Besonderheiten der Versorgung von Haut-Weichteil-Defekten der Hand

Funktionelle Anforderungen

Die ausgeprägte Differenziertheit der Bewegungsgrade von Hand, Daumen und Fingern stellt an die sie bedeckende Haut besonders hohe Anforderungen: Diese muss auf der Beugeseite einerseits robust und widerstandsfähig sein, sich dabei aber unkompliziert einfalten lassen und darf den zur Beugung gekrümmten Fingergliedern nicht im Wege sein. Auf der Streckseite muss die Haut möglichst dünnschichtig, im Gelenkbereich elastisch und mit Reserven ausgestattet sein, auch hier mit Rücksicht auf die je nach Bewegungszustand der Hand unterschiedlichen Erfordernisse. Kommt es zu Störungen dieser Hautqualitäten, ist immer auch die Handbeweglichkeit gestört. Bereits kleine Verletzungen mit einem Verlust an Haut- und/oder Weichteilgewebe müssen unter diesem Gesichtspunkt bewertet werden.

Mit der Haut als Grenzorgan verliert die Hand bei Defektverletzungen zusätzlich als weitere wesentliche Qualität ihre Sensibilität. Während dies am Handrücken noch mit vergleichsweise wenigen Beeinträchtigungen einhergeht, stellt dieser Aspekt auf der Beugeseite immer ein wesentliches Problem dar, welches bei der Wahl der rekonstruktiven Optionen sorgfältig beachtet werden muss.

Versorgung – Verfahrenswahl und evtl. Verlegung

Der wiederherstellende Chirurg muss bei der Versorgung von Haut-Weichteil-Defekten an der Hand die ganze Bandbreite der technischen Möglichkeiten kennen und möglichst auch selbst beherrschen. Erfordert die Komplexität einer Defektverletzung aufwendige, gar mikrochirurgische Verfahren, ist der Verzicht auf eine solche Versorgung durch fehlende Möglichkeiten vor Ort nicht zu rechtfertigen. Die Weichteilrekonstruktion sollte dann mit aufgeschobener Dringlichkeit nach Weiterverlegung des Patienten in ein geeignetes Zentrum erfolgen, auch wenn prinzipiell mit Rücksicht auf exponierte tief liegende Strukturen wie Sehnen oder Nerven zügig ein Wundverschluss erfolgen soll. Auch an der Hand kann dann beispielsweise ein Unterdruckfolienverband indiziert sein, besonders wenn der Haut-Weichteil-Defekt sensible anatomische Strukturen in der Tiefe entblößt und diese bei anderen Verbandsanordnungen vor sekundären Schäden nicht effektiv geschützt werden würden. Die Unterdrucktherapie kann darüber hinaus antiödematös wirken, die Folienabdeckung stellt eine sichere Keimbarriere dar. Eine undifferenzierte Anwendung von Vakuumversiegelungen über lange Zeit, die eine dringlich indizierte vaskularisierte Deckung unnötig verzögert, ist aber unbedingt zu vermeiden [6].

Stellenwert des Wunddébridements

Vor einer Geweberekonstruktion muss sichergestellt sein, dass die bestehende Wunde für eine Deckung überhaupt geeignet ist. An der Hand ist typischerweise zunächst ein sorgfältiges Wunddébridement erforderlich. Es ist für den Erfolg der Behandlung von größter Bedeutung und muss daher mit höchster Sorgfalt durchgeführt werden. Standard ist die Nutzung einer Lupenbrille und einer Oberarmblutsperre.

Ziel ist die Beseitigung nicht mehr vaskularisierten Gewebes. Es ist problematisch und kann fehlerhaft sein, schwer kontusioniertes, aber scheinbar noch blutendes Gewebe zurückzulassen. In der Regel stellt sich in derartigen Fällen bei der Second-Look-Operation heraus, dass man fälschlicherweise zu optimistisch war. Gerade mit Blick auf Hautschäden sollte man sich vergegenwärtigen, dass für Rekonstruktionen inzwischen sehr gute und sichere Optionen verfügbar sind. Bei entsprechender Behandlung darf eine frühzeitigere und günstigere Ausbehandlung erwartet werden, als wenn langwierige und abwartende Maßnahmen gewählt werden, mit welchen erst nach entsprechend längerer Zeit die geforderte vollständige Sauberkeit und Vitalität der Wunde erreicht werden.

Das Débridement stellt hohe Anforderungen an die speziell handchirurgischen Fähigkeiten und anatomischen Kenntnisse und setzt mikrochirurgische Erfahrung voraus. Das vollständige handchirurgische Armamentarium einschließlich mikrochirurgischen Instrumentariums und eines Operationsmikroskops muss bei entsprechenden Verletzungen bereitstehen. Wenn irreguläre anatomische Bedingungen bekannt sind, können ausnahmsweise alternative Methoden für das Débridement genutzt werden.

Beispielfall 1

In Abb. 1 ist der Verlauf bei einem Patienten mit schwerster Handverletzung mit zerfetztrandigen Wunden und u. a. Zerstörung der arteriellen Gefäßversorgung der Finger III und IV gezeigt (Abb. 1 a). Nach u. a. Einsatz eines v-förmigen Veneninterponats kam es zur erfolgreichen Revaskularisierung des Mittelfingers, nicht jedoch des ebenfalls angeschlossenen Ringfingers (Abb. 1 b). Die Durchführung des neben der Reamputation des mumifizierten Ringfingers erforderlichen Débridements war wegen der unklaren Lage des nicht sichtbaren Veneninterponats stark erschwert. Um dieses und damit den Mittelfinger nicht zu gefährden, wurde biochirurgisch debridiert (Abb. 1 c). Die Defektrekonstruktion mit Spalthaut gelang unter Erhalt des Mittelfingers (Abb. 1 d).

Abb. 1
figure 1

Beispielfall 1, a schwerste Handverletzung, b erfolgreiche Revaskularisierung des Mittelfingers, jedoch Mumifizierung des Ringfingers, c Reamputation des Ringfingers und biochirurgisches Débridement, d Ausheilungsergebnis nach Defektrekonstruktion mit Spalthaut unter Erhalt des Mittelfingers, weitere Erläuterungen s. Text

Kleine Handverletzung

Mehr als ein Drittel aller Unfälle am Arbeitsplatz führen zu einer Handverletzung. Schon bei Quetschverletzungen, aber auch bei Schnittwunden und Ähnlichem können Hautdefekte resultieren. Vergleichsweise kleine Wunden können dabei zu erheblichen Folgeproblemen führen.

Die Greiffläche erfordert eine stabile und möglichst sensible Gewebequalität. Häufig sind dafür intrinsische Lappenplastiken gebräuchlich, wobei aber immer eine Sekundärmorbidität toleriert werden muss. In den letzten Jahren mehren sich Berichte, dass insbesondere Gewebedefekte an den Endgliedern durch Semiokklusivverbände effektiv und schonend und mit funktionell befriedigenden Ergebnissen konservativ behandelt werden können [5].

Zu den zahlreichen intrinsischen Lappenplastiken, auf die hier nicht umfassend eingegangen werden kann, traten mit den Perforatorlappen in jüngerer Zeit Verfahren hinzu, die auch in der übrigen rekonstruktiven Chirurgie eine große Bedeutung erlangten [4]. Der Vorteil dieser Methode ist im geschilderten Beispielfall 2 (Abb. 2) die sichere Bedeckung der breitflächig exponierten und frakturierten Endphalanx des Daumens durch vaskularisiertes, ortsständiges Gewebe, wobei der Sekundärdefekt durch die originäre Haut primär verschlossen werden kann. Eine derartige Versorgung erlaubt eine funktionelle Nachbehandlung ohne zeitliche Verzögerung.

Beispielfall 2

Bei diesem Fall einer Kreissägenverletzung war das Nagelorgan zum größten Teil destruiert, die Endphalanx wies einen Teilverlust der dorsalseitigen Kortikalis auf (Abb. 2 a). Die Verletzung wurde mittels Perforatorlappenplastik versorgt: Hierzu wurde die Ausdehnung des lappenpflichtigen Defekts auf die ulnare Seite des dem Defekt angrenzenden Daumengrundglieds übertragen (Abb. 2 b). Streng subdermal und unmittelbar oberhalb der Streckaponeurose wurde das subkutane Gewebe mobilisiert und an einem aus der ulnaren Daumenarterie stammenden Perforatorsystem gestielt nach peripher umgeschlagen (DAP-Flap: „digital artery perforator“-Flap; Abb. 2 c). Die Lappenplastik wurde mit Spalthaut gedeckt und der Entnahmedefekt primär verschlossen (Abb. 2 d,e).

Abb. 2
figure 2

Beispielfall 2, Kreissägenverletzung, a Unfallbild, b Markierung der Ausdehnung des lappenpflichtigen Defekts auf der ulnaren Seite des angrenzenden Daumengrundglieds, c Perforatorlappenplastik, d Deckung des Lappens mit Spalthaut und Verschluss des Entnahmedefekts, e Ausheilungsergebnis nach 3 Monaten, weitere Erläuterungen s. Text

Ausgedehnte allschichtige Defekte

Hautdefekte sind an der Hand in der überwiegenden Zahl der Fälle lappenpflichtig, können also durch freie Hauttransplantationen nicht erfolgreich versorgt werden. Der Wundgrund ist dafür oft ungeeignet und die Qualität einer Rekonstruktion durch freie Hauttransplantate nicht ausreichend. Eine Ausnahme stellen thermische Verletzungen dar, weil hier nach tangentialer Exzision der Nekrosen durch eine Spalthauttransplantation ausgezeichnete funktionelle und ästhetische Resultate erzielt werden können. Die Nekrosektomie setzt allerdings große Erfahrung in der Verbrennungsbehandlung voraus, sodass bereits die alleinige tiefdermale Verbrennung an den Händen eine klare Empfehlung zur Weiterleitung an geeignete Zentren darstellt [1].

Den anatomischen Vorgaben und funktionellen Erfordernissen folgend sind bei lappenpflichtigen Defekten an Fingern, am Handrücken oder an der Handinnenfläche unterschiedliche Aspekte bedeutsam.

Finger

An ihnen soll die rekonstruierte Haut hinsichtlich Gewebedicke und -elastizität möglichst normal erscheinen. Dies erfordert die Verwendung ortsständigen Gewebes in Form lokaler Lappenplastiken. Werden diese neurovaskulär gestielt verwendet, kann die v. a. palmarseitig geforderte Sensibilität zumindest teilweise wiederhergestellt werden. Elegante Versorgungen sind Lappenplastiken, deren Sekundärdefekte primär verschlossen werden können (Beispiel 3, Abb. 3). Andernfalls werden Hauttransplantationen notwendig.

Beispielfall 3

Eine Quetschverletzung des Ringfingers wurde primär mittels readaptiertem distal gestieltem Hautlappen versorgt. Das nach Mumifizierung desselben erforderliche Débridement hinterließ einen allschichtigen Defekt vom mittleren Mittelglied bis zur distalen Fingerbeere. Dieser wurde mit einem ulnar neurovaskulär gestielten Venkataswami-Lappen versorgt. Nach Ausheilung verblieb ein geringgradiges Flexionsdefizit im Grundgelenk, während das Streckdefizit im Mittelgelenk durch eine Hyperextension des Grundgelenks kompensiert wird (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Beispielfall 3, a mumifizierter Hautlappen, b allschichtiger Defekt nach Débridement, c–e Ausheilungsergebnis 1 Jahr nach Versorgung mit Venkataswami-Lappen, d geringgradiges Flexionsdefizit im Grundgelenk, e Kompensation des Streckdefizits im Mittelgelenk durch eine Hyperextension des Grundgelenks, weitere Erläuterungen s. Text

Die Greiffläche des Daumens stellt die höchsten Ansprüche. Belastbarkeit und Sensibilität entscheiden über die Brauchbarkeit des abgeheilten Daumens in besonderer Weise. Mit dem Gleitlappen steht ein etabliertes Verfahren zur Verfügung, das die besten Ergebnisse erwarten lässt, weil hier ausschließlich ortsständiges Gewebe genutzt wird und die Fingerbeere weitgehend frei von Narben bleibt. Es stehen geeignete Verfahren zur Verfügung, um einen Sekundärdefekt zu vermeiden [3]. Auch der neurovaskuläre Foucher-Lappen kann eine erstaunlich gute Rekonstruktionsqualität aufweisen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

a,b Vollständiger Verlust der Pulpa des rechten Daumens durch Quetschamputation, c,d ideale funktionelle und ästhetische Rekonstruktion 2 Jahre nach Foucher-Lappen, Greiffläche mit deutlichen Arbeitsspuren, Hyperpigmentierung transplantatgedeckter Entnahmedefekt des Kite-Flaps

Handrücken

An dieser Lokalisation stellt ein Hautdefekt eine unmittelbare Gefährdung von Strecksehnen dar, selbst wenn das Paratenon zunächst noch erhalten ist. Gelingt die Weichteilrekonstruktion nicht kurzfristig, droht dieses Gewebe in kürzester Zeit einzutrocknen, wodurch die betreffenden Extensorensehnen unmittelbar bedroht sind.

Bei kleineren Defekten kann neuerdings die Kombination eines Dermisersatzes mit einem Spalthauttransplantat empfohlen werden [2]. Diese Form der Versorgung kann trotz eines eigentlich ungeeigneten Wundgrundes und auch bei einzeitigem Vorgehen gelingen (Beispielfall 4, Abb. 5). Die Standardversorgung ist aber weiterhin eine Rekonstruktion mit vaskularisiertem Gewebe. Eine sehr zuverlässige und komplikationsarme Variante ist der retrograd perfundierte A.-radialis-Unterarmlappen, welcher heute aber wegen des Verlusts einer der beiden Hauptarterien für die Versorgung der Hand nicht mehr als Methode der ersten Wahl gelten kann (Beispielfall 5, Abb. 6). Einzig der A.-interossea-posterior-Lappen hat als gestielte Variante einer Lappenplastik aus der Region noch eine Bedeutung, wobei diese Methode wegen ihrer relativ hohen Komplikationsquote aber nicht immer favorisiert wird (Beispielfall 6, Abb. 7, [7]).

Beispielfall 4

Nach multiplen seriellen Schnittverletzungen im Rahmen einer suizidalen Handlung waren zahlreiche Beugesehnen sowie der N. medianus durchtrennt (Abb. 5 a). Nach Débridement sowie Rekonstruktion der durchtrennten Strukturen bestand prinzipiell ein lappenpflichtiger Defekt (Abb. 5 b). Da der Patient unmittelbar nach der Versorgung in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung an einem anderen Ort verlegt werden musste, wurde der Entschluss zur einzeitigen Versorgung mit Matriderm® und Spalthaut gefasst. Das Transplantat war nach 3 Monaten vollständig eingeheilt (Abb. 5 c–e).

Beispielfall 5

Bei diesem Patienten kam es im Rahmen einer Fräsverletzung zu offenen Gelenkfrakturen mit einer Defektverletzung von Extensorensehnen sowie zum Hautverlust über den Metakarpophalangealgelenken I und II (Abb. 6 a). Der Weichteildefekt wurde mittels distal retrograd gestieltem A.-radialis-Lappen versorgt, welcher mit gutem funktionellem und ästhetischem Ergebnis einheilte (Abb. 6 b,c).

Beispielfall 6

Infolge einer Handinfektion war ein mehrschrittiges Débridement erforderlich. Nach demselben lagen mehrere Extensorensehnen frei und das Paratenon war nicht mehr intakt (Abb. 7 a). Zur Defektdeckung wurde ein distal an der A. interossea posterior gestielter Hautlappen präpariert (Abb. 7 b) und der Defekt spannungsfrei bei sicherer Lappenperfusion verschlossen (Abb. 7 c).

Abb. 5
figure 5

Beispielfall 4, a Handgelenkbereich nach multiplen Schnittverletzungen, b lappenpflichtiger Defekt, c–e nach Versorgung mit Matriderm® und Spalthaut, c unmittelbar postoperativ, d 2 Wochen postoperativ, e vollständige Einheilung des Transplantats nach 3 Monaten, weitere Erläuterungen s. Text

Abb. 6
figure 6

Beispielfall 5, a offene Gelenkfrakturen mit Defektverletzung, b,c 6 Monate nach Versorgung mit gestieltem A.-radialis-Lappen gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis, weitere Erläuterungen s. Text

Abb. 7
figure 7

Beispielfall 6, a Situation nach mehrschrittigem Débridement, b Präparation eines distal an der A. interossea posterior gestielten Hautlappens, c spannungsfreier Defektverschluss bei sicherer Lappenperfusion, weitere Erläuterungen s. Text

Als Alternative mit günstigem Rekonstruktionsergebnis, zuverlässiger Operationstechnik und geringgradiger Entnahmedefektmorbidität kann der ALT-Perforatorlappen (ALT: „anterior lateral thigh“) gelten, der in der eigenen Klinik mittlerweile den lateralen Oberarmlappen als Standard des freien Gewebetransfers abgelöst hat.

Handinnenfläche

Wegen der deutlich robusteren Hautqualität an der Beugeseite kommen Defektverletzungen in der Hohlhand seltener vor.

Bei relevantem Gewebeverlust mit einer Exposition neurovaskulärer und/oder tendinöser Strukturen sollte wegen der unkomplizierten Anschlussmöglichkeiten auch hier eine Indikation zur freien Lappenplastik großzügig erwogen werden. Bei der Wahl des Lappens sollte aber beachtet werden, dass die Halte- und Greiffunktion der Hand auf der Beugeseite eine straffe Gewebecharakteristik verlangt. Nach Rekonstruktion mit einem reinen Hautlappen beklagen Patienten das unsichere Verhalten des Gewebes bei Beanspruchung durch tangential einwirkende Kräfte. Hier ist einem Muskellappen in Verbindung mit einem Spalthauttransplantat der Vorzug zu geben, beispielsweise einem freien Grazilislappen (Abb. 8), auch wenn dieser initial eine eindrucksvolle Deformität hervorruft, denn der Muskel wird innerhalb weniger Wochen atrophisch und die Rekonstruktion passt sich dem Hautniveau vorteilhaft an.

Abb. 8
figure 8

a Debridierte ausgedehnte palmare Weichteilverletzung mit breit exponierten Flexorensehnen, N. medianus und Hohlhandbogen, b entnommener freier M.-gracilis-Lappen, c 3 Tage postoperativ: auffällig dunkel erscheinender, stark angeschwollener Lappen, d bereits nach 10 Tagen deutliche Volumenabnahme erkennbar

Im Fall besonders schwerer Verletzungen, wie beim kombinierten Hitze-Traktions-Quetsch-Trauma in einer rotierenden Walze, können Schädigungsausmaße resultieren, die die ganze Extremität bedrohen. Hier ist initial der Extremitätenerhalt sicherzustellen, eine Weichteilrekonstruktion ist hierzu unverzichtbar. Ein großer Gewebeverlust lässt sich typischerweise nur noch durch einen Latissimuslappen ersetzen (Beispielfall 7, Abb. 9). Vorteil dieser Methode ist die Robustheit des Lappens, der spätere Folgeeingriffe mit entsprechender Reelevation problemlos toleriert.

Beispielfall 7

In Abb. 9 ist die Versorgung einer sehr schweren Walzenquetschverletzung mit tiefdermalen Verbrennungen und ausgedehnten Riss-Quetsch-Wunden (Abb. 9 a) dargestellt. Nach Débridement fehlten ein großflächiger Anteil der Haut sowie die Extensorensehnen (Abb. 9 b). Da bei solch schweren Verletzungen anfänglich der Extremitätenerhalt im Vordergrund steht, wurde der Defekt mittels freiem M.-latissimus-dorsi-Lappen gedeckt (Abb. 9 c). Dieser kann später mühelos reeleviert werden (Abb. 9 d) und erlaubt somit eine sekundäre Arthrodese des posttraumatisch instabilen Handgelenks sowie die Implantation von Silikonspacern zur späteren Rekonstruktion der Extensorensehnen. Die ästhetisch störende Monitorinsel des Lappens wird reseziert.

Abb. 9
figure 9

Beispielfall 7, a schwerste Walzenquetschverletzung mit tiefdermalen Verbrennungen und ausgedehnten Riss-Quetsch-Wunden, b großflächiger Defekt nach Débridement, c Defektdeckung mit freiem Latissimuslappen, d sekundäre Versorgung, weitere Erläuterungen s. Text

Resümee

Die Vielfalt der Rekonstruktionsmöglichkeiten ist in umfangreichen Übersichtsarbeiten beschrieben, die für eine systematische Darstellung der Behandlungsprinzipien und der Kriterien zur Methodenwahl grundsätzlich geeignet sind, vom weniger Erfahrenen aber nicht unkritisch als Anleitung zum Operieren missverstanden werden sollten. Fehlgeschlagene Deckungsversuche erschweren die definitive Versorgung, vergrößern den Gewebsverlust und kosten wertvolle Zeit, wodurch die geforderte funktionelle Nachbehandlung weiter erschwert wird.

Komplikationsmanagement

Anders als häufig vermutet sind nicht etwa freie Lappenplastiken besonders komplikationsträchtig und gestielte Lappen sicherer. Immer wieder wird man beobachten, dass gerade gestielte Versorgungsformen Perfusionsstörungen aufweisen. Ein bewährtes Mittel, mit welchem solche Komplikationen zu beherrschen sind, ist das frühzeitige Rückverlegen des Lappens in seine ursprüngliche Umgebung. Auf diese Weise können etwaige Flussstörungen durch starke Richtungsveränderungen (Stieltorsion) aufgehoben und die Durchblutung wieder in Gang gebracht werden. Nach einigen Tagen passt sich der Lappen an die Versorgung an, der Stiel wird belastbarer und transportiert ein größeres Volumen. In einem zweiten Eingriff nach 4 bis 7 Tagen kann der Lappen erfolgreich in den Defekt retransponiert werden (Beispielfall 8, Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Beispielfall 8, a unmittelbar postoperativ perfundiert erscheinender DMCA-Lappen, b am Folgetag nicht mehr durchbluteter Lappen, c notfallmäßige Lappenrückverlagerung und temporäre Deckung des Primärdefekts, d Ausheilungsergebnis nach 4 Monaten, weitere Erläuterungen s. Text

Beispielfall 8

Aus Abb. 10 geht die Behebung einer Perfusionsstörung eines gestielten DMCA-Lappens (DMCA: „dorsal metacarpal artery“) hervor. Unmittelbar nach Einnähen eines „extended“ DMCA-Lappens erschien dieser sicher perfundiert und der Primärdefekt sicher gedeckt (Abb. 10 a). Am Folgetag war der Lappen nicht mehr durchblutet (Abb. 10 b). Er wurde notfallmäßig in seine ursprüngliche Lage zurückverlegt, und der Primärdefekt wurde mit einem temporären Hautersatz versorgt (Abb. 10 c). Nach 4 Tagen konnte der Lappen wieder zurückverlegt werden und zeigte ein gutes Ausheilungsergebnis (Abb. 10 d).

Zu den Rekonstruktionsmethoden an der Hand zählt auch der gestielte Leistenlappen. Die Ergebnisse sind hinsichtlich der Dimension und der Gewebequalität günstig, die erforderliche Einheilungsphase von 3 Wochen stellt aber ein Problem dar. Die geforderte Mobilisierung der Hand, aber auch der sonstigen Extremität, wird stark behindert, die Behandlungsdauer insgesamt deutlich verlängert. In der eigenen Klinik wird dieser Lappen hauptsächlich bei Patienten eingesetzt, bei denen Standardversorgungen aus individuellen Gründen nicht möglich sind oder aber zuvor nicht erfolgreich waren. Kommt es trotz sorgfältiger Indikationsstellung und Operationstechnik zu einer solchen Komplikation, wird man sich für eine Behandlungsform entscheiden, die die höchste Erfolgsaussicht verspricht, auch wenn damit Nachteile wie eine höhere Entnahmedefektmorbidität (Reserve: retrograder A.-radialis-Unterarmlappen) oder längere Immobilisierung und Behandlungsdauer (Reserve: gestielter Leistenlappen) verbunden sind.

Auch der Patient selbst sollte präoperativ auf diese Aspekte hingewiesen werden. Es muss ihm möglich sein, sich für ein Verfahren mit möglichst hohen Erfolgsaussichten entscheiden zu können, auch wenn dies aus Sicht des Chirurgen wegen der genannten Überlegungen eigentlich nicht die erste Empfehlung wäre.

Fazit für die Praxis

Nicht erst große Weichteildefekte stellen hohe Anforderungen an die chirurgische Rekonstruktion. Eine verantwortungsvolle Versorgung setzt bereits bei scheinbar kleinen Läsionen eine umfangreiche Kenntnis über Rekonstruktionsanforderungen und -möglichkeiten voraus. Da freie Gewebetransplantationen bereits seit langem fester Bestandteil der therapeutischen Optionen sind, ist es bei entsprechender Notwendigkeit sinnvoll, diese Versorgungen Zentren zu überlassen, die über die dafür erforderliche Erfahrung verfügen.