Nach infektberuhigender Operation zur Behandlung der akuten und chronischen Knocheninfektion verbleibt häufig ein semizirkulärer oder ein zirkulärer Knochendefekt, der im Verlauf aufgebaut werden muss. Auch nach radikaler Resektion von Knochentumoren oder aber bei Defektfrakturen verbleiben behandlungsbedürftige Knochendefekte.

Das Ziel des biologischen Knochendefektaufbaus ist es, wieder eine belastungsstabile Extremität herzustellen, die dem Patienten eine eigene Mobilität erlaubt. Hierzu stehen 2 unterschiedliche Verfahren mit entsprechenden abzugrenzenden Indikationen zur Verfügung:

  • die autologe Spongiosaplastik [1, 2, 10] und

  • der Segmenttransport [11] über zahlreiche interne oder externe Stabilisatoren, wobei der Ilisarov-Fixateur das variabelste System darstellt [3, 4, 8].

Vorteile des autologen Knochenaufbaus sind das schnellere Remodelling des Knochens mit dem Ziel der Herstellung eines Röhrenknochens (Abb. 1) sowie die geringe Infektrate im Vergleich zu allogenem Knochenersatzmaterial [10].

Abb. 1
figure 1

Bildung eines Röhrenknochens durch Segmenttransport, CT (Computertomographie) Tibiaschaftmitte

Autologe Spongiosaplastik

Die Wahl des Verfahrens hängt vom Ausmaß des Knochendefektes ab. Bis zu einem zirkulären Defekt von 3 cm und bei einem auch größeren Halbschalendefekt ist die autologe Spongiosaplastik indiziert [10, 11]. Die Grenzen der Indikationsstellung sind hierbei individuell zu überdenken und von den Begleiterkrankungen und der Compliance des Patienten abhängig zu machen (s. Fallbeispiele).

Die Spenderorte der autologen Spongiosa sind vielfältig (Abb. 2) und nach Erfahrung des Operateurs sowie nach der Anforderung an die benötigte Menge zu wählen [10]. Zu nennen sind hier u. a. vorderer und hinterer Beckenkamm, Tibiakopf, proximales Femur.

Der gewonnenen autologen Spongiosa sind je nach Krankheitsbild sowohl lokale Antibiotikaträger (Septocoll E®, Gentacoll®, Vancomycin Vlies) als auch osteoinduktive Präparate (PerOssal®, Targobone®) zuzufügen. Die antibiotikahaltigen Vliese können insbesondere zusätzlich als Markraumspacer genutzt werden, um die ursprüngliche Knochenröhre wiederherzustellen, da diese gegen Torsions- und Scherkräfte deutlich biodynamisch belastbarer ist als ein starrer Stab.

Additiv kann der gewonnenen Spongiosa thrombozytenreiches Plasma (PRP) mit aus dem Patientenblut gewonnenen Wachstumsfaktoren, wie Zytokinen, „platelet derived growth factor“ (PDGF-ββ, PDGF-αα, PDGF-αβ), „transforming growth factor beta“ (TGF-β1, TGF-β2), „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) und „epithelial growth factor“ (EGF), zugegeben werden. Darüber hinaus verhindert PRP das Wachstum von Staphylococcus aureus und wirkt hemmend gegen Escherichia coli.

Abb. 2
figure 2

Spenderorte der autologen Spongiosaplastik

Zur PRP-Gewinnung stehen zahlreiche Verfahren zur Verfügung. Wir benutzten das GPS®-System der Firma Biomet, Deutschland. Dem Patienten werden hierfür beim „double system“ insgesamt 112 ml Blut entnommen und unter Beigabe von Zitrat bei 3200 RPM („rounds per minute“) 15 min zentrifugiert. Neben dem individuellen PRP-Gewinn von 6–10 ml kann aus thrombozytenarmem Plasma (PPP) unter Zugabe von Kalzium und Thrombin noch Fibrinkleber erhalten werden.

Nach seiner Zugabe zur autologen Spongiosa gerinnt das thrombozytenreiche Plasma, es entsteht ein wachstumsfaktorenreicher Spongiosaklott (Abb. 3), mit dem der Knochendefekt locker aufzufüllen ist. Auch hierbei ist auf die Wiederherstellung eines Röhrenknochens zu achten, ggf. unter Zuhilfenahme eines Kollagenvlieses.

Abb. 3
figure 3

Wachstumfaktorenreicher Spongiosaklott

Fallbeispiele

Fall 1

In Abb. 4 ist der Fall eines 55-jährigen Mannes dargestellt, der eine geschlossene Kalkaneusmehrfragmentfraktur erlitten hatte, welche primär plattenosteosynthetisch versorgt wurde. Im Verlauf kam es zur Ausbildung einer chronischen sequestrierenden Osteitis, die mit Sequestrektomie und Einlage von Antibiotikumträgern behandelt wurde. Bei ausbleibender Infektberuhigung und sich ausgebildetem Empyem talokalkanear wurden eine erneute Sequestrektomie durchgeführt und Antibiotikumträger eingelegt. Nach Infektberuhigung, 4 Wochen später, wurde Spongiosa vom hinteren Beckenkamm entnommen und nach Débridement und Entfernen der Antibiotikumträger eine autologe Spongiosaplastik mit GPS® in den Knochendefekt eingebracht. Im Verlauf kam es zum raschen Einbau der transplantierten Spongiosa.

Abb. 4
figure 4

Fall 1, a Kalkaneusmehrfragmentfraktur, Plattenosteosynthese, b Sequestrektomie und Antibiotikumträgereinlage, c Spongiosaplastik, d Ausheilungsergebnis, Erläuterungen s. Text

Fall 2

Der 60-jährige alkoholabhängige Patient mit Hepatopathie, Niereninsuffizienz und Panzytopenie mit Thrombozytopenie hatte sich eine Tibiaschaftfraktur zugezogen (Abb. 5). Die operative, plattenosteosynthetische Versorgung wurde auswärtig erst 4 Tage nach dem Trauma vorgenommen. Bei akzidenteller Vollbelastung kam es zur Refraktur/Redislokation und im Verlauf zur Infektion.

Bei langstreckig sequestrierender Tibiaosteitis wurde eine Segmentresektion von 8,5 cm notwendig. Die Stabilisierung erfolgte im Ilisarov-Fixateur. Es kam zu keiner erneuten Reinfektion.

Bei mangelnder Compliance entschieden wir uns gegen den Segmenttransport und führten eine autologe Spongiosaplastik unter Zugabe von GPS® 4 Wochen später durch. Es kam zum kompletten knöchernen Durchbau.

Abb. 5
figure 5

Fall 2, a Tibiaschaftfraktur, Plattenosteosynthese, b Revisionsoperation nach Refraktur und Infekt, Sequestrektomie, Verfahrenswechsel, c einheilende Spongiosaplastik, Ausheilungsergebnis, d klinisches Bild nach Ausheilung, Versorgung mit teilentlastender Orthese, Erläuterungen s. Text

Segmenttransport

Er ist bei der Behandlung von größeren, langstreckigen Knochendefekten der Goldstandard [11]. Er beruht auf dem Dehnungsreiz, folgendem Einschießen von Granulationsgewebe mit fibroblastenähnlichen Zellen und sich ausbildenden Kollagenfibrillen um eine zentrale Kapillare. Sich entwickelnde Osteoblasten bilden das Osteoid, und auf diese Weise kommt es zur intramembranösen Knochenbildung [5, 6, 11].

Die Prinzipien der Kallusdistraktion beruhen zum einen auf der gewebeschonenden, vaskularitätserhaltenden Knochendurchtrennung (Kortikotomie) [5, 6, 9] des zu transportierenden Knochensegmentes (Transportsegment), welches mindestens 5–6 cm Länge aufweisen sollte, zum anderen auf der Stabilität des gesamten Systems [5, 6]. Daneben haben sich sowohl der verzögerte Beginn der Distraktion, 5–10 Tage nach der Kortikotomie, als auch deren Ausmaß und Rhythmus mit 1 mm/Tag in mindestens 4 Schritten als entscheidend herausgestellt (Abb. 6, [5, 6, 7, 12]). Die Distraktionsgeschwindigkeit ist anhand der 4-wöchig durchgeführten nativradiologischen Kontrolluntersuchung individuell anzupassen, denn erfahrungsgemäß beträgt sie am Femur 1,5 mm/Tag.

Ilisarov-Verfahren

Der Transport erfolgt im Ilsarov-Fixateur über den Zugseilmechanismus, den der Patient erreichen können muss, um den Transport selbstständig durchführen zu können. Der motorgetriebene, computergesteuerte Transport befindet sich noch in der Entwicklung.

Abb. 6
figure 6

Prinzip des Segmenttransports im Ilisarov-Fixateur

Die „docking side“, die Kontaktfläche des transportierten Knochensegmentes mit dem originären Knochen nach erfolgtem Segmentransport, ist als eine Schwachstelle des Verfahrens herauszustellen [11]. Nach dem Transport wird deshalb in unserem Haus üblicherweise eine Spongiosaplastik in die Andockzone durchgeführt und das Transportsegment über 2 Olivendrähte an einen zusätzlichen Ring stabilisiert. Die „docking side“ kann mit einer internen Osteosynthese stabilisiert werden, wir sehen dies aufgrund der häufig schwierigen Weichteilverhältnisse als problematisch an.

Die Konsolidierung der Distraktionsstrecke beträgt 2 Tage pro transportiertem Millimeter. Insgesamt ist von 3 Tagen/mm notwendig aufzubauendem Knochendefekt auszugehen.

Schwere Komplikationen des Segmenttransportes im Ilisarov-Fixateur sind selten (<10%), zu nennen sind hier die ausbleibende Knochenneubildung oder die Infektion der Distraktionsstrecke. Leichtere Komplikationen sind häufig (>90%), wie im Verlauf aufgetretene Segmentfehllage, Zugdrahtriss, Zugdrahtfehllage, vorzeitiger Durchbau mit resultierender Rekortikotomie oder sich ausbildende Weichteiltasche.

Sonderformen des Segmentransports im Ilisarov-Fixateur sind der gleichläufige sowie der gegenläufige Tandemtransport und der Transport der Fibula in den tibialen Knochendefekt im Sinne Fibula pro Tibia.

Weitere Methoden

Als Alternativmethoden des Segmenttransports im Ilisarov-Fixateur stehen zur Verfügung:

  • der intramedullär stabilisierte Segmentransport,

  • der Transport über Mono-Rail-Fixateure oder aber

  • die primäre Verkürzung und folgende Korrektur über das Hexapodsystem.

Resümee

Der Segmenttransport bedarf eines hohen Maßes an Erfahrung von Seiten des Operateurs sowie des gesamten behandelnden Teams. Bei der Entscheidung zum Segmenttransport müssen sowohl die Compliance des Patienten als auch alle Begleiterkrankungen bedacht werden, hier sind insbesondere das Alter, die Durchblutungssituation sowie der Nikotinabusus zu berücksichtigen. Auch das Keimspektrum bei der Knocheninfektion beeinflusst die Entscheidung, da erfahrungsgemäß bei einer generalisierten MRSA-Infektion (MRSA: methicillinresistenter Staphylococcus aureus) eine höhere Komplikationsrate besteht.

Fallbeispiele

Fall 3

In Abb. 7 und Abb. 8 ist der Fall eines 20-jährigen Patienten mit stattgehabter Mehrfachverletzung mit Schädel-Hirn-Trauma Grad III (SHT III°), Sternumfraktur, Hämatothorax beidseits, stumpfem Bauchtrauma, Bruch des Brustwirbelkörpers (BWK) XII und drittgradiger offener Unterschenkelfraktur mit Kompartmentsyndrom des rechten Unterschenkels dargestellt. Die Unterschenkelfraktur wurde primär durch geschlossene Reposition und Stabilisierung im Fixateur externe versorgt. Nach 2 Tagen erfolgte ein Revisionseingriff mit u. a. Jet-Lavage und nach weiteren 2 Tagen ein Verfahrenswechsel auf interne Plattenosteosynthese von lateral. Bei sich ausbildendem Frühinfekt waren tägliche Revisionen erforderlich, anschließend wurde der Patient bei liegender Spül-Saug-Dränage und infizierter einliegender Plattenosteosynthese entlassen.

Im Rahmen der Vorstellung bei uns wurde eine langstreckige, sequestrierende Tibiaosteitis bei intaktem Hautweichteilmantel gesehen. Nativradiologisch zeigten sich eine gelockerte, infizierte Plattenosteosynthese und eine langstreckige Sequestrierung.

Nach Segmentresektion über 18,0 cm und Stabilisierung im Ilisarov-Fixateur wurde der Zugseilmechanismus zur Vorbereitung des Segmenttransports von proximal nach distal montiert. Die Kortikotomie wurde 10 Tage später durchgeführt, nach weiteren 5 Tagen wurde der Segmenttransport begonnen.

Zum Abschluss der Behandlung war der Knochendefekt komplett wieder hergestellt, nativradiologisch zeigte sich der neu entstandene Röhrenknochen.

Abb. 7
figure 7

Fall 3, a Unterschenkelfraktur, primäre Versorgung, b Verfahrenswechsel, Frühinfektion, Sequesterbildung, c intraoperativer Situs, langstreckige Sequestrektomie, Erläuterungen s. Text

Abb. 8
figure 8

Fall 3, a laufender Segmenttransport, b einheilende Spongiosaplastik „docking side“, Ausheilungsergebnis, Erläuterungen s. Text

Fall 4

Der 31-jährige LKW-Fahrer hatte sich eine drittgradig offene Fraktur des distalen Unterschenkels mit Pilon-tibiale-Beteiligung und Hautweichteildefekt des medio-dorsalen Unterschenkels zugezogen (Abb. 9). Nach primärem Débridement wurden Antibiotikumträger eingelegt, der Hautweichteildefekt mit Epigard® verschlossen und eine Fixateur-externe-Stabilisierung durchgeführt. Nach 4 Tagen erfolgte die Sekond-Look-Operation mit erneutem Débridement, Sequestrektomie, Weichteildébridement, Epigard®-Wechsel und Wechsel auf OSG(oberes Sprunggelenk)-übergreifenden Fixateur externe. Bei sich ausbildender Tibiaosteitis waren eine erneute operative Intervention mit Sequestrektomie mit verbleibendem zirkulärem Knochendefekt von 7,5 cm sowie Verfahrenswechsel auf Ilisarov-Fixateur erforderlich.

Nach Infektberuhigung wurden der Zugseilmechanismus montiert und eine Kortikotomie durchgeführt. Nach weiteren 5 Tagen begann die Distraktion. Nach Auflaufen des Transportsegments, nach 72 Tagen, wurden die autologe Spongiosaplastik im Bereich der „docking side“ eingebracht und das Transportsegment stabilisiert. Nach abgeschlossenem Remodelling der Distraktionsstrecke (150 Tage) konnten der Fixateur externe entfernt werden und die Versorgung mit teilentlastendem Unterschenkelgehapparat mit Oberschenkelmanschette erfolgen (Abb. 10).

Abb. 9
figure 9

Fall 4, a offene distale Unterschenkelfraktur, im Verlauf bei Infektion Sequestrektomie, Stabilisierung im Rahmen-Fixateur-externe, b Ilisarov-Fixateur-Montage zum Segmenttransport, Kortikotomie, Montage des Zugseilmechanismus, c laufender Segmenttransport von proximal nach distal, Erläuterungen s. Text

Abb. 10
figure 10

Fall 4, Ausheilungsergebnis, Erläuterungen s. Text

Fazit für die Praxis

Der biologische Knochendefektaufbau mit autologer Spongiosaplastik oder aber über den Segmenttransport ist langfristig der sicherste Weg zur Rekonstruktion eines Röhrenknochens, der belastungsstabiler ist als ein starrer Knochenstab. Darüber hinaus befindet sich kein „Fremdmaterial“ oder „Fremdknochen“ vor Ort in dem vorgeschädigtem Gewebe, was die Infektionsrate erfahrungsgemäß deutlich minimiert. Zudem stellen diese Verfahren u. E. den Goldstandard dar, da jeder Knochendefekt aufzubauen ist, ggf. in Kombination aus beiden Verfahren mit additiver Zugabe von körpereigenen Wachstumsfaktoren, gewonnen aus thrombozytenreichem Plasma. Somit handelt es sich wahrscheinlich, soweit eruierbar, auch um die kostengünstigsten Methoden. Unklar bleibt bisher die osteogenen Potenz der jeweils entnommenen Spongiosa.

Eminent wichtig bei der Behandlung mit derart aufwändigen Verfahren, wie dem Segmenttransport, ist die Zusammenarbeit in einem Team, bestehend aus Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Gehschullehrern sowie interessiertem Pflegepersonal.