkennen und verstehen. Die Strahlenbelastung der CT ist im Einzelfall bei komplexen Frakturen Jugendlicher, die sich nicht in das Schema der typischen Übergangsfrakturen einfügen lassen, zur Therapieplanung gerechtfertigt. Die MRT hat ihre Stärke zur Detektion „okkulter“ Frakturen, d. h. in Fällen mit frakturtypischer Klinik ohne röntgenologischen Nachweis [14], bei Verdacht auf eine traumatische Osteochondrosis dissecans [2] und zur Darstellung der knöchernen Brücke im Falle einer hemmenden Wachstumsstörung [12].
Metaphysäre Frakturen
Rein metaphysäre Frakturen sind oft Verletzungen des Kleinkind- und Schulalters (Altersgipfel 5–8 Jahre). Inkomplette Frakturen in Form von Stauchungsbrüchen überwiegen. Vollständige Frakturen sind seltener. Wenn eine Fehlstellung entsteht, liegt diese meist in der Sagittalebene, die Antekurvation überwiegt. Die Behandlung kann meist konservativ im Oberschenkelgips durchgeführt werden. Sollte eine Achskorrektur notwendig sein, kann diese in Form einer Gipskeilung, im Einzelfall auch als Reposition in Narkose durchgeführt werden. Eine operative Stabilisierung ist nur selten nötig. Es kommen dann gekreuzte Kirschner-Drähte oder eine absteigendende intramedulläre Schienung infrage. Wachstumsstörungen spielen keine relevante Rolle [12].
Wachstumsfugenlösungen Salter-Harris I und II
Wir sehen Wachstumsfugenlösungen als die am weitesten distal gelegenen metaphysären Frakturen des Unterschenkels an („Fugen-Schaft-Frakturen“). Die Literaturangaben sind trotz zahlreicher Studien sehr unterschiedlich. Das Durchschnittsalter wird einheitlich mit ca. 11 Jahren angegeben. Wachstumsfugenlösungen mit metaphysärem Keil überwiegen diejenigen ohne in einem Verhältnis von bis zu 8:1. Die Spontankorrekturfähigkeit posttraumatisch verbliebener Fehlstellungen wird bis zum 10. Lebensjahr mit 20° in der Frontal- und Sagittalebene angegeben. Danach wird das Maximum mit 10° in allen Ebenen benannt [12]. Eigene Studien ergaben, dass die häufigsten Fehlstellungen, Antekurvation und Valgus, in jedem Lebensalter ab einer Abweichung von 10° einer Reposition zugeführt werden [8, 9]. Die Rate posttraumatischer, hemmender Wachstumsstörungen wird in der Literatur extrem unterschiedlich zwischen 2,2 und 50 % angegeben. Im eigenen Patientengut fanden wir 2,9 % korrekturbedürftige Wachstumsstörungen. Risikofaktoren sind der Unfallmechanismus, der primäre Dislokationsgrad, die offene Reposition und mehrfache Repositionsmanöver, v. a. aber das unzureichende Repositionsergebnis. Entwickelte sich eine Wachstumsstörung, war das Repositionsmanöver schlechter [16], verblieb nach Reposition eine Lücke in der Wachstumsfuge, kam es in drei Viertel der Fälle zu einer hemmenden Wachstumsstörung [1]. Bei gutem Repositionsergebnis kamen hemmende Wachstumsstörungen nur halb so oft vor wie bei schlechtem. Andererseits fanden andere Autoren keine vermehrten Wachstumsstörungen bei bleibender Erweiterung der Fuge, andere empfahlen, ein Klaffen der Fuge eher zu belassen als mehrfach zu reponieren [7].
Die Therapie der undislozierten Wachstumsfugenlösung kann konservativ erfolgen [10]. Wir legen dazu für 10 Tage eine Unterschenkelgipsschiene, zirkulieren danach und lassen, da es sich dem Charakter nach um Querfrakturen handelt, schmerzadaptiert belasten. Die Ruhigstellungszeit beträgt insgesamt 4 bis 6 Wochen. Dislozierte Frakturen können meist geschlossen reponiert werden. Die Fixation erfolgt i.d.R. perkutan durch kaliberstarke Kirschner-Drähte (Abb. 1). Große metaphysäre Keile laden zu Schraubenosteosynthesen ein, die jedoch keine ausreichende, zusätzliche Stabilität mit sich bringen und eine additive Ruhigstellung nicht vermeiden können. Eine Osteosynthese der oft distal diaphysär frakturierten Fibula führen wir nicht durch. Die postoperative Nachbehandlung entspricht der primär konservativen Behandlung im Gips. Indikationen zur offenen Reposition ergeben sich kaum. Die Entfernung vermeintlich in den Frakturspalt eingeschlagenen Periosts zur Vermeidung hemmender Wachstumsstörungen ist nicht erforderlich. Dies konnte experimentell belegt werden [3, 15].
Sehr selten kommen isolierte Wachstumsfugenlösungen der distalen Fibula vor. Sie sind meist undisloziert und bedürfen nur der kurzfristigen Ruhigstellung und Entlastung.
Epiphysenfrakturen Salter-Harris III und IV
Die Epiphysenfrakturen im eigentlichen Wachstumsalter (Salter-Harris III und IV) haben immer einen gelenkbeteiligenden, epiphysären, sagittal verlaufenden Frakturanteil („Fugen-Gelenk-Frakturen“). Dieser kreuzt die Wachstumsfuge auf der vulnerablen, epiphysären Seite im Stratum germinativum. Die Kraft sucht sich von dort aus den Weg immer nach medial, mit oder ohne Ausbildung eines metaphysären Keils. Die epiphysäre Frakturlinie liegt meist außerhalb der Belastungszone der Tibia. Die typische Epiphysenfraktur des Wachstumsalters ist die Innenknöchelfraktur. Deren Altersgipfel liegt unterhalb des 10. Lebensjahres, also noch im aktiven Wachstumsalter. Dementsprechend häufig sind hemmende Wachstumsstörungen mit klinisch relevanten Folgen [11]. Die in diesen Fällen sekundär entstehende Fehlstellung ist immer ein Varus. Die Innenknöchelfraktur kann auf Röntgenaufnahmen im anterior-posterioren Strahlengang leicht übersehen werden. Bei entsprechendem klinischen Verdacht muss zusätzlich eine Röntgenaufnahme in 15–20° Innenrotation angefertigt werden.
Im Falle einer Dislokation ist zu bedenken, dass nicht nur eine Verschiebung der Gelenklinie, sondern vor allem auch der Wachstumsfuge vorliegt. Beide Strukturen sollten anatomiegerecht wiederhergestellt werden. Zur Vermeidung einer hemmenden Wachstumsstörung mit klinischen Folgen muss die im Rahmen der Knochenbruchheilung immer entstehende knöcherne Brücke über die Wachstumsfuge so klein wie möglich gehalten werden. Dazu empfehlen sich im Falle einer Dislokation die offene Reposition und die Fixation mit einer Kompressionsschraubenosteosynthese. Die epiphysäre Schraube verläuft dabei parallel zum Gelenk und zur Wachstumsfuge. Es ist darauf zu achten, die Wachstumsfuge nicht durch einen ansteigenden Schraubenverlauf zusätzlich zu verletzen. Bei Vorliegen eines ausreichend großen metaphysären Keils kann eine weitere unterstützende Schraube metaphysär parallel zur Fuge verwendet werden [12].
Übergangsfrakturen
Übergangsfrakturen finden sich bei Jugendlichen, nachdem der Verschluss der distalen Tibiawachstumsfuge bereits begonnen hat. Der Ablauf des Verschlusses ist bekannt und beginnt mit der Ausbildung einer medioventral gelegenen knöchernen Brücke über die Wachstumsfuge. Die Ossifikation der Fuge breitet sich von dort aus nach lateral und dorsal fort. Übergangsfrakturen haben immer einen epiphysären sagittal verlaufenden Frakturaspekt. Dieser liegt i.d.R. in der Belastungszone der Tibiagelenkfläche lateral der bereits ossifizierten Fugenzone. Die Kraft sucht sich dann horizontal ihren Weg nach lateral im Verlauf der noch offenen Fuge. Liegen nur diese beiden Frakturlinien vor, spricht man von einer „Twoplane-Fraktur“. Unmittelbar vor Ende des Wachstumsfugenverschlusses handelt es sich um einen knöchernen Ausriss der vorderen Syndesmose (Tillaux-Fraktur). Liegt zusätzlich eine dorsale Frakturlinie in der Frontalebene vor, handelt es sich um eine „Triplane-Fraktur“. Endet diese Frakturlinie auf Höhe der Wachstumsfuge und gewinnt sie dort Anschluss an den horizontalen Frakturverlauf, ist es eine Triplane-I-Fraktur, läuft die frontale Fraktur durch die Epiphyse in das Gelenk, ist es eine Triplane-II-Fraktur [17, 18]. Aufgrund des bereits begonnenen und in vielen Fällen schon weit fortgeschrittenen Wachstumsfugenverschlusses sind hemmende Wachstumsstörungen nicht zu befürchten. Da es sich jedoch stets um gelenkbeteiligende Frakturen handelt, ist auf Erhalt bzw. Wiederherstellung der Gelenkkongruenz zu achten.
Undislozierte Frakturen werden selbstverständlich konservativ behandelt (Abb. 2). Dislozierte Frakturen werden meist offen reponiert, um die Gelenkfläche exakt wiederherstellen zu können. Die Osteosynthese erfolgt mit Kompressionsschrauben. Es empfiehlt sich, zunächst die Gelenkfläche zu rekonstruieren und danach die ggf. vorliegenden metaphysären Frakturlinien zu reponieren und zu fixieren.
In der Literatur gibt es Hinweise auf eine erhöhte Rate an symptomatischen Früharthrosen nach Übergangsfrakturen [5].
Knöcherne Bandausrisse
Von knöchernen (Seiten-)Bandausrissen am Sprunggelenk ist fast immer die Außenknöchelspitze betroffen. Einen eigentlichen Altersgipfel gibt es nicht. Die Formen reichen von knorpeligen Avulsionen des Außenbandapparats im Kleinkindalter bis zur Fibulafraktur Typ Weber A bei Jugendlichen. Radiologisch findet sich nach Distorsionen des Sprunggelenks oft ein abgerundetes Os subfibulare. Dies kann sowohl anlagebedingt als auch posttraumatisch entstanden sein, ist jedoch nie akute Folge einer gerade erlittenen, frischen Verletzung [4].
Die Behandlung des frischen, knöchernen Bandausrisses erfolgt konservativ analog zur rein ligamentären Verletzung des Außenbandapparats [10]. Wir nutzen dazu vorgefertigte oder individuell angepasste Sprunggelenkorthesen. Chronische, objektivierbare Instabilitäten nach knöchernen fibularen Bandausrissen sind eine Seltenheit und betreffen am ehesten jugendliche Leistungssportler [13].
Behandlung posttraumatischer Fehlstellungen
Vor der i.d.R. nur operativ möglichen Behandlung einer posttraumatischen Fehlstellung am Sprunggelenk steht eine exakte und subtile Analyse der Problematik. Diese beinhaltet darüber hinaus eine fundierte Wachstumsprognose. Zunächst gilt es zu definieren, ob eine belassene Fehlstellung oder tatsächlich eine hemmende Wachstumsstörung vorliegt. Wenn anamnestisch möglich muss analysiert werden, ob die Fehlstellung im Verlauf unverändert bleibt, sich verringert oder verstärkt. Eine posttraumatisch belassene Fehlstellung wird bei ausreichendem Restwachstum spontan eine Verbesserung erfahren. Meist handelt es sich um eine Valgusfehlstellung. Dagegen ist der zunehmende Varus bei initial korrekten Achsverhältnissen nahezu beweisend für eine posttraumatische, hemmende Wachstumsstörung (Abb. 3).
Im Falle einer posttraumatisch belassenen Fehlstellung, deren Ausgleich durch Wachstumsprozesse aufgrund des Alters oder des Ausmaßes nicht abgewartet werden darf, kann nur eine Korrekturosteotomie vorgeschlagen werden kann. Liegt dagegen eine hemmende Wachstumsstörung mit Ausbildung einer knöchernen Fugenbrücke vor, ist eine Vielzahl von Aspekten zu beachten. Einen Überblick dazu und zu den möglichen Therapieoptionen bietet Tab. 1.
Fazit für die Praxis
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Die Frakturen des Sprunggelenks im Wachstumsalter folgen stereotypen Verletzungsmustern, die jeder kindertraumatologisch Tätige kennen muss.
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Das konventionelle Röntgenbild ist das Diagnostikum der Wahl.
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Bei Beteiligung der noch offenen Wachstumsfugen drohen hemmende Wachstumsstörungen, die zu einer Beinlängendifferenz und zu einer zunehmenden posttraumatischen Fehlstellung führen können.
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Bei Übergangsfrakturen ist auf die Rekonstruktion der Gelenkoberfläche zu achten.
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Kraus, R. Sprunggelenkfrakturen des Kindes. Trauma Berufskrankh 17 (Suppl 2), 270–274 (2015). https://doi.org/10.1007/s10039-015-0001-0
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