Hintergrund

Seit dem Jahr 2004 werden in Deutschland die Kosten der stationär behandelten Patienten der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungen über ein diagnosebezogenes Fallpauschalensystem (German diagnosis related groups, G-DRG) abgerechnet. Hierunter fallen alle Kosten der abgebildeten Krankheitsbilder in Bezug auf die geleisteten Therapien (Prozeduren). Erlös abbildend sind bei diesem System nicht nur die Haupt-, sondern auch die Nebendiagnosen, welche mitunter die Erlöse steigern können, wenn sie den Behandlungsablauf maßgeblich beeinflussen.

Komplexe Erkrankungen wie die Osteitis werden nicht als Komplexerkrankung, sondern als Summe der Diagnosen und Prozeduren vergütet. Liegedauern werden bei diesem System nur marginal mit einbezogen. So gibt es Abzüge bei unterdurchschnittlichen Liegezeiten (so genannte „Kurzlieger“) und Aufschläge bei längeren Liegezeiten über dem Durchschnitt.

Erlösberechnung

Die Berechnung der Erlöse erfolgt nach einem multifaktoriellen Eingruppierungssystem. So spielen Geschlecht, Alter, Haupt- und Nebendiagnosen sowie die durchgeführten Prozeduren eine maßgebliche Rolle zur Einteilung des Einzelfalls in die so genannte DRG-Verschlüsselung. Diesem Kode wird ein ökonomischer Schweregrad zugeordnet, das Relativgewicht. Die Summe der Relativgewichte innerhalb eines Zeitraums ergibt den Casemix, welcher geteilt durch die Anzahl der Fälle den Casemixindex ergibt. Die Fallpauschale bzw. der Basisfallwert werden anhand des DRG-Budgets geteilt durch den Casemix ermittelt, und auf diese Weise wird der Geldwert für die einzelnen DRG-Fälle festgelegt.

Funktion der DRG

Das politische Ziel der DRG sind eine Vereinheitlichung von Leistungen und v. a. die Verkürzung der Liegedauern. Da die Fälle unabhängig von der Liegezeit vergolten werden, kann der Tagespflegesatz nur durch eine Verkürzung der Liegezeiten (Stichwort „blutige Entlassung“) erhöht werden. Langfristig erhoffen sich die politischen Verbände somit einen Abbau von vermuteten Überkapazitäten und eine Verringerung der Kostensteigerung im Gesundheitswesen.

Komplexbehandlung Osteitis

In Bezug auf die Behandlung der Osteitis sehen wir unter DRG-Gesichtspunkten mehrere Probleme:

Kosten

Es gibt es bundesweit keine gesicherten Jahresdurchschnittszahlen an Osteitispatienten. Häufig handelt es sich um chronifizierte Fälle mit multiplen stationären Aufenthalten und operativen Maßnahmen. So berechnete Nast-Kolb [2] einen finanziellen Aufwand von etwa 30.000 EUR pro Osteitisfall.

Am Beispiel der Sektion für Septische Chirurgie der BG-Unfallklinik Duisburg mit 32 Betten und 8200 Pflegetagen konnten wir eine ungefähre Kostenanalyse unserer 221 DRG-Fälle im Jahr 2007 errechnen. Der Großteil der übrigen Fälle wurde durch den gesetzlichen Unfallversicherungsträger bezahlt. Wir ermittelten eine Kostensumme der medizinischen und nichtmedizinischen Leistungen von etwa 11.300 EUR, einen effektiven Casemix von 4,05 sowie einen Basisfallwert von rund 2513 EUR und daraus einen Erlös von 10.180 EUR, was einem Erlösdefizit von etwa 1120 EUR/Fall entspricht.

Möglichkeiten zur Reduktion des Erlösdefizits

Um das erwähnte Erlösdefizit der einzelnen Fälle zu reduzieren, gibt es mehrere Möglichkeiten: die Kodierqualität zu steigern und die Liegedauern zu verkürzen, um somit einen höheren Tagespflegesatz aus der Pauschale zu erwirtschaften, und die Fallzahlen zu erhöhen.

Liegedauerverkürzung

Eine Verkürzung der Verweildauern stellt die Behandler vor neue Probleme: Konzepte müssen entwickelt werden, um komplexe Therapien und Weichteilmanagement ambulant zu ermöglichen. Nicht selten zeigen sich hierbei jedoch Rückschläge des Therapieerfolgs aufgrund der ambulanten Budgetierung und der häufig nicht stringenten Nachsorge durch ambulante Behandler.

Auch die individuellen sozialen Probleme bleiben bei der Verkürzung der Liegedauern unberücksichtigt. Alleinstehende oder ältere Patienten sind heutzutage häufig nicht mehr im sozialen Kontext der Familie eingebunden und werden nicht nur mit ihrem medizinischen, sondern auch psychosozialen Krankheitsbild allein gelassen.

Auch der richtige Zeitpunkt zur Wiederaufnahme, um Folgetherapien durchzuführen, wird im Rahmen der ambulanten Nachsorge nicht selten verpasst. Bleibt ein Patient aufgrund der Summe dieser Nachteile länger in der stationären Behandlung, erfolgen langwierige schriftliche und persönliche Stellungnahmen mit dem medizinischen Dienst der Krankenkassen, um die längere Liegezeit über die obere Grenzverweildauer hinaus zu begründen.

Kodierqualität

Sie sollte im Rahmen der DRG-Kodierung auf ein Maximum zu gesteigert werden. Gerade weil eine Komplex-DRG „Osteitis“ fehlt und keine Sonderentgelte für die aufwändige Therapie der Osteitispatienten existieren, muss auf eine genaue Abbildung der Diagnosen mit den relevanten Nebendiagnosen geachtet werden. Vor allem zunächst gering geschätzte Diagnosezusätze wie die genaue Klassifizierung eines Keims, führen zu einer nicht unerheblichen Steigerung des Erlöses und einer Verlängerung der mittleren Verweildauer (Abb. 1). Im Gegensatz dazu kann trotz ausführlicher DRG-Dokumentation der Fall eintreten, dass eine Erlössteigerung trotz richtiger Kodierung aller Prozeduren und Diagnosen nicht eintritt (Abb. 2). Nichtsdestotrotz sollte bei jeder Kodierung über den eingebauten Grouper überprüft werden, ob eine Erlössteigerung durch verbesserte Kodierung erzielt werden kann.

Auch im Hinblick auf zukünftige Budgetverhandlungen ist es wichtig, alle Diagnosen und Prozeduren im Detail zu verschlüsseln, um Argumentationshilfen zu Sonderentgelten und ggf. zusätzlichen Fallpauschalen sowie zur Bildung einer Komplex-DRG „Osteitis“ zu erhalten.

Abb. 1
figure 1

a Patient ohne wesentliche Begleiterkrankungen, kein Keim verschlüsselt, keine Erfassung der Vakuumversiegelung, b deutliche Steigerung von Erlös und mittlerer Verweildauer nach korrekter Erfassung des Keims und detaillierter Erfassung der Prozeduren

Abb. 2
figure 2

a Nur ungenaue Erfassung von Nebendiagnosen und Prozeduren, b trotz detaillierter Kodierung keine Erlössteigerung!

Fazit

Die Komplexbehandlung der Osteitis, sei sie akut oder chronisch, wird im DRG-System nicht zutreffend abgebildet. Eine dem Aufwand gerechte Kostenerstattung kann nur durch eine detaillierte DRG-Verschlüsselung erflogen. Hierbei sind jedoch die mittleren Verweildauern zu beachten, um die Tagestherapiekosten neutral für die stationären Behandler zu halten. Bei der jetzigen Vergütungsform ist häufig eine Verkürzung des stationären Aufenthalts notwendig, um nicht defizitär zu behandeln. Dies ist mit vielfachen Nachteilen für die meist chronischen Patienten (budgetierte ambulante Versorgung, verspätete Wiederaufnahme der Folgetherapien, Vernachlässigung der psychosozialen Situation) verbunden. Insgesamt sind für die Vergütungsstruktur eine Komplex-DRG „Osteitis“ zu fordern oder entsprechende Sonderentgelte durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung einzurichten.