Die periprothetische Fraktur des Humerus ist eine seltene Verletzung, die hohe Anforderungen an die Versorgung stellt. Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung und des steigenden Anspruchs an die Lebensqualität im Alter nimmt die Zahl der implantierten Schulterendoprothesen stetig zu. Zudem werden neuere Endoprothesentypen, wie die Ellenbogengelenktotalendoprothese, etabliert, die ebenfalls mit implantatspezifischen Komplikationen einhergehen. Mit dieser Entwicklung wird auch die Häufigkeit periprothetischer Humerusfrakturen ansteigen.

Aktuell finden sich in der Literatur kaum signifikante Aussagen über Therapieergebnisse, da, auch aufgrund der Vielfalt der Versorgungsmöglichkeiten, keine Langzeitstudien vorliegen.

Inzidenz

Schulterprothesen

Die Anzahl der aktuell in Deutschland implantierten Schulterprothesen ist uneinheitlich. Sie wird auf zwischen 3000 und 18.000 pro Jahr beziffert.

Die Inzidenz der periprothetischen Frakturen soll vergleichbar mit denen nach Hüft- oder Knieendoprothetik bei 0,5–3 % liegen [2, 3]. Im Unterschied zur Hüft- oder Knieendoprothetik wird die Inzidenz der intraoperativen Humeruschaftfrakturen jedoch mit 1,9 % angegeben [1, 5]. Sie resultieren vornehmlich aus der Verwendung von Schäften mit Pressfitverankerung oder treten bei der Implantation von Revisionsschäften auf.

In den letzten 5 Jahren wurden in unserem Traumazentrum über 300 Schulterendoprothesen aufgrund komplexer Humeruskopffrakturen oder symptomatischer posttraumatischer Folgezustände implantiert. Im gleichen Zeitraum wurden 25 periprothetische Frakturen des proximalen Humerus versorgt. Somit beträgt der Anteil der periprothetischen Humerusfrakturen in unserem eigenem Patientengut im Verhältnis zur Gesamtzahl der endoprothetisch versorgten Schultergelenke 8,3 %.

Ellenbogenprothesen

Die Inzidenz periprothetischer Frakturen nach erfolgter primärer Implantation von Ellenbogentotalendoprothesen liegt bei 5 % und damit nicht nur höher als bei der Hüft- und Kniegelenk-, sondern auch der Schulterendoprothetik [4, 5]. Betroffen sind hierbei sowohl der Humerus als auch die Ulna.

In der Literatur finden sich im Gegensatz zur Hüft-, Knie- und Schultergelenkendoprothetik kaum Veröffentlichungen zur Ellenbogengelenkendoprothetik.

Seit 2006 wurden im eigenen Patientengut 62 Ellenbogengelenkendoprothesen implantiert. Dabei kamen verschiedene gekoppelte Endoprothesentypen zum Einsatz. Oberflächenprothesen wurden nicht verwendet. Die Implantation wurde ausschließlich aufgrund traumatischer Genese vorgenommen. Einerseits erfolgten primäre Implantationen wegen eines ausgeprägten Verletzungsmusters und bei entsprechendem Alter des Patienten, andererseits wurden in unserer Einrichtung Ellenbogengelenkendoprothesen bei erheblichen posttraumatischen Folgezuständen nach vorangegangenem Trauma bzw. osteosynthetischer Versorgung nach traumatischer Verletzung implantiert. Unter diesen 62 Ellenbogengelenkendoprothesenimplantationen fanden sich insgesamt 11 periprothetische Frakturen, was einem Anteil von 17,7 % entspricht. Zudem konnten implantatassoziierte Fehlfunktionen und Lockerungen der Kopplungsstelle nachgewiesen werden.

Die Verbreitung der Ellenbogengelenkendoprothetik ist wesentlich geringer als beispielsweise die der Hüft- und Kniegelenkendoprothetik. Aufgrund der im Vergleich relativ geringen Zahl an Implantationen liegen Forschungsergebnisse an größeren Patientenkollektiven nicht vor. Die einzelnen Behandlungsstrategien beim Auftreten von Komplikationen, und hierbei insbesondere von periprothetischen Frakturen, folgen im Wesentlichen den gleichen Regeln wie bei periprothetischen Frakturen an anderen Lokalisationen. Eine eigenständige Klassifikation von periprothetischen Frakturen am Ellenbogengelenk findet sich in der Literatur nicht.

Aufgrund der relativ geringen Weichteildeckung, der engen Lagebeziehungen zwischen Muskelansätzen, Nerven und Gefäßen und des relativ geringen Knochenmaterials, insbesondere ulnarseitig, stellt die Endoprothetik am Ellenbogengelenk für den Operateur von vornherein eine große Herausforderung dar, insbesondere aber bei Komplikationen, wie bei periprothetischen Frakturen.

Zu unterscheiden sind, wie auch an anderen Lokalisationen, intra- und postoperative periprothetische Frakturen.

Intraoperative periprothetische Frakturen

Ätiologie

Mit steigender Anzahl der implantierten Schulterendoprothesen ist auch mit einer Zunahme der periprothetischen Humerusfrakturen zu rechnen. Mögliche Ursache für deren Entstehung ist die intraoperative iatrogene Fraktur. Deren Auftreten jedoch hängt von der anatomischen Beschaffenheit des Humerusschafts und der Art der Schaftverankerung der Prothese ab bzw. wird gehäuft bei Revisionsoperationen beobachtet. Im eigenen Patientengut können wir diese Komplikation nicht bestätigen.

Zu den Risikofaktoren zählt v. a. eine eingeschränkte Knochenqualität. Zudem ist die Implantation von Schulter- und Ellenbogengelenkendoprothesen nach einem Trauma vordergründig einem älteren Patientenkollektiv vorbehalten. Dementsprechend finden sich häufig entsprechende systemische Vorerkrankungen und eine Osteopenie bzw. Osteoporose. Bei posttraumatischen Zuständen sind als zusätzliche Risikofaktoren Osteolysen und etwaige kortikale Schwachstellen nach vorangegangener Osteosynthese zu bedenken. Komplizierend sind zudem Abweichungen der anatomischen Schaftachse und ein verändertes Weichteilbalancing.

Bei der Implantation einer Ellenbogengelenkprothese kann es gerade im Bereich der Ulna beim Vorbereiten des Markraums zu weit proximal gelegenen, intraoperativen Frakturen kommen. Aufgrund der etwas gebogenen Schaftachse der Ulna und dem Olekranon als wesentlichem Ansatzpunkt für die Trizepssehne müssen speziell gebogene Markraumraffeln zum Einsatz kommen. Zum Erreichen eines festen Implantatsitzes muss zudem der Markraum ausreichend tief vorbereitet werden. Druck- und Hebelkräfte im Bereich des Olekranons lassen sich somit kaum vermeiden. Trotz sorgfältiger Präparation des Markraums an der Ulna kommt es deshalb überwiegend zu Olekranonfrakturen. Aber auch am Ulnaschaft können durch den entstehenden intraossären Druck bzw. die Schwächung einer Kortikalis durch nicht achsgerechtes Aufraffeln intraoperative periprothetische Frakturen auftreten.

Wesentlich schwieriger wird die Situation im Rahmen einer Revisionsendoprothetik am Ellenbogengelenk. Hier kommen die Probleme einer möglichen erheblichen Bewegungseinschränkung und auch einliegende Zementanteile zu den allgemeinen Risikofaktoren hinzu.

Diagnostik

Mit dem Wissen um das mögliche Auftreten von intraoperativen Humerusfrakturen ist der Darstellung unter dem Bildverstärker besondere Beachtung zu schenken. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Risikofaktoren muss intraoperativ besondere Vorsicht gelten, wenn z. B. eine Klangänderung beim Einbringen des Prothesenschafts in den Knochen oder der plötzlich lockere Sitz einer vormals fest anliegenden Endoprothesenraffel festgestellt werden.

Werden intraoperative Frakturen detektiert, müssen sie in Abhängigkeit von ihrem Verlauf und der resultierenden Gefährdung für die Prothesenstabilität behandelt werden. Entscheidend ist das rechtzeitige Erkennen ihres Auftretens. Zur Bestätigung sollte eine sofortige intraoperative Röntgenaufnahme mittels Röntgenbildwandler erfolgen. Das weitere Vorgehen im Rahmen der Implantation muss in diesem Zusammenhang sofort angepasst werden. Je nach Ausmaß der sich darstellenden Fraktur können verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen.

Postoperative periprothetische Frakturen

Ätiologie

Die häufigste Ursache postoperativer periprothetischer Frakturen am Schulter- und Ellenbogengelenk ist der Sturz auf die betroffene Extremität. Bestehende Funktionseinschränkungen der angrenzenden Gelenke führen zu einer Vergrößerung der Hebelkraft und erhöhen so die Frakturgefahr. Des Weiteren können die Schaftlockerung, das Malalignment der Endoprothese oder eine dünnwandige Kortikalis bei voluminösen Implantaten das Auftreten einer Fraktur begünstigen.

Zusätzlich kommen, wie auch bei den intraoperativen periprothetischen Frakturen, Risikofaktoren, wie vorliegende Stoffwechselerkrankungen oder eine bestehende Osteoporose, in Betracht.

Diagnostik

Bei Auftreten von periprothetischen Frakturen nach Schulter- oder Ellenbogengelenkendoprothetik im postoperativen Verlauf ist zunächst die Darstellung mittels Röntgenbildgebung in 2 Ebenen notwendig.

Um die gesamte Frakturausdehnung erfassen und die resultierende Stabilitätsgefährdung für die Endoprothese beurteilen zu können, muss die ergänzende CT-Diagnostik (CT: Computertomografie) gefordert werden. Auf diese Weise können der Bezug der Fraktur zur einliegenden Prothese dargestellt und das notwendige Behandlungsregime abgeleitet werden.

Für die periprothetische Fraktur der Schulterendoprothese wurden verschiedene Klassifikationen definiert. Die gängigste Einteilung ist die nach Worland et al. [6]. In ihr werden 5 Frakturtypen unterschieden. Die Fraktur der Tuberkel beschreibt Typ A, die Frakturen im Bereich des Prothesenschafts werden als Typ B bezeichnet. Hierbei werden die Spiralfrakturen bei stabilem Schaft (Typ B1), Quer- oder kurze Schrägfrakturen mit stabiler Schaftverankerung (Typ B2) oder mit instabiler Situation im Schaftbereich (Typ B3) unterschieden. Frakturen distal des Prothesenschafts sind nach Worland et al. [6] als Typ-C-Frakturen definiert.

Eine eigene Klassifikation der periprothetischen Frakturen in Verbindung mit Ellenbogengelenkprothesen existiert nicht, daher richtet sich das Behandlungskonzept nach den allgemeinen Richtlinien für periprothetische Frakturen anderer Gelenke.

Therapie

Schulterendoprothetik

Typ-A-Frakturen der Tuberkel nach Worland et al. [6]

Abrissfrakturen der Tuberkel können je nach ihrer Lage und Ausdehnung mit allgemeinen Osteosyntheseverfahren versorgt werden. Je nach Beschaffenheit des Fragments finden Schrauben- oder Plattenosteosynthesen, Drahtcerclagen oder auch Nahtanker Verwendung. In seltenen Fällen kann bei Verlust der Rotatorenmanschette auch die Implantation einer inversen Schulterprothese indiziert sein.

In unserem Patientengut werden vornehmlich Humeruskopfprothesen zur Behandlung nicht rekonstruktionsfähiger Humeruskopffrakturen implantiert. Dabei werden die Tuberkel an der Prothese fixiert. Eine sekundäre Dislokation der Tuberkel entspricht ebenfalls einer Typ-A-Fraktur nach Worland et al. [6] und muss dem gleichen Behandlungsregime unterzogen werden.

Typ-B-Frakturen nach Worland et al. [6] im Bereich des Protheseschafts

Die Entscheidung für das geeignete operative Verfahren sollte erst nach gründlicher Diagnostik der Fraktur gefällt werden. Hierbei ist es wichtig, zu erfassen, ob tatsächlich eine Lockerung des Prothesenschafts vorliegt. Bei periprothetischen Frakturen mit fest verankertem Prothesenschaft ist die winkelstabile Plattenosteosynthese des Humerusschafts unter Verwendung z. B. eines verriegelbaren Pattenaufsatzes für LCP-Platten (LCP: „locking compression plate“) möglich. Unter Umständen ist hier die zusätzliche Verwendung von Drahtcerlagen oder -kabelsystemen notwendig, da häufig nicht genügend Knochensubstanz für die Verankerung zusätzlicher Schrauben neben dem Prothesenschaft vorhanden ist.

Bei Nachweis einer Lockerung des Schafts besteht die Möglichkeit des Wechsels der Endoprothese unter Schaftverlängerung zur Verankerung im stabilen Knochen. Wird die Lockerung durch eine mehrfragmentäre Fraktur im Prothesenschaftbereich verursacht, kann ein Humerusteilersatz notwendig werden, u. U. auch in Form einer inversen Prothese bei Funktionsverlust der Rotatorenmaschette (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Periprothetische Humerusfraktur Typ B3 nach Worland et al. [6], b inverse Schulterprothese und Humerusteilersatz bei Verlust der Rotatorenmanschette

Typ-C-Frakturen nach Worland et al. [6] unterhalb des Protheseschafts

Diese Frakturform kann ebenfalls nach Ausschluss von Frakturausläufern in den Bereich des Humerusschafts und resultierender Lockerung mit einer zusätzlichen winkelstabilen Plattenosteosythese am Humerusschaft unter Verwendung von verriegelbaren Plattenaufsätzen oder Cerclagen und Berücksichtigung der allgemeinen Kriterien der Osteosynthese versorgt werden (Abb. 2). Bei geringer Knochensubstanz und daraus resultierenden, geringen Verankerungsmöglichkeiten für Schrauben können auch hier zusätzlich verriegelbare Plattenaufsätze oder Cerclagen zum Einsatz kommen.

Abb. 2
figure 2

Versorgung einer periprothetischen Humerusfraktur Typ C nach Worland et al. [6] mit winkelstabiler Plattenosteosynthese unter Verwendung von „locking attachment plates“

Ellenbogenendoprothetik

Da in der Literatur keine eigenständige Klassifikation der periprothetischen Frakturen in Verbindung mit Ellenbogengelenkprothesen vorliegt, erfolgt die Therapie in Anlehnung an periprothetische Frakturen anderer Gelenke.

Die Knochensubstanz („bone stock“) am Ellenbogengelenk ist eher gering. Zudem werden primäre Implantationen überwiegend in zementierter Technik durchgeführt. Dies macht die Therapie einer periprothetischen Fraktur am Ellenbogengelenk schwierig.

Als therapeutische Möglichkeiten können, wie auch bei anderen Gelenken, sog. „locking attachment plates“ zur Anwendung kommen. Isoliert oder auch in Kombination mit diesen können Cerclagesysteme verwendet werden. Häufig jedoch ist der Lockerungsgrad bei postoperativen periprothetischen Frakturen im Ellenbogengelenkbereich so groß, dass nur eine Revisionsendoprothese stabil verankert werden kann.

Abb. 3 veranschaulicht die zusätzliche Stabilisierung einer proximalen Ulnafraktur durch eine Drahtcerclage. Die während der Markraumzubereitung aufgetretene Fraktur wurde intraoperativ vor Implantation des definitiven Implantats reponiert und durch die einliegende Cerclage retendiert. Anschließend wurde der ulnare Anteil der Ellenbogengelenkendoprothese einzementiert.

Abb. 3
figure 3

Stabilisierung einer intraoperativen periprothetischen Fraktur an der proximalen Ulna durch Cerclage

Abb. 4 a zeigt eine periprothetische Fraktur nach Sturz mit komplexer Lockerung der humeralen Komponente 1 Jahr nach der Erstimplantation. Die Versorgung mit einer „locking attachment plate“ würde bei nur unzureichender Verankerungsmöglichkeit zu keiner ausreichenden Primärstabilität führen. Auch die Anwendung von Cerclagesystemen wäre im hier vorliegenden Beispiel nicht ausreichend. Letztendlich ist nur der Wechsel der Humeruskomponente auf einen Langschaft mit zusätzlicher Cerclagefixation zielführend (Abb. 4 b).

Abb. 4
figure 4

a Periprothetische Fraktur des humeralen Prothesenanteils, b Versorgung mit einer langschaftigen Revisionsprothese

In unserem eigenen Patientengut beobachteten wir ein Auftreten von ausschließlich humeralen postoperativen periprothetischen Frakturen. Aufgrund der Frakturschwere und schlechten Verankerungsmöglichkeit von Implantaten im Knochen wurden Prothesenwechsel auf ein entsprechendes Revisionsmodell bis zum prothetischen Teilersatz des Humerus und/oder der Ulna durchgeführt.

Eine rein konservative Behandlung bei periprothetischen Frakturen am Ellenbogengelenk ist nur in seltenen Fällen möglich.

Sonderformen

Eine Besonderheit stellen die postoperativen Implantatbrüche dar. Ein entsprechendes Beispiel zeigt Abb. 5.

Die durchschnittliche Belastbarkeit einer Ellenbogengelenkendoprothese wird mit 2,5 kg angegeben. Durch repetitive Überbelastungen kann es zum postoperativen Implantatversagen kommen.

Die Therapie ist ausschließlich in Form eines Implantatwechsels möglich.

Abb. 5
figure 5

Implantatbruch

Fazit für die Praxis

  • Die Form der Versorgung von periprothetischen Frakturen der Schulter hängt von der Frakturklassifikation ab.

  • Für den Operateur sind sowohl Kenntnisse in der Endoprothetik als auch in der Osteosynthese erforderlich.

  • Die Implantation hat immer unter Berücksichtigung des Auftretens intraoperativer Frakturen zu erfolgen.

  • Intraoperative periprothetische Frakturen bei der Ellenbogenprothetik lassen sich im Rahmen der Implantation häufig gut durch entsprechende Fixierungen mittels Cerclagesystemen therapieren.

  • Postoperative periprothetische Frakturen bedürfen zum Erreichen einer ausreichenden Primärstabilität in der Vielzahl der Fälle eines Wechsels der entsprechenden Komponenten.

  • Eine dauerhafte Prothesenüberbelastung sollte vermieden werden, um einen Bruch der Endoprothese zu vermeiden.