Die Erkennung eines Frühinfekts ist und bleibt in absehbarer Zeit eine klinische Diagnose. Sie ist vielfach von einer sehr differenten Einschätzung der Behandler und der Verdrängung möglicher Komplikationen, speziell infektiöser Art, im eigenen Krankengut geprägt. Oft fehlen ein Behandlungskonzept oder gar -algorithmus für das Krankheitsbild des Frühinfekts. Entscheidungen zum Revisionszeitpunkt, zur Ausdehnung des Eingriffs, einem Implantaterhalt, -wechsel oder -entfernung mit Verwendung eines externen Fixationsverfahrens erfolgen vielfach wie unter Verwendung eines Würfels mit den Seiten: „yes“, „no“ oder „maybe“.

Die Ausbildung einer akuten und später daraus resultierenden chronischen Osteomyelitis, infektbedingter Arthrosen und weiterer septischer Komplikationen sind gefürchtete und schwer zu behandelnde Komplikationen, aus welchen funktionelle Einschränkungen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit resultieren können. Die frühzeitige Erkennung und konsequente, notfallmäßige Umsetzung von Behandlungsmaßnahmen sind der Schlüssel zur Minimierung bzw. Vermeidung dauerhafter Folgen.

Ursachen

Die Gründe für die Ausbildung einer postoperativen Frühinfektion sind mannigfaltig. Primäre, traumabedingte Ursachen wie Frakturtyp und -lokalisation, und hier v. a. offene Verletzungsformen, begünstigen eine Erregerinokulation mit Gewebekontamination und letztlich Infektion. Die Schwere des stets begleitenden Weichteilschadens und daraus resultierende Perfusionsstörungen der betroffenen Knochen- und Weichteilregion sind in der Initialphase gleichfalls von herausragender Bedeutung für das Zustandekommen einer Infektion.

Systemische Faktoren wie Diabetes mellitus, Nikotin- und Alkoholabusus, Adipositas, aber auch Malnutrition, Durchblutungsstörungen, Hauterkrankungen, wie z. B. Psoriasis, Immundefizite und immunsuppressive Therapien erhöhen das Risiko eines postoperativen Frühinfekts deutlich.

Bei Elektivoperationen fördern v. a. eine Operationstechnik mit der Wahl eines ungünstigen Zugangs, ausgedehnter Freilegung und Deperiostrierung des Knochens sowie eine iatrogene Weichteilkompromittierung postoperative Frühinfektionen. Begünstigt werden diese gleichfalls durch eine inadäquate Implantatauswahl und v. a. eine mangelhafte Rekonstruktion der Gewebeschichten, verbunden mit einer insuffizienten Weichteilbedeckung des Implantats.

Letztlich sind auch eine unkritische Indikationsstellung bei Elektivoperationen, ein zunehmende Personal- und Ressourcenknappheit sowie gelegentlich eine Nichtbeachtung von Hygienestandards für einen Teil der postoperativen Frühinfektionen verantwortlich. Ferner trägt ein rasanter Wandel von Resistenzentwicklungen, ausgeklügelten Abwehrmechanismen mit einer steigenden Erregervirulenz und dem Versagen perioperativer antibiotischer Therapien zur Problematik der Frühinfekte bei.

Inzidenz

Die Häufigkeit eines postoperativen Frühinfekts nach Elektiveingriffen wird in der Literatur mit 1–2 % angegeben [1, 3, 4].

Bei geschlossenen Frakturen beträgt sie 1–5 %, bei offenen Frakturen wird ihre Entwicklung in 2,7–43 % der Fälle angegeben [1, 3, 4, 10]. Eine Differenzierung für unterschiedliche Implantatarten wie Schrauben, Platten und deren Dimensionierung bzw. für intramedulläre Implantate wird hier vielfach nicht getroffen.

Unbestritten ist die Häufigkeit eines Frühinfekts an Körperregionen mit einer geringeren Weichteildeckung: Sprunggelenk, Ellenbogen, Pilon tibiale und Kalkaneus sind häufiger als Humerus oder Femur betroffen.

Definitionen

Eine frühe postoperative Infektion ist die Folge einer intra- bzw. perioperativen oder verletzungsbedingten Gewebeinvasion durch pathogene Mikroorganismen unter Beteiligung der Weichteile [8], des Implantats und dessen Lagers und der Fraktur bzw. Osteotomie [1]. Rein prinzipiell besteht auch die Möglichkeit einer hämatogenen Keimaussaat über einen wundfernen Infektionsort, beispielsweise bei einem Harnwegsinfekt, einem gastrointestinalen Infekt oder einer Zahnwurzelentzündung, wobei diese Infektionswege beim Frühinfekt sehr selten sind.

Uneinigkeit besteht über die Definition der Zeit, die den Frühinfekt als Behandlungsentität beschreibt. Neben multiplen Literaturangaben gänzlich ohne zeitliche Angabe beschrieben Bär et al. [2] den Frühinfekt als ein Geschehen, das innerhalb von 3 Monaten nach einer operativen Erstversorgung auftritt. Abitzsch et al. [1] ordneten ihm einen Zeitraum von 4 bis 8 Wochen nach einem Trauma oder einer operativen Frakturversorgung zu. Willenegger u. Roth [20] klassifizierten 1986 postoperative Infektionen aufgrund klinischer Erfahrungen in frühe (innerhalb der ersten 2 Wochen), verzögerte (nach den ersten 2 Wochen) und späte (nach den ersten 10 Wochen) Infekte.

Betrachtet man die Ergebnisse der Grundlagenarbeiten von Riegels-Nielsen et al. [11] zu akuten Gelenkinfektionen, die im Grundmechanismus der Infektentstehung partiell auch auf Infektionsgeschehen im Bereich von Implantaten zu übertragen sind, werden hier rasch progrediente Veränderungen aufgezeigt, die innerhalb von 7 Tagen ein Maximum erreichen und anschließend in einen chronischen Infekt übergehen. Unterstützend sind hier die Grundlagenarbeiten von Wagner et al. [19] anzusehen, die etwa ab 30 min nach der Erregerinokulation eine beginnende Adhäsion und Bildung eines Biofilms auf Implantaten aufzeigten.

Erreger – Biofilme

Die Erreger eines frühpostoperativen Infekts unterliegen lokalen und regionalen Gegebenheiten. Zweifelsohne bedingt Staphylococcus aureus nach wie vor gut die Hälfte der Infektionsgeschehen, doch finden sich regelrecht wellenförmige Infektionsepisoden, die zeitweise durch weitere Staphylokokkenentitäten, Pseudomonaden oder Enterobacteriaceae als Frühinfektionserreger verursacht sind.

Beim Vorhandensein eines Implantats bedarf es einer nur geringen kritischen Keimmasse von 102 Keimen oder auch weniger, die in Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten, wie dem Sauerstoffangebot, dem pH-Wert sowie den physiologischen Reparaturmechanismen, zu einem Frühinfekt führen kann. Neben der im Umkreis des Implantats gestörten Leukozytenmigration [8, 18] findet sich auf zellulärer Basis eine zusätzliche Gewebedestruktion durch hochaktivierte polymorphkernige neutrophile Granulozyten (PMN) sowie T-Effektor-Zellen, die durch eine gegenseitige Aktivierung eine weitere Gewebedestruktion bedingen [15, 16]. Andererseits wandern PMN aktiv auf Biofilme zu, erkennen und binden an diese, wobei im Frühstadium unter entsprechender IgG-Beladung (IgG: Immunglobulin G) sogar deren Zerstörung möglich ist. Daraus folgerten Wagner et al. [16, 17], dass gerade frühe Biofilmstadien erfolgreich bekämpft werden können.

Diagnostik

Der klinische Befund ist bei der Diagnostik eines frühpostoperativen Infekts führend. Da dieser selten offensichtlich mit allen klassischen Zeichen und einem Verhalt ante perforationem (Abb. 1) auftritt, sind seine Anzeichen oft nicht eindeutig und einer wesentlichen subjektiven Differenz bei der Einschätzung unterworfen. Die wenigsten Operateure wollen sich, ihren Mitarbeiten und v. a. dem Patienten eingestehen, dass etwas nicht in Ordnung ist, ja eine infektiöse Komplikation vorliegt. So eindeutig auch das auf septische (Früh-)Komplikationen bezogene Postulat von Hergo Schmidt ist [12]:

  • Erkennen,

  • Bekennen und

  • Handeln,

umso unklarer und diffiziler ist dessen Umsetzung in der Praxis.

Abb. 1
figure 1

Plattenlagerinfekt an der Klavikula mit ante perforationem stehendem Verhalt

Zwar sind die klassischen Infektzeichen wie Rubor, Calor, Tumor, Dolor und Functio laesa potenziell hinweisend auf einen Frühinfekt, jedoch vielfach wenige Tage nach einem Trauma mit erheblichem Weichteilschaden oder einer ausgedehnten Elektivoperation nicht pathognomonisch. Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn nach einem zunächst regelrechten Verlauf eine Verschlechterung auftritt oder sich der erwartete positive Verlauf sehr verzögert bzw. gar nicht eintritt. Eine persistierende Temperaturerhöhung erhärtet die Verdachtsdiagnose eines Frühinfekts [6]. Laborchemische Untersuchungen der Entzündungsparameter und hier speziell ein CRP-Wert (CRP: C-reaktives Protein) über 100 mg/l (10 mg/dl) ab dem 5. postoperativen Tag können gleichfalls hinweisend für die Entstehung oder Etablierung eines Frühinfekts sein [9]. Der Informationswert bildgebender Verfahren ist im Rahmen der frühen Infektionsdiagnostik marginal. Allenfalls indirekte Zeichen wie Lufteinschlüsse bei Gasbildnern oder verbliebene Fremdkörper sind darstellbar.

Letztlich bleibt als Therapieform beim Verdacht auf einen Frühinfekt nur die umgehende operative Revision. In deren Rahmen sollten mindestens 3 bis 4 mikrobiologische Proben entnommen werden. Hierbei ist die Art der Materialgewinnung als Gewebeanteil von mehreren repräsentativen Orten des Situs für ein valides Ergebnis von herausragender Bedeutung. Die Verwendung von Blutkulturflaschen und eine Bebrütung der Materialien über 14 Tage nach ihrer Gewinnung können in einigen Fällen die Keimdetektion begünstigen, doch gelingt in 20–30 % der Proben kein Keimnachweis, obwohl ein Frühinfekt vorliegt.

Therapie

Der Frühinfekt ist ein Notfall. Somit hängt der Therapieerfolg entscheidend vom Zeitpunkt und der Radikalität der Intervention ab. Therapieziele sind

  • eine dauerhafte Infektberuhigung mit Vermeidung einer chronischen Osteomyelitis,

  • ein Erhalt der Rekonstruktion und,

  • wenn infektiologisch vertretbar, auch ein Erhalt der Osteosynthese.

Hierbei muss der versierte Behandler das Vorgehen von der lokalen Situation abhängig machen. Die Inspektion des Situs erlaubt eine Einschätzung der Schwere und Ausdehnung des Infekts, einer Beteiligung der Weichteile in Sinne infektbedingter Nekrosen, insbesondere jedoch des Knochens hinsichtlich möglicher devaskularisierter, infektunterhaltender Anteile und eine Beurteilung der Stabilität der Osteosynthese. Nach radikalem Débridement mit Resektion aller entzündlich veränderten Hautweichteile hängt das weitere Vorgehen von der Implantatart ab: Gut erreichbare und debridierbare Implantate wie Platten können bei einem moderaten Infektionsgeschehen erhalten werden, nicht vollständig darzustellende und somit auch nicht effektiv debridierbare Implantate wie intramedulläre Nägel oder Drähte sollten stets entfernt werden [5, 7]. Von einigen Behandlern bzw. Autoren [13] wird die generelle Entfernung aller eingebrachten Implantate gefordert.

Konträr wird von vielen Behandlern gleichfalls die Verwendung eines hydromechanischen Reinigungsverfahrens (z. B. Jetlavage®) beim Frühinfekt diskutiert. Valide Untersuchungsergebnisse hierzu sind nicht in ausreichendem Maß vorhanden. Aufgrund einer zusätzlichen Gewebeschädigung und Keimeinsprengung in tiefere Gewebeschichten verwenden wir bei der initialen Revision kein hydromechanisches Reinigungsverfahren.

Platte

Beim Débridement im Bereich einer Platte muss nicht nur ihre Oberfläche, sondern grundsätzlich auch das Plattenlager sorgsamst behandelt werden. Hierfür muss die Platte auf jeden Fall gelöst, vielfach auch vollständig abgelöst werden. Konträr diskutiert wird bei der Revision das Erfordernis eines neuen, nicht kontaminierten Implantats gleicher Dimensionierung. Da trotz gründlichstem Débridement Krankheitserreger, zumindest in geringer Zahl, im Situs verbleiben, kommt es zeitnah zu einer erneuten Besiedelung des Implantats. Somit erachten wir den Implantatwechsel als erlässlich.

Unabdingbar ist die Einlage von Antibiotikaträgern, z. B. als Vlies ins Plattenlager und die Plattenoberfläche. Additiv oder alternativ können auch nicht resorbierbare Antibiotikaträger wie Ketten auf die Implantatoberfläche aufgebracht werden. Nachteilig sind hierbei eine oft raumfordernde Wirkung bei ohnehin bereits affektierten Weichteilen und die Notwendigkeit eines Revisionseingriffs zur Entfernung. Eine angenommene Überprüfung einer Keimfreiheit zur Sicherung des Therapieerfolgs durch die Entnahme multipler Gewebeproben aus der Umgebung des Antibiotikaträgers bei seiner Entfernung erachten wir nicht als sinnvoll, da es hierbei häufig zu falsch-negativen Ergebnissen kommt.

Besteht ein massiver Infekt, ist die Osteosynthese instabil und sind die Weichteile derart affektiert, dass absehbar ein sekundärer Verschluss nicht zu erreichen ist, muss das Osteosynthesematerial entfernt und extern stabilisiert werden. Bei Frakturformen mit Gelenkbeteiligung ist die Arthrotomie zwingend geboten. Bei Infektverdacht erfolgen auch hier ein radikales Débridement und die Einlage von Antibiotikaträgern. Je nach Schwere des Infektionsgeschehens ist eine simultane Synovialektomie sinnvoll.

Intramedulläre Implantate

Beim Frühinfektverdacht erfolgen gleichfalls ein radikales Weichteildébridement und zwingend die Implantatentfernung. Das Markraumdébridement beinhaltet die Aufbohrung und ein additives Débridement der metaphysären Anteile mittels langen Löffeln und/oder Küretten, daraufhin reichliches Lavagieren mit Hilfe eines großlumigen Absaugkatheters unter Gewährleistung eines problemlosen Abflusses der Spülflüssigkeit samt Debris. Auch in diesen Fällen wird kein hydromechanisches Reinigungsverfahren eingesetzt, um eine Keimverschleppung in die spongiösen, metaphysären Anteile sowie die Frakturumgebung zu vermeiden. Nachfolgend werden eine externe Stabilisierung angelegt und intramedulläre Antibiotikaträger appliziert. Alternativ verwenden wir selbst hergestellte intramedulläre Stabilisatoren aus PMMA-Zement (PMMA: Polymethylmethacrylat) und Drähte unter Beimengung antibiotischer Additiva (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

„Self made coated nail“ aus PMMA-Zement, PMMA Polymethylmethacrylat

Unser Revisionskonzept sieht bei einem moderaten Infektionsgeschehen kein Etappendébridement vor. Bei einem massiven Infekt mit tiefreichenden Weichteil- und Knochenaffektionen wie auch bei der Notwendigkeit einer kurzzeitigen, passageren Verwendung einer Vakuumversiegelung werden zeitnahe Revisionen – im 2-Tages-Abstand – durchgeführt. Gleiches gilt für einen permanenten Weichteilverschluss mittels lokaler oder freier Lappenplastik. Grundsätzlich erfolgt eine begleitende systemische antibiotische Therapie über eine Zeitdauer von 10 bis 14 Tagen, befundabhängig nach Antibiogramm angepasst.

Fazit für die Praxis

  • Sichtbare bzw. detektierbare Zeichen eines Frühinfekts zeigen bereits Stadien einer fortgeschrittenen Infektion an.

  • Wurde der Frühinfekt vor einigen Jahren zeitlich noch in Monaten oder Wochen erfasst, sind es heute, unter Kenntnis aktueller immunologischer Untersuchungsergebnisse, nur noch wenige Tage.

  • Ein entschiedenes, notfallmäßiges Handeln ist zur Infektberuhigung und Abwendung weiterer Komplikationen unabdingbar.

  • Neben der rein medizinischen Betrachtung besteht ein wesentlicher sozioökonomischer Aspekt in der Vermeidung lebenslanger, subjektiv belastender, gleichermaßen aber auch kostenintensiver Folgen, die auch zunehmend einen forensischen Hintergrund bei der Unterlassung eines frühzeitigen Handelns haben [6].

  • Beim Frühinfekt gilt generell: Die Zeit drängt!