Ausgangssituation

Die Inzidenz periprothetischer Frakturen bei liegender Knietotalendoprothese (Knie-TEP) ist insgesamt niedrig. Sie nimmt vom Femur über die Tibia zur Patella ab [1, 3]. Das Patientenalter ist überdurchschnittlich hoch. Eine schwere Allgemeinerkrankung (ASA 3) weisen 35% der Patienten auf. Die Knochenqualität ist in der Regel schlecht.

Meist liegt ein Oberflächenersatz vor, oft sind aber auch intramedulläre Implantate (Prothesenstiel, gleichseitige Hüft-TEP) vorhanden. Die betroffenen Patienten sind meist nicht in der Lage, postoperativ eine Teilbelastung einzuhalten.

Behandlungsziele

Um die Prothese möglichst dauerhaft zu erhalten, sollte eine Ausheilung der Fraktur in anatomischer Stellung erreicht werden. Zum Erhalt der Prothesenbeweglichkeit ist zumindest eine Übungsstabilität der Osteosynthese zu fordern. Aufgrund des Allgemeinzustandes der Patienten sollte das Operationstrauma möglichst gering sein.

Diese zur schlechten Ausgangssituation in Widerspruch stehenden ehrgeizigen Behandlungsziele resultieren letztlich in einer hohen Komplikationsrate von 25–27% in der Literatur [3].

Implantate

Der Markt für Endoprothesen hält modulare Revisionsimplantate bis hin zum totalen Femurersatz bereit (Abb. 1). An Osteosynthesematerial kommen bevorzugt winkelstabile Platten und ggf. Marknägel zum Einsatz. Auch auf Cerclagen kann häufig nicht verzichtet werden. Diese können bei modernen Plattensystemen an die Platte gekoppelt werden, sodass sie auf den schrägen Oberflächen der Metaphyse nicht abrutschen und sich so lockern. Aufgrund der häufig vorliegenden knöchernen Defekte kann der Einsatz von sowohl Knochenzement als auch autologem oder allogenem Knochen als auch Knochenersatzmaterialien erforderlich werden.

Abb. 1
figure 1

Distaler Femurersatz nach Bruch einer Revisionsprothese bei ausbleibender knöcherner Heilung, ursprünglich Oberflächenersatz mit Infektverlauf

Patellafrakturen

Sie können nach Ortiguera u. Berry [4] eingeteilt werden (Tab. 1). Diese fanden in einem Kollektiv von 12.464 Patienten 78 periprothetische Patellafrakturen.

Tab. 1 Einteilung der Patellafrakturen. (Nach [4])

Das Primat der Therapie ist die Rekonstruktion des Streckapparats, das Patellaimplantat zu erhalten, ist sekundär. Typ 2 wird somit in der Regel operiert. Bei der Osteosynthese kommen konventionelle Zuggurtungen und Schraubenosteosynthesen zum Einsatz (Abb. 2). Die Komplikationsrate bei operativem Vorgehen ist mit bis zu 42% Reoperationen [4] allerdings sehr hoch. Deshalb sollte bei intaktem Streckapparat und festem Implantat (Typ 1) eine konservative Therapie durchgeführt werden. Hier wurden nur selten Therapieversager beobachtet. Bei intaktem Streckapparat und gelockertem (Typ 3) Implantat hängt die Therapie von den Beschwerden des Patienten ab, beschwerdefreie Patienten sollten ebenfalls konservativ behandelt werden. Abrissfrakturen der Tuberositas tibiae sind nur bei größeren knöchernen Fragmenten gut zu refixieren. Bei kleinen Fragmenten oder Avulsionen der Patellarsehne sind oft Sehnenautografts oder Allografts erforderlich.

Abb. 2
figure 2

Patellazuggurtung

Tibia und Femur

Die Tibiafrakturen werden nach Felix et al. [2] (n=102 Patienten) eingeteilt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Klassifikation der Tibiafrakturen. (Nach [2]), s. a. Tab. 2

Tab. 2 Felix-Klassifikation der Tibiafrakturen. (Nach [2])

Bei fest sitzendem Implantat erfolgt in der Regel eine Osteosynthese. Die Frakturen vom Typ 1, bei denen es sich meist um Ermüdungsbrüche des medialen Tibiakopfs handelt, können in Ausnahmefällen konservativ behandelt werden. Hierbei ist allerdings mit Bewegungsdefiziten zu rechnen. Bei gelockertem Implantat wird ein Prothesenwechsel durchgeführt. In Ausnahmefällen, meist bei jüngeren Patienten, können zunächst die Fraktur zur Ausheilung gebracht und dann das Implantat gewechselt werden. Der Sinn dieses Vorgehens liegt in der Vermeidung von übergroßen Revisionsimplantaten.

Aktuelle Klassifikationen der periprothetischen Femurfrakturen sind die Einteilungen nach Rorabeck u. Taylor [6] sowie Su et al. [7] (Abb. 4). Rorabeck u. Taylor [6] unterscheiden 3 Typen (Tab. 3).

Tab. 3 Klassifikation der periprothetischen Femurfrakturen nach Rorabeck u. Taylor. (Nach [6])

Das oft als Risikofaktor eingeschätzte anteriore femorale Notching zeigte sich in einer größeren klinischen Serie nicht als solcher [5]. Als Grund hierfür ist ein knöchernes Remodelling zu sehen. Den therapeutischen Algorithmus zeigt Abb. 5. In Ausnahmefällen, insbesondere bei jüngeren Patienten kann auch hier zunächst eine Ausheilung der Fraktur angestrebt werden, um übergroße Revisionsimplantate zu vermeiden.

Abb. 4
figure 4

Su-Klassifikation der periprothetischen Femurfrakturen. (Nach [7])

Abb. 5
figure 5

Algorithmus der Behandlung bei periprothetischen Femur- und Tibiafrakturen

Fazit für die Praxis

Bei in großer Zahl und Variation vorhandenen Implantaten ist die Problematik der periprothetischen Femurfraktur hauptsächlich im schlechten Allgemeinzustand der Patienten sowie der schlechten Knochenheilung und den oft vorhandenen knöchernen Defekten zu sehen. Da dieses Problem nach wie vor ungelöst ist, ist mit einer wesentlichen Reduktion der hohen Komplikationsrate in nächster Zeit nicht zu rechnen. Insgesamt ist die Inzidenz der periprothetischen Femurfrakturen glücklicherweise jedoch niedrig.