Fettleibigkeit wird immer mehr zur nationalen sowie internationalen Epidemie der westlichen Industriestaaten, die alle medizinischen Fachbereiche betrifft [30]. Mit einer Adipositas gehen u. a. einher:

  • erhöhtes Risiko an kardiovaskulären und pulmonalen Erkrankungen,

  • Diabetes,

  • chronische Nierenfunktionseinschränkungen sowie

  • das metabolischen Syndrom.

Bei einer operationsbedürftigen Fraktur müssen diese Komorbiditäten bedacht und intra- und postoperative Komplikationen durch ein entsprechendes Management minimiert werden. Im Folgenden wird auf die schwierige und komplikationsreiche Behandlung insbesondere von Patienten mit Adipositas per magna eingegangen.

Übergewichts- und Adipositasprävalenz

In Deutschland sind nur etwa ein Drittel der männlichen Bevölkerung als normalgewichtig zu klassifizieren, bei den Frauen sind es etwas weniger als die Hälfte. Über die Hälfte der Bevölkerung sind übergewichtig, etwa 20% sind als adipös zu bezeichnen [3].

Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas unterscheidet sich in den verschiedenen sozialen Schichten. Wie in anderen Ländern auch sind sie prozentual häufiger unter Patienten mit geringer Schulbildung, niedrigem beruflichem Status und geringem Einkommen zu finden [14]. Der sozioökonomische Status korreliert dabei negativ mit der Prävalenz von Übergewicht [18].

Als Messmethode der Adipositas hat sich international der Body-Mass-Index (BMI) als Ausdruck des relativen Gewichts etabliert, nach dem eine Schweregradeinteilung vorgenommen werden kann (Tab. 1). Diese beinhaltet 3 Grade, wobei die Adipositas Grad III alle Patienten mit einem BMI >40 kg/m2 einschließt. Patienten mit einem weit höheren BMI werden durch diese Klassifikation nur ungenügend erfasst, da in diesem Bereich noch keine differenziertere Einteilung verfügbar ist. Die von uns im Folgenden vorgestellten Patienten hatten einen BMI von bis zu 90 kg/m2. Wir verwenden daher für dieses Kollektiv den Ausdruck der extremen Adipositas.

Tab. 1 Einteilung der Adipositas [30]

In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl von übergewichtigen und adipösen Menschen in den westlichen Industrienationen stetig zugenommen. Der durchschnittliche BMI ist in Deutschland ebenfalls angestiegen. In den Gruppen der moderaten Adipositas (BMI>30) findet sich zwischen 1985 und 2002 ein Anstieg von 16,2 auf 22,5% in der männlichen und von 16,2 auf 23,5% in der weiblichen Bevölkerung. In der Gruppe der Adipositas Grad II (BMI>35) wurde ein Anstieg von 1,5 auf 5,2% bei Männern und von 4,5 auf 7,5% bei Frauen verzeichnet [14].

Prä- und intraoperative Besonderheiten bei Übergewicht/Adipositas

Verletzungsmuster

Generell erleiden adipöse Patienten die gleichen Unfallverletzungen wie normalgewichtige Patienten. Boulanger et al. [5] demonstrierten jedoch spezifische Verletzungsmuster nach stumpfem Anpralltrauma. Gesichtsschädel-, Leber- und zerebrale Verletzungen wurden im Vergleich mit der normalgewichtigen Verletztengruppe seltener beschrieben. Verletzungen und Frakturen der unteren Extremität sowie Thoraxverletzungen waren hingegen häufiger.

Andere Autoren beschrieben einen linearen Zusammenhang von Verletzungen der unteren Extremität mit zunehmendem BMI [2, 4, 10]. Für Sprunggelenkfrakturen wird Adipositas als ein prädisponierender Faktor angesehen [2]. Bereits bei geringer Unfallschwere ist im Bereich der unteren Extremität mit einem höheren Frakturschweregrad zu rechnen [28].

Anforderungen an die Ausstattung

Die Behandlung von übergewichtigen bzw. adipösen Patienten setzt hohe Ansprüche an die Krankenhausressourcen und Logistik. Dies beinhaltet z. B. einen höheren Personalaufwand bei Pflege, Lagerung und Operation, spezielle Operationstische und Lagerungsmaterialien (Abb. 1), längere Operationszeiten und ausgiebige präoperative Planung [6, 7, 17]. Des Weiteren erfordert die präoperative Diagnostik bei erhöhtem Operationsrisiko durch Nebenerkrankungen einen erhöhten Aufwand, wenn es zeitlich möglich ist. Das Ziel der Evaluation sollte das Erkennen jeglicher modifizierbarer und verbesserungsfähiger Vorerkrankungen sein und in jedem Fall die Abklärung der kardiopulmonalen Risiken beinhalten [13].

Abb. 1
figure 1

Lagerung einer Patientin (BMI=90 kg/m2) auf einem Spezialtisch

Abb. 2
figure 2

Implantatversagen nach DHS-Versorgung

Schwierigkeiten bei der Operation

Praktisch kommen die gleichen Osteosynthese- und Behandlungsverfahren wie bei normalgewichtigen Patienten zur Anwendung, sodass jede Verletzung behandelt werden kann [13]. Chirurgische Prozeduren sind jedoch aufgrund des unübersichtlichen Operationsfeldes technisch anspruchsvoller [26, 29]. Wichtige anatomische Orientierungspunkte sind u. U. nicht oder nur sehr eingeschränkt durch die Haut und das erhebliche subkutane Fettgewebe zu tasten. Auch kann die intraoperativ notwendige Lageänderung zur radiologischen Stellungskontrolle erschwert sein.

Die Komplikationsrate ist deutlich höher und betrifft:

  • längere Operationsdauer,

  • stärkere intraoperative Blutverluste,

  • eine höhere Inzidenz von Implantatversagen (Abb. 2),

  • Infektionen oder

  • verzögerte Knochenbruchheilung bzw. höhere Pseudarthrosenraten sowie

  • neuronale Verletzungen, meist durch Druckläsionen verursacht [8, 9, 13, 15, 17, 25].

Bei hohem Infektrisiko wurde in verschiedenen Studien auf die Wichtigkeit der perioperativen Antibiose hingewiesen, wobei in Frage gestellt wurde, dass bei ausgeprägtem, subkutanem Fett eine therapeutische Dosierung erreicht wird [1, 12]. Zur Risikominimierung einer Druckläsion ist die genaue Kontrolle der Lagerung mit Polsterung aller gefährdeten Strukturen erforderlich [15, 17].

Implantate

Die extreme Gewichtsbelastung durch das hohe Patientengewicht stellt enorme Anforderungen an die Osteosynthese. Bei häufig bereits vor der Verletzung eingeschränkter Mobilität macht zusätzlich das extreme Körpergewicht der Patienten eine Teilbelastung unmöglich, welche je nach Versorgung erforderlich sein kann. Daher muss das Ziel eine stabile Versorgung durch ein maximal belastungsfähiges Implantat sein.

McKee u. Waddell [22] wiesen bei der Marknagelung von Frakturen der unteren Extremität bei adipösen Patienten darauf hin, dass die größtmöglich implantierbare Nagelgröße zum Einsatz kommen sollte. In einer Studie zum Verlust des Repositionsergebnisses nach osteosynthetisch versorgten distalen Unterschenkel- und OSG-Frakturen wurde ein direkter Zusammenhang zwischen steigendem BMI und Repositionsverlust dargestellt [4]. Auch hier wurden eine stabilere Fixierung und eine längere Dauer der Entlastung der betroffenen Extremität gefordert.

Bei Patienten mit extremer Adipositas sind konventionelle, interne Fixationsmethoden und Implantate unterdimensioniert, und der übermäßige Weichteilmantel verhindert zunehmend den operativen Zugang und die anatomische Darstellung. Des Weiteren ist von einem steigenden Infektionsrisiko bei schlechter Durchblutung des subkutanen Fettgewebes sowie bei prolongierter Operationszeit auszugehen. Hier bietet sich zur Weichteilschonung ein minimalinvasives Vorgehen durch eine externe Fixation über perkutane Drähte an.

Ilisarov-Ringfixateur bei Adipositas per magna

Am BG-Universitätsklinikum Bergmannsheil wurden zwischen 2003 und 2006 6 Patienten mit extremer Adipositas (Grad III) mit einem Ilisarov-Ringfixateur versorgt. Davon hatten 4 eine Sprunggelenk- und Pilonfraktur und 2 eine Tibiakopffraktur. Über den Ilisarov-Ringfixateur konnte bei allen Patienten eine sichere und voll belastungsstabile Osteosynthese erreicht werden.

Fallbeispiel

Veranschaulichend wird die Behandlung einer Tibiakopffraktur bei einer 36-jährigen Patientin mit einem BMI von 90 kg/m2 (290 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von 1,80 m) vorgestellt.

Der Umfang der Weichteile machte eine Sonderanfertigung von Ilisarov-Ringen mit einem Durchmesser von 340 mm notwendig. Es wurden Drähte mit einer Länge von 600 mm und einem Durchmesser von 1,8 mm verwendet. Das Ringsystem wurde im Biomechaniklabor an der Universalprüfmaschine Modell 10 der Fa. UTS (Ulm) auf eine Belastungsstabilität von >500 kg getestet.

Die Reposition der bereits 5 Wochen alten Fraktur erfolgte graduell über die Korrektur des medialen, proximalen Tibiawinkels (MPTA). Korrigiert werden musste eine Achsabweichung von 20° (Abb. 3, Abb. 4). Die Versorgung im Ringfixateur war belastungsstabil, und die Patientin wurde unter Vollbelastung mobilisiert (Abb. 5). Nach einer Tragezeit von 148 Tagen konnte der Fixateur bei knöcherner Konsolidierung der Fraktur und Korrektur der Fehlstellung abgenommen werden (Abb. 6).

Fixateurspezifische Komplikationen wie Pininfektionen oder Pinbruch traten nicht auf. Die Patientin verstarb jedoch 3 Monate nach der Fixateurabnahme an einer kardialen Dekompensation, wobei sie sich zu dieser Zeit nicht mehr in stationärer Behandlung befand.

Insgesamt verstarben 3 der 6 Patienten postoperativ im Rahmen des stationären Aufenthalts im Multiorganversagen bei vorbestehendem Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz.

Abb. 3
figure 3

Präoperatives Röntgenbild mit Achsabweichung des MPTA von 20°

Abb. 4
figure 4

Intraoperatives Versorgungsbild

Abb. 5
figure 5

Klinisches Bild mit Ilisarov-Ringfixateur

Abb. 6
figure 6

Ausheilungsbefund im Röntgen- und im klinischen Bild

Diskussion

Zur Frakturversorgung bei extremer Adipositas (Grad III) werden neben einem hohen, logistischen Aufwand spezielles Implantat- und Fixationsmaterial benötigt. Ziel der operativen Frakturversorgung bei extrem adipösen Patienten sind:

  • eine möglichst kurze Operationsdauer, um das erhöhte Anästhesierisiko niedrig zu halten,

  • eine weichteilschonende Operationstechnik und

  • eine belastungsstabile Osteosynthese.

Das angewendete Verfahren mit dem Ilisarov-Ringfixateur erfüllt diese Anforderungen. Allerdings überlebten von den behandelten Patienten nur 3 die primär nicht lebensgefährlichen Verletzungen. Dies lässt den Schluss zu, dass der postoperative Verlauf nicht durch die primäre Verletzung und die operative Versorgung bestimmt wird, sondern durch die Begleit- und Vorerkrankungen.

Extrem adipöse Patienten unterscheiden sich anatomisch und physiologisch, z. B. durch eingeschränkte Lungenfunktion, von der normalgewichtigen Patientengruppe, womit man die schlechteren Behandlungsergebnisse zu erklären versucht [8, 24]. Die Komorbiditäten sind vielschichtig und beeinflussen beinahe jedes Organsystem. Häufig sind Diabetes mellitus, arterielle Hypertension, kardiale und pulmonale Erkrankungen, was insbesondere bei der prä- und postoperativen Behandlung bedacht werden muss.

Die Komplikationsrate unfallverletzter, intensivmedizinisch behandelter Patienten ist bei Vorliegen einer Adipositas deutlich höher [6]. Gründe für ein minimalinvasives Vorgehen bei osteosynthetischer Versorgung liegen in der schlechteren Wundheilung bedingt durch schlechter durchblutetes subkutanes Fettgewebe [17]. Die Epithelialisierung verläuft langsamer und bietet so über einen längeren Zeitraum eine Angriffsfläche für Kontaminationen. Eine höhere Rate an Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen allgemein sowie nach osteosynthetischer Frakturversorgung wurde in mehreren Arbeiten beschrieben [1, 6, 9, 15].

Trotz des minimalinvasiven Vorgehens sollte Belastungsstabilität erreicht werden. Eine belastungsstabile Versorgung der Fraktur macht eine frühe Mobilisation unter Vollbelastung möglich und senkt somit, neben einer suffizienten Antikoagulation, das erhöhte Risiko von thrombembolischen Komplikationen bei adipösen Patienten [1, 21]. Brown et al. [6] identifizierten in ihrer Studie zum Zusammenhang zwischen schweren Traumen und Adipositas eine höhere Komplikationsrate, mehr Beatmungstage, längere Krankenhausaufenthalte und eine zunehmende Tendenz in Richtung höherer Mortalität adipöser Patienten. In einer Studie von Byrnes et al. [8] zum Zusammenhang zwischen Trauma und Adipositas fand sich ein 2,8-mal höheres Risiko, nach schwerer Verletzung zu versterben, als für normalgewichtige Verunfallte. Das allgemeine Mortalitätsrisiko ab einem BMI>35 kg/m2 zeigt einen Anstieg von 300%, wobei einschränkend die Gruppe extremer Adipositas verhältnismäßig klein war [16]. Der direkte Zusammenhang zwischen einer Operation und einer höheren Mortalität wird jedoch kontrovers diskutiert [17].

Besonders schwerwiegend mit häufig letalem Ausgang sind zu nennen:

  • multiples Organversagen

  • akutes Atemnotsyndrom (ARDS)

  • Myokardinfarkt

  • kardiale Dekompensation

  • Nierenversagen

Diese postoperativen Komplikationen betreffen mit höherer Inzidenz adipöse Patienten, sodass Adipositas von mehreren Autoren bei schwerer Unfallverletzung als eigenständiger Risikofaktor für das Behandlungsergebnis und die Mortalität bezeichnet wird [7, 23, 24].

Übergewicht und Adipositas stellen aufgrund der zunehmenden Prävalenz und der damit verbundenen Begleiterkrankungen eine wachsende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Die entstehenden direkten und indirekten Kosten sind hoch und werden weiter zunehmen, wenn Maßnahmen zur Prävention nicht wirksam umgesetzt werden. Die direkten und indirekten Kosten belaufen sich auf 7–13 Mrd. EUR im Jahr [19, 26]. Die höheren direkten und indirekten Kosten betreffen hier insbesondere die Gruppe der Patienten mit einer extremen Adipositas [20]. Das negative Outcome in dieser Patientengruppe bedarf Anstrengungen zur Verbesserung. Hierzu zählen die Entwicklung spezieller Implantate und operativer Zugänge sowie eine adäquate postoperative Behandlung.

Fazit für die Praxis

Mit Zunahme der Adipositas werden auch vermehrt Versorgungen von Patienten mit extremer Adipositas (Grad III) notwendig. Mit dem Ilisarov-Ringfixateur ist eine weichteilschonende und belastungsstabile Osteosynthese bei extremer Adipositas möglich. Allerdings beeinflussen in der postoperativen Phase v. a. die vielschichtigen Komorbiditäten das Outcome. Extreme Adipositas ist bei operationspflichtiger Verletzung eine lebensbedrohliche Begleiterkrankung.