Die erfolgreiche Übertragung rekombinanter Gene in Synovialzellen hat bereits zu ersten klinischen Studien bei Patienten mit rheumatoider Arthritis geführt [8]. Die Idee, einen fokalen Gelenkknorpeldefekt durch Gentherapie zu behandeln, muss sich jedoch noch beweisen. Obwohl das Konzept einer genbasierten Therapie von Gelenkknorpeldefekten elegant erscheint, zeigt die gegenwärtige Forschung, dass die erfolgreiche Durchführung von Techniken des Gentransfers in vivo und ex vivo bei Knorpeldefekten nur durch eine Anpassung an die intraartikuläre Situation möglich ist. Insbesondere ist die Kenntnis der zugrunde liegenden Mechanismen der Gelenkknorpelreparatur und der daraus resultierenden klinischen Konsequenzen erforderlich.

Biologie der Gelenkknorpelreparatur

Der Gelenkknorpel gewährleistet ein reibungsloses Gleiten der artikulierenden Oberflächen. Seine strukturelle Unversehrtheit ist eine wesentliche Voraussetzung zur Herstellung optimaler biomechanischer Verhältnisse für die alltäglichen Beanspruchungen der Gelenke.

Diese strukturelle Unversehrtheit des Knorpels kann als Folge eines direkten Traumas gestört werden. Osteochondrale Defekte, die in den subchondralen Knochen reichen, werden spontan mit einem Blutgerinnsel gefüllt, welches pluripotente Vorläuferzellen enthält. Wegen der fehlenden Blutgefäßversorgung ist der Zugang zu Vorläuferzellen im Bereich einer chondralen Verletzung jedoch sehr begrenzt. Bei der Gelenkknorpelreparatur entsteht ein Gewebe, das strukturelle Ähnlichkeiten mit hyalinem Gelenkknorpel hat. Demgegenüber wird Gelenkknorpelregeneration als die Wiederherstellung des Knorpels im Bereich des Defekts definiert, welcher dann nicht mehr vom benachbarten, unbeschädigten Gelenkknorpel zu unterscheiden ist. Knorpelregeneration tritt jedoch bei Erwachsenen für beide Arten von Defekten nicht spontan auf. Außerdem konnten weder mit konservativen noch mit operativen Behandlungsverfahren komplette und lang andauernde Knorpelregenerationen erreicht werden.

Orthopädische Chirurgen und Unfallchirurgen verwenden verschiedene Techniken, um Knorpeldefekte zu behandeln. Diese reichen von der konservativen Behandlung mit einer kontinuierlichen passiven Bewegung des Gelenks [27] bis hin zu verschiedenen chirurgischen Eingriffen wie markraumeröffnende Verfahren (Pridie-Bohrung, Mikrofrakturierung), autologe osteochondrale Transplantate oder die Transplantation von Chondrozyten. Jedoch führen auch derart elaborierte Verfahren nicht vorhersagbar zu einem Reparaturgewebe, das in seiner Struktur identisch mit dem normalen Knorpel ist und den physiologischen mechanischen Belastungen standhält [5]. Die Regeneration des hyalinen Gelenkknorpels bleibt daher weiterhin eine der größten Herausforderungen für Gelenkchirurgen [5, 11, 28].

Wachstumsfaktoren als therapeutische Kandidaten

Da die Knorpelreparatur Ähnlichkeiten mit der embryonalen Chondrogenese hat, werden Strategien zur Steigerung der Chondrogeneseaktivität angestrebt. Wichtige Eigenschaften sind:

  • die Zellularität des Reparaturgewebes,

  • die Differenzierung der mesenchymalen Zellen in Chondrozyten sowie

  • die Produktion und Aufrechterhaltung der Knorpelmatrix, die reich an Typ-II-Kollagen und Proteoglykanen ist.

Idealerweise sollten die therapeutischen Ansätze imstande sein, die Chondrogenese zu induzieren und die Zellproliferation mit Reifung und Matrixsynthese anzuregen. Wachstumsfaktoren wurden bereits vor einiger Zeit als wichtige Anwärter zur Unterstützung dieser Mechanismen erkannt [32]. Sie agieren über ihre spezifischen membrangebundenen Rezeptoren und wirken aufeinander ein, um ihre jeweiligen Tätigkeiten zu modulieren. Da es sich bei ihnen meist um Polypeptide handelt, vermindert ihre kurze pharmakologische Halbwertszeit ihre therapeutische Wirksamkeit [26]. So hat FGF-2 („fibroblast growth factor-2“, Fibroblastenwachstumsfaktor 2) eine Plasmahalbwertszeit von weniger als 1 h und ist bereits einige Minuten nach seiner intraartikulären Injektion abgebaut [30]. Wachstumsfaktoren zur Förderung der Chondrogenese sind:

  • Mitglieder der TGF-β-Gruppe („transforming growth factor β“), wie BMP-2 („bone morphogenetic protein 2“) [29] oder BMP-7 [2],

  • Mitglieder der Familie des Fibroblastenwachstumsfaktors wie FGF-2 [16] und

  • der Wachstums- und Differenzierungsfaktor 5 („growth/differentiation factor 5“, GDF-5) [14].

Die Zellproliferation wird u. a. angeregt von:

  • FGF-2 [34] und

  • insulinartigem Wachstumsfaktor I („insulin-like growth factor I“, IGF-I) [31].

Besonders wirksame Kandidaten zur Anregung der Matrixsynthese sind

  • IGF-I [33],

  • BMP-2 und

  • BMP-7.

Andere Strategien basieren auf Transkriptionsfaktoren, welche die Expression der Gene direkt modulieren und in die Chondrogenese involviert sind, wie sox9 [4].

Zielzellen für den Gentransfer in Gelenkknorpeldefekten

Erfolgreiche Gentherapiestrategien für Knorpeldefekte hängen von der Effizienz der Bereitstellung therapeutischer Faktoren am beschädigten Knorpel ab. Im Allgemeinen ist es notwendig, therapeutische Dosen über einen ausgedehnten Zeitraum zu verabreichen, um andauernde chondrogene Antworten zu erzielen.

Abb. 1
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Transfer therapeutischer Gene in umschriebene Gelenkknorpeldefekte, a intraartikuläre Injektion eines Genvehikels (ohne Arthrotomie), b Arthrotomie und direkte Verabreichung der Genvektoren in den Gelenkknorpeldefekt, c Arthrotomie und Transplantation von ex vivo genetisch modifizierten Zellen in den Defekt

Zielzellen für die Genübertragung sind:

  • Vorläuferzellen aus dem Knochenmark, die entweder spontan oder nach markraumeröffnenden Verfahren den Defekt füllen, sowie

  • differenzierte Chondrozyten, die in den Defekt transplantiert werden.

Das größte Hindernis in der Entwicklung von effizienten Gentransferprotokollen bezüglich Gelenkknorpelschädigungen sind die bis heute eingeschränkte Zugänglichkeit der Defekte und der Mangel an Genvehikeln, die zur Transduktion der Chondrozyten innerhalb ihrer Matrix fähig sind. Im letzten Jahrzehnt wurden bedeutende Fortschritte in einigen Bereichen erzielt. Die folgenden experimentellen Ansätze werden zurzeit eingesetzt, um Gene in Gelenkknorpeldefekte zu transferieren (Abb. 1):

  1. 1.

    Injektion eines Genvehikels oder genetisch modifizierter Zellen in den Gelenkspalt ohne Arthrotomie

  2. 2.

    Arthrotomie mit Transplantation von ex vivo genetisch modifizierten Zellen in die fokalen Gelenkknorpeldefekte

  3. 3.

    Arthrotomie mit direkter Verabreichung von Genvektoren in den fokalen Gelenkknorpeldefekt

Injektion ohne Arthrotomie

Die intraartikuläre Injektion von Genvektoren ist historisch gesehen die erste angewendete Methode, da sie ein technisch einfaches Verfahren darstellt. Diese Strategie ist jedoch nicht sehr präzise, denn der therapeutische Vektor gelangt oft gar nicht in die Nähe des fokalen Knorpelschadens, sondern wird meist durch Synovialzellen aufgenommen. Prinzipiell können nur Gene angewendet werden, die bei Überexpression keine schädliche Wirkung innerhalb des Gelenkspalts entfalten. Daher mag eine intraartikuläre Vektorinjektion eher bei der rheumatoiden Arthritis oder Arthrose indiziert sein.

Arthrotomie mit Transplantation ex vivo modifizierter Zellen

Mit der direkte Transplantation genetisch modifizierter Zellen ex vivo in einen lokalisierten Gelenkknorpeldefekt sollten therapeutische Gene präziser an den Ort einer Knorpelverletzung gebracht werden als mit der intraartikulären Injektion von Genvektoren möglich.

Kang et al. [17] transplantierten erstmals genetisch modifizierte Zellen in vivo in einen Gelenkknorpeldefekt. In ihrer Studie wurden Chondrozyten mit einem retroviralen Vektor transduziert und in Fibringel eingebettet [17].

In anderen Studien wurden nichtvirale [21, 35], adenovirale [3, 15, 25], retrovirale [1, 13, 17, 23, 24] und rekombinante adeno-assoziierte virale (rAAV) Vektoren [19] verwendet. Obwohl hauptsächlich Chondrozyten transplantiert werden [3, 12, 15, 17, 21, 24, 35], verwendeten einige Forscher auch autologe Knochenmarkaspirate [25] sowie perichondrale, periostale Zellen [10] und Muskelzellen.

Chondrozyten, transfiziert mit einem IGF-I exprimierenden Plasmidvektor, wurden in Alginatsphären verkapselt und in osteochondrale Knorpeldefekte transplantiert [22]. Bei beiden Gruppen, 3 und 14 Wochen postoperativ, waren die gesamte Gelenkknorpelreparatur und die Bildung des neuen subchondralen Knochens gegenüber Kontrollen erhöht [22].

Die Effekte einer FGF-2-Überexpression wurden in einem ähnlichen Modell studiert. Bei transfizierten Chondrozyten in Alginatsphäroiden [18] verbesserte FGF-2 die Zellmorphologie und die Architektur des neuen Gewebes und führte zu einer erheblichen Zunahme der gesamten Gelenkknorpelreparatur nach 3 und 14 Wochen in vivo. Nach 14 Wochen erhielt man einen niedrigen Punktwert für die Bewertung der Oberfläche des neuen Gewebes und der Tidemark, was Hinweise auf den beginnenden Abbau des Reparaturgewebes in vivo gibt. Chondrozyten, die mit rAAV transduziert wurden und FGF-2 überexprimierten, zeigten eine ähnliche Verbesserung der Knorpelreparatur nach 12 Wochen [36].

Positive Effekte durch BMP-2 und IGF-I wurden erzielt, als perichondrale Zellen mit adenoviralen Vektoren transduziert und in chondrale Läsionen von Ratten appliziert wurden [9]. Defekte, die BMP-2 überexprimierende Zellen erhalten hatten, wiesen im Vergleich zu Zellen, denen IGF-I beigegeben worden war, eine höhere Zelldichte und einen höheren Proteoglykangehalt auf. Allerdings wurden nach Behandlung mit BMP-2 auch eine Osteophytenbildung und übermäßiges Wachstum des neu gebildeten Gelenkknorpels beobachtet. IGF-I-Überexpression führte zu keiner nachteiligen Folgeerscheinung [9].

Der nächste Schritt war, die soeben beschriebenen Strategien in einem großen Tiermodell in einem klinisch relevanten Rahmen zu prüfen. Hidaka et al. [12] setzten erstmals Pferde für solche ex vivo Projekte ein. Allogene Chondrozyten, transduziert mit einem adenoviralen Vektor, der BMP-7 beinhaltet, wurden durch Arthroskopie in Gelenkknorpeldefekte implantiert. Biopsien, die nach 4 Wochen entnommen wurden, zeigten ein verbessertes Erscheinungsbild des Knorpels in den Defekten, die mit BMP-7 überexprimierenden Zellen behandelt worden waren. Nach 8 Monaten gab es jedoch keine strukturellen Unterschiede zwischen den Gruppen. Dies war die erste Studie, in der eine biomechanische Prüfung des Reparaturgewebes durchgeführt wurde, obwohl keine funktionellen Unterschiede zwischen den Gruppen ermittelt werden konnten. Solch eine Funktionsauswertung ist unerlässlich, da alle Knorpelreparaturverfahren an der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des Reparaturgewebes gemessen werden müssen.

Arthrotomie mit direkter Verabreichung von Genvektoren

Der direkte Transfer der Kandidatengene in den Gelenkknorpel blieb lange Zeit ein Problem, da Gentransfertechniken, die auf nichtviralen, adenoviralen und retroviralen Vektoren basieren, keine Transgenexpression im Gelenkknorpel erlauben. Seit kurzer Zeit werden rAAV-Vektoren erfolgreich eingesetzt, um Gene durch direkte Vektorverabreichung in die Gelenkknorpeldefekte einzubringen [7, 20]. Durch Applikation von rAAV-Vektoren mit einer FGF-2-Gensequenz direkt in Gelenkknorpeldefekte zeigte sich 4 Monate später die Knorpelreparatur signifikant verbessert [7].

Zusammenfassung und Ausblick

Die Regeneration des ursprünglichen hyalinen Knorpels bleibt die größte Herausforderung in der Gelenkchirurgie. Um dieses Ziel durch genbasierte Methoden zu erreichen, ist es entscheidend, die In- und Ex-vivo-Verfahren für den Gentransfer in Gelenkknorpeldefekte weiter zu verbessern.

Das Hauptproblem zurzeit ist die relativ kurze Expressionsdauer der Gene. Die Generierung von neuen Vektorkonstrukten, die zellspezifische oder regulierende Promotoren tragen, kann zur Verbesserung dieser Systeme beitragen. Zahlreiche Studien belegten, dass die Hauptaufgabe der transplantierten genetisch modifizierten Chondrozyten in der Produktion des therapeutischen Faktors liegt und nicht in der Repopulation des Defekts [12, 18, 22, 24]. Es stellt sich die Frage, welche Menge an therapeutischem Chondrozytenprodukt gebildet werden muss, um den Knorpel optimal zu regenerieren. Anstatt eine große Menge genetisch modifizierter Zellen in den Defekt einzubringen, um ihn aufzufüllen, könnte es ausreichend sein, die Genproduktsynthese auf einen sehr spezifischen Platz und einen geeigneten Wirkspiegel zu beschränken. Der therapeutische Wirkstoff, der durch diese Zellen bereitgestellt wird, kann sowohl die Freigabe anderer Wachstums- oder Transkriptionsfaktoren als auch die Expression ihrer Rezeptoren beeinflussen und so auf parakrine Weise fungieren, um die Zellen anzuregen, die spontan den Defekt füllen, und sie in ihrer Chondrogenese zu stimulieren. Die Idee einer Transplantation genetisch modifizierten, durch Tissue Engineering veränderten Knorpels ist für die Reparatur von chondralen Defekten besonders attraktiv, weil auf diese Weise ein vorgeformter Gewebeersatz gebildet wird, der einer erhöhten Chondrogenese unterworfen ist.

Die beachtliche technische Herausforderung bei diesen Ex-vivo-Strategien ist, die notwendigen Bestandteile (Zellen, Gene, bioresorbierbare Gerüstwerke, biologische Fixierung) in einen passenden Komplex zur Anwendung in einem klinischen Rahmen zu vereinen. Ebenso wichtig ist es, andere therapeutische Kandidaten zu prüfen, um den Prozess der Knorpelreparatur weiter verbessern zu können. Der entscheidende Beweis für die Anwendbarkeit dieser genbasierten Strategien zur Knorpelreparatur ist jedoch ihre Überprüfung in einem Großtiermodell, um einerseits eine klinisch relevante Situation zu erzeugen und andererseits diese Studien über einen hinreichend langen Beobachtungszeitraum durchzuführen [6]. Obwohl viel versprechende experimentelle Daten vorgelegt wurden, laufen derzeit keine Studien, in denen die Gentherapie fokaler Knorpeldefekte an Patienten angewendet wird.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Gentherapie als einzelnes Verfahren die bestehenden klinischen Methoden für die Wiederherstellung der Gelenkknorpelbeschädigung ersetzen wird. Eher könnten genbasierte Therapien als Erweiterung für die zurzeit angewendeten Techniken dienen, z. B. bei markraumeröffnenden Verfahren, dem Ersatz eines gerissenen vorderen Kreuzbandes, und/oder einer Achskorrektur, welche die auf das Gelenk wirkenden Kräfte umverteilt.