Seit der erstmaligen Beschreibung eines externen Fixateurs durch Wutzer im Jahr 1843 wurden vielfältige Systeme mit vielen Weiterentwicklungen im Detail erarbeitet. Unseres Erachtens bieten Verfahren aus der aktuellen Robotertechnik weitere interessante Entwicklungsmöglichkeiten. Besonders günstig erscheint in diesem Kontext die Anwendung der Hexapodkinematik, die in der Robotertechnik auch als parallele Roboterkinematik bezeichnet wird. Auf der Grundlage eines manuellen Systems, welches derzeit routinemäßig in der Klinik eingesetzt wird, wurden von uns ein motorisiertes sowie ein messendes System entwickelt. In der derzeitigen Entwicklung befindet sich ein automatisches System, Endziel ist ein intelligentes System.

Kinematik der Robotertechnik

Es wird zwischen einer seriellen und einer parallelen Kinematik unterschieden. Unter einer seriellen Kinematik muss man sich eine „Konstruktion“ wie den menschlichen Arm vorstellen: Hier sind die Träger- und Einstellelemente hintereinander geschaltet. Serielle Roboterkinematiken werden in typischen Industrierobotern verwendet (Abb. 1).

Bei der parallelen Kinematik hingegen werden, wie aus dem Namen ersichtlich, die Einstellelemente parallel von einer Plattform auf das zu bewegende Element übertragen (Abb. 2). Sie wird z. B. in großen Fräsmaschinen, aber auch zur präzisen Einstellung z. B. von Teleskopen verwendet. Eine besonders typische Anwendung ist der Flugsimulator, bei welchem das Cockpit mit einer parallelen Roboterkinematik im dreidimensionalen Raum präzise bewegt werden kann. Großer Vorteil der parallelen Kinematik ist durch die parallele Anordnung eine besonders hohe Stabilität.

Hexapodkinematik in der Klinik

Funktionsweise

Vorteilhaft ist die Anwendung der parallelen Kinematik als Hexapodkinematik im Ringfixateur. Die Längeneinstellung an 6 Distraktorelementen erlaubt beliebige räumliche Bewegungen, d. h. neben Distraktion und Kompression auch Seitverschiebungen, Achskorrekturen und Torsionen (Abb. 3). Das Besondere der Hexapodkinematik ist, dass Stabilität besteht, ohne die verwendeten Kugelgelenke zu blockieren, wie es in klassischen Fixateuren erforderlich ist. Es handelt sich somit um eine kinematisches System.

Abb. 1
figure 1

Serielle Roboterkinematik, links Industrieroboter, rechts menschliche Hand

Abb. 2
figure 2

Parallele Roboterkinematik, links Fräsmaschine für große Holzteile, rechts Hexapodringfixateur

Abb. 3
figure 3

Universelle dreidimensionale Ringbewegungen durch Längenverstellungen der 6 Distraktoren im Hexapoden

Die Besonderheit des Mechanismus ist, wie der Name (Hexapod: griechisch 6 Fuß) sagt, die Verwendung von genau 6 Elementen. Dies ist darin begründet, dass es im dreidimensionalen Raum 6 so genannte Freiheitsgrade, d. h. Bewegungsmöglichkeiten, gibt. Dabei handelt es sich um Translationen in x-, y- und z-Richtung sowie Rotationen um die x-, y- und z-Achse. Auf der andere Seite ergeben sich durch die Längeneinstellungen der Distraktoren ebenfalls genau 6 Freiheitsgrade. Zwischen diesen und den 6 Freiheitsgraden der Bewegung des Hexapoden im dreidimensionalen Raum besteht eine eindeutige mathematische Beziehung. Ein ähnliches System mit 5 Distraktorelementen wäre nicht stabil (Abb. 4), ein System mit 7 Elementen wäre überbestimmt, d. h. es würden innere Spannungen auftreten.

Aufgrund der interessanten mechanisch-mathematischen Eigenschaften ist der Hexapodmechanismus in der Mechanik ein häufig theoretisch untersuchtes System. Wegen der schrägen Anordnung der Distraktorelemente und der Tatsache, dass die Verstellung eines einzelnen Distraktors eine schwer vorstellbare Schraubenbewegung verursacht, ist es allgemein anerkannt, dass für eine Anwendung des Hexapodmechanismus eine Software erforderlich ist. Eine solche wurde von uns für die klinische Anwendung entwickelt (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Demonstration der Kinematik, Instabilität des Systems durch Entfernung eines der 6 Distraktoren

Abb. 5
figure 5

Software zur Berechnung der Distraktoreinstellungen mit vorgegebenen Bewegungen

Anwendungsmöglichkeiten

Die typische Anwendung ergibt sich bei Patienten, bei welchen mehrdimensionale Fehlstellungen behoben werden müssen, insbesondere auch bei gleichzeitig erforderlicher Verlängerung nach Ilisarov.

Abb. 6 zeigt das Fallbeispiel eines 13-jährigen Kindes, bei welchem im Alter von 4 Jahren eine Fraktur mit einer nachfolgenden Entzündung bestand. In der Folge resultierte ein Knochendefekt von 10 cm, welcher mit einem Segmenttransport und anschließend Spongiosaplastik und Osteosynthese mit einem winkelstabilen Implantat behandelt wurde. Im weiteren Wachstum kam es zu einer deutlichen Valgus- und Torsionsfehlstellung im proximalen Unterschenkel. Nach Anlage des Fixateurs und Durchführung der Osteotomie wurde zunächst 5 Tage abgewartet, dann nach entsprechender Softwareberechnung sukzessive die Korrektur mit gleichzeitiger Verlängerung durchgeführt. Abb. 6g–i zeigt das Ergebnis nach abgeschlossener Korrektur mit achsgerechter Ausrichtung der unteren Extremität.

Abb. 6
figure 6

Fallbeispiel: Fehlstellungskorrektur bei 13-jährigem Jungen: a–e Röntgenbefunde, a,b vor und c–e nach Anlage des Hexapoden, f,g klinische Befunde, f vor und g nach Korrektur, h,i radiologische Befunde nach erfolgter Korrektur

Motorisierter Fixateur

Er wurde in mehreren Schritten entwickelt, zunächst mit einer relativ großen Motoreinheit, dann unter Verwendung von Teleskopdistraktoren mit einem weitaus größeren Bewegungsausmaß, schließlich mit Teleskopdistraktoren und Miniaturmotoren (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Entwicklungsschritte des Motorfixateurs

Abb. 8
figure 8

Motorisierte Frakturreposition bei polytraumatisiertem Patienten, a,b Unfallbilder, c anliegender Fixateur vor Reposition, d klinisches Bild während der Behandlung, e radiologischer Befund im Fixateur nach Korrektur und f,g nach Umstieg auf winkelstabiles minimalinvasiv eingebrachtes Implantat

Abb. 9
figure 9

Joysticksteuerung des Motorhexapoden, hier mit „3D-Maus“

Der Prototyp des mit Miniaturmotoren betriebenen Hexapoden wurde bei einem polytraumatisierten Patienten mit einer dislozierten Oberschenkelschaftfraktur eingesetzt (Abb. 8). Diese war primär im AO-Fixateur stabilisiert worden. Wegen einer verbliebenen Fehlstellung wurde das Hexapodsystem auf der Intensivstation an die vorhandenen Schanz-Schrauben angelegt und langsam sukzessive mit Computersteuerung reponiert. Die definitive Versorgung erfolgte minimalinvasiv durch eine eingeschobene winkelstabile Platte.

Die Steuerung des Motorhexapoden mit einem Joystick ist ebenfalls möglich und wurde im Labor erprobt. Verwendet wurde nicht ein typischer Joystick, sondern eine so genannte 3D-Maus, bei welcher nicht nur seitliche Verschiebungen, sondern auch eine dritte Zugrichtung sowie die Drehungen und Kippungen einstellbar sind (Abb. 9). Damit konnte der Motorhexapod in allen Richtungen ausgerichtet werden. Dieses Verfahren wird in Zukunft geeignet sein, Frakturrepositionen mit Motorunterstützung durchzuführen.

Roboter zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur motorisierte Bewegungen durchgeführt werden können, sondern dass darüber hinaus mit Hilfe von Sensoren eine Steuerung des Systems möglich ist. Auch beim Hexapodfixateur ist – durch Einbringung von longitudinalen Kraftsensoren in Reihe mit den 6 Distraktoren (Abb. 10 a) – dies möglich. Mit einer Software, welche mathematisch der Motorsteuersoftware ähnelt, lassen sich aus den linear gemessenen Kräften in den Distraktoren die Belastungen des Fixateurs in allen räumlichen Freiheitsgraden, d. h. insbesondere auch Torsion, Scherkräfte und Achsabkippungen, messen. Ein solches System wurde als Prototyp an 9 Patienten eingesetzt. Die Messung der Fixateurbelastung erwies sich zum Monitoring der Frakturheilung als gut geeignet, typische Verläufe von 2 der 9 Patienten sind in Abb. 10 b dargestellt.

Abb. 10
figure 10

Messung der Fixateurbelastung mit 6 in Reihe mit den Distraktoren angeordneten linearen Kraftsensoren (a), Beispielkurven für gemessene Biegebelastung im Fixateur während der Frakturheilung (b)

Abb. 11
figure 11

Anordnung zur automatischen Steuerung einer konstanten Kompressionskraft im Frakturspalt im Labor (a), Detailansicht (b)

Automatisierung – „intelligenter“ Fixateur

Der nächste Entwicklungsschritt ist ein mit eigener Computerintelligenz ausgestatteter Fixateur, welcher die automatische Steuerung, z. B. der Korrektur über einen längeren Zeitraum, vorsieht. Es wird hiermit insbesondere möglich sein, auch die Kraftmessung zur Steuerung der Motoren einzusetzen.

Eine typische Möglichkeit zeigt Abb. 11: In einem Versuchsaufbau wurde eine Steuerung erprobt, welche in einem simulierten Frakturspalt eine konstante Kompression erreicht. Eine solche Anordnung am Patienten könnte z. B. bei einer Resorption im Frakturspalt durch Nachregelung wieder eine konstante leichte Kompression herstellen. Hierdurch ist eine sicherere und schnellere Heilung zu erwarten.

Ein elektronisch kontrolliertes „intelligentes“ Fixateur-externe-System wird die Messung des Fortgangs der Frakturheilung ermöglichen, insbesondere ein frühzeitiges Erkennen einer verzögerten Heilung oder Pseudarthrose. Darüber hinaus erlaubt es die Steuerung der Patientenaktivität und -belastung mit einem Display oder über Sprachanweisungen. Eine telemetrische Kontrolle („Bluetooth-Handy“) ist mit der heutigen Technologie ebenfalls realisierbar. Die zukünftige Fixateuranordnung wird dann eine aktive Einstellung einer vorgegebenen optimalen Last auf den Frakturspalt („automatische Dynamisierung“), eine aktive automatische Frakturreposition oder eine automatische optimierte Kallusdistraktion ermöglichen.