Komplexverletzungen des Ellenbogens mit einer Kombination aus Fraktur, Bandverletzung und Dislokation sind einerseits selten, andererseits ist ihre Behandlung anspruchsvoll, und es besteht ein hohes Risiko für Folgeschäden wie chronische Instabilität, Früharthrose und Bewegungseinschränkung. Im vorliegenden Beitrag soll ein Überblick über die einzelnen Verletzungsmuster und deren Therapiemöglichkeiten gegeben werden.

Funktionelle Anatomie des Ellenbogengelenks

Beugung und Streckung werden durch das ulnohumerale Gelenk gewährt, welches hochkongruent und hauptsächlich für die knöcherne Stabilität verantwortlich ist. Die axiale Rotation findet über das radiohumerale und das proximale radioulnare Gelenk statt. Das Radiusköpfchen ist ein sekundärer Stabilisator bei Valguslast. Das mediale Seitenband (MCL) ist ein primärer Stabilisator bei Valgusstress und besteht aus einem vorderen, einem queren und einem hinteren Bündel, wobei das anteriore Bündel (AML) für die Stabilität am wichtigsten ist [13]. Es enspringt an der anteriorinferioren Fläche des medialen Epikondylus und setzt am Tuberculum sublimus des Processus coronoideus an. Der laterale Seitenbandkomplex (LCL) besteht aus dem radialen Seitenband, dem Lig. anulare, einem akzessorischen Bündel und dem lateralen ulnaren Seitenband (LUCL), welches primär die posterolaterale Stabilität gewährleistet.

Diese statischen und dynamischen Stabilisatoren des Ellenbogengelenks bilden eine Art zweifachen Verteidigungsring um das Ellenbogengelenk. Die primären Stabilisatoren, das Ulnohumeralgelenk, das AML und das LUCL, bilden den ersten Verteidigungsring, das Radiusköpfchen, die Unterarmbeuger- und -streckermuskulatur den zweiten. Stabilisator gegen Distraktion ist der Kapsel-Band-Apparat (Abb. 1, [12, 14]).

Abb. 1
figure 1

Seitenbandapparat des Ellenbogengelenks, a ulnar, 1 anteriores Bündel, 2 posteriores Bündel, 3 transversales Bündel, b radial, 1 laterales radiales Seitenband, 2 laterales ulnares Seitenband, 3 Lig. anulare, 4 akzessorisches Bündel, weitere Erläuterungen s. Text. (Aus [12])

Verletzungsmechanismus und Verletzungsmuster

Als typischer Verletzungsmechanismus gilt der Sturz auf den ausgestreckten Arm mit leichter Flexion unter axialer Last und Einwirken von Außenrotations- und Valguskräften auf den Ellenbogen, die zur Luxation führen. Dabei kommt es zu einer kreisförmigen Ruptur der Stabilisatoren, beginnend mit einer Ruptur des LUCL, die sich über die ventrale und dorsale Kapsel zum MCL fortsetzt, wobei Letzteres auch intakt bleiben kann [3, 15]. Allerdings werden auch andere Verletzungsmuster, z. B eine Verletzung des MCL bei intaktem LCL, beobachtet.

Fitzpatrick et al. [7] konnten zeigen, dass das Verletzungsmuster unter axialer Last wesentlich von der Position des Unterarms abhängt.

Radiusköpfchenfrakturen

Sie stellen die häufigste knöcherne Verletzung des Ellenbogengelenks dar [16]. Die Klassifikation nach Mason ist etabliert und wurde von Hotchkiss [9] um Typ IV ergänzt [4]:

  • Typ I: nicht disloziert,

  • Typ II: Fragmentstufe > 2 mm,

  • Typ III: Trümmerfraktur (Abb. 2) und

  • Typ IV: Luxationsfraktur.

Die Therapie erfolgt stadienabhängig konservativ (Typ I), operativ mit Osteosynthese mit Minischrauben oder Platte (Typ II und Typ III) oder durch Resektion oder Radiusköpfchenprothese (Typ III und IV, [6]).

Abb. 2
figure 2

Radiusköpfchenfraktur Typ III nach Mason. (Aus [6])

Radiusköpfchenfrakturen können Teil einer Komplexverletzung des Ellenbogengelenks sein, mit begleitenden Frakturen oder Bandverletzungen. Diese Begleitverletzungen müssen unbedingt erkannt und mitbehandelt werden, da ansonsten ein hohes Risiko für ein schlechtes Behandlungsergebnis besteht. Insbesondere die isolierte Resektion des Radiusköpfchens bei Komplexverletzung des Ellenbogengelenks kann in einer chronischen Instabilität münden. Luxationen finden sich bei 3–10 % der Radiusköpfchenfrakturen [2]. Verletzungen der Membrana interossea in Kombination mit Radiusköpfchenfrakturen sind noch seltener [16].

Frakturen des Processus coronoideus

Der Processus coronoideus ulnae wirkt den auf das Ulnohumeralgelenk einwirkenden, dieses nach posterior ziehenden Kräften der ellenbogengelenkübergreifenden Muskulatur (M. triceps, M. biceps brachii und M. brachialis) entgegen.

Koronoidfrakturen treten in der Regel im Rahmen von Kombinationsverletzungen (z. B. Terrible-Triad-Verletzung mit Radiusköpfchenfraktur, Koronoideusfraktur und Dislokation) auf, selten als isolierte Verletzung [9].

In der Klassifikation nach Regan u. Morrey werden 3 Typen unterschieden, die einen Hinweis auf die Stabilität des Ellenbogengelenks geben (Abb. 3):

  • Typ I: Abscherfrakturen der Koronoidspitze,

  • Typ II: Fragmentgröße < 50 % des Koronoids,

  • Typ III: Fragmentgröße > 50 % des Koronoids.

Die ventrale Kapsel setzt wenige Millimeter distal der Koronoidspitze an, der M. brachialis an der Basis. In der Einteilung nach O’Driscoll et al. [16] wird auch die Beteiligung der anteromedialen Facette des Koronoids berücksichtigt, wo das biomechanisch wichtige AML des MCL ansetzt ([16], Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

Klassifikation nach Regan u. Morrey. (Aus [6])

Abb. 4
figure 4

a Fraktur des Processus coronoideus, Typ III nach Regan u. Morrey (instabil), b CT mit Beteiligung der anteromedialen Facette (Ansatz des AML), c operative Versorgung durch Osteosynthese mit Minischrauben

Therapie

Koronoidspitzenfrakturen (Typ I nach Regan u. Morrey) sind häufig Ausdruck einer Ellenbogengelenksubluxation oder -luxation mit posterolateral verdrehter Fehlstellung der Ulna unter die Trochlea. In Abhängigkeit von Begleitverletzungen und Instabilität können sie durch Auszugnähte in Lassotechnik versorgt werden.

Typ-II-Verletzungen sind je nach Größe, Frakturverlauf und Beteiligung der anteromedialen Facette stabil oder instabil, Typ-III-Verletzungen sind bei fehlendem ventralem knöchernem Widerlager in der Regel instabil und müssen operativ versorgt werden. Dabei kommen Schraubenosteosynthesen und Miniplatten zum Einsatz. Bei hochgradiger Zerstörung der Processus coronoideus und gleichzeitiger nicht rekonstruierbarer Radiusköpfchenfraktur kann das Koronoid durch ein Radiusköpfchenfragment ersetzt werden [6, 15, 18].

Terrible-Triad-Verletzung

Eine schwere Form der Komplexverletzung des Ellenbogengelenks mit der Trias aus

  • Radiusköpfchenfraktur,

  • Koronoidfraktur und

  • Dislokation

wird aufgrund der schwierigen Versorgung und dem hohen Risiko für schlechte Behandlungsergebnisse als „terrible triad“ bezeichnet [9]. In anderen Definitionen sind eine Verletzung des LUCL oder auch des MCL ebenfalls Bestandteil der Trias.

Häufig handelt es sich bei der Koronoidfraktur im Rahmen einer Terrible-Triad-Verletzung nur um eine Spitzenfraktur (Typ I oder II nach Regan u. Morrey), während das Radiusköpfchen meist höhergradig verletzt ist (Typ III nach Mason).

Die Luxationskomponente ist bei spontaner Reposition primär nicht immer erkennbar.

Wichtig ist zunächst, die Verletzung nicht als isolierte Radiusköpfchenfraktur zu verkennen, sondern alle verletzten Stabilisatoren zu erfassen.

Therapie

Die Versorgung durch Resektion des Radiusköpfchens ohne Bandrekonstruktion geht mit einer sehr hohen Reluxationsrate einher [10]. Bei anderen Behandlungskonzepten mit primärer Stabilisierung des Gelenks werden bessere Ergebnisse erzielt [11].

Terrible-Triad-Verletzungen werden in aller Regel operativ versorgt. In vielen Behandlungskonzepten und auch im eigenen Vorgehen wird zunächst über einen lateralen Zugang das Radiusköpfchen rekonstruiert oder durch eine Radiusköpfchenprothese ersetzt (Abb. 5). Die Resektion des Radiusköpfchens ist mit einem hohen Instabilitätsrisiko behaftet. Sollte das Köpfchen nicht rekonstruierbar sein, kann der laterale Zugang nach Resektion und vor Implantation der Radiusköpfchenprothese zur Stabilisierung des Koronoidfragments, z. B. in Lassotechnik, genutzt werden. Anschließend wird das laterale Seitenband, welches meist am inferioren Epicondylus lateralis ausgerissen ist, mit Fadenankern oder Schrauben am Isometriepunkt fixiert. Hiernach sollte die Stabilität des Ellenbogengelenks erneut überprüft werden, z. B. mit Stressaufnahmen unter BV (Bildverstärker). Eine evtl. noch vorhandene Instabilität sollte durch Refixierung des medialen Seitenbandes und, falls noch nicht geschehen, Fixierung des Koronoids adressiert werden. Bei fortbestehender Instabilität kann auch ein Fixateur externe, z. B. als Bewegungsfixateur, notwendig werden.

Abb. 5
figure 5

a Radiusköpfchenfraktur bei regelrechter Gelenkstellung, b CT: Instabilität mit sog. reitender Luxation und Koronoidfraktur, c Versorgung mit Radiusköpfchenprothese, Fadenfixierung des Processus-coronoideus-Spitzenfragments und Refixation des LCL mit Fadenanker, LCL lateraler Seitenbandkomplex

Monteggia- und Monteggia-Äquivalenzverletzung

Die Monteggia-Fraktur ist definiert als eine proximale Ulnafraktur mit Luxation des Radiusköpfchens aus dem proximalen Radioulnar- (PRUG) und dem Radiohumeralgelenk [3].

Bei der Monteggia-Äquivalenzverletzung („Monteggia-like lesion“) ist das Radiusköpfchen nicht nur luxiert, sondern auch frakturiert [3].

Monteggia-Verletzungen sind selten und machen ungefähr 1–5 % der proximalen Unterarmfrakturen aus [4]. Sie werden nach der Einteilung nach Bado klassifiziert, die die Luxationsrichtung des Radiusköpfchens beschreibt. Bei Typ II nach Bado, mit dorsaler Luxation des Radiusköpfchens, zieht die Fraktur häufig in die Koronoidbasis. Dieser Verletzungstyp wurde von Jupiter weiter unterteilt [3].

Therapie

Die operative Versorgung besteht in der exakten Reposition der Ulnafraktur, wobei besonders auf die Wiederherstellung der Länge zu achten ist. In der Regel kommt hier die Plattenosteosynthese zum Einsatz (Abb. 6). Größere Koronoidfragmente können ggf. über den dorsalen Zugang durch die Olekranonfraktur reponiert und mit Schrauben fixiert oder in die Plattenosteosynthese mit einbezogen werden. Das Radiusköpfchen reponiert häufig spontan oder lässt sich geschlossen reponieren. Die exakte Reposition des Radiusköpfchens ist stets zu überprüfen, in seltenen Fällen, insbesondere wenn das Lig. anulare interponiert, ist eine offene Reposition erforderlich. Bestehen auch dann noch Schwierigkeiten, das Radiusköpfchen stabil zu reponieren, sollten die Reposition und Osteosynthese der proximalen Ulna überprüft werden, um eine verbliebene Fehlstellung auszuschließen [4, 6].

Eine Radiusköpfchenfraktur bei Monteggia-Äquivalenzverletzung sollte nach Möglichkeit rekonstruiert werden. Ist dessen Resektion erforderlich, ist die Stabilität des Gelenks zu prüfen und im Bedarfsfall eine Radiusköpfchenprothese einzusetzen.

Abb. 6
figure 6

a Monteggia-Fraktur, Typ II nach Bado, b exakte Reposition und Plattenosteosynthese der Ulna, Radiusköpfchen anatomisch reponiert

Transolekranonluxationsfrakturen

Im Unterschied zur Monteggia-Verletzung sind bei dieser Sonderform die proximale Ulna und das Radiusköpfchen im Verbund nach anterior luxiert. Die Luxation erfolgt durch die Olekranonfraktur, das proximale Radioulnargelenk (PRUG) bleibt intakt. Typisch sind Mehrfragmentfrakturen des Processus coronoideus.

Transolekranonluxationsfrakturen werden wie Monteggia-Verletzungen mittels anatomischer Reposition und Plattenosteosynthese der proximalen Ulna versorgt.

Das Behandlungsergebnis ist meist günstiger als nach Terrible-Triad-Verletzungen [17, 18].

Essex-Lopresti-Verletzung

Peter Essex-Lopresti beschrieb 1950 die seltene Verletzungskombination aus Radiusköpfchenfraktur, Ruptur der Membrana interossea und Luxation des distalen Radioulnargelenks (DRUG) infolge eines axialen Stauchungstraumas [5]. Dieses Verletzungsmuster bewirkt eine akute, longitudinale radioulnare Dislokation (ALRUD). Der trianguläre, fibrokartilaginäre Komplex (TFCC) ist häufig mitverletzt.

Es besteht ein hohes Risiko, diese Verletzung zu übersehen und fehlzubehandeln. Zum einen ist sie selten, zum anderen treten initial die Symptome am Unterarm und Handgelenk angesichts der Radiusköpfchenfraktur meist in den Hintergrund.

Das Radiusköpfchen ist meist höhergradig frakturiert und häufig nicht zu rekonstruieren. Wird es bei diesen Verletzungen ohne Ersatz reseziert, kommt es im Verlauf zur Proximalisierung des Radius mit entsprechender Fehlstellung und Beschwerden im DRUG und Handgelenk (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

a Deutliche Fehlstellung im DRUG nach Radusköpfchenresektion, b im MRT Verletzung des TFCC und der Membrana interossea, c nach Radiusköpfchenprothese regelrechte Stellung im DRUG, DRUG distales Radioulnargelenk, MRT Magnetresonanztomogramm, TFCC triangulärer, fibrokartilaginärer Komplex

Diagnostik

Bei jeder Radiusköpfchenfraktur sollte eine Essex-Lopresti-Läsion ausgeschlossen werden, zunächst durch die klinische Untersuchung des Unterarms und Handgelenks, im Verdachtsfall ergänzt durch Röntgenaufnahmen des Handgelenks in 2 Ebenen und ggf. auch der Gegenseite. Da die Proximalisierung des Radius im akuten Stadium meist nur gering ausgeprägt ist, muss zum sicheren Ausschluss einer ALRUD-Verletzung die Membrana interossea mittels MRT (Magnetresonanztomogramm) oder Sonografie dargestellt werden.

Therapie

Im Operationssaal kann die longitudinale Stabilität mit dem Radius-pull-Test geprüft werden: Unter Bildwandlerkontrolle wird der proximale Radius mit einer Klemme nach proximal gezogen und geprüft, ob es zur Luxation im DRUG kommt.

Die Versorgung der akuten Essex-Lopresti-Verletzung erfordert zum einen die Rekonstruktion oder den Ersatz des Radiusköpfchens mit einer Prothese, zum anderen die Reposition und Retention des DRUG, in der Regel mit einer temporären Transfixation mit Kirschner-Draht oder Schraube. Eine evtl. gleichzeitig vorliegende Verletzung des TFCC sollte ebenfalls versorgt werden.

Bei der chronischen, übersehenen LRUD (longitudinale radioulnare Dislokation) ist neben dem sekundären Ersatz des Radiusköpfchens mit einer Radiusköpfchenprothese auch die Ersatzplastik des zentralen Bands der Membrana interossea mit einem Bone-Tendon-Bone-Transplantat aus der Patellasehne in Kombination mit einer Verkürzungsosteotomie der Ulna beschrieben. Die Behandlung richtet sich auch nach dem Ausmaß der Sekundärschäden an Hand- und Ellenbogengelenk [1, 3, 5, 6, 8].

Fazit für die Praxis

  • Bei Monteggia-Verletzungen sind die exakte Rekonstruktion und Plattenosteosynthese der proximalen Ulna der Schlüssel zum Erfolg.

  • Bei komplexen Ellenbogengelenkverletzungen ist es wichtig, alle verletzten knöchernen und ligamentären Stabilisatoren zu erkennen und zu adressieren, um eine übungsstabile Versorgung erreichen zu können.

  • Insbesondere vor Resektion eines Radiusköpfchens sollten ligamentäre Begleitverletzungen oder eine Essex-Lopresti-Verletzung ausgeschlossen werden.

  • Bei Radiusköpfchenfrakturen in Kombination mit einer Koronoidfraktur sollte auch bei nicht offensichtlicher Dislokation an die Terrible-Triad-Verletzung gedacht und die operative Versorgung entsprechend angepasst werden.

  • Vor Abschluss einer operativen Versorgung hilft die Stabilitätsprüfung unter Bildwander, Reluxationen und chronische Instabilitäten zu vermeiden.