Methodik

Im Jahr 2009 wurde die Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 h und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 h pro Schicht als Nr. 2112 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen.

Ihre Begutachtung zählt zu den komplexen und schwierigen Aufgaben eines medizinischen Sachverständigen bei den Berufskrankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Während nach der wissenschaftlichen Begründung für diese Krankheiten epidemiologische Erkenntnisse einen Zusammenhang zwischen kniender oder vergleichbarer beruflicher Tätigkeit aufzeigten, besteht nach wie vor zu den biomechanischen Voraussetzungen und zur Pathogenese keine eindeutige Erkenntnislage. Die ungeklärte Pathogenese sowie unterschiedliche klinische Ausprägungen und radiologische Krankheitsbilder erschweren die medizinische Beurteilung.

Bei den laufenden Beratungen zur Erstellung einer Begutachtungs- oder Konsensempfehlung für die Berufskrankheit Nr. 2112 war es daher erforderlich, auch die außerberuflichen Faktoren, die bei der Bewertung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Knie belastenden Einwirkung bei versicherten Tätigkeiten und einer Gonarthrose zu berücksichtigen sind, näher zu beleuchten. An diesen Beratungen sind Experten der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie) sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und der Vereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte beteiligt. Sie führten für die fundierte Beurteilung, welche außerberuflichen Umstände als sog. konkurrierende Faktoren in die Ursachenbewertung einzufließen haben, umfangreiche Literaturrecherchen durch. Auf diese Weise wurden aktuelle und gesicherte Erkenntnisse zusammengestellt.

In einigen Fällen spiegelte die vorhandene Literatur nicht unbedingt die Einschätzung wider, die zunächst aufgrund ärztlicher Erfahrungen zu erwarten gewesen wäre. Bei anderen Konstellationen wurden offensichtlich bislang noch keine wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt bzw. deren Ergebnisse veröffentlicht. Insbesondere in diesen Fällen wurde unter den beteiligten medizinischen Experten ein Konsens aufgrund fachärztlicher und gutachterlicher Erfahrungen formuliert, der dann auch in der Zusammenstellung als solcher gekennzeichnet ist.

Die Ergebnisse der Literaturrecherche sind im Folgenden praxisgerecht in einer Schnellübersicht zusammengefasst (Tab. 1). Als Erläuterung zu den meisten in der Übersicht aufgeführten Faktoren finden sich detaillierte Beschreibungen und Ergebnisse der durchgeführten Recherche in den nachfolgenden Beiträgen. Bei den konkurrierenden Faktoren, zu denen keine weiterführenden Beiträge existieren, bestand zu den jeweiligen Ergebnissen Konsens innerhalb der Arbeitsgruppe.

Schnellübersicht (über Ergebnisse und Expertendiskussion)

In Tab. 1 sind die Ergebnisse der Literaturauswertungen und der Expertendiskussion zur Entwicklung einer Begutachtungsempfehlung zusammengefasst. Alle zur Diskussion stehenden außerberuflichen Faktoren der Gonarthrose sind stichpunktartig aufgeführt. Werden über diese Kurzform hinaus Informationen benötigt, kann auf die nachfolgenden Beiträge zurückgegriffen werden.

Die Übersicht soll es ermöglichen, im Rahmen der Begutachtung bzw. der Gutachtenauswertung schnell einen praxisgerechten Überblick zu erhalten.

In der Spalte In Betracht kommende Ursache? ist das Ergebnis der Literaturauswertung komprimiert dargestellt und, wo sinnvoll bzw. erforderlich, auch um Expertenwissen und -erfahrung ergänzt. Alle diese Ausführungen wurden von den beteiligten Experten der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie der beteiligten Institutionen jeweils konsentiert. Wie belastbar diese Einschätzung ist bzw. worauf sie fußt, ist in der Spalte Validierungsgrad abgebildet.

Faktoren, die aktuell weder nach der wissenschaftlichen Erkenntnislage noch nach übereinstimmender Expertenmeinung als außerberufliche Ursache der Gonarthrose in Betracht kommen, sind bei der Bewertung des haftungsbegründenden Ursachenzusammenhangs zwischen der Kniebelastung und dem nachgewiesenen Krankheitsbild nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung sind nur die Faktoren bei der Kausalitätsprüfung heranzuziehen, die als Ursache wissenschaftlich nachweisbar in Betracht kommen können.

Diejenigen Faktoren, die als konkurrierende, außerberufliche Faktoren identifiziert werden konnten, müssen bewiesen sein. Nur diese nachgewiesenen Faktoren sind im Rahmen der Bewertung des haftungsbegründenden Ursachenzusammenhangs zu berücksichtigen. Dabei führt das bloße Vorhandensein eines oder mehrerer außerberuflicher Faktoren nicht automatisch dazu, dass der Ursachenzusammenhang zwischen versicherter Einwirkung und nachgewiesenem Krankheitsbild zu verneinen ist. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die außerberuflichen Faktoren bei der Ursachenbewertung derart im Vordergrund stehen, dass sie im Einzelfall im Vergleich zu den beruflichen Faktoren als allein wesentlich anzusehen sind. In diesen Fällen ist der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen versicherter Einwirkung und Krankheit nicht hinreichend wahrscheinlich; eine Berufskrankheit liegt nicht vor.

Damit liefert diese Übersicht lediglich Hinweise zu den im Rahmen der Kausalitätsbewertung zu beurteilenden außerberuflichen Faktoren als solchen, ohne dabei die in jedem Einzelfall notwendigen Bewertungen und Abwägungen bereitzustellen oder vorwegzunehmen.

Tab. 1 Schnellübersicht über die Ergebnisse der Literaturauswertungen und der Expertendiskussion