Zusammenfassung
Muskuläre Probleme im Freizeit- und Spitzensport zählen zu den häufigsten Ursachen für Trainings- und Wettkampfpausen. Dabei kann es sich um einfache Überlastungen bis hin zu komplexen Verletzungen handeln. Eine frühzeitige Erkennung des Verletzungsmusters und -ausmaßes ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie. Die Diagnostik beruht auf Anamnese und klinischer Untersuchung, ergänzend kommen bildgebende Verfahren hinzu. Bis heute besteht kein allgemeingültiger Konsens über das Therapieregime bei Muskelverletzungen, und es existiert kein wissenschaftlich ausreichender Beweis für die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieoptionen. Im vorliegenden Beitrag wird auf die Injektionsbehandlung bei Muskelläsionen fokussiert. Deren Anwendung zur Schmerzlinderung ist Teil der Sportmedizin. Jedoch gibt es momentan nur wenige entsprechende Veröffentlichungen, insbesondere fehlen Untersuchungen, die sich auf größere Fallzahlen beziehen, sowie randomisierte Studien. Hier ist dringend eine verbesserte, wissenschaftliche Datenlage erforderlich, bevor eine Empfehlung auch für einen weiteren Patientenkreis gegeben werden kann.
Abstract
Muscular problems in leisure and elite sports represent the most common causes for training and competition breaks. This includes not only simple strains, but also complicated injuries. Thus, early recognition of the injury pattern and magnitude is key to successful treatment. The diagnosis is based on the anamnesis and clinical examination, which can be complemented by imaging results. There is currently no general consensus concerning the treatment of muscle injuries and no scientific evidence for the efficacy of various treatment options. The focus of the present paper is injection treatment of muscle lesions. Its use in the relief of pain is part of sports medicine. However, there are currently few publications; in particular studies with larger numbers of cases and randomized studies are needed. An improved scientific database is urgently necessary before a recommendation can be given for further patients.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Laut traumatologischen Statistiken zählen muskuläre Probleme im Freizeit- und Spitzensport zu den häufigsten Ursachen für Trainings- und Wettkampfpausen [23]. Das Spektrum reicht von der einfachen Muskelüberlastung bis hin zu komplexen Muskelverletzungen. Häufig betroffen, je nach Sportart unterschiedlich gewichtet, sind M. quadriceps, die ischiokrurale Muskulatur, Adduktoren, M. triceps surae sowie die Schulter- und Oberarmmuskulatur.
Unabhängig von der Lokalisation werden Skelettmuskelverletzungen oft unterschätzt, falsch interpretiert und nicht adäquat therapiert [14].
Diagnostik
Bei Muskelverletzungen ist eine frühzeitige Erkennung des Verletzungsmusters und -ausmaßes der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie.
Basisdiagnostik
Die Anamnese stellt ein genaues und richtungweisendes Diagnostikum da. Eine zweite Säule ist die klinische Untersuchung. Beides kann durch eine bildgebende Diagnostik ergänzt werden.
Bildgebung
Folgende Verfahren erlangten in der Diagnostik von Muskelverletzungen einen Stellenwert:
-
Ultraschall,
-
Magnetresonanztomographie (MRT) und
-
Röntgen.
Ultraschalldiagnostik
Ihre Vorteile sind die unmittelbare Verfügbarkeit und die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung von Muskulatur. Ein Nachteil wird in der schlechten Reproduzierbarkeit gesehen [11].
Magnetresonanztomographie
Das MRT erlaubt die genaue Zuordnung, welcher Muskel verletzt und wo in diesem die Verletzung lokalisiert ist. Dies ist in Abb. 1 am Beispiel einer Verletzung des rechten Schultergürtels eines 25-jährigen American-Football-Spielers, dem beim Wurf in dem Arm gegriffen wurde, gezeigt. Klinisch imponierte ein ausgeprägtes Hämatom in der Achsel. Die MRT-Untersuchung 5 Tage nach dem Trauma erbrachte den Nachweis eines Risses des M. teres major mit großem intramuskulärem Hämatom.
Die hohe Sensitivität dieser Technik erlaubt die Klassifikation verschiedener Typen von Muskelverletzungen.
Röntgenuntersuchung
Sie ermöglicht die Darstellung von Weichteilverkalkungen in der Muskulatur [12]. Die Problematik dabei beruht auf der zeitlichen Verzögerung bis zur Ausbildung einer Ossifikation. Das Sichtbarwerden einer Verkalkung im Bereich der Muskulatur steht erst am Ende eines Degenerationsprozesses, sodass die Verkalkung nicht direkt mit den Beschwerden korreliert [20]. Bei offenen Muskelverletzungen können mittels Nativröntgen röntgendichte Fremdkörper ausgeschlossen werden [17].
Therapie
Es besteht bis heute kein allgemeingültiger Konsens über das Therapieregime bei Muskelverletzungen, und es existiert kein wissenschaftlich ausreichender Beweis für die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieoptionen [15]. Dies zeigt auch die Vielfalt der möglichen Therapieverfahren bei Muskelverletzungen:
-
PECH-Schema (PECH: Pause, Eis, Kompression, Hochlagerung) [1],
-
Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) [2],
-
Krankengymnastik mit manueller Therapie [16],
-
operative Therapie und
-
Injektionsbehandlung mit Kortikosteroiden, autologen Blutprodukten (u. a. thrombozytenreiches Plasma), Actovegin®/Traumeel® [16].
Während die konservative und operative Therapie in gesonderten Beiträgen dieser Ausgabe von Trauma und Berufskrankheit beschrieben werden, soll im Folgenden auf die Injektionsbehandlung bei Muskelläsionen fokussiert werden.
Injektionsbehandlung bei Muskelläsionen
Wie bei jeder anderen ärztlichen Therapie sollte der Patient über die Art und Bedeutung der Diagnose sowie der vorgesehenen Therapie aufgeklärt werden. Durch Arbeiten unter sterilen Kautelen ist die größtmögliche Sorgfalt aufzubringen, Weichteilinfektionen zu vermeiden.
Lokalanästhesie
Die Infiltrationsbehandlung mit einem Lokalanästhetikum (LA) ist im Sport sehr weit verbreitet und wird im Volksmund als Fitspritzen bezeichnet. Der breiten Anwendung von LA bei Muskelläsionen im Alltag steht ein Mangel an wissenschaftlicher Literatur gegenüber. Von verschiedenen Autoren wurden frühe Injektionsbehandlungen bei Muskelverletzungen einschließlich der Punktion eines Hämatoms empfohlen [3]. Zirkuläre Injektionstechniken um die Muskelläsion herum oder entlang des verletzten Muskels mit 5 bis 7 Nadeln sowie direkt in die Läsion hinein sind beschrieben (Abb. 2, Abb. 3, [14]). Hierbei soll zunächst Lokalanästhetikum appliziert werden, mit der Vorstellung der Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung.
Abgesehen von einzelnen Fallberichten, die meist von einer erfolgreichen Therapie berichteten, gibt es nur wenige Ergebnisse in der Literatur, die sich auf eine größere Fallserie beziehen; randomisierte Untersuchungen fehlen bis dato gänzlich. In einer retrospektiven Untersuchung von 100 Rugby-Spielern mit 307 Verletzungen und 1023 LA-Injektionen wurden Nachuntersuchungen über durchschnittlich 5 Jahre vorgenommen [15]. Die Behandlung mit LA erfolgte in den meisten Fällen nach Verletzungen im Bereich der Hand, des Sprunggelenks und Schultergürtels und nicht bei Muskelverletzungen. Die meisten befragten Spieler gaben an, durch die Infiltration eine gute Beschwerdelinderung erfahren zu haben und würden sich erneut einer LA-Infiltration unterziehen, sollten sie sich in der gleichen Situation befinden (98% der Fälle). Dennoch beklagten 32% der Spieler Nebenwirkungen durch die LA-Infiltration. Interessanterweise berichtete die Mehrzahl der Spieler, die LA-Infiltration auf eigenen Wunsch und nicht aufgrund der medizinischen Empfehlung durch den behandelnden Arzt erhalten zu haben.
Die Anwendung von LA zur Schmerzlinderung im Sport ist Teil der Sportmedizin, und dies wird auch in Zukunft der Fall sein [3]. Es ist deshalb eine vordringliche Aufgabe, auf Grundlage einer verbesserten, wissenschaftlichen Studienlage Empfehlungen aussprechen zu können, um (Kontra-)Indikationen der LA-Infiltration bei Muskelläsionen benennen und eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse ermöglichen zu können.
Homöopathische und durchblutungsfördernde Medikamente
Nach primärer LA-Infiltration bei akuten Muskelläsionen wird nachfolgend die Gabe von homöopathischen und durchblutungsfördernden Medikamenten empfohlen; dies soll die Wundheilungsphasen positiv beeinflussen [8]. Daher erfolgen autorenabhängig auch weitere Injektionen z. B. am 2. und 4. posttraumatischen Tag [14].
In einer Untersuchung von Lee et al. [9] wurden 4 Patienten mit Hamstring-Läsion Grad I mit Actovegin®-Infiltrationen (Nycomed, Linz, Österreich) behandelt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (20 ± 4,45 Tage) konnten die Behandlungsgruppe (12 ± 2,94 Tage) ihre sportliche Tätigkeit signifikant schneller wieder aufnehmen [9]. Bei Muskelläsionen Grad II dauerte es im Durchschnitt 18,7 ± 4,93 Tage bis zur Wiederaufnahme sportlicher Aktivität; eine Kontrollgruppe gab es nicht.
Häufige Anwendung bei akuten Muskelläsionen findet Traumeel® (Biologische Heilmittel Heel GmbH, Baden-Baden, Deutschland), das eine Kombination aus biologischen und mineralischen Komponenten beinhaltet. Seine Wirksamkeit bei akuten Muskelverletzungen wurde in einer randomisierte Studie untersucht. Unter der Anwendung von Traumeel®-Salbe kam es im Vergleich zur Placebobehandlung zu einer signifikant besseren Reduktion der Schwellneigung und Schmerzen [4]. Randomisierte Untersuchungen zur Traumeel®-Infiltration bei Muskelverletzungen sind uns allerdings nicht bekannt. Eine verbesserte, wissenschaftliche Datenlage ist jedoch erforderlich, um die Akzeptanz der Traumeel®-Behandlung zu verbessern [19].
Kortikosteroide
Kortisonhaltige Präparate haben bei der Behandlung frischer Muskelverletzungen keinen Stellenwert. Lokal applizierte Kortikoide unterbinden jegliche Körperantwort und wirken damit dem Heilprozess entgegen [14]. Steroide werden folglich in der Therapie muskulärer Verletzungen weder lokal noch systemisch eingesetzt.
Thrombozytenreiches Plasma (PRP)
Die aktuellen wissenschaftlichen Publikationen zeigen ein zunehmendes Wissen über die immunologischen, entzündlichen und reparativen Vorgänge der Muskelheilung. In der Theorie erlaubt die Anwendung von PRP eine konzentrierte Gabe von Wachstumsfaktoren in physiologischer Verteilung in der Hoffnung, eine verbesserte Muskelheilung in einem Gleichgewicht von Proliferation und Inhibition zu erreichen [8]. Die Anwendung von PRP scheint einen positiven Effekt auf die reparativen Vorgänge zu haben, auch mit dem Ziel der Verminderung von Narbenbildung.
In vitro konnte gezeigt werden, dass PRP die Migration von Zellen stimuliert und eine myofibroblastische Differenzierung initiiert [13]. Untersuchungen am Tiermodell ergaben, dass mit der Gabe von autologem, konditioniertem Plasma die Muskelheilung positiv beeinflusst werden konnte [22].
Zur Dokumentation einer Wirksamkeit von PRP bei Muskelverletzungen in der klinischen Anwendung fehlen wissenschaftlich hochwertige Studien. Einzelfallberichte beschrieben zumeist eine Restitutio ad integrum unter PRP-Infiltrationen [7, 10]. In einer Serie von 18 Sportlern mit verschiedenen Muskelverletzungen konnte unter der Anwendung von ACS („autologous conditioned serum“) eine schnellere Wiederaufnahme sportliche Aktivität innerhalb 1 Woche gezeigt werden [21]. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Kontrollgruppe nicht mit Placebo, sondern mit einer Kombination aus Actovegin® und Traumeel® behandelt wurde und die Auswertung retrospektiv erfolgte. Sanchez et al. [18] zeigten in einer Posterpräsentation Ergebnisse der PRP-Behandlung von Hamstring-Läsionen; die Rehabilitationsphase konnte auf die Hälfte verkürzt werden; eine Publikation dieser Ergebnisse liegt bis dato nicht vor.
Sowohl die experimentellen Ergebnisse als auch die ersten klinischen Untersuchungen legen nahe, dass eine PRP-Infiltration in der Behandlung von Muskelverletzungen hilfreich sein kann. Aufgrund der unzureichenden Datenlage kann jedoch zum aktuellen Zeitpunkt keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden. Zum Erhalt der erforderlichen Datenlage sollten PRP-Infiltrationen im Rahmen von Studien mit wissenschaftlicher Auswertung der Ergebnisse vorgenommen werden.
Fazit für die Praxis
Die Infiltrationsbehandlung bei Muskelläsionen ist weit verbreitet und Bestandteil der täglichen Praxis sportmedizinischer Tätigkeit. Demgegenüber steht eine unzureichende, wissenschaftliche Datenlage, sodass aus dieser Sicht keine der praktizierten Infiltrationsbehandlungen generell empfohlen werden kann.
Es besteht Handlungsbedarf, in hochwertigen Studien die Sicherheit und Effektivität der praktizierten Infiltrationsbehandlungen zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung des IOC („International Olympic Committee“) zu verstehen, dass doppeltverblindete, placebokontrollierte, randomisierte Studien durchgeführt werden sollten [5], um der suboptimalen Datenlage entgegenzuwirken.
Literatur
Almekinders LC (1993) Anti-inflammatory treatment of muscular injuries in sports. Sports Med 15:139–145
Almekinders LC (1999) Anti-inflammatory treatment of muscular injuries in sport. An update of recent studies. Sports Med 28:383–388
Biedert R (2009) Infiltrationen im Sport. Sport Orthop Traumatol 25:103–110
Boehmer D, Ambrus P (1992) Treatment of sports injuries with Traumeel ointment: a controlled double blind study. Biol Ther 10:290–300
Engebretsen L, Steffen K (2010) To PRP or not? Br J Sports Med 44:1071
Garrett WE (1990) Muscle strain injuries: clinical and basic aspects. Med Sci Sports Exerc 22:436–443
Hamilton B, Knez W, Eirale C, Chalabi H (2010) Platelet enriched plasma for acute muscle injury. Acta Orthop Belg 76:443–448
Harmon KG (2010) Muscle injuries and PRP: what does the science say? Br J Sports Med 44:616–617
Lee P, Rattenberry A, Connelly S, Nokes L (2011) Our experience on actovegin, is it cutting edge? Int J Sports Med 32:237–241
Loo WL, Lee DY, Soon MY (2009) Plasma rich in growth factors to treat adductor longus tear. Ann Acad Med Singapore 38:733–734
Malliaropoulos N, Papacostas E, Kiritsi O et al (2010) Posterior thigh muscle injuries in elite track and field athletes. Am J Sports Med 38:1813–1819
Martin DA, Senanayake S (2011) Images in clinical medicine. Myositis ossificans. N Engl J Med 364:758
Menetrey J, Kasemkijwattana C, Day CS et al (2000) Growth factors improve muscle healing in vivo. J Bone Joint Surg Br 82:131–137
Mueller-Wohlfahrt HW, Ueblacker P, Haensel L (2010) Muskelverletzungen im Sport. Thieme, Stuttgart New York
Orchard JW, Best TM, Mueller-Wohlfahrt HW et al (2008) The early management of muscle strains in the elite athlete: best practice in a world with a limited evidence basis. Br J Sports Med 42:158–159
Reurink G, Goudswaard GJ, Tol JL et al (2012) Therapeutic interventions for acute hamstring injuries: a systematic review. Br J Sports Med 46:103–109
Rungatscher A, Morjan M, Faggian G (2011) Sternocleidomastoid muscle hematoma due to sternal wire migration. J Card Surg 26:296
Sanchez M, Anitua E, Andia I (2005) Application of autologous growth factors on sceletal muscle healing. Second International Conference on Regenerative Medicine, Leipzig
Schneider C (2011) Traumeel – an emerging option to nonsteroidal anti-inflammatory drugs in the management of acute musculoskeletal injuries. Int J Gen Med 4:225–234
Wolgin M, Cook C, Graham C, Mauldin D (1994) Conservative treatment of plantar heel pain: long-term follow-up. Foot Ankle Int 15:97–102
Wright-Carpenter T, Klein P, Schäferhoff P et al (2004) Treatment of muscle injuries by local administration of autologous conditioned serum: a pilot study on sportsmen with muscle strains. Int J Sports Med 25:588–593
Wright-Carpenter T, Opolon P, Appell HJ et al (2004) Treatment of muscle injuries by local administration of autologous conditioned serum: animal experiments using a muscle contusion model. Int J Sports Med 25:582–587
Ziegler R (2011) Sport und Muskelverletzungen. Sport Orthop Traumatol 27:198–201
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
The supplement containing this article is not sponsored by industry.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Gille, J., Bark, S., Herzog, J. et al. Infiltrationsbehandlung bei Muskelläsionen. Trauma Berufskrankh 15 (Suppl 1), 81–84 (2013). https://doi.org/10.1007/s10039-012-1875-8
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s10039-012-1875-8