In unserem Alltag nimmt die Elektronik einen immer größeren Raum ein, auch wenn wir dies nicht bemerken. Es werden Miniaturtransponder bei der Identifikation (z. B. Transport des Gepäcks im Flugverkehr), in der Logistik oder auch in der Zeiterfassung eingesetzt, so wird bei den Olympischen Spielen mit Transpondern an den Schlittschuhen die Zeit auf die 1/100 s genau gemessen.

Aber auch Chirurgen werden immer mehr mit Innovationen und neuen Entwicklungen konfrontiert, seien es neue Werkstoffe, neue Technologien, neue anatomische oder winkelstabile Implantate.

Entwicklung des intelligenten Implantats

Im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus (BG-Unfallkrankenhaus) Hamburg wurden bereits über 4000 winkelstabile Implantate an den unterschiedlichsten anatomischen Regionen eingesetzt. Auf Basis der hiermit erhaltenen Erfahrungen wurde in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg eine Kombination aus der millionenfach bewährten Elektronik und der winkelstabilen Platte entwickelt:

Eine winkelstabile Platte wurde mit einem Dehnungsmessstreifen und einem Transponder verkapselt (Abb. 1). Mit Hilfe eines Lesegeräts kann eine axiale Belastung dieser elektronisch instrumentierten Platte gemessen werden.

Einsatz des intelligenten Implantats

Anwendungsgebiet

Nach entsprechenden Labor- und Tierversuchen wurde das System in die Klinik eingeführt, mit der Absicht, diese Platte primär bei Oberschenkelpseudarthrosen einzusetzen. Gerade vor dem Hintergrund, dass bis zu 12,5% aller Femurfrakturen nach einer Marknagelung in einer Pseudarthrose enden [1], wurde dieses intelligente Implantat bei Patienten mit Oberschenkelpseudarthrosen eingesetzt, welche bereits mehrfache, fehlgeschlagene Revisionsoperationen erlitten hatten.

Abb. 1
figure 1

Femurfixateur interne mit Telemetrieelektronik

Operatives Vorgehen

Das standardisierte Vorgehen im BG-Unfallkrankenhaus Hamburg lässt sich wie folgt beschreiben: Nach Entfernung des einliegenden Materials und anschließender Pseudarthrosenrevision mit Anfrischung und Eröffnung des Markraums nach proximal und distal wird die Pseudarthrose mit der elektronisch armierten Platte stabilisiert. Dabei werden stets eine autologe Spongiosaplastik durchgeführt und, da in einer hausinternen Studie bei 40% der Oberschenkelpseudarthrosen entweder intraoperativ ein positiver Keimnachweis zu verzeichnen oder in der obligat entnommenen Histologie eine Osteitis nachweisbar war, zusätzlich eine PMMA-Kette (PMMA: Polymethylmethacrylat) eingelegt.

Nachbehandlung/Messwerterhebung

Postoperativ werden die Patienten in definierten Abständen klinisch und radiologisch kontrolliert. Dabei wird über einen Lastaufnehmer eine definierte axiale Last eingebracht und gleichzeitig unblutig mit dem Lesegerät die Belastung des Implantates gemessen, und zwar sowohl in stehender als auch in liegender Position. Zusätzlich erfolgt eine Belastung im Varus- und Valgusstress.

Trägt man die externe Kraft gegen das Biegemoment auf, ergibt sich eine lineare Gerade, welche die Elastizität darstellt. Je steiler diese Gerade ist, umso höher ist die Elastizität.

Ergebnisse

Im Folgenden wird der Heilungsverlauf von 2 Patienten demonstriert.

Fall 1

Der 46 Jahre alte Patient hatte sich eine Oberschenkelschaftfraktur zugezogen, welche mittels unaufgebohrtem Marknagel operativ versorgt worden war. Bei ausbleibender Bruchheilung war eine Revisionsoperation mit Spongiosaplastik und einem Nagelwechsel vorgenommen worden. Bei weiterhin ausbleibender Heilung wurde im BG-Unfallkrankenhaus Hamburg die Versorgung mit dem winkelstabilen, elektronisch instrumentierten Implantat in beschriebener Weise durchgeführt.

Nach 5 Wochen war bereits ein Abfall der Belastung im Implantat auf 30% des Ausgangswertes zu verzeichnen, obwohl radiologisch keinerlei Durchbauungsvorgänge festzustellen waren. Aufgrund der gemessenen Daten erfolgte eine Belastungssteigerung. Nach 9 Wochen waren nur noch 20% des Ausgangswertes bei Belastung im Implantat zu messen – bei radiologisch weiterhin fehlender knöcherner Durchbauung. Dennoch wurde Vollbelastung erlaubt. Nach 16 Wochen zeigte sich bei einem Rückgang der Implantatbelastung auf fast 0 auch schließlich eine radiologisch nachweisbare knöcherne Durchbauung.

Fall 2

Beim dem 55-jährigen Patienten war eine subtrochantäre Oberschenkelfraktur primär mit einem γ-Nagel versorgt worden. Bei ausbleibender Heilung wurde ein Revisionseingriff mit Spongiosaplastik und Einsatz einer zusätzlichen lateralen Platte vorgenommen, worauf es zwar zu einer knöchernen Konsolidierung kam, jedoch mit einer Fehlstellung mit 30° Außendrehung und 10° Varus. Deshalb wurde subtrochantär eine Korrekturosteotomie vorgenommen, die Stabilisierung erfolgte mit einem winkelstabilen Implantat sowie einer Spongiosaplastik (Abb. 2 a,b).

Bei ausbleibender Heilung wurde wiederum das standardisierte Vorgehen mit dem intelligenten Implantat im BG-Unfallkrankenhaus Hamburg durchgeführt. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine protrahierte knöcherne Bruchheilung, wobei nach etwa 13 Wochen eine Reduzierung der Belastung im Implantat auf knapp 35% zu verzeichnen war, bei radiologisch weiterhin bestehendem deutlichem Pseudarthrosenspalt. Auch nach 19 Wochen war radiologisch keine knöcherne Durchbauung darzustellen (Abb. 2 c,d), aber die Belastung im Implantat war auf 25% zurückgegangen (Abb. 3). Es erfolgte Vollbelastung, worunter nach 34 Wochen auch radiologisch eine knöcherne Konsolidierung nachzuweisen war (Abb. 2 e,f).

Abb. 2
figure 2

Fallbeispiel 2, 55-jähriger Patient mit Pseudarthrose am proximalen Femur, a,b Röntgenbefund präoperativ, c,d Versorgung mit dem intelligenten Implantat, e,f Konsolidierung nach 34 Wochen

Abb. 3
figure 3

Fallbeispiel 2, 55-jähriger Patient mit Pseudarthrose am proximalen Femur, Abnahme der telemetrisch bestimmten Elastizität der Osteosynthese durch die zunehmende Kallussteifigkeit

Am BG-Unfallkrankenhaus Hamburg wurden zwischenzeitlich 27 Patienten mit diesem Verfahren operiert. Dabei handelte es sich größtenteils um Patienten mit atrophen und oligotrophen Pseudarthrosen (18/5), die überwiegend im mittleren und distalen Drittel lokalisiert waren (15/7). Das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren, die Geschlechterverteilung männlich:weiblich betrug 23:4 (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Patientenkollektiv, MAX Maximum, MIN Minimum, MW Mittelwert, STDAW Standardabweichung

Die Dauer der Vorbehandlung belief sich im Durchschnitt auf 15,2 Monate und reichte von 5–69 Monaten (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Dauer der Vorbehandlung (n=27), MAX Maximum, MIN Minimum, MW Mittelwert, STDAW Standardabweichung

Es waren durchschnittlich 2,26 Operationen vorausgegangen, wobei es sich in den meisten Fällen um eine Versorgung mit unaufgebohrten Marknägeln handelte (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Voroperationen (n=27), DC „dynamic compression“, MAX Maximum, MIN Minimum, MW Mittelwert, STDAW Standardabweichung, Vor.-OP Voroperation

Unter den 27 operierten Patienten kam es bei 22 Pseudarthrosen durch eine einzige Operation zur stabilen Durchbauung. Bei 3 Patienten ist die Behandlung noch nicht abgeschlossen, wobei sowohl die Kurvenwerte als auch die Röntgenbefunde einen positiven Verlauf erwarten lassen. Ein Verfahrenswechsel war 2-mal erforderlich.

Komplikationen

Fall 1

Bei der 49-jährigen Patientin mit einem Körpergewicht von 85 kg bei einer Körpergröße von etwa 150 cm war eine proximale Oberschenkelfraktur mit einem langen γ-Nagel operativ versorgt worden. Bei ausbleibender Knochenbruchheilung erfolgte das standardisierte Vorgehen im BG-Unfallkrankenhaus Hamburg. Bereits nach 3 Wochen stellte sich die Patientin mit einem Plattenbruch vor, der durch Reosteosynthese mit einem Druckplattenfixateur versorgt wurde, da die Patientin eine weitere Operation mit dem intelligenten Implantat nicht wünschte.

Die Platte wurde in Biomechaniklabor untersucht, und die Bruchenden sprachen für einen spröden Gewaltbruch.

Fall 2

Dieser Patient hatte sich ebenfalls eine Oberschenkelschaftfraktur zugezogen, welche mittels Marknagel operativ versorgt worden war. Bei ausbleibender Bruchheilung erfolgte die Versorgung mit dem intelligenten Implantat. Der sportliche junge Mann stürzte im weiteren Verlauf, und es kam zu einer deutlichen Verbiegung der einliegenden Platte. Ein Ausriss der Schrauben oder eine Schraubenlockerung ließen sich nicht nachweisen. Aufgrund der durch den Sturz entstandenen Varusverbiegung am Oberschenkel wurde eine Reosteosynthese mit einem Druckplattenfixateur (Wunsch des Patienten) durchgeführt.

Im Labor wurde versucht, die beschriebene Situation nachzustellen, um ermessen zu können, bei welcher axialen Belastung es zu einer Verbiegung der Platte kommt. Um eine entsprechende plastische Verformung der Platte zu bewerkstelligen, mussten experimentell 2000 N angewendet werden. Bedenkt man, dass bei der primären Osteosynthese des Oberschenkels eine mediale knöcherne Abstützung bestand, aber im Laborversuch eine künstliche Defektstrecke von 2 cm gewählt wurde, bedeutet dies, dass bei zusätzlicher medialer Abstützung eine noch höhere axiale Belastung als 2000 N erforderlich ist, damit es zu einer Verbiegung der Platte kommt.

Fazit für die Praxis

Aus den bisher mit dem intelligenten Implantat versorgten Fällen von Oberschenkelpseudarthrosen wurden viele Erkenntnisse gezogen: Mit diesem System können erstmals die Frakturheilung direkt beurteilt sowie die Stabilität des Kallus gemessen und nicht indirekt über ein Röntgenbild interpretiert werden. Damit ist es möglich, die Nachbehandlung zu optimieren, in dem Überlastungen vermieden werden und eine individuelle Belastungssteigerung genau gesteuert werden kann.