Suprakondyläre Humerusfrakturen beim Erwachsenen sind oft komplexe Verletzungen, die nicht zuletzt aufgrund der anatomischen Gegebenheiten und der hohen biomechanischen Belastung einer entsprechend anspruchsvollen Versorgung bedürfen [42]. Auch weitere Faktoren, wie verminderte Knochenqualität bei Osteopenie oder Osteoporose beim älteren Patienten, die adäquate intraoperative Darstellung der Frakturregion oder auch die Rekonstruktion der distalen Gelenkfläche bei Mehrfragmentfrakturen machen die operative Versorgung distaler Humerusfrakturen häufig zu einer Herausforderung für den Operateur.

Epidemiologie

Für die distale Humerusfraktur ist eine Inzidenz von 5,7/100.000 Einwohner mit Häufigkeitsgipfeln bei männlichen Patienten zwischen 12 und 19 Jahren und bei Frauen jenseits des 80. Lebensjahrs beschrieben [29]. Bei Kindern und Jugendlichen ist die suprakondyläre Fraktur mit einer Inzidenz zwischen 5 und 18 % die häufigste Fraktur des Ellenbogengelenks, während die distale Humerusfraktur in der Adoleszenz mit nur etwa 2 % aller Frakturen und etwa einem Drittel aller Humerusfrakturen eine seltenere Entität darstellt [12, 29, 30].

In einer Studie auf Basis des nationalen finnischen Registers der Krankenhausentlassungen [“National Hospital Discharge Register“ (NHDR)] konnte zuletzt aufgezeigt werden, dass sich die Anzahl distaler Humerusfrakturen bei Frauen in Finnland über dem 60. Lebensjahr allein zwischen 1970 und 1998 mehr als verfünffachte [24]. Auch wenn sich dieser Anstieg im weiteren Verlauf zwischen 1998 und 2007 wieder leicht rückläufig zeigte, belegt diese Studie einen zunehmenden Anstieg distaler Humerusfrakturen bei älteren weiblichen Patienten mit oft osteoporotischem Knochenstatus. Jedoch gibt es auch heute noch kontrovers diskutierte Aspekte bezüglich der Versorgung distaler Humerusfrakturen, wie die Wahl der osteosynthetischen Versorgung bei osteopenem oder osteoporotischem Knochenstatus oder auch die Chancen und Limitierungen des endoprothetischen Gelenkersatzes am Ellenbogengelenk [20].

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Das primäre Diagnostikum der Wahl ist auch bei der suprakondylären Humerusfraktur die klinische Untersuchung der betroffenen Extremität. Diese sollte, neben der präzisen Untersuchung des betroffenen Ellenbogengelenks, auch die gleichseitige Schulter sowie das Handgelenk miteinbeziehen. Zudem ist eine genaue Inspektion der Haut und der Weichteile erforderlich, um Wunden im Operationszugangsgebiet oder eine mögliche Läsion der dorsalen Haut und Weichteile zu identifizieren, da es bei offenen Frakturen häufig zu einer Durchstoßung des Humerusschafts durch den M. triceps brachii und die Haut bzw. Weichteile kommt. Begleitend sollte in Abhängigkeit der posttraumatischen Schmerzen des Patienten zunächst eine suffiziente Analgesie durchgeführt werden [17, 20, 31].

Zudem muss ein exakter neurovaskulärer Status erhoben werden, unter besonderer Beachtung der Nn. ulnaris, radialis und medianus. Denn in der Literatur sind Inzidenzen für Neuropathien bei distalen Humerusfrakturen zwischen 3 und 12 % beschrieben [23].

Bildgebung

Im Anschluss an die körperliche Untersuchung wird beim klinischen Verdacht auf eine distale Humerusfraktur die weiterführende Diagnostik mittels Bildgebung eingeleitet. Diese sollte zunächst nativradiologische Röntgenbilder des distalen Humerus unter Abbildung des Ellenbogengelenks im a.-p. und lateralen Strahlengang beinhalten. Beim radiologischen Nachweis einer distalen Humerusfraktur ist die Durchführung einer Computertomografie (CT) zur genaueren Beurteilung und zur exakten Planung einer möglichen operativen Versorgung angezeigt [3, 20].

Bei Kindern und Jugendlichen kann bei unklarem nativradiologischem Befund die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung angezeigt sein [27]. In Einzelfällen kann beim Kind auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) zur weiteren Abklärung sinnvoll sein.

Frakturklassifikation

Die distalen Humerusfrakturen werden nach der international üblichen Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) eingeteilt, die Frakturen von der suprakondylären Humerusregion bis hin zu solchen der Gelenkfläche des distalen Humerus mit einschließt (Abb. 1, [19]). Hierbei werden die Verletzungen zunächst nach ihrer Lokalisation in 3 Hauptgruppen unterschieden:

  • Typ A: extraartikulär gelegen;

  • Typ B: partiell intraartikulär gelegen;

  • Typ C: vollständig intraartikulär gelegen.

Ergänzt werden diese Hauptgruppen durch 3 Subgruppen, die eine Differenzierung von einfachen (Subtyp 1) bis hin zu mehrfragmentären Frakturen (Subtyp 3) ermöglichen (Abb. 1, [19]). Diese Klassifikation liefert neben der detaillierten Frakturdefinition auch die Basis für die Wahl der für die jeweilige Verletzung geeignetste Versorgungsform.

Abb. 1
figure 1

Einteilung der distalen Humerusfrakturen nach AO-Klassifikation, AO Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen. (Aus [19])

In einer epidemiologischen Studie von Robinson et al. [29] aus dem Jahr 2003 wurden 320 Patienten mit einer distalen Humerusfraktur nachuntersucht, davon handelte es sich bei 38,8 % um Frakturen vom Typ A (n = 124), bei 24,1 % vom Typ B (n = 77) und bei 37,2 % vom Typ C (n = 119) nach der AO-Klassifikation. Die Geschlechterverteilung zeigte bei Frakturen vom Typ A ein Verhältnis von Männern:Frauen von 1,5:1, für Frakturen vom Typ C jedoch von 0,7:1 [29].

Therapieregime

Konservative Behandlung

Insgesamt hängt die Wahl der entsprechenden Therapiemodalität neben der Frakturform auch von weiteren Faktoren, wie der Knochenqualität oder dem Alter des Patienten, ab. Die konservative Therapie durch eine mehrwöchige Immobilisation der betroffenen Extremität ist noch heutzutage bei nichtdislozierten Frakturen eine Option. Zudem kann sie auch bei der Versorgung distaler Humerusfrakturen angezeigt sein, wenn der Gesundheitszustand des Patienten eine operative Therapie nicht zulässt.

Kürzlich präsentierten Pidhorz et al. [26] die Ergebnisse ihrer Analyse eines konservativen Therapieregimes durch mehrwöchige Immobilisation bei 56 Patienten jenseits des 65. Lebensjahrs (Durchschnittalter 84,7 Jahre) mit distalen Humerusfrakturen. Von den inkludierten Patienten waren 65 % über 80 Jahre alt. Der Anteil an weiblichen Patienten lag bei 87,5 %, mit einer Frakturverteilung nach AO-Klassifikation von 32,1 % Typ A, 14,3 % Typ B und 53,6 % Typ C. Hierbei beobachteten die Autoren eine Pseudarthrosenrate von 5,3 % sowie eine sekundäre Dislokation in 3 Fällen, die jedoch keiner operativen Intervention im Verlauf bedurften. In der klinischen Nachuntersuchung verblieb bei den konservativ therapierten Patienten eine Beugekontraktur zwischen 26 und 29 °. Insgesamt folgerten Pidhorz et al. [26], dass eine konservative Therapie beim älteren Patienten auch heutzutage noch eine komplikationsarme und sichere Option mit akzeptablen klinischen Ergebnissen darstellt. Im Gegensatz dazu zeigten jedoch zahlreiche andere Studien einen deutlichen Vorteil der operativen Therapie hinsichtlich des langfristigen funktionellen Ergebnisses gegenüber eines konservativen Therapieregimes [38, 43]. Nauth et al. [20] beschrieben zudem ein fast 3-fach erhöhtes Risiko für ein schlechtes funktionelles Ergebnis bei konservativ behandelten Patienten mit einer distalen Humerusfraktur [20].

Auch hinsichtlich der Frakturheilung fanden sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Therapiegruppen. So berichteten Robinson et al. [29] von einem mehr als 4-fach erhöhten Risiko für eine verzögerte Frakturheilung (2,9 % operativ vs. 12,8 % konservativ) und über ein nahezu 6-fach erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer Pseudarthrose bei konservativer Therapie einer distalen Humerusfraktur (2,9 % operativ vs. 17,0 % konservativ).

Operative Therapie

Das Spektrum der operativen Versorgung einer komplexen suprakondylären Humerusfraktur umfasst diverse therapeutische Optionen, wie

  • die offene Reposition und interne Fixation [ORIF („open reduction internal fixation“)] mittels Schrauben- und/oder Plattenosteosynthesen (Fallbeipiele 1–3, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4),

  • die Implantation einer Ellenbogentotalendoprothese,

  • die geschlossene Reposition und externe Fixation mittels Fixateur externe und

  • in einigen Ländern mit entsprechender Zulassung zudem die Hemiarthroplastik am Ellenbogen mit ausschließlichem Ersatz des distalen Humerus [7, 10, 11, 20, 25, 33, 36, 41].

Fallbeispiel 1

Eine 44-jährige Patientin erlitt im Rahmen eines Fahrradsturzes eine rechtsseitige supradiakondyläre Humerusfraktur. Im Anschluss an die Röntgendiagnostik (Abb. 2 a,b) wurde eine CT-Untersuchung durchgeführt, die eine dislozierte, mehrfragmentäre, supra- und diakondyläre distale Humerusfraktur rechts ergab. Die Kondylen waren gegenüber dem eingestauchten distalen Humerusschaft nach ulnar abgewinkelt und nach ventral versetzt. Die Kondylenregion des Humerus war sternförmig, die Trochlea humeri nochmals in sich frakturiert (Abb. 2 c,d).

Die Versorgung erfolgte mittels Olekranonosteotomie und Plattenosteosynthese des Humerus. Zu beachten ist hierbei die 90 °-90 °-Plattenpositionierung, wobei die radiale Platte dorsal und die ulnare Platte lateral zu liegen kamen (Abb. 2 e,f). Die Olekranonosteotomie wurde anschließend mittels intramedullärer Großfragmentspongiosaschraube und einer Cerclage versorgt.

Fallbeispiel 2

Der 50-jährige männliche Patient erlitt im Rahmen eines Fahrradsturzes eine supradiakondyläre Humerusfraktur links. Angesichts der Komplexität der Verletzung mussten neben einer Doppelplattenosteosynthese auch einzelne Schrauben zur Rekonstruktion der knöchernen Verhältnisse eingesetzt werden. Etwa 2,5 Jahre nach der primären osteosynthetischen Versorgung wurde das Osteosynthesematerial unter Belassung einer diakondylären Zugschraube entfernt (Abb. 3).

Fallbeispiel 3

Nativradiologisch zeigte sich bei der 49-jährigen Patientin im Anschluss an ein Sturzereignis eine Doppelkontur des Capitulum humeri radialseitig. Die CT-Untersuchung ergab diakondyläre Frakturen sowohl des Capitulum humeri als auch der radialseitigen Trochlea. Die anschließende operative Versorgung erfolgte mittels geschlossener Reposition und einer Osteosynthese des Capitulum humeri mittels 2 Kleinfragmentschrauben mit Unterlegscheiben (Abb. 4).

Abb. 2
figure 2

Fallbeipiel 1, a,b Röntgenbefund: rechtsseitige supradiakondyläre Humerusfraktur, c,d Computertomografie: dislozierte, mehrfragmentäre, supra- und diakondyläre distale Humerusfraktur rechts, Kondylen gegenüber eingestauchtem distalem Humerusschaft nach ulnar abgewinkelt und nach ventral versetzt, sternförmig frakturierte Kondylenregion des Humerus, in sich nochmals frakturierte Trochlea humeri, e,f postoperative Röntgenbilder, weitere Erläuterungen s. Text

Abb. 3
figure 3

Fallbeispiel 2, Röntgenbefunde, a,b initial: supradiakondyläre Humerusfraktur links, c,d postoperativ, e,f nach Materialentfernung unter Belassung einer diakondylären Zugschraube, weitere Erläuterungen s. Text

Abb. 4
figure 4

Fallbeispiel 3, a,b Röntgenbefund: Doppelkontur des Capitulum humeri radialseitig, c,d Computertomografie: diakondyläre Frakturen sowohl des Capitulum humeri als auch der radialseitigen Trochlea, e,f Röntgen postoperativ, weitere Erläuterungen s. Text

Die grundlegenden Ziele der operativen Therapie einer distalen Humerusfraktur liegen in:

  • der anatomischen Rekonstruktion der destruierten Gelenkfläche;

  • der Stabilisierung und Fixierung von Gelenkfläche und Humerusschaft;

  • der Wiederherstellung der Meta- und Diaphysenachse;

  • der Schaffung einer übungsstabilen Osteosynthese, um eine frühe Nachbehandlung zu ermöglichen und eine Einsteifung des Gelenks zu verhindern.

Als Goldstandard in der operativen Therapie distaler Humerusfrakturen gilt – bei ausreichender Knochenqualität – die ORIF mit einer ulnar sowie radial gelegenen Doppelplattenosteosynthese. Die Frage der Positionierung der Platten wird weiterhin konkrovers diskutiert. Self et al. [34] beschrieben die parallele Plattenlage als signifikant stabiler, Korner et al. [13] hingegen konnten in biomechanischen Untersuchungen bei im rechten Winkel zueinander stehenden winkelstabilen Platten eine höhere Stabilität aufzeigen. In den meisten Publikationen – auch im eigenen Haus – wird die 90 °-90 °-Plattenpositionierung empfohlen, wobei die radiale Platte dorsal und die ulnare Platte lateral zu liegen kommen (Abb. 2, Abb. 3). Diese Anordnung erwies sich als biomechanisch sinnvoll und klinisch umsetzbar [13]. In zahlreichen Nachuntersuchungen von Patienten, die mit dieser Methode versorgt worden waren, konnten hohe Raten zufriedenstellender Resultate mit einer vergleichsweise niedrigen Komplikationsrate aufgezeigt werden [14, 16, 18, 20, 22, 25, 31, 32, 35, 39]. Eines der zentralen Ziele der operativen Versorgung liegt u. a. darin, eine frühe und stabile Nachbehandlung zu ermöglichen, um eine langfristige Funktionseinschränkung des Gelenks bestmöglich zu verhindern. Allerdings gilt zu bedenken, dass eine stabile Osteosynthese bei Frakturen der Kategorie C3 nach AO oft deutlich erschwert ist, sodass in Abhängigkeit der vorliegenden Gelenkdestruktion und der operativ erreichten Stabilität eine Verlängerung der postoperativen Immobilisation durch den Operateur individuell erwogen werden muss.

Zur Stabilisierung der Fragmente etablierte sich die Verwendung von 3,5-mm-Rekonstruktionsplatten (Reko-Platten), (anatomischen) winkelstabilen Plattenosteosynthesen und von 3,5-LC-DCP („low contact dynamic compression plates“, Stärke 3,5 mm), wobei sich Letztgenannte schlechter an die komplexe Anatomie anmodellieren lassen. In Fällen mit reduzierter Knochenqualität konnte in biomechanischen Studien ein Vorteil der winkelstabilen gegenüber konventionellen Platten gezeigt werden [13, 21]. Auf eine Verwendung von Drittelrohrplatten oder Kirschner-Drähten sollte bei der definitiven Frakturversorgung hingegen mangels ausreichender Stabilisierung der Fraktur verzichtet werden. Bei allen C-Frakturen, bei denen eine genaue Gelenkrekonstruktion nur unter Sicht erfolgen kann, ist eine v-förmige Olekranonosteotomie erforderlich. Nach Rekonstruktion der Gelenkflächen wird die Olekranonosteotomie über eine Zuggurtung mit Kirschner-Drähten oder eine intramedulläre Großfragmentspongiosaschraube und eine Cerclage refixiert.

Es gibt jedoch auch bei der osteosynthetischen Versorgung limitierende Faktoren, die eine adäquate Osteosynthese verkomplizieren oder gar ausschließen, wie Mehrfragmentfrakturen mit kleinsten, osteosynthetisch nicht erfassbaren Knochenfragmenten, Trümmerzonen, Nekrosen von Trochlea oder Capitulum humeri, stark verminderte Knochenqualität oder auch sehr weit distal gelegene Frakturen [21]. In solchen Fällen stellt die totalendoprothetische Versorgung des Ellenbogengelenks eine weitere Therapieoption dar. Die Indikation für einen endoprothetischen Ersatz bei Patienten mit distaler Humerusfraktur sahen Ali et al. [2] nach Durchführung einer Delphi-Studie in folgenden Fällen gegeben:

  1. 1.

    ab einem Lebensalter von über 75 Jahren;

  2. 2.

    bei einer rheumatoiden Grunderkrankung des Ellenbogengelenks, altersunabhängig;

  3. 3.

    bei einer eingeschränkten Lebenserwartung, altersunabhängig;

  4. 4.

    bei einer pathologischen Grunderkrankung des Knochens, altersunabhängig;

  5. 5.

    bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen am Ellenbogengelenk und einem Lebensalter ≥ 60 Jahren sowie

– als Komplikation nach einer distalen Humerusfraktur:

  1. 6.

    bei posttraumatischen Arthrose des Ellenbogengelenk, ab einem Lebensalter von ≥ 60 Jahren,

  2. 7.

    bei Pseudarthrosenausbildung am distalen Humerus und einem Lebensalter von ≥ 70 Jahren.

Ali et al. [2] präsentierten zudem gute klinische Resultate über einen Nachuntersuchungszeitraum von 5 Jahren postoperativ. Da die Durchführung einer Olekranonosteotomie bei der totalendoprothetischen Versorgung am Ellenbogengelenk kontraindiziert ist, sollte diese in strittigen Fällen vor einer osteosynthetischen Versorgung kritisch hinterfragt werden.

Prasad u. Dent [28] verglichen die Ergebnisse von Patienten mit distaler Humerusfraktur mit primärem endoprothetischem Ersatz des Ellenbogengelenks mit denen mit einem sekundären endoprothetischen Ersatz nach zuvor gescheiterter osteosynthetischer oder konservativer Therapie. Die Autoren berichteten von etwa 80 % exzellenten und guten klinischen Ergebnissen und einer subjektiven Zufriedenheit der Patienten von über 90 % für beide Gruppen ohne signifikante Unterschiede. Insgesamt muss trotz positiver klinischer Resultate der Einsatz eines endoprothetischen Ersatzes am Ellenbogengelenk weiterhin individuell streng geprüft werden.

Komplikationen

Komplikationen bei suprakondylären Humerusfrakturen sind vielfältig und reichen vom mechanischen Versagen der Osteosynthese, über Infektionen, traumatische, aber auch iatrogene neurovaskuläre Begleitverletzungen bis hin zu einer eingeschränkten Frakturheilung oder der Ausbildung von heterotopen Ossifikation (HO, [15, 20, 37]). Besonders häufige Komplikationen sind im Folgenden aufgelistet.

Läsionen des N. ulnaris

Bei Frakturen des distalen Humerus kann es zu einer Beeinträchtigung aller 3 Hauptnerven des Unterarms (Nn. radialis, ulnaris und medianus) kommen [15]. Jedoch gehört insbesondere die Läsion des N. ulnaris zu den häufigsten Komplikationen einer solchen Verletzung. Sie äußert sich in Form von

  • Schmerzausstrahlung,

  • Parästhesie und

  • muskulärer Schwäche bis hin zu Lähmungen im Versorgungsgebiet des Nervs.

Dieser Nerv kann jedoch nicht nur im Rahmen des Unfalls, sondern auch der operativen Versorgung geschädigt werden. Daher sind dessen intraoperative Darstellung und entsprechende Schonung von größter Wichtigkeit [20].

Hinsichtlich der korrekten intraoperativen Handhabung des N. ulnaris im Rahmen einer ORIF gibt es in der Literatur jedoch abweichende Empfehlungen. Ruan et al. [31] analysierten 117 Patienten mit einer distalen Humerusfraktur vom Typ C nach AO und berichteten zunächst von einer Prävalenz von 24,8 % für eine traumatische Läsion des N. ulnaris. Weiterhin untersuchten die Autoren in einer randomisierten prospektiven Studie 29 Patienten mit einer präoperativen Ulnarisläsion und unterteilten diese nach der gewählten operativen Therapie in 2 Gruppen mit ventraler, subkutaner Transposition des N. ulnaris und Dekompression des Nervs in situ. Die Autoren berichteten, dass durch eine intraoperative Transposition des Nervs in mehr als 85 % der Fälle eine Remission der Symptome und somit ein signifikant besseres Ergebnis als durch die alleine Dekompression des Nervs in situ erreicht werden konnte. Andere Autoren fanden hingegen keinen Benefit einer ventralen Transposition gegenüber eine lokaler Dekompression [40]. Chen et al. [4] berichteten bei ihrem Patientenkollektiv sogar ein 4-fach erhöhtes Risiko für eine Ulnarneuritis bei Patienten mit erfolgter Transposition und rieten von einer routinemäßigen Transposition des Nervs im Rahmen der ORIF ab. Doornberg et al. [6] untersuchten 30 Patienten mit ORIF einer distalen Humerusfraktur über einen postoperativen Zeitraum von 12 bis 30 Jahren, von denen keiner zum Zeitpunkt der operativen Therapie eine Transposition des N. ulnaris erhalten hatte. Die Autoren berichteten, dass im Rahmen der Nachuntersuchung lediglich ein Patient noch über eine N.-ulnaris-Symptomatik klagte. Aus diesem Grund stellten sie die Notwendigkeit einer prophylaktischen intraoperativen Transposition des Nervs in Frage [6].

Abschließend bleibt zu konstatieren, dass in der Literatur bis heute keine einheitliche Lösung für den richtigen Umgang mit diesem Nerv im Rahmen der ORIF, insbesondere bei Patienten ohne präoperative N.-ulnaris-Symptomatik, beschrieben ist [20]. In der Regel wird im eigenen Haus der N. ulnaris nach Osteosynthese in den Sulcus rückverlagert. Lediglich bei Redislokationsgefahr und Irritation der Ulnarisrinne durch das Implantat erfolgt eine Ulnarisverlagerung.

Ausbildung von heterotopen Ossifikationen (HO)

Heterotope Ossifikationen können bei der Therapie und Nachbehandlung ein wichtiger limitierender Faktor sein, wobei zwischen funktionell relevanten und lediglich radiologisch nachweisbaren HO unterschieden werden muss. Als spezielle Risikofaktoren zur Entwicklung von HO bei Patienten mit distalen Humerusfrakturen gilt neben Läsionen des zentralen Nervensystems die verzögerte operative Versorgung [1, 8, 15, 20, 32]. Nauth et al. [20] schlossen mehrere Studien mit einer Gesamtpatientenzahl von 239 Patienten nach ORIF bei distaler Humerusfraktur zusammen und ermittelten ein Risiko von 8,6 % für HO bei Patienten mit distaler Humerusfraktur ohne medikamentöse Prophylaxe. Chen et al [5] zeigten eine Inzidenz von 12 % bei Patienten nach Olekranonosteotomie, während andere Autoren sogar von einer HO-Rate von 24 % bis zu 49 % berichteten [1, 15, 26].

Trotz allem wird auch heute die prophylaktische Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) nach operativer Intervention weiterhin kontrovers diskutiert. Zur Prophylaxe der HO gibt es aktuell unterschiedliche Therapieansätze. So berichteten Liu et al. [16] von einer täglichen postoperativen Gabe von 200 mg Celecoxib für einen Zeitraum von 6 Wochen. Hierunter konnten die Autoren in 7 von 32 (21,9 %) der untersuchten Fälle zwar HO nachweisen, jedoch kam es nur in einem Fall (3,1 %) zu einer klinisch relevanten Funktionseinschränkung. Shin et al. [35] berichteten von einer HO-Prophylaxe durch eine postoperative, 3-malige Bestrahlung der Operationsregion mit 200 cGy, begleitet von einer medikamentösen Prophylaxe durch eine tägliche Gabe von Indometacin, 75 mg, für 2 Wochen postoperativ. Hierunter zeigte sich bei 35 Patienten eine Inzidenz von lediglich 3 % für das postoperative Auftreten von HO. Bei der abschließenden Bewertung dieser Studien zur HO-Prophylaxe müssen jedoch auch mögliche negative Folgen der eingesetzten Mittel in Betracht gezogen werden.

Zusammengefasst gibt es bisher keine suffizienten Studien, um eine generell gültige Prophylaxe zur Vorbeugung von HO nach distaler Humerusfraktur empfehlen zu können [20].

Verzögerte Frakturheilung und Pseudarthrosenausbildung

In zahlreichen Studien konnte für Patienten mit distalen Humerusfrakturen, die mittels Doppelplattenosteosynthese versorgt worden waren, eine hervorragende Frakturheilungsrate von 90–100 % gezeigt werden [32, 33, 35, 39]. Allerdings kommt es bei suprakondylären Humerusfrakturen nicht zuletzt aufgrund einer unzureichenden Stabilisierung durch eine insuffiziente osteosynthetische Versorgung zu einer Pseudarthrosenrate von 2–10 % [9, 15, 35, 37].

Fazit für die Praxis

  • Die korrekte Versorgungsform der suprakondylären Humerusfraktur des Erwachsenen ist eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung unterschiedlichster Faktoren wie der Frakturform, dem Patientenalter und auch einem möglichen osteoporotischen Knochenstatus.

  • Die Therapie ist angesichts der oft komplexen Verletzungsmuster in der Regel die operative Versorgung der Fraktur im Sinne der ORIF.

  • Bei A- und C-Frakturen ist die Stabilisierung mit Kleinfragmentrekonstruktionsplatten oder winkelstabilen Plattensystemen in zueinander rechtwinkliger Plattenlage (radial dorsal/ulnar seitlich) über einen dorsalen Zugang mit oder ohne Olekranonosteotomie Standard.

  • Bei B-Frakturen kommen Schrauben mit oder ohne Neutralisationsplatten zum Einsatz.

  • Ziel der operativen Therapie ist eine übungsstabile Osteosynthese, um dem Patienten eine frühfunktionelle Nachbehandlung zu ermöglichen und langfristig Bewegungseinschränkungen vorzubeugen.

  • Bei Osteoporose und sehr distalen Frakturen mit hochgradiger Gelenkzerstörung wird zunehmend der primäre endoprothetische Ersatz des Ellenbogengelenks zu erwägen sein, sodass die Ellenbogengelenkendoprothese Bestandteil des Repertoires des Unfallchirurgen sein sollte.