Die Frage „Wann ist eine konservative bzw. operative Frakturbehandlung sinnvoll?“ ist im klinischen Alltag eines Traumatologen von zentraler Bedeutung. Im Folgenden möchte ich versuchen, Entscheidungshilfen bzw. -richtlinien für die Behandlung von Mittelfußfrakturen zu erstellen.

Verletzungsmechanismen

Allein der vorliegende Verletzungsmechanismus gibt oftmals schon entscheidende Hinweise, ob ein konservatives oder operatives Vorgehen indiziert ist. Als Verletzungsmechanismen, die eine Mittelfußfraktur verursachen können, sind die folgenden zu nennen:

  • das direkte Trauma, das von der einfachen, undislozierten Fraktur bis hin zur „crush injury“ führt,

  • der Inversions-Avulsions-Mechanismus, dessen Folgen von der einfachen Avulsion der Basis von MFK V bis hin zur Lisfranc-Luxationsfraktur reichen,

  • Überlastungen, die MFK-Frakturen zur Folge haben.

Wenn die Frage nach dem konservativen bzw. operativen Vorgehen beantwortet werden soll, müssen zunächst die entsprechenden Therapieziele definiert werden:

Ziel der Behandlung sollte eine schmerzfreie Belastungsfähigkeit des Fußes mit ungestörtem, physiologischem Gangbild sein. Dies sollte in einer sowohl für den Patienten als auch den Arzt akzeptablen – und das ist ein dehnbarer Begriff – Behandlungsdauer erreicht werden.

Innen-Außen-Quer-Regel

Um das Ziel der Belastungsfähigkeit zu erreichen, bedarf es auf der einen Seite der Integrität bestimmter anatomischer Strukturen und auf der anderen Seite einer Stabilität im Mittelfußbereich. Stichworte bezüglich der anatomischen Strukturen sind die mediale und laterale Fußsäule mit dem Fußlängsgewölbe und das Fußquergewölbe („skyline“). Voraussetzung für eine adäquate Stabilität im Mittelfußbereich ist die Integrität der Lisfranc-Gelenklinie. Wenn ich mir bei jeder Fraktur am Mittelfuß diese Eckpfeiler vergegenwärtige, kann ich bereits fast immer festlegen: konservatives oder operatives Behandlungsregime.

Ich nenne das für mich die „Innen-Außen-Quer-Regel“ (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Innen-Außen-Quer-Regel

Dabei bezieht sich innen auf die mediale Säule, außen auf die laterale Säule. Die Integrität bzw. Rekonstruktion dieser Säulen ist Voraussetzung für einen physiologischen Gang mit schmerzfreier Belastungsfähigkeit. Quer gibt es zwei Linien, welche sorgfältig betrachtet werden müssen. Eine Linie verläuft quer distal: Hierbei handelt es sich um die sog. Skyline, d. h. das Fußquergewölbe (Abb. 2). Eine frakturbedingte Veränderung des physiologischen Bogens kann unter anderem zu schmerzhaften Druckstellen und Ulzera führen (Abb. 3). Die Untersuchung des Bogens sollte – wenn immer möglich – im Vergleich zur Gegenseite erfolgen, da die Ausprägung des Bogens individuell unterschiedlich ist und sein Ausmaß oftmals im Laufe des Lebens, insbesondere bei vorbestehendem Knick-Senk-Fuß, abnimmt. Die andere verläuft quer proximal: Hierbei handelt es sich um die Lisfranc-Gelenklinie, die bei jeder Verletzung im Mittelfußbereich subtil untersucht werden muss, damit man nicht in eine falsche Behandlungsschiene gerät.

Abb. 2
figure 2

Skyline

Abb. 3
figure 3

Druckulzera über den Köpfchen MFK II–V

Behandlungsdauer

Ein weiterer Aspekt der Entscheidungsfindung „konservativ oder operativ“ ist die Behandlungsdauer. Diese sollte nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Im Behandlungskonzept muss dabei unbedingt berücksichtigt werden, dass lange Ruhigstellungen zu Muskelatrophien, Muskeldysbalancen, Störungen der Propriozeption und Knochenentkalkung führen können, die dem eigentlichen Behandlungsziel einer schmerzfreien Belastungsfähigkeit des Fußes mit ungestörtem physiologischem Gangbild entgegenstehen.

Anwendung der Innen-Außen-Quer-Regel

Die folgenden Abbildungen zeigen verschiedene Anwendungsbeispiele der Innen-Außen-Quer-Regel:

MFK-I-Fraktur

Ein Beispiel dieser Fraktur ist in Abb. 4 a–d gezeigt:

  • Innen: Die mediale Säule ist aufgrund einer Schaftfraktur von MFK I verkürzt und valgisiert

  • Außen: Die laterale Säule ist intakt

  • Quer distal: Skyline intakt

  • Quer proximal: Lisfranc steht

Eine Operationsindikation ist für die mediale Säule gegeben, da nur deren anatomische Rekonstruktion eine spätere schmerzfreie physiologische Belastbarkeit des Fußes erwarten lässt. Die operative Versorgung erfolgte in diesem Fall durch zwei gekreuzte K-Drähte. Biomechanisch sinnvoller wäre sicherlich eine Plattenosteosynthese gewesen, aber wahrscheinlich haben dies die Weichteile nicht zugelassen. Denn MFK-I-Frakturen treten aufgrund des im Vergleich zu den MFK II–V sehr starken kortikalen Knochens von MFK I meist nur bei hoher Gewalteinwirkung auf, meist einhergehend mit einem nicht unerheblichen Weichteilschaden.

Abb. 4
figure 4

a, b MFK-I-Fraktur; c, d Versorgung mit K-Drähten

MFK-I-Basisfraktur, intraartikulär mit Gelenkstufe sowie Lisfranc-Luxation

Eine Operationsindikation ist in dem in Abb. 5 gezeigten Beispiel aufgrund der intraartikulären Gelenkstufe gegeben:

  • Innen: Basisfraktur MFK I, intraartikulär mit Gelenkstufe

  • Außen: Die laterale Säule ist intakt

  • Quer distal: Skyline intakt

  • Quer proximal: Anhand der Bilder nicht zu beurteilen

Da eine solche Fraktur eigentlich nicht durch ein direktes Trauma hervorgerufen werden kann, sondern vielmehr ein Inversions-Avulsions-Mechanismus für die Verletzung postuliert werden muss, ist bei der klinischen Untersuchung bzw. intraoperativ ein besonderes Augenmerk auf die Lisfranc-Gelenklinie zu richten. Intraoperativ zeigte sich hier neben der Basisfraktur MFK I, welche mit 2 Schrauben versorgt wurde, eine Instabilität in der Lisfranc-Reihe, mit entsprechender temporärer Transfixation des MFK I gegen das Os cuneiforme mediale.

Abb. 5
figure 5

MFK-I-Basisfraktur, intraartikulär mit Gelenkstufe sowie Lisfranc-Luxation

„Rahmensprengung“

Die Sprengung eines gesamten Rahmens ist aus Abb. 6 ersichtlich:

  • Innen: Luxationsfraktur MFK I

  • Außen: Um mehr als Schaftbreite dislozierte MFK-V-Schaftfraktur mit Verkürzung und begleitenden Schaftfrakturen von MFK II–IV

  • Quer distal: Verbreiterung

  • Quer proximal: Luxation

Hier müssen die mediale und die laterale Säule rekonstruiert und die Lisfranc-Reihe stabilisiert werden. Mit Glück richten sich hierdurch die MFK II–IV ein – wenn nicht, müssen auch diese angegangen werden. Fast immer sind solche Verletzungen mit ausgedehnten Weichteilschäden verbunden, die oftmals komplexe plastisch-chirurgische Deckungen erforderlich machen.

Abb. 6
figure 6

„Rahmensprengung“

MFK-I-Fraktur, verkürzt und valgisiert, mit Halsfrakturen MFK II–IV

Die Abb. 7 a und b fokussieren auf die häufigen Frakturen der MFK II–IV.

  • Innen: MFK-I-Fraktur mit Verkürzung und Valgisierung. Eine Operationsindikation ist klar gegeben

  • Außen: Die laterale Säule ist intakt

  • Quer proximal: Anhand des Bildes nicht sicher zu beurteilen

  • Quer distal: Halsfrakturen MFK II–IV

Laut Literatur ist bei diesen Frakturen eine Operationsindikation ab einem Achsknick >10° bzw. einer Dislokation >3–4 mm gegeben [1]. Dies ist aber oftmals röntgenologisch nur schwer zu beurteilen. Die Entscheidung, ob operativ oder konservativ vorgegangen wird, richtet sich im Wesentlichen nach der Skyline-Aufnahme. Sinken die MF-Köpfe im Vergleich zur Gegenseite ab, wird dem Patienten die Operation empfohlen. Der alternative Versuch, geschlossen zu reponieren und das Repositionsergebnis im Gips retiniert zu halten, gelingt aufgrund des Zugs der intrinsischen und extrinsischen Fußmuskulatur nur selten.

Abb. 7
figure 7

a MFK-I-Fraktur, verkürzt und valgisiert, mit Halsfrakturen der MFK II–IV; b Gefahr des plantaren Abkippens der MF-Köpfchen II–IV

Unzureichende Röntgendiagnostik bei unverschobenen Frakturen

Die Abb. 8 zeigt unverschobene Frakturen der MFK II–IV. Diese können natürlich wie fast alle unverschobenen Mittelfußfrakturen konservativ behandelt werden. Die Abbildung zeigt jedoch das Beispiel einer Röntgenaufnahme, die nicht akzeptiert werden kann, da eine Beurteilung Innen-Außen-Quer hier nicht möglich ist. In diesem Fall könnte es sich z. B. auch um einen Inversions-Avulsions-Unfallmechanismus handeln, bei dem noch eine Avulsion des MFK V denkbar ist, die operativ angegangen werden müsste. Es muss also immer auf eine qualitativ hochwertige Röntgendiagnostik geachtet werden.

Abb. 8
figure 8

Insuffiziente Röntgendiagnostik bei unverschobenen MFK-Frakturen

Halsfraktur MFK V mit Verkürzung und Versatz um halbe Schaftbreite in Kombination mit Frakturen der MFK II–IV

In Abb. 9 ist die Kombination verschiedener Frakturen zu erkennen:

  • Innen: Die mediale Säule ist intakt

  • Außen: Halsfraktur MFK V mit Verkürzung und Versatz um halbe Schaftbreite

In Kombination mit den Frakturen MFK II–IV droht ein starker Valgus des Fußes, daher Operationsindikation mit Rekonstruktion der lateralen Säule gegeben. Hierdurch werden sich II–IV wahrscheinlich gut einstellen und müssen nicht operativ angegangen werden, wobei aber die Skyline im Auge behalten werden muss.

Abb. 9
figure 9

Halsfraktur des MFK V mit Verkürzung und Versatz um eine halbe Schaftbreite; in Kombination mit den Frakturen der MFK II–IV droht ein starker Valgus des Fußes

Die Halsfraktur eines MFK disloziert klassischerweise nach lateral/plantar. Nach erfolgter Reposition lässt sich das Repositionsergebnis nur schlecht retiniert halten, sodass operativ vorgegangen werden sollte, wenn es im Vergleich zur Gegenseite durch die Dislokation zu einer relevanten Kompromittierung der Skyline kommt.

Bei der intraartikulären Kopffraktur eines MFK ist die Operation laut Literatur bei einer Gelenkstufe >1–2 mm gegeben [1].

Bei den Basisfrakturen MFK II–IV liegt eine gänzlich andere Situation als bei der Basisfraktur MFK I vor. Aufgrund der starken Bandstrukturen handelt es sich meist um undislozierte Frakturen, die konservativ behandelt werden können bzw. sollen. Allerdings muss vorher eine Instabilität, d. h. eine Lisfranc-Verletzung ausgeschlossen werden.

MFK-V-Frakturen

Im Folgenden werden anhand einiger Beispiele die häufigen, isolierten MFK-V-Frakturen diskutiert:

Spiralbruch MFK V

In Abb. 10 ist der klassische Spiralbruch MFK V im Rahmen eines Supinationstraumas abgebildet. Ein solcher Bruch muss nicht operiert werden! Diese Fraktur heilt aufgrund der großen knöchernen Kontaktfläche eigentlich immer. Es sollte aber eine Skylineaufnahme gemacht werden, um einen eventuellen Drehfehler, der später Schmerzen verursachen kann, auszuschließen.

Abb. 10
figure 10

Spiralbruch MFK V

MFK-V-Basisfraktur

Die Abb. 11 zeigt eine typische MFK-V-Basisfraktur (auch Avulsionsfraktur genannt). Alle aktuellen Arbeiten geben als Indikation für eine Operation eine Dislokation um >2 mm und/oder Gelenkflächenbeteiligung >30% an. Es handelt sich hierbei allerdings jeweils nur um Evidenzlevel-V-Arbeiten, d. h. Expertenmeinungen. „Harte Fakten“ liegen dazu nicht vor.

Abb. 11
figure 11

Avulsionsfraktur Basis MFK V

Jones-Fraktur

Bei der sog. Jones-Fraktur handelt es sich um eine transversale Fraktur am metadiaphysären Übergang von MFK V, die typischerweise etwa 1,5 cm distal der Basis des MFK V gelegen ist. Sie ist fast immer undisloziert. Die Therapie dieser undislozierten Jones-Frakturen wird in der Literatur immer noch kontrovers diskutiert. Coughlin et al. [1] propagieren ein konservatives Vorgehen mit 6- bis 8-wöchiger Gipsschuhruhigstellung unter Abrollbelastung. Sie verweisen hierbei auf ein großes Zeitfenster zwischen klinischer Heilung und radiologisch nachgewiesener knöcherner Durchbauung. Letztere folgt der klinischen Heilung oftmals erst Wochen oder sogar Monate später. Quill [3] kommt in einer Metaanalyse der relevanten Literatur zu dem Ergebnis, dass nach konservativem Vorgehen Pseudarthrose- bzw. Refrakturraten von etwa 30% zu verzeichnen sind, wenn man nur lange genug nachuntersucht. Er zieht daraus den Schluss, dass die primär operative Versorgung einer undislozierten Jones-Fraktur zumindest keinen Fehler darstellt. Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass die dislozierte Jones-Fraktur offen eingerichtet und intern fixiert werden muss.

Stressfraktur

Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu den Stressfrakturen der Mittelfußknochen, die meist bei Leistungssportlern oder Rekruten auftreten. Gestatten Sie mir als ehemaligem Leistungssportler, der sich 3-mal eine Stressfraktur zuzog, hier folgende Evidenzlevel-V-Aussagen:

  1. 1.

    Eine Operation ist nicht erforderlich.

  2. 2.

    Eine spezielle Ruhigstellung ist nicht erforderlich.

  3. 3.

    Es ist alles erlaubt, was nicht schmerzt (d. h., die vormalige Belastungsintensität im Training muss zwingend reduziert werden, was dem Athleten allerdings oftmals nur schwer vermittelbar ist).

Vom Athleten wird in diesem Zusammenhang die alles entscheidende Frage an den Arzt gerichtet werden: „Kann ich durch eine Operation schneller wieder das Training aufnehmen und an Wettkämpfen teilnehmen?“ Gehrmann [2] beantwortet diese Frage im aktuellen „Current Concepts Review“ der Zeitschrift Foot and Ankle International ausweichend damit, dass eine Operation theoretisch eine schnellere Rückkehr eines Athleten auf sein vorheriges Trainingsniveau ermöglichen sollte. „Harte Fakten“ existieren aber wiederum nicht.

Fazit

Zusammenfassend können folgende Richtlinien aufgestellt werden:

  • Bei Frakturen am Metatarsus sollte im Rahmen der Entscheidungsfindung „Wann konservatives, wann operatives Vorgehen?“ die Innen-Außen-Quer-Regel angewendet werden.

  • Frakturen des MFK I müssen (fast ausnahmslos) operiert werden.

  • Besondere Aufmerksamkeit sollte bei Frakturen der MFK II–IV der Aufnahme der Skyline geschenkt werden.

  • Bei Avulsionsfrakturen des MFK V ist bei einer Dislokation >2 mm und/oder Gelenkflächenbeteiligung >30% eine Operation indiziert.

  • Bei einer Jones-Fraktur des MFK V ist ein konservatives Vorgehen zu empfehlen (nur die seltene dislozierte Jones Fraktur wird operiert).

  • An eine Mitbeteiligung der Lisfranc-Gelenklinie sollte grundsätzlich gedacht werden.

  • Bei Stressfrakturen der MFK ist konservatives Vorgehen zu empfehlen. Es ist alles erlaubt, was nicht schmerzt.