Kombinationsverletzungen des Unterarms sind diagnostisch und therapeutisch anspruchsvoll. Oft finden sich neben den reinen knöchernen Verletzungen Läsionen der Membrana interossea oder des proximalen (PRUG) oder distalen Radioulnargelenks (DRUG). Die genaue Kenntnis der verletzten anatomischen Strukturen ist für die zügige Diagnostik und Behandlung und damit für ein zufrieden stellendes Ergebnis unabdingbar [6].

Anatomische Besonderheiten des Ellenbogens

Am Ellenbogen artikulieren 3 knöcherne Strukturen miteinander. Elle und Speiche sind proximal und distal gelenkig verbunden, zwischen beiden spannt sich die Membrana interossea aus. Distal der Tuberositas radii entspringt ein gegenläufiges Faserbündel, die Chorda obliqua.

In Mittelstellung der Umwendbewegungen weichen die Schäfte von Radius und Ulna am weitesten voneinander ab, sodass die Membran in dieser Position am stärksten gespannt ist. Zwar ändert sich im Rahmen der Supinations- und Pronationsbewegung die Spannung der Fasern der Membrana interossea, die Gesamtstabilität wird dadurch jedoch nicht kompromittiert. Nur in endgradiger Pronation resultiert eine komplette Erschlaffung der Membran bei gleichzeitig dynamischer muskulärer Stabilisierung.

Mögliche Narbenstränge zwischen beiden Knochen beeinträchtigen die Supinationsbewegung. Jede Achsabweichung, insbesondere Rotationsfehlstellungen als Folge von Missbildungen oder Frakturen sowie fixierte Fehlstellungen, beeinflussen die Umwendbewegung negativ. Eine Parallelverschiebung von Radius und Ulna wird durch die unverletzte Membran in jeder Stellung verhindert, bedeutet aber funktionell schwerwiegende Inkongruenzen mit Funktionsdefiziten im Verletzungsfall.

Biomechanisch verläuft die Flexions-/Extensionsachse durch das Capitulum humeri und die Trochlea (Abb. 1). Die Pro-/Supinationsachse verläuft durch Radius- und Ellenkopf. Das tägliche Bewegungsausmaß beträgt nach Morrey et al. [9] für Extension und Flexion 0/30/130 und für Pro- und Supination 50/0/50. Damit werden die üblichen Alltagsaktivitäten durchgeführt (100°-Regel nach Morrey et al. [9]).

Abb. 1
figure 1

Achse durch die Trochlea des distalen Humerus

Verletzungsmuster

Radiuskopffraktur

Die Inzidenz von Radiuskopffakturen wird mit 2–5% aller Brüche bei Erwachsenen angegeben. Bei 1/3 aller Ellenbogenverletzungen ist der Radiuskopf mitbetroffen [8]. Nach entsprechender bildgebender Diagnostik, ggf. Röntgenaufnahme nach Greenspan u. Norman [4] oder Computertomographie (CT), kann die Diagnose sicher gestellt werden.

Einfache Frakturen (Typ Mason I) mit geringer oder ohne Dislokation werden funktionell behandelt. Gering dislozierte Brüche (Typ Mason II) werden in der Regel mit interner Osteosynthese versorgt. Eine kontroverse Diskussion besteht hinsichtlich der Behandlungsoptionen der höhergradigen (Mason-Typ III und IV) Frakturen. Biomechanische Studien ergaben, dass ein intaktes Ellenbogengelenk zwar das Fehlen des Radiuskopfes als radialen Pfeiler kompensieren kann; aber die Kombination mit einer Verletzung des medialen Kollateralbandes sowie einer Verletzung der Membrana interossea zu einer anhaltenden Instabilität des Ellenbogengelenks führt. Die Folge einer Radiuskopfresekion ist in diesem Fall eine Varusinstabilität mit Proximalwanderung des Radius.

Fraktur des Processus coronoideus

Die Abscherfraktur Typ I nach Regan u. Morrey ([10], Abb. 2) ist meist stabil und kann nach entsprechender klinischer Untersuchung und Durchleuchtung konservativ behandelt werden. Dabei ist eine kurzfristige Ruhigstellung aus Schmerzgründen zulässig.

Bei zunehmender Fragmentgröße (Typ II) hängt das Behandlungsverfahren von der begleitenden Bandverletzung ab. Hier muss ggf. die Versorgung von ventral erfolgen.

Ist das Fragment für eine Fixierung mit einer Schraube zu klein, können 1 oder 2 Knochenanker zur Fixierung der Kapseln hilfreich sein. Hier kann nach adäquater Reposition das Koronoid mit einer von streckseitig eingebrachten Schraube fixiert werden.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Koronoidfraktur. (Nach [6, 10])

Galeazzi-Verletzung

Bei ihr ist der distale Radius frakturiert, das Capitulum ulnae ist luxiert, und die distale Membrana interossea muss zerrissen sein.

Eine konventionelle Röntgendiagnostik des kompletten Unterarms ist notwendig. In Ergänzung kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) zur Sicherung der Intaktheit des ulnokarpalen Komplexes (TFCC: „triangular fibrocartilage complex“) angefertigt werden.

In der Regel bewirken die anatomische Reposition und Plattenosteosynthese des Radius eine spontane Reposition der distalen Ulna. Im Falle einer persistierenden dynamischen Instabilität im DRUG erfolgen die Transfixation mit Kirschner-Draht und eine 4- bis 6-wöchige Ruhigstellung im Oberarmgips in Supination (Abb. 3). Geführte Scharnierbewegungen aus der Gipsschale heraus werden für die Zeit der Immobilisation gefordert. Der Kirschner-Draht wird zur Gipsabnahme entfernt.

Abb. 3
figure 3

Galeazzi-Verletzung vor und nach Versorgung mit winkelstabiler Platte und Verschraubung des Gelenkblockes sowie querer Transfixation mit Kirschner-Draht

Monteggia-Verletzung

Hierunter werden die Kombinationen der Verletzungen der proximalen Ulna und der Luxation oder der Luxationsfrakturen des proximalen Radius zusammengefasst. Unter dem Begriff „Monteggia like lesion“ werden diejenigen Verletzungen subsumiert, die zusätzliche Läsionen aufweisen. Der Einfachheit halber können die Frakturen des Radiuskopfes nach Mason [7] und die des Koronoids nach Regan u. Morrey [10] klassifiziert werden. Die Einteilung der Monteggia-Verletzung nach Bado [1] und Jupiter [5] ist für den klinischen Alltag eher nicht geeignet.

Die Diagnosestellung ist durch die korrekte Zuordnung der Gelenkkomponenten hinsichtlich ihrer Stellung zueinander möglich. Häufig werden diese Kombinationsverletzungen als isolierte Ulnafraktur fehlgedeutet. Dies lässt sich vermeiden, wenn berücksichtigt wird, dass sich die Verlängerung der Radiuslängsachse in allen Projektionen immer auf das Capitulum humeri (Stoeren-Linie) zentrieren muss. Die Gruppe der Monteggia-Verletzung ist gekennzeichnet durch eine große Anzahl zusätzlicher Begleitverletzungen. Diese beeinflussen die Gesamtprognose erheblich und sind initial mitzuversorgen. Ganz entscheidend sind die vollständige knöcherne Röntgenabbildung der Unterarmknochen in 2 Ebenen sowie die der angrenzenden Gelenke. Daneben muss bereits die klinische Untersuchung Hinweise geben.

Die operative Versorgung ist gegliedert in die offene Reposition der Elle mit Osteosynthese sowie die Begleitversorgung des Radiuskopfes und des Processus coronoideus (Abb. 4). Insbesondere bei proximalen Trümmerfrakturen der Elle ist diese plattenosteosynthetisch zu stabilisieren. Eine reine Zuggurtung reicht nicht aus. Eventuell sind instabile Bandverletzungen über Knochenanker zu fixieren [3] und das Repositionsergebnis ggf. mit einem Bewegungsfixateur extern zu sichern. Sollte der Radiuskopf nicht erhalten werden können, muss er primär durch eine Radiuskopfprothese ersetzt werden (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Monteggia-like-lesion mit Koronoidverschraubung, Reposition des Radius und Anlage eines Bewegungsfixateurs

Abb. 5
figure 5

Ersatz des Radiuskopfes und Verschraubung des Koronoids

Essex-Lopresti-Verletzung

Bei dieser Kombinationsverletzung findet sich immer eine Zerreißung der Membrana interossea (Abb. 6), kombiniert mit einer Instabilität im PRUG, in der Regel bei Radiuskopffraktur (Radius gilt als primärer Stabilisator für die longitudinale Unterarmstabilität) [2] sowie einer Verletzung des DRUG. Der Radius disloziert nach proximal, das ulnokarpale Impingement führt zur radialen Deviation der Hand.

Das Verletzungsmuster weist auf die Diagnose hin, die durch die intraoperative Untersuchung bestätigt wird. Die sonographische Untersuchung ist untersucherabhängig, im Zweifel kann eine MRT Klarheit verschaffen. Etwa 1/4 dieser Verletzungen werden initial übersehen. Zur Stabilisierung muss der Radiuskopf entweder rekonstruiert oder ersetzt werden.

Abb. 6
figure 6

Essex-Lopresti-Verletzung mit Zerreißung der Membrana interossea

Fazit

Das Ausmaß der Begleitverletzungen, insbesondere am Ellenbogengelenk, bleibt ein entscheidender Faktor für das Gesamtergebnis. Die Radiuskopfprothese bietet ein unkompliziertes Verfahren zur Behandlung von Radiuskopftrümmerfrakturen mit ligamentären Begleitverletzungen. Durch die Kombination der ligamentären Rekonstruktion und der frühen funktionellen Nachbehandlung werden v. a. die biomechanischen Nachteile der Resektion minimiert und mittelfristig gute klinische und radiologische Ergebnisse erreicht [8]. Bei grenzwertiger Gesamtstabilität kann die Kombination mit einem Bewegungsfixateur die frühe Bewegungstherapie ermöglichen. In jedem Fall sind die sorgsame Untersuchung und Dokumentation der peripheren Durchblutung und Sensomotorik bei allen Verletzungen dringend erforderlich.