Zusammenfassung
Korrekturosteotomien im Sinne der früheren Frakturflächenauflösung nach Fehlverheilung tarsaler oder metatarsaler Knochen können im günstigsten Fall die Gelenkkongruenz, so z. B. am disloziert verheilten Talus das obere Sprunggelenk, das hintere untere Sprunggelenk und gelegentlich auch zusätzlich das Talonavikulargelenk wiederherstellen, was am Kalkaneus als anatomische Spätrekonstruktion der posterioren Gelenkfacette nur selten möglich ist. In anderen Fällen können „closing wedge“, „opening wedge“ oder eine translatorische Osteotomie am Kalkaneus, am Os naviculare pedis oder an den Ossa cuneiformia Varus-/Valgus- bzw. Abduktions-/Adduktionsfehlstellungen bis hin zu rotatorischen Korrekturen erzielen. Auch eine Verkürzungsosteotomie am Kuboid kann die Balance zwischen lateraler und medialer Fußsäulenlänge wiederherstellen und damit die Funktionstüchtigkeit des Fußes fördern. Klein- und Großfragmentschrauben sowie kleine, bis zu 2,0 mm messende winkelstabile Plättchen – wie zur Korrektur fehlverheilter Metatarsalia – dienen zur sicheren Ausheilung der erzielten Korrektur. Durch diese Maßnahmen können eine posttraumatische Arthrose verhindert oder deren Entwicklung zumindest verzögert werden.
Abstract
Subtle osteotomy in the sense of disconnecting old fracture surfaces of a malunited or nonunited talus is sometimes suitable to restore secondary anatomic joint congruency of the ankle and subtalar joint, sometimes also of the talonavicular joint. Anatomic reconstruction of the posterior facet of the calcaneus can seldom be achieved. Closing or opening wedge osteotomies and shifting or rotatory osteotomies of the calcaneus and the navicular or cuneiform bones are suitable at least to correct varus or valgus deformities and abduction or adduction malpositions. Sometimes a shortening osteotomy of the cuboid can balance the lengths of the lateral and medial column. Large and small screws as well as an interlocking plate with a minimal size of 2.0 mm guarantee safe healing of the corrected tarsal or metatarsal bone. By anatomic secondary joint reconstruction, corrections of all axes and lengths and ensuring bone stability, post-traumatic arthritis can be prevented or its development delayed.
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Sowohl intra- als auch extraartikuläre Korrekturosteotomien sollen bei relevanten posttraumatischen Fehlstellungen im Bereich des Fußskeletts wie bei anderen großen Gelenkfrakturen der direkten bzw. indirekten Gelenkrekonstruktion dienen, um durch die wiedergewonnene Gelenkkongruenz und Reorientierung aller Achsen die posttraumatische Arthrose zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.
Im Folgenden werden 5 anatomische Ebenen des Fußes bezüglich ihrer Möglichkeiten der Korrekturosteotomie besprochen, der Rückfuß mit Talus und Kalkaneus, der so genannte Mittfuß mit Chopart- und Lisfranc-Gelenk sowie der Vorfuß mit Korrekturosteotomie der Metatarsalia.
Talus
Bei der Osteotomie des Talus handelt es sich nicht um eine geradflächige Durchtrennung des Knochens, sondern ein subtiles Wiederauflösen fehlverheilter Frakturflächen. So ist bei Fehlverheilungen nach zentraler Talusluxationsfraktur im Sinne der „malunion“ oder „nonunion“ das oberste Ziel der Osteotomie die anatomische Wiederherstellung aller Gelenkflächen durch Auflösung der fehlverheilten Frakturflächen, um zumindest eine, wenn möglich 2 oder sogar alle 3 Gelenkebenen des Talus wiederherzustellen. Dies gelingt nach präoperativer Planung mit Röntgenbelastungsaufnahmen, CT (Computertomographie) in 2 Ebenen, evtl. mit 3D-CT oder einem intraoperativen 3D-Modell in der Regel nur über einen beidseitigen Zugang, d. h. medialseitig, oft mit zusätzlicher Innenknöchelosteotomie kombiniert, und lateralseitig mit einem anterolateralen oder Ollier-Zugang zum Talus.
Fallbeispiel 1 (Abb. 1) zeigt eine solche anatomische Rekonstruktion mit Wiederherstellung aller 3 Gelenkebenen, ohne dass es durch diesen komplexen Eingriff zur Talusnekrose gekommen wäre. In 15 von 18 Fällen einer sekundär anatomisch wiederhergestellten, zentralen fehlverheilten Talusfraktur konnte die wiedergewonnene Gelenkkongruenz ohne posttraumatische Arthrose im mittleren 5-Jahres-Langzeitergebnis sichergestellt werden [4]. In einem Fall musste primär das Subtalargelenk fusioniert werden. Sekundäre Arthrodesen wurden nur einmal am oberen Sprunggelenk (OSG) nach 7 Jahren, einmal am Talonavikulargelenk nach 5 Jahren und nur in einem einzigen Fall als zweizeitige Subtalar- und OSG-Arthrodese innerhalb eines Jahres nach Rekonstruktion durchgeführt.
Kalkaneus
Extraartikuläre Fehlverheilung
Bei fehlverheilter extraartikulärer Fraktur des Kalkaneus können durch die achsenkorrigierende Osteotomie Höhe, Länge und Breite des Kalkaneus zur Wiederherstellung der Trigonometrie des Fußes in der Regel erzielt werden, sodass durch die Wiedergewinnung der biomechanischen Längenverhältnisse des M. triceps surae auch wieder ein kräftiger Hebelarm am Rückfuß für die physiologische Dynamik beim Gehen erreicht werden kann.
Intraartikuläre Fehlverheilung
Subtalargelenk erhaltende Osteotomien sind am Kalkaneus nur ausnahmsweise möglich, was im Fallbeispiel 2 (Abb. 2) gezeigt wird.
Intraartikuläre und luxierte Fehlverheilung (Typ IV)
Beim Zustand nach Kalkaneusluxationsfraktur, welche konservativ oder operativ unzureichend behandelt wurde, ist in der Regel bei Fehlverheilung Typ IV und V [1, 2, 3] eine Osteotomie des Kalkaneus im Bereich der vorausgegangenen Scherfraktur über einen zusätzlichen medialen Zugang notwendig, um den weit nach lateral disloziert fehlverheilten Tuberanteil wieder zum sustentacularen Hauptfragment ausrichten zu können, d. h. damit die Rückfußachse, Höhe, Länge und Breite des Kalkaneus annähernd wiederherzustellen.
Fallbeispiel 3 (Abb. 3) zeigt die Fehlverheilung des rechten Kalkaneus nach Luxationsfraktur, die sich eine 44-jährige PKW-Fahrerin im Rahmen eines Wegeunfalles neben zahlreichen anderen Verletzungen zugezogen hatte. Aufgrund der allgemein schlechten Situation der schwerverletzten Patientin war wegen lebenserhaltender Maßnahmen nur verzögert eine perkutane Spickdrahtosteosynthese durchgeführt worden. Durch den primären Luxationsmechanismus und die perkutan unzureichend erzielte Reposition war es zur Fehlverheilung des Tuber calcanei mit Versatz um etwa 1,5 cm nach lateral gekommen. Zusätzlich bestanden eine starke Retrokippung des Talus, eine Arthrose des Subtalargelenkes, eine Zerstörung des Außenknöchels mit Ausriss des peronäalen Retinaculums, eine Peronäalsehnenluxation und ein Abutment des Kalkaneus zur Fibula.
Diese schwere Fehlverheilung mit schmerzhafter Arthrose v. a. des Subtalargelenkes kann über beidseitiges Zugehen mit Osteotomie des Kalkaneus von medial über einen modifizierten McReynolds-Zugang sowie mittels eines lateralen Palmer- oder geraden epimalleolären Zuganges korrigiert werden. Nach Zurückhebeln des osteotomierten Tubers im Sinne eines konzertierten Repositionsmanövers (Abb. 3 h) zum sustentacularen Hauptfragment wurden unter temporärem Halten mit Kirschner-Drähten die Restsklerose im ehemaligen Subtalargelenkbereich mit Anheben des Taluskörpers mittels Arthrodesenspreizer (Abb. 3 e) ausgeräumt, das Tuber zum Sustentaculum verschraubt und der große Defekt mit kortikospongiösen Spänen aufgefüllt (Abb. 3 f,g). Abschließend wurde der Tuber calcanei zum sustentacularen Fragment, zum anterioren Kalkaneus und zum Taluskörper hin im Sinne der reorientierenden subtalaren Arthrodese verschraubt (Abb. 3 f,g), wodurch Rückfußhöhe, -achse und eine stabile Ausheilung der Arthrodese gewährleistet wurden (Abb. 3 i–k).
Intraartikuläre und luxierte Fehlverheilung mit Beteiligung des OSG (Typ V)
Beim Typ V der Kalkaneusluxationsfraktur mit Fehlverheilung kommt es zusätzlich zum varischen Abkippen des Talus aus der Sprunggelenkgabel (Fallbeispiel 4). Ziel der Wiederherstellung mittels Osteotomie des Kalkaneus von medial besteht neben der Reorientierung des Rückfußes im Sinne der subtalaren Arthrodese v. a. darin, den Talus wieder in die Sprunggelenkgabel zurückzuführen, was nur durch einen dritten Zugang im Sinne des anterioren Zuganges zum oberen Sprunggelenk zwischen M.-tibialis-anterior- und M.-extensor-hallucis-longus-Sehne möglich wird (Abb. 4).
Navikulare/Kuboid
Osteotomie des Os naviculare pedis
Sie ist selten gegeben, kann aber im Rahmen eines schweren posttraumatischen Pes cavo-valgus (Fallbeispiel 5) eine sehr hilfreiche Maßnahme zur Vermeidung einer rezidivierenden pathologischen Innenrotation des Talus darstellen (s. Legende zu Abb. 5).
Osteotomie des Kuboids
Sie kann im Sinne der Reorientierung der 2-Säulen-Statik gelegentlich bei Komplexverletzungen des Mittfußes zur Anwendung kommen. Fallbeispiel 6 (Abb. 6) zeigt eine drittgradig offene Chopart-/Lisfranc-Luxationsfraktur mit Zerreißung der A. dorsalis pedis und primärem Verlust größerer Anteile des Os naviculare pedis und der Ossa cuneiformia I und II. Zur Vermeidung einer plastischen Maßnahme und zur Wiederherstellung einer längenbilanzierten lateralen und medialen Fußsäule kann – wie hier im Beispiel gezeigt – eine verkürzende Osteotomie des Kuboids die Weichteilsituation lösen helfen. Der dabei vom Kuboid gewonnene Knochen kann zur Defektfüllung der fehlenden Ossa cuneiformia innerhalb der medialen Säule dienen und zusätzlich zum Längenausgleich zwischen lateraler und medialer Säule.
Ossa cuneiformia
Eine Korrekturosteotomie der Ossa cuneiformia im Sinne einer „closing-wedge“-Osteotomie kann der Reorientierung der medialen Fußsäule bei Abduktionsfehlstellung dienen, insbesondere bei zusätzlicher Verlängerung der lateralen Fußsäule mittels Osteotomie des distalen Kalkaneus und kortikospongiöser Spaninterposition im Sinne dessen Verlängerung zur Harmonisierung beider Fußsäulenlängen (Fallbeispiel 7).
Aus Abb. 7 sind der schwere präoperative Weichteilschaden (Abb. 7 a–c) und ossäre Befund (Abb. 7 d) eines 8-jährigen türkischen Jungen nach Verschüttungstrauma im Rahmen eines Erdbebens mit Verbrennung der Haut ersichtlich. Die Operationsplanung (Abb. 7 e,f) bei dessen extrem fehlgestellten Chopart- und Lisfranc-Gelenk zeigt das geplante Realignment in unmittelbarem Anschluss nach Débridement der kontrakten Haut und vor M.-latissimus-dorsi-Transfer.
Distale Metatarsaliafrakturen
Fehlverheilte distale Metatarsaliafrakturen (Abb. 8) nach schwerem Vorfußtrauma können gelegentlich ebenfalls eine Osteotomie erfordern. Wie in den übrigen Fällen ist auch hier eine gute präoperative Planung unabdingbar. Der Minidistraktor ist ein bedeutendes intraoperatives Repositionswerkzeug. Die heute verfügbaren, kleinen winkelstabilen Plättchen sind für die korrigierende Osteosynthese ein verlässlicher, operationstechnischer Gewinn.
Fazit für die Praxis
Sämtliche Fallbeispiele mit Korrekturosteotomien im Bereich der 5 verschiedenen Ebenen des Fußskeletts zeigen, dass durch die Reorientierung der Achsen und die direkte oder indirekte Wiederherstellung der Gelenkkongruenz in nahezu allen Fällen die posttraumatische Arthrose verhindert oder zumindest verzögert werden kann. Eine exakte Röntgendiagnostik, insbesondere durch Belastungsaufnahmen, CT und 3D-Visualisierung, intraoperative Hilfen wie Femur- oder Minidistraktor sowie winkelstabile Implantate sind als hilfreiche Details zum dauerhaften Erfolg komplexer Fußchirurgie zu betrachten. Künftige Entwicklungen einer navigierten Reorientierung könnten zusätzlich sehr hilfreich sein.
Literatur
Romash MM (1993) Reconstructive osteotomy of the calcaneus with subtalar arthrodesis for malunited calcaneal fractures. Clin Orthop 290:157–167
Zwipp H (2008) Osteotomy and subtalar arthrodesis for a calcaneus malunion with nonunited sustentacular fragment. In: Marti RK, Heerwarden RJ van (eds) Osteotomies for posttraumatic deformities. Thieme, Stuttgart New York, pp 661–667
Zwipp H, Rammelt S (2003) Posttraumatische Korrekturoperationen am Fuß. Zentralbl Chir 128:218–226
Zwipp H, Gavlik JM, Rammelt S (2009) Anatomische Rekonstruktion nach fehlverheilten zentralen Talusfrakturen. Fuß Sprunggelenk 7:88–96
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Zwipp, H. Korrekturosteotomien am Rück- und Mittfuß. Trauma Berufskrankh 12 (Suppl 4), 377–386 (2010). https://doi.org/10.1007/s10039-010-1637-4
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