Die akute Osteitis ist eine schwerwiegende Komplikation der Unfallchirurgie und Orthopädie. Es handelt sich um eine bakterielle Infektion oder Besiedelung nach offenen Brüchen oder nach operativer Versorgung von Knochenbrüchen.

Inzidenz

Die Häufigkeit der akuten Osteitis wird in der Literatur

  • für Elektiveingriffe mit 0,1–1,7%,

  • für die Versorgung von geschlossenen Frakturen mit 1–8,1% [2, 11] sowie

  • für die Versorgung von offenen Frakturen verschiedener Schweregrade mit 2,7–43% [3, 7, 9]

angegeben. Es ist von mindestens 1000 neuen Erkrankungsfällen im Jahr auszugehen [8], bei zunehmender Alterung der Bevölkerung und damit zunehmenden Komorbiditäten ist die Zahl weitaus höher anzusetzen.

Definitionen

Eine Knocheninfektion innerhalb der ersten 4 Wochen nach einem Trauma oder operativer Versorgung ist als akute Osteitis zu klassifizieren. Knochenentzündungen, die nach 4 Wochen auftreten, werden als chronische Osteitis bezeichnet. Diese Unterscheidung ist uneinheitlich, bei den Infektionen der Endoprothesen wird die Grenze ebenfalls 4 Wochen postoperativ gezogen [13]. Zu diesem Zeitpunkt ist die Biofilmbildung noch nicht abgeschlossen.

Pathogenese

Die Entstehung der posttraumatischen und postoperativen akuten Osteitis wird maßgeblich durch die Anzahl und die Virulenz der Erreger sowie das Ausmaß des Wirtsschadens bestimmt. Entscheidend sind die lokale Keimkontamination und eine Minderung der lokalen und systemischen Immunabwehr. Wenn die Keimeinschleppung ausreichend massiv und die Infektabwehr ausreichend gestört sind, kommt es zum Zusammenbruch der Infektabwehr und zur rapiden Keimvermehrung.

Ursachen

Eine massive Keiminokulation kann durch das Trauma selbst entstehen, z. B. bei offenen Frakturen mit oder ohne begleitenden Gewebeverlust. Der Weichteil- und Knochenschaden und die damit verbundene Störung der Durchblutung von Weichteilen und Knochen stellen einen günstigen Nährboden durch nekrotische Weichteile, herausgelöste Fragmente und Hämatome für die Ansiedelung und Vermehrung von Keimen dar. Durch die beschriebene Schädigung kann die Infektion leicht auf Periost, Kortikalis und Markraum übergreifen.

Weitere, die Ausbildungen einer akuten Infektion begünstigende exogene Faktoren sind eine falsche Operationsindikation, eine traumatisierende Operationstechnik, der falsch gewählte Operationszeitpunkt nach dem Trauma und ein möglicherweise falsch gewähltes Implantat.

Die lokale und systemische Immunkompetenz ist durch Risikofaktoren wie Lebensalter über 65 Jahre, Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, Adipositas, Nikotin- und Alkoholabusus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert. Weiterhin tritt eine akute posttraumatische Osteitis vermehrt bei Patienten mit Immunschwächen oder Medikation mit Immunsuppressiva sowie bei Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, mit konsumierenden Erkrankungen oder mit Strahlenschäden auf.

Die lokale Immunkompetenz des Körpers ist durch die Anwesenheit von Implantaten herabgesetzt, nach deren Einbringen steigt die Gefahr der Keimbesiedlung und der resultierenden Infektionen. Implantatfreie Knochen benötigen 100×108 Keime zur Entstehung einer Infektion, bei Knochen mit Implantaten reichen 105 Keime aus [15]. Durch das einliegende Implantat kommt es zu einer Reduktion der Phagozytosefähigkeit der körpereigenen Abwehrzellen.

Besiedelung durch Bakterien

Bei einer Keimbesiedlung binden sich die Bakterien über Adhäsine an das Implantat. Sie bilden dort durch einen bis zu 40 µm dicken Biofilm [4, 6, 10] gesicherte Kolonien. Der Biofilm bietet Schutz vor Antikörpern und Phagozytose. Anfänglich erfolgt die Besiedelung in einer planktonischen Form, d. h. es liegen eine hohe Stoffwechselrate und eine rasche Vermehrung der Bakterien vor. Die Abwehrreaktion des Körpers wird ausgelöst, es entstehen die typischen klinischen Symptome. In dieser Phase sind die Keime gegenüber Antibiotika sensibel.

In der sessilen Phase verlangsamen sich die biologischen Reaktionen, die Reproduktionsrate ist deutlich reduziert. Durch den Schutz des gebildeten Biofilms sind die Keime teilweise um den Faktor 1000 unempfindlicher gegenüber Antibiotika. Unter dem Schutz des Biofilm können die Bakterien Informationen wie Resistenzen austauschen und weitergeben [5, 12]. In dieser Phase entziehen sich die Keime der körpereigenen Abwehr.

Ein bakteriell besiedeltes Implantat kann nach der Biofilmbildung nicht mehr in einen keimfreien Zustand gebracht werden, ein Erhalt der Osteosynthese ist dann nicht mehr möglich. Aufgrund der dargestellten Pathophysiologie ist die Grenze zwischen akuter und chronischer Knocheninfektion bei 4 Wochen festzulegen.

Diagnose

Bei der Diagnostik der akuten posttraumatischen Osteitis steht der klinische Befund im Vordergrund. Klinische Leitsymptome der akuten sind im Gegensatz zur chronischen Osteitis die klassischen Infektzeichen (Rubor, Calor, Dolor, Functio laesa, Abb. 1). Laborchemisch deuten der fehlende Rückgang oder der erneute Anstieg der Entzündungsparameter (Leukozyten, Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein) auf eine frühe Infektion hin. Bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT und die 3-Phasen-Skelettszintigraphie bringen keine weitere Information und sind bei der Diagnosestellung der akuten posttraumatischen Osteitis nicht zielführend. So zeigt die konventionelle Röntgenaufnahme frühestens nach 3–4 Wochen periostale Reaktionen, Osteolysen oder Resorptionszonen. Bei der Diagnosestellung handelt es sich somit um eine rein klinische Diagnose. Die geeignete Vordiagnostik ist klinisch die regelmäßige Wundkontrolle nach operativer Versorgung.

Bei Verdacht auf einer Frühinfektion ist eine Diagnose zu erzwingen. Der klinische Verdacht auf eine Frühinfektion nach Osteosynthese stellt eine dringliche, nicht aufschiebbare Indikation zur Revisionsoperation da. Die notwendige radikale chirurgische Revision hat frühzeitig zu erfolgen.

Ein fehlender Keimnachweis bei möglicherweise vorliegendem Defekt oder Sekretion aus einer Wunde schließt eine Frühinfektion nicht aus, da eine solche aufgrund einer vorausgehenden Antibiotikatherapie trotz negativem Keimnachweises vorliegen kann.

Die Entnahme von Material zur bakteriologischen Untersuchung hat korrekt zu erfolgen, Abwisch- oder Abtupfpräparate erbringen seltener einen Keimnachweis als Gewebeproben. Es ist eine Gewebeprobe oder ein Abradat einzusenden [1, 14, 16]. Es sollten keine bakteriologischen Abstriche aus Eiter genommen werden, da dieser häufig steril ist.

Therapie

Entscheidend bei der Behandlung der akuten Osteitis ist die frühzeitige radikale chirurgische Revision. Behandlungsziel ist die dauerhafte Infektberuhigung des Knochens und des häufig mitbeteiligten, den Knochen umgebenden Weichteilgewebes bei Stabilität.

Das operative Vorgehen ist abhängig vom Befund, der Lokalisation der Infektion, der Stabilität des Knochens und den individuellen Begleiterkrankungen.

Die alte Narbe sollte eröffnet und als operativer Zugang verwendet werden. Eine ggf. bestehende Fistel ist auszuschneiden. Ein Débridement der umgebenden, häufig mitbeteiligten Hautweichteile ist unerlässlich. Sämtliche entzündlich veränderten Weichteilgewebeanteile werden entfernt. Bei minimalinvasiv eingebrachten Implantaten müssen auch die zwischen den beiden Inzisionen gelegene Hautbrücke eröffnet und das darunter liegende Gewebe radikal débridiert werden.

Bei Stabilität sollte versucht werden, die Osteosynthese zu erhalten. Das Plattenlager muss in diesem Fall gründlich gesäubert werden. Häufig ist es dazu notwendig, die Platte zu lösen und das knöcherne Plattenlager zu débridieren. Bei avitalen Fragmenten unter der einliegenden Osteosyntheseplatte infolge gestörter Durchblutung kann ein ungestörter Heilverlauf mit dauerhafter Infektberuhigung nicht erwartet werden, deswegen müssen diese Knochenanteile radikal entfernt werden. Auf den Knochen kann ein Antibiotikum abgebendes Vlies (Gentacoll®, Septocoll®) aufgelegt werden. Die Osteosyntheseplatte wird anschließend reimplantiert, sodass das Antibiotikavlies zwischen Knochen und Platte liegt.

Bei gelenknahen Frakturen, z. B. Außenknöchelfraktur, sollte immer eine Arthrotomie des angrenzenden Gelenks erfolgen. Nach Revision desselben und Ausschluss eines akuten Empyems müssen eine Lavage des Gelenks erfolgen und ein lokaler Antibiotikumträger (s. oben) intraartikulär eingelegt werden (Abb. 2).

Ist aufgrund von Instabilität, ausgeprägten Infektionen, ausgedehnten begleitenden Hautweichteildefekten oder bekannter Begleiterkrankung der Erhalt der Ostesynthese nicht möglich, muss das einliegende Osteosynthesematerial entfernt werden. Die Stabilisierung hat dann durch einen Fixateur externe zu erfolgen. Lokal ist eine radikale Sequestrektomie notwendig, anschließend wird ein Antibiotikumträger (Septopal®, Gentacoll®, Septocoll®) eingelegt.

Frühinfektionen nach Marknagelosteosynthesen erlauben keinen Erhaltungsversuch. Die Wunden sind zu eröffnen und zu débridieren, die einliegenden Marknägel müssen explantiert werden. Nach Markraumaufbohrung und Einlage von lokalen Antibiotikumträgern in denselben muss die Fraktur über einen Fixateur externe stabilisiert werden.

Sowohl beim Erhaltungsversuch als auch bei der Explantation des Osteosynthesematerials ist postoperativ eine kurzzeitige systemische Antibiose (7–10 Tage) durchzuführen.

Bestehen bei akuten posttraumatischen Osteitiden größere Hautweichteildefekte, sind diese in einem 2. operativen Schritt zu decken, entweder durch lokale plastische Maßnahmen oder durch freie Lappenplastiken. Die endgültige Weichteildeckung hat frühzeitig und stabil zu erfolgen.

Ein möglicherweise resultierender Knochendefekt nach radikaler Sequestrektomie wird nach Infektberuhigung durch Spongiosaplastik oder, bei zirkulären Defekt über 3 cm, durch Segmenttransport aufgebaut.

Parallel zu den oben genannten Maßnahmen wird ein umfassendes Rehabilitationsprogramm mit Physio-, Ergo-, Sport- sowie Gehschultherapie durchgeführt.

Abb. 1
figure 1

Klinisches Bild einer akuten Osteitis nach minimalinvasiv durchgeführter Osteosynthese

Abb. 2
figure 2

Außenknöchelfraktur, a,b Röntgenbild nach primärer Versorgung bei klinisch akuter Osteitis, c,d Röntgenkontrolle nach Débridement des Plattenlagers, Arthrotomie, Reimplantation der Osteosyntheseplatte und Septopal®-Einlage, e,f Röntgenbild nach Septopal®-Entfernung, knöcherner Durchbau der Fraktur bei dauerhafter Infektberuhigung