Das Konzept TraumaNetzwerkD der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat das Ziel, die Inhalte des Weissbuchs „Schwerverletztenversorgung“ der DGU flächendeckend in Deutschland umzusetzen, um damit eine qualitativ hochwertige Versorgung schwerverletzter Patienten auszubauen und auch unter Sicherung der Behandlungsqualität längerfristig sicherzustellen [2]. Es ist damit derzeit eines der größten und aufwändigsten Projekte der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und im europäischen bzw. internationalen Ausland ohne Vergleich.

Diese Initiative der DGU ist in den letzten Monaten auf ein sehr positives Interesse und großes Engagement unfallchirurgischer Kliniken gestoßen. Nach derzeitigem Stand (6/2008) haben sich etwa 48 regionale Traumanetzwerke mit 535 Kliniken gegründet und jeweils in z. T. bereits mehrfachen Treffen Absprachen zur Verbesserung der lokalen flächendeckenden Traumaversorgung entsprechend der Kriterien der DGU getroffen (Abb. 1).

Abb. 1
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Nach Stand Juni 2008 bestehende 48 regionale Traumanetzwerke mit 535 Kliniken

Zur Sicherung der Versorgungsqualität werden qualitätssichernde Maßnahmen der teilnehmenden Kliniken sowie des jeweiligen Traumanetzwerks im Rahmen eines strukturierten Zertifizierungsprozesses unter Einbindung einer Zertifizierungsgesellschaft (Fa. DIOcert, Braun-Melsungen) durchgeführt. Der Zertifizierungsprozess wird mit einem Audit der teilnehmenden Kliniken und des jeweiligen Traumanetzwerks abgeschlossen. Eine Rezertifizierung erfolgt nach 3 Jahren.

Im Folgenden sollen die Organisationsstruktur der Zertifizierung sowie aktuelle Fragen zur Umsetzung dargestellt werden. Näheres dazu ist auch im Internet (Infobox 1) zu finden.

Organigramm

Abb. 2
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Organigramm TraumaNetzwerkD

Die wissenschaftliche Begleitung und Konzeptgebung des Zertifizierungsprozesses wird durch den Arbeitskreis zur Umsetzung des Weissbuchs/TraumaNetzwerkD (AKUT) sichergestellt. AKUT ist direkt an den Vorstand der DGU angebunden und wird in wissenschaftlichen Belangen von der Sektion für Notfall-, Intensiv- und Schwerverletztenversorgung der DGU (NIS) beraten. Des Weiteren ist geplant, einen Beirat aus Vertretern der an der Schwerverletztenversorgung direkt und indirekt beteiligten Verbände (Rettungsdiensten, Kostenträgern usw.) als beratende Institution ins Leben zu rufen.

AKUT wird durch die Akademie der DGU GmbH (AUC), welche den Prozess der Zertifizierung in wirtschaftlichen und organisatorischen Belangen begleitet, unterstützt. Bei der Umsetzung sind von der AUC wiederum unterschiedliche Bereiche/Organisationen beauftragt, den regelhaften Ablauf der Zertifizierung zu gewährleisten (Abb. 2).

DIOcert

Die Zertifizierung vor Ort, im Sinne von Besuchen durch geschulte Auditoren, erfolgt durch die Fa. DIOcert, eine Tochter der Fa. Braun-Melsungen AG. Der Wechsel von der ursprünglich beteiligten Fa. NISzert zu DIOcert ist durch den Wechsel der das Zertifizierungsprojekt von Anfang an betreuenden Experten begründet. Alle vertraglichen Aspekte konnten dabei unter den gleichen Konditionen auf den neuen Partner übertragen werden.

AKUT-Geschäftsstelle

Um die Kliniken beim Prozess der Zertifizierung durchgehend beraten zu können (telefonische und webbasierte Hotline) und um sicherzugehen, dass relevante Aspekte bei der Entwicklung des Zertifizierungsprozesses in der Weiterentwicklung berücksichtigt werden, wurde eine AKUT-Geschäftsstelle ins Leben gerufen. Diese wird durch Herrn PD Dr. Kühne geleitet (Infobox 2).

Sie stellt gewissermaßen auch ein Verbindungsglied zwischen AKUT und den regionalen Traumanetzwerken dar. AKUT berät die Fa. DIOcert in medizinisch-fachlichen Aspekten des Zertifizierungsprozesses und führt die Auditorenschulung durch. Alle Anfragen bezüglich Traumanetzwerken sollten deshalb direkt an die Geschäftstelle AKUT gerichtet werden.

Institut für Notfallmedizin (INM)

Die Entwicklung und kontinuierliche Anpassung der Zertifizierungssoftware und Traumanetzwerkhomepage (Infobox 1) erfolgt durch das INM an der Ludwig-Maximilians-Universität München in direkter Abstimmung mit AKUT und der AUC GmbH.

TraumaRegisterQM der DGU

In der Sektion für Notfall-, Intensiv- und Schwerverletztenversorgung (NIS) der DGU wurde aus dem Traumaregister der DGU in deutlich reduzierter Form der Datensatz zum Qualitätsmanagement für das TraumaNetzwerkD entwickelt. Ein Arbeitskreis aus NIS betreut unter der Leitung von PD Dr. Lefering und Dr. Paffrath das TraumaRegisterQM DGU sowie das damit verbundene Bench-Marking und Feedbacksystem.

Gestaltung von Traumanetzwerken

Um den Prozess der Zertifizierung nicht unnötig zu komplizieren, ist es vorgesehen, dass jede Klinik nur in einem regionalen Traumanetzwerk angemeldet und dort zertifiziert wird. Gleichzeitig ist jedoch die Kooperation jeder Klinik bzw. regionalen oder überregionalen Traumazentrums in weiteren angrenzenden Traumanetzwerken möglich. So sind sekundäre Verlegungen bei Patienten ohne akute lebensbedrohlichen Behandlungssituation, beispielsweise zur definitiven Behandlung einer komplexen Beckenfraktur, gemäß bereits bestehender überregionaler Absprachen zwischen Kliniken von den Regelungen in einem Traumanetzwerk unberührt. Sie sollten jedoch in den Vereinbarungen der betroffenen Traumanetzwerke fixiert und strukturiert werden.

Entsprechend der bisherigen Erfahrung erscheint die bundeslandübergreifende Etablierung von Traumanetzwerken möglich zu sein. Dieses Vorgehen bietet sich in bestimmten Regionen aufgrund lokaler, geografischer Verbindungen an.

Beginn der Zertifizierungsbesuche

Die Zertifizierung ist nur in einem Verbund aus unfallchirurgischen Kliniken/Abteilungen einer definierten geografischen Region möglich. Um den Ablauf der Zertifizierung in einem regionalen Traumanetzwerk nicht durch einzelne Kliniken/Abteilungen zu verzögern, erhalten die Sprecher dieser Traumanetzwerke von der AKUT-Geschäftsstelle regelmäßig Nachricht, welche ihrer Kliniken die Zertifizierungsunterlagen eingereicht haben.

Die „Zertifizierungsbesuche“ (Vor-Ort-Audits) werden zeitnah nach der Einreichung der Checkliste „Selbsteinschätzung der Klinik“ begonnen und dies unabhängig davon, wie viele Krankenhäuser in einem Traumanetzwerk bereits die Teilnahmegebühren entrichtet haben. Es werden die Kliniken, die bezahlt haben und deren Checklisten geprüft sind, besucht und auditiert.

Bei erfolgreichem Audit erhalten die betreffenden Häuser eine „Bestätigung“, dass ihre Klinik den Anforderungen zur Behandlung von Schwerverletzten nach den Kriterien des Weissbuches der DGU entspricht. Damit soll dem Wunsch der Kliniken nach einer zeitnahen – zur Überweisung der Gebühren – Bearbeitung inklusive eines Audits entsprochen werden. Außerdem lässt sich die deutschlandweite Zertifizierung durch die Auditbesuche der DIOcert-Mitarbeiter kontinuierlich und damit praktikabler realisieren.

Um sicherzustellen, dass der Prozess der Traumanetzwerkbildung in einer Region weiter vorangetrieben wird, soll eine endgültige Zertifizierung der Kliniken erst nach Zertifizierung des gesamten Traumanetzwerks erfolgen. Ein erneuter Besuch ist dafür allerdings nicht mehr notwendig, zusätzliche Kosten entstehen dem Krankenhaus dadurch nicht.

Netzwerkgröße

Ein Traumanetzwerk muss eine eindeutige geografische/regionale Zuordnung haben, um den medizinischen Anforderungen und dem flächendeckenden Charakter gerecht zu werden. Die Mindestanforderungen an ein Traumanetzwerk sind:

  • ein überregionales Traumazentrum plus regionales Traumazentrum und Einrichtungen der Grund- und Regelversorgung

  • Alternativ kann, falls in der entsprechenden Region kein überregionales Traumazentrum vorhanden ist, das Netzwerk mit mindestens 2 regionalen Traumazentren in Kooperation mit einem überregionalem Traumazentrum eines anderen Traumanetzwerks (mit vertraglicher festgelegter Übernahmeregelung) gebildet werden.

  • Die zusätzliche Einbindung von mindestens 3 weiteren Kliniken (z. B. Einrichtungen der Basisversorgung) sollte vorhanden sein.

  • Ausnahmeregelungen werden in Abhängigkeit und nach Darstellung von besonderen Gründen (z. B. geografische Lage) nach Beratung im AKUT zusammen mit dem Moderator zugelassen.

  • Jedes Traumanetzwerk – einzeln oder zusammen mit weiteren Traumanetzwerken – muss Regelungen zur strukturierten Behandlung von Patienten mit speziellen Verletzungsmustern – Rückenmarkverletzte, Schwerbrandverletzte usw. (s. Weissbuch der DGU) – getroffen haben.

Damit wird einerseits den Vorgaben des Traumanetzwerkgedankens Rechnung getragen, und gleichzeitig können regionalen Besonderheiten berücksichtigt werden. Den Sprechern der jeweiligen Traumanetzwerke obliegt es, Fristen zur Teilnahme der einzelnen Kliniken zu stellen und ggf. die Zahl der ursprünglich geplanten teilnehmenden Kliniken anzupassen.

Zielpatienten im Traumanetzwerk

Um allen teilnehmenden Kliniken an einem regionalen Traumanetzwerk die Befürchtung vor einer zentralen und unidirektionalen Patientenakquisition durch regionale/überregionale Traumazentren zu nehmen, sollten klare Vereinbarungen getroffen werden. Dabei ist gemeinsam mit dem Rettungsdienst eindeutig festzuhalten, dass ausschließlich Patienten mit einer potenziellen Lebensbedrohung für Zu- und Weiterverlegungen im Traumanetzwerk berücksichtigt werden.

Allgemeine Empfehlungen

Von einigen Landessozialministerien, Krankenkassen und Landesverbänden der gesetzlichen Unfallversicherungen wurden mittlerweile positive und konstruktive Rückmeldungen zu dem TraumaNetzwerkD-Projekt gegeben. Auch verschiedene Fachgesellschaften haben ihre Mitwirkung mitgeteilt. Innerhalb der Kliniken und innerhalb des Netzwerks sollten insbesondere die Rettungsdienste, Notärzte und beteiligten Einrichtungen (z. B. Anästhesie, Neurochirurgie usw.) frühzeitig informiert und eingebunden werden.

Sobald Kenntnis darüber besteht, wie viele Kliniken eines Netzwerks tatsächlich die Vereinbarung unterschrieben haben und damit am Netzwerk teilnehmen, empfiehlt es sich, über den Moderator des jeweiligen Bundeslands eine Kontaktaufnahme mit der Landesärztekammer, dem Sozialministerium und den überregional für das Rettungswesen zuständigen Gremien aufzunehmen, um sie über den aktuellen Stand der Entwicklung zu informieren und ggf. Hinweise zur Anpassung aufzunehmen. Diese durchaus als sensibel einzustufenden Informationen sollten abgestuft und im Einvernehmen mit dem/den Moderatoren des jeweiligen Bundeslandes vorgenommen werden.

Informationsaustausch

Aktuelle Informationen, insbesondere Hinweise und Erfahrungen aus einzelnen Netzwerken, werden über die regelmäßig stattfindenden Treffen des AKUT gesammelt und auf der Homepage des TraumaNetzwerkesD DGU publiziert. Ein zeitnaher Austausch von Erfahrungen sollte über die Sprecher, die Moderatoren und AKUT wechselseitig erfolgen und so dem „lernenden System“ unseres Projekts zugute kommen.