Obschon seltener als die distale Unterarmfraktur, gehören die Frakturen der Handwurzel zum klinischen Alltag der Traumatologie. Der Unfallmechanismus ist, ähnlich wie bei distalen Unterarmfrakturen, meistens ein Sturz auf die gestreckte Hand. Handwurzelfrakturen kommen auch als Begleitläsion anderer Verletzungen der oberen Extremität vor [14]. Von allen Frakturen der Handwurzelknochen ist die Kahnbeinfraktur mit Abstand am häufigsten (Anteil etwa 90 %, Tab. 1).

Die Folgen einer übersehenen Verletzung können gravierend sein und führen oft zu irreversiblen Funktionseinschränkungen der Hand und des Arms. Essenziell sind die zeitnahe Erkennung der Verletzung und Einleitung der adäquaten Therapie.

Anatomie

Die Handwurzel besteht aus 8 Handwurzelknochen, die miteinander artikulieren und durch Ligamente im Verbund stehen. Sie bilden 2 Reihen und stellen die mechanische Verbindung zwischen Hand und Unterarm her. Die distale Reihe besteht aus dem Os trapezium, dem Os trapezoideum, dem Os capitatum und dem Os hamatum. Die übrigen Knochen bilden die proximale Handwurzelreihe. Das Skaphoid fungiert als eine Brücke zwischen diesen beiden Reihen.

Diese komplexe und dreidimensionale Anatomie entspricht funktionell einer Ringstruktur [24]. Wird sie durchtrennt, resultiert unmittelbar eine ausgeprägte Störung des Bewegungsablaufs einzelner Handwurzelknochen und somit des Handgelenks [23].

Diagnostik

Anamnese und Klinik

Der typische Unfallmechanismus beim direkten Trauma ist der mit der Hand abgefangene Sturz auf den Arm. Hierbei kommt es zu einer forcierten Hyperextension oder Hyperflexion. Aber auch indirekte Traumen, wie Anprall-, Rasanz- oder Quetschtraumen, können Frakturen der Handwurzel verursachen. Entwaige Vorschäden oder auch Unfälle in der Eigenanamnese müssen gezielt erfragt werden.

Bei der Untersuchung der verletzten Hand sind Hinweise für Schwellungen, Hämatome und Fehlstellungen besonders zu beachten. Oft lässt sich der Hauptschmerzpunkt direkt über dem verletzten Knochen palpieren. Das Hauptsymptom ist meist die schmerzhafte Bewegungseinschränkung.

Bei der Kahnbeinfraktur kann ein Stauchungsschmerz des ersten Strahls, aber auch der Druckschmerz über der Tabatiere hinweisend sein.

Bildgebung

Die konventionelle Röntgenaufnahme des Handgelenks in 2 Ebenen (p.-a. und seitlich) ist obligat durchzuführen. Für die Beurteilung der knöchernen Struktur des Kahnbeins ist die Aufnahme in Faustschluss und Ulnarduktion (sog. Stecher-Aufnahme) hilfreich, hier wird das Kahnbein filmparallel in seiner ganzen Länge abgebildet. Die Aufnahme in Hyperpronation vervollständigt das sog. Kahnbeinquartett.

Eine genauere Diagnostik des Frakturverlaufs und eventueller Dislokationen erlaubt eine Dünnschicht-CT (CT: Computertomographie) der Handwurzel in Längsrichtung des Kahnbeins ([4, 20], Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Nicht dislozierte Kahnbeinfraktur (A2 nach Krimmer et al. [15]) bei begleitender Zystenbildung im Kahnbein, sog. Kahnbeinquartett (oben) und Dünnschichtcomputertomographie (unten) mit besserer Zuordnung der Zystenlage zum Frakturspalt

Die MRT-Untersuchung (MRT: Magnetresonanztomographie) spielt bei der Diagnostik frischer knöcherner Läsionen der Handwurzel eine untergeordnete Rolle, durch die ähnliche Bildmorphologie von Mikrofrakturen und echten Bruchverletzungen sind Fehlinterpretationen nicht selten. Bei lang zurückliegenden Verletzungen oder aber nach einer Therapie kann das MRT wertvolle Hinweise in der Beurteilung der Knochendurchblutung geben [2, 3, 7].

Klassifikation der Kahnbeinfraktur

Üblicherweise wurde für Kahnbeinfrakturen die Klassifikation nach Herbert verwendet (Abb. 2, [11]). Durch die genauere Diagnostik mittels Dünnschicht-CT ist deren Modifikation nach Krimmer et al. [15] zu bevorzugen, aus welcher auch direkt Rückschlüsse auf eine Operationsindikation ableitbar sind. Dabei werden die Kahnbeinfrakturen in stabile A- und instabile B-Frakturen eingeteilt. Erstere können konservativ behandelt werden, die B-Frakturen sollten operativ stabilisiert werden (Tab. 2).

Abb. 2
figure 2

A2-Fraktur des linken Kahnbeins bei Berufsmusiker (oben) mit intraoperativer Durchleuchtung (Mitte) zur Lokalisation des ST-Gelenks und zur korrekten Positionierung des Führungsdrahts, Röntgenkontrolle und klinisches Bild (unten) am Ende des Eingriffs, ST-Gelenk skaphotrapezioidales Gelenk

Tab. 1 Sammelstatistik zur Häufigkeit der einzelnen Handwurzelfrakturen
Tab. 2 Einteilung der Kahnbeinfrakturen. (Nach [15], in Anlehnung an [11])

Therapie der Handwurzelfrakturen

Kahnbeinfraktur

Konservative Therapie

Orientiert man sich am CT, lassen sich die stabilen A-Frakturen konservativ durch Schienenruhigstellung behandeln. Dabei ist die Unteramgipsruhigstellung ausreichend, da sie keine Nachteile gegenüber der Ruhigstellung im Oberarmgips beinhaltet [1, 22]. Der Einschluss des Daumengrundgelenks wird zwar kontrovers diskutiert, zur Vermeidung einer zu frühen Belastung, die mit einer Frakturdislokation einhergehen kann, bevorzugen wir ihn für die Dauer der Ruhigstellung [9, 21].

Von der 12-Wochen-Regel kann bei dieser Indikationsstellung zur konservativen Therapie Abstand genommen werden, nach 6-wöchiger Ruhigstellung erfolgen die Röntgenkontrolle als Kahnbeinquartett, bei knöcherner Durchbauung die Freigabe und krankengymnastische Beübung.

Aufgrund der schnelleren Rehabilitation und der günstigen Ergebnisse nach perkutaner Verschraubung sollte mit den Patienten mit einer A2-Fraktur nach Krimmer et al. [15] alternativ auch die operative Stabilisierung besprochen werden.

Operative Therapie

Die von Herbert u. Fisher [12] veröffentlichte Methode der Verschraubung durch eine Doppelgewindeschraube ist das am häufigsten verwendete Osteosyntheseverfahren. Die Schrauben wurden konsequent technisch weiterentwickelt, sodass heute eine recht große Auswahl verschiedener Implantate zur Verfügung steht. Allen Doppelgewindeschrauben gemein ist die Versenkbarkeit des Kopfes, dies ist auch für die anderen Implantate zu fordern, da mehr als 2/3 der Kahnbeinoberfläche von Knorpel überzogen sind und die Osteosynthese in der Regel durch eine knorpelüberzogene Fläche hindurch erfolgt. Moderne Implantate sind kanüliert und haben selbstschneidende Gewinde. Das biomechanische Grundprinzip ist der unterschiedliche Gewindeanstieg der beiden durch den gewindelosen Anteil der Schraube getrennten Gewinde. Dies setzt aber auch die korrekte, komplett intraossäre Platzierung des ersten Gewindes im Fragment voraus, bevor das zweite Gewinde mit dem geringeren Gewindeanstieg den anderen Knochenteil passiert, um eine Kompression zu bewirken. Die Mehrzahl der Kahnbeinfrakturen im eigenen Krankengut konnte minimalinvasiv verschraubt werden [6, 16, 17, 19]. Dazu wird über eine Stichinzision auf der Beugeseite des skaphotrapezioidalen Gelenks ein Führungsdraht in Längsachse des Kahnbeins eingebracht. Eine Bildwandlerkontrolle ist bei diesem Verfahren obligat, um eine korrekte Schraubenlage und eine ausreichende Frakturkompression zu gewährleisten (Abb. 2).

Aufgrund der speziellen Schraubenarchitektur werden proximale Frakturen (B3) antegrad von dorsal verschraubt. Obschon auch hier eine perkutane Platzierung möglich ist, wählen wir einen offenen Zugang, um eine Übersicht über den Frakturspalt während der Schraubenosteosynthese zu haben.

Die Frakturen im mittleren und distalen Drittel lassen sich über einen palmaren Zugang durch den Boden des Sehnenfachs der Sehne des M. flexor carpi radialis darstellen und verschrauben. Eine ausgedehnte Exposition des Kahnbeins muss vermieden werden, um Durchblutungsstörungen nicht zu provozieren. Bei primärer Verkürzung des Kahnbeins aufgrund einer Trümmerzone ist eine Spongiosaplastik angezeigt.

Die perilunäre, transskaphoidale Luxationsfraktur des Kahnbeins kann in der Regel nicht geschlossen und minimalinvasiv stabilisiert werden, hier müssen gelegentlich sowohl ein dorsaler als auch ein palmarer Zugang verwendet werden. Die Stabilisierung des Kahnbeins ist die notwendige Voraussetzung einer dauerhaften Reposition der Handwurzel. Daher bietet sich auch hier die intraossäre Schraubenosteosynthese als Verfahren an ([10, 13, 18], Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Perilunäre, transskaphoidale Luxationsfraktur Typ de Quervain (oben), Schraubenosteosynthese des Kahnbeins (unten), Transfixation der Handwurzel nach Reposition und Bandnaht bei fortbestehender Instabilität

Nachbehandlung

Minimalinvasiv verschraubte Kahnbeinfrakturen bedürfen keiner Ruhigstellung und sollten früh mobilisiert werden. Eine knöcherne Heilung stellt sich meist nach 4 bis 8 Wochen ein, diese lässt sich in regelmäßig anzufertigen Röntgenaufnahmen dokumentieren.

Bei der offenen Vorgehensweise legen wir zur besseren Heilung der Kapsel-Band-Strukturen einen Unterarmgips mit Einschluss des Daumengrundgelenks für einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen an. Wurde bei ausgedehnter Trümmerzone eine zusätzliche Spongiosaplastik durchgeführt, beträgt die Ruhigstellung 4 bis 6 Wochen. Diese Ruhigstellungszeit bewährte sich auch für die operativ stabilisierte transskaphoidale perilunäre Luxationsfraktur, vorausgesetzt, eine stabile Verschraubung des Kahnbeins gelingt.

Übrige Handwurzelknochen

In der Literatur wird die Triquetrumfraktur als zweithäufigste Fraktur der Handwurzelknochen angegeben, hierbei handelt es sich jedoch oft nicht um tatsächliche Knochenbruchverletzungen, sondern um knöcherne Abrisse von Bandanteilen. Auch bei diesen Läsionen liefert das Dünnschicht-CT die besten Aussagen zur Therapie und Prognose. Wir behandeln die knöchernen Absprengungen symptomatisch mit einer maximalen Ruhigstellungszeit von 3 Wochen.

Dislozierte Frakturen mit Gelenkstufenbildung werden reponiert und retiniert (Abb. 4). Auch hier ist die perkutane Osteosynthese mit einer Doppelgewindeschraube die Methode der Wahl, falls dies an dem entsprechenden Knochen technisch möglich ist. Dies gilt in Analogie für alle Frakturen der übrigen Handwurzelknochen.

Entscheidend ist die rasche Einleitung einer zielgerichteten Diagnostik, die ein Dünnschicht-CT vor anderen Maßnahmen, z. B. einer MRT, beinhalten sollte.

Abb. 4
figure 4

Trapeziumfraktur mit erheblicher Dislokation und Ruptur der Bandverbindung zwischen den Basen der Mittelhandknochen I und II (oben), Schraubenosteosynthese sowie Transfixation der Mittelhandknochen (unten)

Folgen von Handwurzelfrakturen

Erfolgen eine richtungweisende Diagnostik und entsprechende Therapieeinleitung frühzeitig, kann im Falle der Kahnbeinfraktur eine knöcherne Ausheilungsrate von 96–100 % angenommen werden. Demgegenüber steht eine Pseudarthrosenrate von bis zu 23 % bei konservativer Versorgung, wenn diese nicht ausschließlich stabile Frakturen umfasst [5, 8, 15]. Übersehene Frakturen des Kahnbeins sollten etwa 4 Wochen nach dem Trauma nicht mehr einer konservativen Therapie zugeführt werden, wir empfehlen in diesen Fällen die operative Stabilisierung, die Indikation zur Spongiosaplastik sollte großzügig gestellt werden.

Pseudarthrose

Ist eine solche eingetreten, ist eine operative Therapie zur Vermeidung von Spätkomplikationen im Sinne eines SNAC („scapoid nonunion advanced collapse“) unumgänglich. Ziel ist die Wiederherstellung des Kahnbeins in seiner Höhe, um die Architektur der Handwurzel zu rekonstruieren.

Zur Beurteilung der Durchblutung der vorhandenen Kahnbeinanteile ist das MRT eine sinnvolle Ergänzung der Diagnostik. Sind beide Kahnbeinhälften durchblutet, ist nach der Ausräumung der Pseudarthrose eine Rekonstruktion des Kahnbeins mittels Spongiosaplastik möglich (Abb. 5). Hierbei favorisieren wir ebenfalls die Verwendung einer kanülierten Doppelgewindeschraube. Sollte dies nicht möglich sein, ist auch eine Fixierung mittels Kirschner-Drähten Erfolg versprechend. Je nach Qualität des Knochens und Fixierungsart wird die Dauer der Ruhigstellung von 6 bis zu 12 Wochen festgelegt.

Abb. 5
figure 5

Kahnbeinpseudarthrose im mittleren Drittel mit Zystenbildung, Ausräumung, Spongiosaplastik sowie Schraubenosteosynthese

Sind die Knochenanteile, meist ist es das proximale Fragment des Kahnbeins, nicht oder nur ungenügend durchblutet, verwenden wir gefäßgestielte Radiusspäne zur Rekonstruktion des Kahnbeins. Diese werden bewusst groß dimensioniert, um auch hier die stabile Fixierung mittels Schraube zu ermöglichen (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Pseudarthrose bei proximaler, mit einer Schraube stabilisierter Kahnbeinfraktur, aufgrund mangelnder Durchblutung des proximalen Fragments Anlage eines vaskularisierten Radiusspans und Retention mittels Schraube

Als Ultima Ratio verbleibt die aufwändige Möglichkeit eines freien, in mikrochirurgischer Technik angeschlossenen Knochentransplantats. Hierzu liegen nur geringe Fallzahlen vor, sodass diese Methodik derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

Irreversible Schäden

Natürlich ist eine Rekonstruktion des Kahnbeins oder auch anderer Handwurzelknochen nur dann sinnvoll, wenn das Gefüge der Handwurzel nicht beeinträchtigt ist und wenn keine fortgeschrittenen Knorpelschäden in den Gelenkabschnitten vorliegen. In diesen Fällen sind nur noch Rettungseingriffe an der Handwurzel möglich (Tab. 3).

Tab. 3 Stadiengerechte Therapie der Handwurzelveränderungen nach Kahnbeinfraktur

Zur Beurteilung der Brauchbarkeit und Belastbarkeit der einzelnen Handwurzelgelenke ist vor solchen Rettungseingriffen eine weitergehende Diagnostik notwendig. So werden vor interkarpalen Versteifungsoperationen zur Umleitung der axialen Kraftübertragung auf intakte Gelenkabschnitte bei uns regelhaft Arthroskopien des Radio- und Midkarpalgelenks durchgeführt. Aber auch Dünnschicht-CT-Aufnahmen können gute Hinweise auf eine mögliche Arthroseentwicklung in einzelnen Abschnitten der Handwurzel geben.

Fazit für die Praxis

  • Frakturen der Handwurzelknochen liegt meist der gleiche Unfallmechanismus zugrunde wie den Unterarmfrakturen.

  • Häufig entziehen sich die Handwurzelfrakturen der primären Röntgendiagnostik, der Handgelenkaufnahme in 2 Ebenen.

  • Besteht klinisch der Verdacht auf eine Handwurzelfraktur, ist eine CT-Untersuchung der Handwurzel indiziert, im Fall einer Kahnbeinfraktur kann mit ihrer Hilfe auch die Operationsindikation sicher gestellt werden.

  • Während die Therapie der Kahnbeinfraktur mittlerweile vorwiegend operativ erfolgt, lassen sich die übrigen Handwurzelfrakturen häufig konservativ zur Ausheilung bringen.

  • Verzögert behandelte Frakturen weisen eine schlechtere Konsolidierungsrate auf, daher gilt es, eine effiziente und zielgerichtete Diagnostik zügig einzuleiten.

  • Bei Pseudarthrosenbildung sollten das Kahnbein bzw. der betroffene Handwurzelknochen rekonstruiert werden, bevor es zu irreversiblen Schäden an anderen Handwurzelabschnitten kommt.

  • Sind irreversiblen Schäden, z. B. im Rahmen eines SNAC-Wrist, bereits eingetreten, muss eine stadiengerechte Therapie erfolgen. Diese setzt weitere Diagnostik voraus, um eine drohende Handgelenkversteifung zu vermeiden.