Die Gesetzliche Unfallversicherung (UV) in Deutschland erbringt ihre Leistungen grundsätzlich „mit allen geeigneten Mitteln“. Diese Handlungsmaxime hat der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) ausdrücklich auch für die medizinische Rehabilitation vorgegeben. Damit der durch den Versicherungsfall verursachte Gesundheitsschaden möglichst frühzeitig beseitigt, gebessert, oder seine Verschlimmerung verhütet und seine Folgen gemindert werden, wird der UV im SGB VII zugestanden, die von den Ärzten und Krankenhäusern zu erfüllenden Voraussetzungen im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sächliche und personelle Ausstattung sowie die zu übernehmenden Pflichten festzulegen. Diesem Gesetzesauftrag ist die UV durch die Entwicklung besonderer Heilverfahrensarten gerecht geworden:

  • Durchgangsarztverfahren (D-Arzt-Verfahren)

  • Handchirurgen nach § 37 Abs. 3 ÄV (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger)

  • H-Arzt-Verfahren (s. unten)

  • Verletzungsartenverfahren (VAV)

  • BG-Kliniken (BG: Berufsgenossenschaft)

  • Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung (BGSW)

  • Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)

  • Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)

Durchgangsarztverfahren

Der D-Arzt hat eine Schlüsselposition im Heilverfahren der UV inne. Für die Beteiligung am Verfahren sind spezielle Anforderungen zu erfüllen, die hier nur exemplarisch genannt werden:

Neben der Facharztbezeichnung Chirurgie oder Orthopädie und Unfallchirurgie muss der Schwerpunkt „Unfallchirurgie“ oder der Zusatz „Spezielle Unfallchirurgie“ vorhanden sein. In der Praxis des D-Arztes sind Eingriffsräume für unterschiedliche Kontaminationsgrade vorzuhalten, und es müssen pro Jahr mindestens 150 Arbeitsunfallverletzte versorgt werden.

Der D-Arzt führt die Erstversorgung durch, untersucht den Versicherten, erhebt den Sachverhalt und erstattet der UV innerhalb von 3 Tagen einen Bericht. Er entscheidet nach Art und Schwere der Verletzung, ob die besondere oder die allgemeine Heilbehandlung eingeleitet wird. Die besondere Heilbehandlung führt der D-Arzt grundsätzlich selbst durch, bei allgemeiner Heilbehandlung, die bei einem anderen Arzt stattfindet, nimmt er bei Bedarf Heilverfahrenskontrollen vor. Wenn nötig, zieht er andere Ärzte zur Diagnostik oder Mitbehandlung hinzu.

Für den Versicherten, den Unternehmer (als Arbeitgeber) und die Ärzteschaft leitet sich aus verschiedenen Vorschriften die Verpflichtung ab, den Arbeitsunfallverletzten beim D-Arzt vorzustellen.

Im Jahr 2008 versorgten rund 3400 Durchgangsärzte in Deutschland über 2,9 Mio. Arbeitsunfallverletzte.

Handchirurg nach § 37 Abs. 3 Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger

Zur Versorgung schwerer Handverletzungen können über dieses eigene Zulassungsverfahren über die Landesverbände der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) besonders qualifizierte Handchirurgen am Verfahren beteiligt werden. Nach Erfüllung der persönlich/fachlichen und der räumlich/apparativen Voraussetzung und Zulassung durch den Landesverband darf der Handchirurg Verletzungen, die unter das VAV (s. unten) fallen, ambulant oder stationär, auch außerhalb zum Verletzungsartenverfahren zugelassener Einrichtungen, behandeln.

Diese noch relativ junge Form der Einbindung von Spezialisten in die Behandlung wirft die Frage auf, ob und inwieweit zukünftig eine solche Öffnung der Verfahren auch für andere hochspezialisierte Ärzte denkbar wäre.

Im Jahr 2008 gab es in Deutschland 85 speziell beteiligte Handchirurgen.

H-Arzt Verfahren

Das „H“ steht schlicht für Heilverfahren, an dem der H-Arzt beteiligt ist. Er ist entweder Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie oder er kann nach der Approbation eine mindestens 2-jährige Tätigkeit in einer mit einem D-Arzt besetzten Krankenhausabteilung nachweisen. Er verfügt über eingehende Erfahrungen in der für die Unfallversicherungsträger erforderlichen Dokumentation und Berichterstattung und in der Gutachtenerstellung.

Der H-Arzt behandelt die Arbeitsunfallverletzten, die seine Praxis primär aufsuchen und ist insofern von der Vorstellungspflicht beim D-Arzt befreit. Er kann dabei sowohl die allgemeine Heilbehandlung als auch, bei definierten Verletzungen für die in eigener Behandlung stehenden Fälle, die besondere Heilbehandlung durchführen. Zum Durchgangsarzt vergleichbare Vorstellungspflichten gibt es für den H-Arzt nicht.

Im Lexikoneintrag bei Wikipedia heißt es, der H-Arzt sei „gewissermaßen eine abgespeckte Version des Durchgangsarztes“. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit das H-Arzt-Verfahren möglicherweise in das zukünftig neu strukturierte Durchgangsarztverfahren eingebunden werden könnte.

In 2008 behandelten die 2850 H-Ärzte in Deutschland über 379.000 Arbeitsunfallverletzte.

Verletzungsartenverfahren

Zielstellung der UV in der stationären Akutversorgung ist es, schnellstmöglich die optimale Versorgung sicherzustellen. Unfallverletzte mit schweren Verletzungen, die in einem Katalog klar definiert sind, müssen deshalb schnellstmöglich einem zugelassenen Krankenhaus zugeführt werden, welches räumlich/apparativ und fachlich/personell besonders ausgestattet sein muss.

Die speziellen Anforderungen äußern sich u.. darin, dass der Chefarzt/leitende Arzt der Klinik/Abteilung für Unfallchirurgie mindestens 3 Jahre nach Erwerb der Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ oder der Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“ in der Unfallchirurgie eines zum VAV zugelassenen Hauses tätig gewesen sein muss. Er verfügt über die Weiterbildungsermächtigung „Unfallchirurgie“ oder „Spezielle Unfallchirurgie“ von mindestens 2 Jahren. Es muss ein eigener oder abtrennbarer Operationsbereich für septische Fälle vorhanden sein.

Die 612 in 2008 zugelassenen Kliniken behandelten 2008 fast 60.000 Patienten im Rahmen des Verletzungsartenverfahrens.

Berufsgenossenschaftliche Rehabilitationseinrichtungen

Diese hochspezialisierten Einrichtungen verfügen über besondere fachliche Kenntnisse und technische Ausstattung für die Versorgung von Schwerstverletzten wie Patienten mit Wirbelsäulenverletzungen, Brandverletzungen, Schädel-Hirn-Verletzungen und Polytraumen. Dies gilt auch für die Behandlung von septischen Patienten, die Intervention bei Heilverlaufsstörungen und die Schmerzbehandlung.

Die BG-Kliniken arbeiten eng mit den Rehabilitationsmanagern der UV zusammen und haben dabei immer die Wiedereingliederung des Versicherten in den Beruf zum Ziel. In Zukunft werden die BG-Kliniken konzeptionell noch an Bedeutung gewinnen und noch enger als bisher zusammenarbeiten (Abb. 1).

In 2008 wurden über 100.000 Fälle stationär versorgt, 40.000 Begutachtungen durchgeführt und über 23.000 Einsätze von Rettungsmitteln bewältigt.

Abb. 1
figure 1

Standorte der BG-Kliniken

Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung (BGSW)

Diese stationäre Versorgungsform greift nach der Akutversorgung und betrifft im Bereich der UV Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie Schädel-Hirn- und periphere Nervenverletzungen. Die UV stellt besondere Anforderungen an die verantwortlichen Ärzte, die Therapeuten und die apparative Ausstattung der Kliniken. Zunehmend findet eine Vernetzung zwischen BGSW und Arbeitserprobung bzw. arbeitsplatzbezogener Therapie statt. Zielstellung ist es, den Versicherten für seinen Arbeitsplatz bzw. seinen Beruf wieder arbeitsfähig werden zu lassen. Über die Frage der Arbeitsfähigkeit informiert die Klinik mit dem Abschlussbericht, ggf. trifft sie Aussagen zur erforderlichen beruflichen Rehabilitation des Versicherten.

In 2008 wurden in den 174 zugelassenen Kliniken Deutschlands rund 16.000 Patienten im Rahmen der BGSW behandelt.

Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)

Diese Sonderform der stationären Rehabilitation ist für Fälle mit einem erhöhten diagnostischen Aufwand und therapeutischen Behandlungsbedarf indiziert, wie bei

  • mehrfachen psychologischen Konsultationen,

  • wiederholten mehrfachen Konsiliaruntersuchungen verschiedener Disziplinen,

  • deutlich erhöhtem pflegerischem Aufwand,

  • Überprüfung von Operations- und Revisionsindikationen,

  • über das Maß der BGSW hinausgehenden physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen sowie

  • Erstversorgung mit individuell angefertigten Hilfsmitteln (z. B. Prothesen).

Die KSR bleibt grundsätzlich den BG-Kliniken und BG-Sonderstationen vorbehalten. Sie bedarf einer engen Abstimmung mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger.

Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)

In den zur EAP zugelassenen Einrichtungen findet die ambulante Nach- und Weiterbehandlung von Versicherten mit schweren Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates statt. Die UV stellt spezielle Anforderungen an die räumlich/apparative Ausstattung und die fachliche Qualifikation der Therapeuten. Ein Arzt muss der Einrichtung beratend zur Seite stehen.

Es findet eine intensive und integrative Therapie statt, bei der Krankengymnastik, physikalische Therapie und medizinische Trainingstherapie kombiniert werden. Auch in der EAP kommt es partiell bereits zu einer Verknüpfung mit der arbeitsplatzbezogenen Therapie.

In den 508 in Deutschland zugelassenen EAP-Zentren wurden 2008 über 19.000 Versicherte der UV therapiert.

Fazit für die Praxis

Der UV ist es gelungen, u. a. durch die passgenaue Definition eigener Heilverfahren, den gesetzlichen Auftrag, Rehabilitation mit allen geeigneten Mitteln zu leisten, umzusetzen. Die aktive Steuerung der Heilverfahren, der Besuchsdienst in den Kliniken, die individuelle Förderung von Versicherten, all dies hat sich bewährt und ist bereits vielfach kopiert. Es gilt, diese eigene Qualität zu sichern, zu verbessern und im Interesse der Versicherten und der Unternehmer zukunftssicher zu machen.