Zusammenfassung
Chronische Wunden sind definiert als Wunden, die über einen Zeitraum von 4–8 Wochen nicht spontan abheilen oder keine Heilungstendenzen zeigen. Sie gehen mit Schmerzen und, bei langjährigem Bestehen, mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Isolierung bis hin zu einer akuten Bedrohung der Gesundheit einher. Zugrunde liegen häufig typische Erkrankungen des alten Menschen, somit ist aufgrund der demografischen Entwicklung eine Zunahme zu erwarten. Je nach Defektlokalisation und -tiefe kommen unterschiedliche Therapieverfahren zum Einsatz, bei oberflächlichen Wunden ist ein konservatives Vorgehen möglich, ansonsten kommen verschiedene operative Verfahren vom einfachen primären Wundverschluss über die Spalthauttransplantation und die lokalen Lappenplastiken bis zur Defektdeckung durch freie mikrochirurgische Gewebetransplantationen in Frage. Oberste Prämisse bei den Deckungsverfahren ist ein keimarmes Wundmilieu.
Abstract
Chronic wounds are defined as wounds which do not heal over a period of 4–8 weeks or which show no tendency to heal. They are associated with pain and increasingly pose an acute health risk when of many years’ standing. Their causes often lie in the typical diseases seen in old age; therefore, based on demographics, an increase in their incidence can be expected. Depending on wound location and depth, a variety of treatment methods may be used: a conservative approach is possible in small wounds, while various surgical procedures ranging from simple primary wound closure, split-thickness skin grafting and local flap plasty to defect coverage using free microsurgical tissue transplant are available. A low bacterial load is critical for any kind of a defect closure.
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Inzidenz und Kosten
Die Behandlung chronischer Wunden stellt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ein zunehmendes ökonomisches Problem dar, da diesen häufig typische Erkrankungen des alten Menschen zugrunde liegen; wie chronisch venöse Insuffizienzen, Durchblutungsstörungen im Sinne einer PAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) oder der Diabetes mellitus.
Bereits jetzt werden die reinen Sachkosten durch Dekubitalulzera, Ulcus cruris und das diabetische Fußsyndrom auf mehr als 3 Mrd. EUR geschätzt [3]. Die Gesamtkosten, also Sachkosten einschließlich der Behandlungskosten für die Dekubitalulzera alleine, liegen bei 3,5 Mrd. EUR [6].
Charakteristika chronischer Wunden
Grundsätzlich werden Wunden, die über einen Zeitraum von 4–8 Wochen nicht spontan abheilen oder keine Heilungstendenzen zeigen, als chronische Wunden definiert. Unterschieden werden:
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traumatisch erworbene Wunden wie großflächige Schürfverletzungen, Verbrennungen oder offene Frakturen,
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iatrogene Wunden, die nach chirurgischen Eingriffen keine spontane Heilung aufweisen, und
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Wunden, die ohne Schädigung von außen auftreten, im Sinne eines diabetischen Fußes, eines Ulcus cruris bei chronisch venöser Insuffizienz oder einer Gangrän bei PAVK.
Eine chronische Wunde bedeutet für den Betroffenen nicht nur Schmerzen, sondern bei langjährigem Bestehen auch eine zunehmende akute Bedrohung der Gesundheit, da der ständig schwelende entzündliche Prozess zu einem dauerhaften katabolen Stoffwechsel führt. Zusätzlich bestehen schwere psychologische Probleme aufgrund des gestörten Körperbildes, eines verminderten Selbstwertgefühls und nicht selten soziale Isolation.
Management
Die Therapie chronischer Wunden muss immer sowohl die Behandlung des zugrunde liegenden Krankheitsbildes als auch eine lokale Wundtherapie beinhalten. Mit Hilfe moderner Wundbehandlung kann nach Entfernen der nekrotischen Wundanteile und ausreichender Antisepsis mit Hilfe eines feuchten Milieus in vielen Fällen eine Verbesserung der Wundsituation herbeigeführt werden.
Dass bei einer chronisch offenen Wunde eine Keimbesiedlung und ein positiver Keimnachweis bei Wundabstrich nicht vermeidbar sind, liegt auf der Hand. Der bloße Keimnachweis bedeutet jedoch nicht, dass eine plastisch-chirurgische Defektdeckung ausgeschlossen ist. Keimarmut ist oberste Grundvoraussetzung für jede Defektdeckung.
Die Keimlast wird in 5 Stadien unterschieden, entsprechend stehen Keimsanierung oder Defektdeckung im Vordergrund (Tab. 1).
Konservative Therapie
Mit konservativem Wundmanagement kann bei keimarmen Wunden durch die Schaffung eines idealen Wundmilieus auch bei großflächigen Wunden eine zügige Verbesserung bis hin zur vollständigen Abheilung erreicht werden (Abb. 1).
Bereits 1962 veröffentlichte Winter [9] die von ihm beobachteten Vorteile der feuchten Wundbehandlung. Beachtet man deren Grundsätze, können beachtliche Behandlungserfolge erzielt werden.
Operative Therapie
Sind funktionelle Strukturen wie Knochen und Sehnen betroffen oder freiliegende Implantate und Prothesen ursächlich für eine chronische Wunde, sind die Grenzen der konservativen Wundbehandlung sicher erreicht (Abb. 1). In diesen Fällen bleibt nur das chirurgische Débridement, welches immer so radikal durchgeführt werden muss, dass freiliegende bradytrophe und erst recht nekrotische Gewebeanteile vollständig entfernt werden.
Zunehmender Beliebtheit erfreut sich die Vakuumbehandlung der Wunden, um auf diese Art und Weise die Durchblutungssituation und die Wundkonditionierung zu optimieren. Auch wenn die Wunde zunächst durch die Versiegelung verschlossen ist, stellt die Vakuumschwammbehandlung keine endgültige Lösung, sondern nur ein Vertagen der Problematik dar und sollte nicht länger als erforderlich durchgeführt werden.
Da gerade das bradytrophe Gewebe wie abgestorbene Sehnensequester, Knorpelanteile, aber auch Nischen und Spalte bei einliegenden Implantaten als Keimnester angesehen werden müssen, sind ein so radikal wie möglich durchgeführtes Débridement und nach Möglichkeit die Entfernung von Osteosynthesematerial vor der plastisch-chirurgischen Deckung der Defekte unumgänglich. Gleichzeitig müssen aber auch
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die Durchblutungssituation bei PAVK durch eine vorangeschaltete Gefäßdilatation oder Bypassoperation optimiert sowie
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sowohl der Blutzuckerhaushalt als auch der Ernährungszustand als auch der Eiweißhaushalt bestmöglichst eingestellt und
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bestehende Insuffizienzen der Perforanzvenen beseitigt werden.
Die Angiographie sollte eine Standarddiagnostik bei allen chronischen Wunden der unteren Extremität darstellen [1].
Bei der operativen Versorgung chronischer Wunden sollte dem behandelnden Arzt die vollständige therapeutische Leiter der möglichen Verfahren zum Wundverschluss zur Verfügung stehen, vom einfachen primären Wundverschluss über die Spalthauttransplantation und die lokalen Lappenplastiken bis zur Defektdeckung durch freie mikrochirurgische Gewebetransplantationen.
Indikationsstellung und Therapieverfahrenswahl
Laing et al. [4] führten 1992 eine Klassifikation für die Infektion von Endoprothesen ein und beschrieben die an ihr angelehnten Behandlungsmöglichkeiten (Tab. 2).
Im Stadium 0 mit lediglicher Hautrötung und fraglichem Infekt ist keine weitere chirurgische Intervention notwendig. Bei oberflächlicher Hautnekrose ist nach entsprechender Wundsäuberung und Konditionierung der Wunde sowie Keimeradikation eine Spalthauttransplantation möglich (Abb. 2). Findet sich eine Hautnekrose mit Fistel, sind lokale fasziokutane Lappenplastiken (Abb. 3) erforderlich. Bei Fistelbildung mit sichtbarer Prothese sind myokutane oder freie Lappenplastiken indiziert (Abb. 4). Bei großflächig freiliegender Prothese und entsprechend großem Defekt ist die Defektdeckung durch eine freie mikrochirurgische Gewebetransplantation unumgänglich (Abb. 5).
Die Vorteile der myokutanen Defektdeckung gerade bei bradytrophem kontaminiertem Gewebe unterstreichen 2 Studien: Chang u. Mathes [2] berichteten, dass fasziokutane Lappen in der infizierten Situation ein erheblich schlechteres Überleben zeigen als myokutane Lappen. Vogt et al. [8] untersuchten die Freisetzung von Wachstumsfaktoren nach Lappentransplantation und konnten nachweisen, dass die Freisetzung gewebeaktiver Substanzen, wie VEGF („vascular epidermal growth factor“), bei myokutanen Lappenplastiken deutlich höher war als bei fasziokutanen Lappen (Abb. 6).
Ausblick
In Zukunft stehen neben den konservativen und den klassischen operativen Verfahren auch weitere Möglichkeiten zur Therapie chronischer Wunden zur Verfügung. So ist die Möglichkeit der Transplantation von Stammzellen, welche nach vorheriger Anreicherung aus Fettgewebsaspiraten gewonnen werden, eine viel versprechende Option, die bereits in verschiedenen Veröffentlichungen selbst bei chronischen radiogenen Ulzera große Erfolge zeigte [7]. Außerdem stehen Möglichkeiten der Thrombozytenanreicherung, die eine Verbesserung der Wunddurchblutung und des Wundmilieus bewirken, zur Verfügung [5].
Literatur
Aust MC, Spies M, Guggenheim M et al (2008) Lower limb revascularisation preceding surgical wound coverage. An interdisciplinary algorithm for chronic wound closure. J Plast Reconstr Aesthet Surg 61:925–933
Chang N, Mathes SJ (1982) Comparison of the effect of bacterial inoculation on musculocutaneus and random-pattern flaps. Plast Reconstr Surg 70:1
Horch RE, Nord D, Augustin M et al (2008) Ökonomische Aspekte in der chirurgischen Wundbehandlung. Chirurg 79:518–525
Laing JHE, Hancock K, Harrison DH (1992) The exposed total knee replacement prothesis: a new classification and treatment algorithm. Br J Plast Surg 45:66–69
O’Connell SM, Impeduglia T, Hessler K et al (2008) Autologous platelet-rich fibrin matrix as cell therapy in the healing of chronic lower-extremity ulcers. Wound Repair Regen 16(6):749–756
Pelka R (1997) The economic situation of chronic wounds. Krankenpfl J 35:338
Rigotti G, Marchi A, Galiè M et al (2007) Clinical treatment of radiotherapy tissue damage by lipoaspirate transplant: a healing process mediated by adipose-derived adult stem cells. Plast Reconstr Surg 119(5):1409–1422
Vogt PM, Boorboor P, Vaske B et al (2005) Significant angiogenetic potential is present in the microenvironment of muscle flaps in humans. J Reconstr Microsurg 21(8):517–523
Winter GD (1962) The rate of epithelisation of superficial wounds in the skin of pig. Nature 193:293–294
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Busch, KH., Vogt, P. Chronisch infizierte Wunde. Trauma Berufskrankh 12 (Suppl 1), 19–24 (2010). https://doi.org/10.1007/s10039-009-1583-1
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