Laut traumatologischen Statistiken zählen muskuläre Probleme im Freizeit- und Spitzensport zu den häufigsten Ursachen für Trainings- und Wettkampfpausen [23]. Das Spektrum reicht von der einfachen Muskelüberlastung bis hin zu komplexen Muskelverletzungen. Häufig betroffen, je nach Sportart unterschiedlich gewichtet, sind M. quadriceps, die ischiokrurale Muskulatur, Adduktoren, M. triceps surae sowie die Schulter- und Oberarmmuskulatur.

Unabhängig von der Lokalisation werden Skelettmuskelverletzungen oft unterschätzt, falsch interpretiert und nicht adäquat therapiert [14].

Diagnostik

Bei Muskelverletzungen ist eine frühzeitige Erkennung des Verletzungsmusters und -ausmaßes der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie.

Basisdiagnostik

Die Anamnese stellt ein genaues und richtungweisendes Diagnostikum da. Eine zweite Säule ist die klinische Untersuchung. Beides kann durch eine bildgebende Diagnostik ergänzt werden.

Bildgebung

Folgende Verfahren erlangten in der Diagnostik von Muskelverletzungen einen Stellenwert:

  • Ultraschall,

  • Magnetresonanztomographie (MRT) und

  • Röntgen.

Ultraschalldiagnostik

Ihre Vorteile sind die unmittelbare Verfügbarkeit und die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung von Muskulatur. Ein Nachteil wird in der schlechten Reproduzierbarkeit gesehen [11].

Magnetresonanztomographie

Das MRT erlaubt die genaue Zuordnung, welcher Muskel verletzt und wo in diesem die Verletzung lokalisiert ist. Dies ist in Abb. 1 am Beispiel einer Verletzung des rechten Schultergürtels eines 25-jährigen American-Football-Spielers, dem beim Wurf in dem Arm gegriffen wurde, gezeigt. Klinisch imponierte ein ausgeprägtes Hämatom in der Achsel. Die MRT-Untersuchung 5 Tage nach dem Trauma erbrachte den Nachweis eines Risses des M. teres major mit großem intramuskulärem Hämatom.

Die hohe Sensitivität dieser Technik erlaubt die Klassifikation verschiedener Typen von Muskelverletzungen.

Röntgenuntersuchung

Sie ermöglicht die Darstellung von Weichteilverkalkungen in der Muskulatur [12]. Die Problematik dabei beruht auf der zeitlichen Verzögerung bis zur Ausbildung einer Ossifikation. Das Sichtbarwerden einer Verkalkung im Bereich der Muskulatur steht erst am Ende eines Degenerationsprozesses, sodass die Verkalkung nicht direkt mit den Beschwerden korreliert [20]. Bei offenen Muskelverletzungen können mittels Nativröntgen röntgendichte Fremdkörper ausgeschlossen werden [17].

Abb. 1
figure 1

MRT-Untersuchung des rechten Schultergürtels 5 Tage nach Trauma, a axial, T2-Wichtung, b sagittal, PDW (Protonendichtewichtung), roter Pfeil Riss des M. teres major, grüner Pfeil großes intramuskuläres Hämatom

Klassifikation

Strukturelle Muskelläsionen können direkt (Kontusionen), indirekt (Zerrungen, Muskelfaserriss) oder verspätet (Muskelkater) entstehen [6]. Kontusionen und Muskelfaserisse werden in 3 Schweregrade eingeteilt (Tab. 1).

Tab. 1 Schweregrade von Kontusionen und Muskelfaserissen

Therapie

Es besteht bis heute kein allgemeingültiger Konsens über das Therapieregime bei Muskelverletzungen, und es existiert kein wissenschaftlich ausreichender Beweis für die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieoptionen [15]. Dies zeigt auch die Vielfalt der möglichen Therapieverfahren bei Muskelverletzungen:

  • PECH-Schema (PECH: Pause, Eis, Kompression, Hochlagerung) [1],

  • Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) [2],

  • Krankengymnastik mit manueller Therapie [16],

  • operative Therapie und

  • Injektionsbehandlung mit Kortikosteroiden, autologen Blutprodukten (u. a. thrombozytenreiches Plasma), Actovegin®/Traumeel® [16].

Während die konservative und operative Therapie in gesonderten Beiträgen dieser Ausgabe von Trauma und Berufskrankheit beschrieben werden, soll im Folgenden auf die Injektionsbehandlung bei Muskelläsionen fokussiert werden.

Injektionsbehandlung bei Muskelläsionen

Wie bei jeder anderen ärztlichen Therapie sollte der Patient über die Art und Bedeutung der Diagnose sowie der vorgesehenen Therapie aufgeklärt werden. Durch Arbeiten unter sterilen Kautelen ist die größtmögliche Sorgfalt aufzubringen, Weichteilinfektionen zu vermeiden.

Lokalanästhesie

Die Infiltrationsbehandlung mit einem Lokalanästhetikum (LA) ist im Sport sehr weit verbreitet und wird im Volksmund als Fitspritzen bezeichnet. Der breiten Anwendung von LA bei Muskelläsionen im Alltag steht ein Mangel an wissenschaftlicher Literatur gegenüber. Von verschiedenen Autoren wurden frühe Injektionsbehandlungen bei Muskelverletzungen einschließlich der Punktion eines Hämatoms empfohlen [3]. Zirkuläre Injektionstechniken um die Muskelläsion herum oder entlang des verletzten Muskels mit 5 bis 7 Nadeln sowie direkt in die Läsion hinein sind beschrieben (Abb. 2, Abb. 3, [14]). Hierbei soll zunächst Lokalanästhetikum appliziert werden, mit der Vorstellung der Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung.

Abgesehen von einzelnen Fallberichten, die meist von einer erfolgreichen Therapie berichteten, gibt es nur wenige Ergebnisse in der Literatur, die sich auf eine größere Fallserie beziehen; randomisierte Untersuchungen fehlen bis dato gänzlich. In einer retrospektiven Untersuchung von 100 Rugby-Spielern mit 307 Verletzungen und 1023 LA-Injektionen wurden Nachuntersuchungen über durchschnittlich 5 Jahre vorgenommen [15]. Die Behandlung mit LA erfolgte in den meisten Fällen nach Verletzungen im Bereich der Hand, des Sprunggelenks und Schultergürtels und nicht bei Muskelverletzungen. Die meisten befragten Spieler gaben an, durch die Infiltration eine gute Beschwerdelinderung erfahren zu haben und würden sich erneut einer LA-Infiltration unterziehen, sollten sie sich in der gleichen Situation befinden (98% der Fälle). Dennoch beklagten 32% der Spieler Nebenwirkungen durch die LA-Infiltration. Interessanterweise berichtete die Mehrzahl der Spieler, die LA-Infiltration auf eigenen Wunsch und nicht aufgrund der medizinischen Empfehlung durch den behandelnden Arzt erhalten zu haben.

Die Anwendung von LA zur Schmerzlinderung im Sport ist Teil der Sportmedizin, und dies wird auch in Zukunft der Fall sein [3]. Es ist deshalb eine vordringliche Aufgabe, auf Grundlage einer verbesserten, wissenschaftlichen Studienlage Empfehlungen aussprechen zu können, um (Kontra-)Indikationen der LA-Infiltration bei Muskelläsionen benennen und eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse ermöglichen zu können.

Abb. 2
figure 2

Ultraschalluntersuchung vor Infiltrationsbehandlung zur Detektion der Muskelverletzung bei bekanntem Muskelfaserriss der sog. Hamstring-Muskulatur

Abb. 3
figure 3

Infiltrationsbehandlung bei frischem Muskelfaserriss der sog. Hamstring-Muskulatur, a,b sukzessives Setzen von 5 bis 7 Kanülen unter sterilen Kautelen, c Infiltration

Homöopathische und durchblutungsfördernde Medikamente

Nach primärer LA-Infiltration bei akuten Muskelläsionen wird nachfolgend die Gabe von homöopathischen und durchblutungsfördernden Medikamenten empfohlen; dies soll die Wundheilungsphasen positiv beeinflussen [8]. Daher erfolgen autorenabhängig auch weitere Injektionen z. B. am 2. und 4. posttraumatischen Tag [14].

In einer Untersuchung von Lee et al. [9] wurden 4 Patienten mit Hamstring-Läsion Grad I mit Actovegin®-Infiltrationen (Nycomed, Linz, Österreich) behandelt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (20  ±  4,45 Tage) konnten die Behandlungsgruppe (12  ±  2,94 Tage) ihre sportliche Tätigkeit signifikant schneller wieder aufnehmen [9]. Bei Muskelläsionen Grad II dauerte es im Durchschnitt 18,7  ±  4,93 Tage bis zur Wiederaufnahme sportlicher Aktivität; eine Kontrollgruppe gab es nicht.

Häufige Anwendung bei akuten Muskelläsionen findet Traumeel® (Biologische Heilmittel Heel GmbH, Baden-Baden, Deutschland), das eine Kombination aus biologischen und mineralischen Komponenten beinhaltet. Seine Wirksamkeit bei akuten Muskelverletzungen wurde in einer randomisierte Studie untersucht. Unter der Anwendung von Traumeel®-Salbe kam es im Vergleich zur Placebobehandlung zu einer signifikant besseren Reduktion der Schwellneigung und Schmerzen [4]. Randomisierte Untersuchungen zur Traumeel®-Infiltration bei Muskelverletzungen sind uns allerdings nicht bekannt. Eine verbesserte, wissenschaftliche Datenlage ist jedoch erforderlich, um die Akzeptanz der Traumeel®-Behandlung zu verbessern [19].

Kortikosteroide

Kortisonhaltige Präparate haben bei der Behandlung frischer Muskelverletzungen keinen Stellenwert. Lokal applizierte Kortikoide unterbinden jegliche Körperantwort und wirken damit dem Heilprozess entgegen [14]. Steroide werden folglich in der Therapie muskulärer Verletzungen weder lokal noch systemisch eingesetzt.

Thrombozytenreiches Plasma (PRP)

Die aktuellen wissenschaftlichen Publikationen zeigen ein zunehmendes Wissen über die immunologischen, entzündlichen und reparativen Vorgänge der Muskelheilung. In der Theorie erlaubt die Anwendung von PRP eine konzentrierte Gabe von Wachstumsfaktoren in physiologischer Verteilung in der Hoffnung, eine verbesserte Muskelheilung in einem Gleichgewicht von Proliferation und Inhibition zu erreichen [8]. Die Anwendung von PRP scheint einen positiven Effekt auf die reparativen Vorgänge zu haben, auch mit dem Ziel der Verminderung von Narbenbildung.

In vitro konnte gezeigt werden, dass PRP die Migration von Zellen stimuliert und eine myofibroblastische Differenzierung initiiert [13]. Untersuchungen am Tiermodell ergaben, dass mit der Gabe von autologem, konditioniertem Plasma die Muskelheilung positiv beeinflusst werden konnte [22].

Zur Dokumentation einer Wirksamkeit von PRP bei Muskelverletzungen in der klinischen Anwendung fehlen wissenschaftlich hochwertige Studien. Einzelfallberichte beschrieben zumeist eine Restitutio ad integrum unter PRP-Infiltrationen [7, 10]. In einer Serie von 18 Sportlern mit verschiedenen Muskelverletzungen konnte unter der Anwendung von ACS („autologous conditioned serum“) eine schnellere Wiederaufnahme sportliche Aktivität innerhalb 1 Woche gezeigt werden [21]. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Kontrollgruppe nicht mit Placebo, sondern mit einer Kombination aus Actovegin® und Traumeel® behandelt wurde und die Auswertung retrospektiv erfolgte. Sanchez et al. [18] zeigten in einer Posterpräsentation Ergebnisse der PRP-Behandlung von Hamstring-Läsionen; die Rehabilitationsphase konnte auf die Hälfte verkürzt werden; eine Publikation dieser Ergebnisse liegt bis dato nicht vor.

Sowohl die experimentellen Ergebnisse als auch die ersten klinischen Untersuchungen legen nahe, dass eine PRP-Infiltration in der Behandlung von Muskelverletzungen hilfreich sein kann. Aufgrund der unzureichenden Datenlage kann jedoch zum aktuellen Zeitpunkt keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden. Zum Erhalt der erforderlichen Datenlage sollten PRP-Infiltrationen im Rahmen von Studien mit wissenschaftlicher Auswertung der Ergebnisse vorgenommen werden.

Fazit für die Praxis

Die Infiltrationsbehandlung bei Muskelläsionen ist weit verbreitet und Bestandteil der täglichen Praxis sportmedizinischer Tätigkeit. Demgegenüber steht eine unzureichende, wissenschaftliche Datenlage, sodass aus dieser Sicht keine der praktizierten Infiltrationsbehandlungen generell empfohlen werden kann.

Es besteht Handlungsbedarf, in hochwertigen Studien die Sicherheit und Effektivität der praktizierten Infiltrationsbehandlungen zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung des IOC („International Olympic Committee“) zu verstehen, dass doppeltverblindete, placebokontrollierte, randomisierte Studien durchgeführt werden sollten [5], um der suboptimalen Datenlage entgegenzuwirken.