Die Kreuzbänder sind die zentralen Stabilisatoren des Knies. Ihr Verlust bewirkt eine Instabilität und Funktionsstörung des Kniegelenks, was in vielen Fällen zu Meniskus- und Knorpelschädigungen führt.

Der wichtigen Rolle der Kreuzbänder in der Funktion des Kniegelenks wurde schon im 19. Jahrhundert operativ Rechnung getragen. So wurden schon 1895 vordere Kreuzbänder genäht (Mayo Robson, Leeds 1895) oder mittels Seidenfäden augmentiert (Lang, 1903). Durch die Entwicklung der Arthroskopie in den 1970er Jahren und die rasanten Fortschritte in der Instrumententechnik ist die Kreuzbandplastik zu einer Standardoperation geworden.

Häufigste Unfallursache für Kreuzbandverletzungen ist ein Trauma

  • mit 64% beim Fußballsport,

  • mit 23% beim Skifahren und

  • mit 9,2% während der Arbeit,

wobei das vordere Kreuzband (VKB) deutlich häufiger betroffen ist (in etwa 85% der Fälle). Die Kreuzbandruptur kann isoliert auftreten oder als kombinierte Verletzung mit schweren weiteren Band-, Meniskus- oder Knorpelverletzungen. Immer noch werden diese schwer wiegenden Verletzungen übersehen oder zu spät therapiert.

Insbesondere unter dem Aspekt einer neuen operativen Technik, der Healing-response-Therapie, ist es erforderlich, die Verletzung frühzeitig zu diagnostizieren und zu therapieren.

Im Vergleich zur Verletzung des vorderen Kreuzbands stellt die Ruptur des hinteren Kreuzbands eine noch größere Herausforderung an den behandelnden Chirurgen dar. Für die Behandlung der akuten Verletzung stehen abhängig vom Anspruch des Patienten und den Begleitverletzungen differenzierte Therapiekonzepte zur Verfügung

Vordere Kreuzbandruptur

Klinik und Diagnostik

Bei der akuten vorderen Kreuzbandverletzung kann die klinische Diagnostik schwierig sein, da der Patient primär, bei fehlenden Begleitverletzungen, keine großen Schmerzen angibt. Des Weiteren behindert der auftretende Hämarthros die Diagnostik.

Der Lachman-Test hat die größte Aussagekraft, ist aber nur selten stark ausgeprägt. Beim Vorliegen eines Hämarthros kann die Indikation zur sofortigen Arthroskopie gestellt werden, da bei einem adäquaten Trauma in über 92% der Fälle ein operativ zu sanierender Kniebinnenschaden vorliegt (eigene nicht veröffentlichte Studie, 1986, bei 200 arthroskopisch kontrollierte Kniegelenken).

Nach Ausschluss einer knöchernen Verletzung durch Standardröntgenbilder kann eine Magnetresonanztomographie im Akutstadium in guter Qualität Kniebinnenschäden (Bone bruises, Impressionsfrakturen, Knorpelflakes, Art und Lokalisation von Kapsel-Band-Verletzungen sowie Meniskusläsionen) abbilden.

Operation

Nach wie vor ist der ideale Versorgungszeitpunkt einer frischen VKB-Ruptur wegen der möglichen Arthrofibroseentwicklung umstritten. Entscheidend für diese ist nicht der Operationszeitpunkt, sondern der Reizzustand des Knies. Es scheinen jedoch keine Arthrofibroseprobleme zu entstehen, wenn innerhalb der ersten 5 Tage operiert wird und keine wesentliche Funktionsstörung vorliegt [6]. Unser neues Vorgehen, die Healing-response-Technik, zeigte keine Arthrofibroseentwicklung. Deshalb sollten sie oder die Kreuzbandplastik zur akuten Versorgung der frischen Kreuzbandruptur angestrebt werden.

Ziel einer operativen Rekonstruktion des rupturierten VKB ist die Wiederherstellung eines möglichst physiologischen Transplantatverhaltens und damit eines annähernd normalen Roll-Gleit-Mechanismus. Dies ist bei der Healing-response-Technik wegen des Reattachments des Kreuzbands an anatomischer Stelle gegeben. Beim Transplantat ist die richtige Positionierung der Bohrkanäle für ein gutes Ergebnis nach vorderer Kreuzbandplastik entscheidend. Fehllagen führen

  • zur Bewegungseinschränkung,

  • zum Transplantatversagen oder

  • zur bleibenden Instabilität.

Transplantatwahl

Die derzeit verwendeten Transplantate sind autologe Gewebe:

  • Patellarsehne,

  • Hamstring-Sehnen als 4fach-Transplantat sowie

  • Quadrizepssehne.

Seltener wird ein Leichentransplantat eingesetzt. Die einzelnen Transplantate weisen spezifische Unterschiede bezüglich der biomechanischen Eigenschaften, der Primärfixation und der Einheilung im Knochenkanal auf [11]. Bei der Transplantatauswahl müssen die unterschiedlichen anatomischen und funktionellen Anforderungen berücksichtigt werden.

Transplantatverankerung

Die ossäre Transplantatintegration unterliegt spezifischen biomechanischen und biologischen Rahmenbedingungen und ist bei den Hamstring-Sehnen nach etwa 8 Wochen abgeschlossen. Eine anatomische Verankerung, möglichst nahe dem Originalkreuzbandansatz, muss angestrebt werden.

Die Verwendung von Hamstring-Sehnen-Transplantaten als 4fach-Transplantat hat zunehmend an Stellenwert gewonnen [1]. Der wesentliche Vorteil dieser Sehnen gegenüber dem mittleren Patellarsehnendrittel liegt in einer erheblich reduzierten Transplantatentnahmemorbidität, geringeren vorderen Knieschmerzen (anterior knee pain) und einem höheren Bewegungsausmaß. Sportler, die mit Hamstring-Sehnen versorgt wurden, weisen eine signifikant bessere Sprungkraftfunktion auf [8]. Durch die gelenknahe Aufhängung sind die typischen Probleme des Hamstring-Transplantats wie der Bungee- und der Wiper-Effekt extrem minimiert, sodass für uns diese Versorgung der goldene Standard ist.

Darstellung der Operation anhand der Transfixationstechnik

  1. 1.

    Entnahme der Semitendinosussehne durch einen 2–3 cm großen Hautschnitt am Pes anserinus (Abb. 1). Das freie Transplantat sollte eine Länge von 280 mm haben. Bei einem zu kurzem Transplantat ist die zusätzliche Entnahme der Grazilissehne erforderlich.

    Abb. 1
    figure 1

    Pes-anserinus-Sehnen

    Abb. 2
    figure 2

    Transplantat

  2. 2.

    Die Sehne wird gehälftet, von Muskulatur befreit und auf einer Nahtbank präpariert (Abb. 2).

  3. 3.

    Die Länge und die Dicke der resultierenden Kreuzbandplastik werden bestimmt.

  4. 4.

    Das tibiale Zielgerät wird tibial etwa 1 cm oberhalb des Pes anserinus und etwa 1,5 cm medial der Tuberositas tibiae sowie intraartikulär 7 mm vor dem hinteren Kreuzband an isometrischer Stelle eingesetzt, ein Bohrdraht wird vorgebohrt, die anatomische Lage überprüft und dann mit einem Bohrer überbohrt, dessen Durchmesser 1 mm kleiner als das ausgemessene Transplantat ist. Abschließend wird mit einem Dilatator auf die endgültige Tunnelgröße aufgedehnt.

    Die femorale Zielführung wird in anatomischer „over the top“-Position bei 10.30–11.00 Uhr bzw. 14.00–14.30 Uhr befestigt. Bei 90° Beugung wird ein Zieldraht femoral fixiert und mit dem Kopfraumbohrer bis 35 mm, kontrolliert an der Bohrerskala, überbohrt (Abb. 3).

    Abb. 3
    figure 3

    Femoraler Kopfraumbohrer

  5. 5.

    Der TransFix-Haken wird transtibial in den femoralen Bohrkanal eingebracht, die Haut wird inzidiert, und die Zieldrahthülse wird auf dem Knochen platziert. Nach transkutanem Durchbohren mit dem Führungsdraht nach medial, Durchziehen des flexiblen Ösendrahts und Bildung der Einzugschlaufe aus dem tibialen Bohrkanal wird das Transplantat durch kontinuierlichen Zug vollständig in den femoralen Kanal eingezogen (Abb. 4).

    Abb. 4
    figure 4

    Einziehen des Transplantats

  6. 6.

    Das Bio-TransFix-Implantat wird mit dem Treiber über den Nitinolösendraht, dessen Beweglichkeit unbedingt geprüft werden muss, eingebracht und eingeschlagen. Der Nitinoldraht wird nach medial entfernt.

  7. 7.

    Nach maximaler Spannung des Transplantats wird dieses tibial mit einer 1 mm dickeren bioabsorbierbaren Schraube in 0–10° Streckung fixiert (Tab. 1).

    Tab. 1 Operationsschritte TransFix-Technik

Healing-response-Technik

Aufmerksam geworden durch die guten von Steadman et al. [10] aus Vail Colorado veröffentlichen Ergebnisse haben wir 2003 mit dieser Operationstechnik begonnen. Von Oktober 2003–März 2006 wurden 120 Patienten (67 Männer, 53 Frauen) mit diesem Verfahren operiert. Es handelte sich um frische vordere Kreuzbandabrisse am femoralen Ansatz, die innerhalb der ersten 5 Tage mittels dieser Technik versorgt wurden. Bei etwa 35% der Patienten bestanden begleitende Verletzungen wie Meniskus-, Knorpel- oder Seitenbandverletzungen, die in der gleichen Sitzung operiert wurden.

Bei 110 Patienten wurde nach 10–12 Wochen bei freier Funktion eine Kontrollarthroskopie durchgeführt.

Technik

Nach dem Wolf-Gesetz können sich undifferenzierte Stammzellen aus dem Knochenmark in Abhängigkeit von der mechanischen Beanspruchung zu Tenozyten ausdifferenzieren. Aufgrund dieser Theorie werden nach Abschluss der diagnostischen Arthroskopie und der Versorgung der Begleitschäden mit einer speziellen Ahle bis zu 10 Perforationen an der femoralen Insertionsstelle des Kreuzbands gesetzt. Auf einen ausreichenden Blutaustritt wird geachtet. Das Kreuzband wird minutiös mit einem speziellen Instrument an die anatomische Ansatzstelle in den Blutkoagel unter gleichzeitiger Streckung des Kniegelenks reponiert. Es wird keine Gelenkdrainage benutzt. Anschließend wird das Kniegelenk in einer Schiene mit 10° Beugestellung für 6 Wochen fixiert.

Die Belastung wird unter Beachtung der Begleitverletzungen definiert. Nach 6 Wochen werden die Funktion freigegeben und ein intensives Training durchgeführt.

Ergebnisse

Die arthroskopische Kontrolle bei 110 Patienten erfolgte 10–14 Wochen nach der Erstoperation und war mit den Patienten bei der Primärversorgung besprochen worden (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Kreuzbandruptur, a MRT, b arthroskopisches Kontrollbild, c Kontroll-MRT

In 85% war das Kreuzband an anatomischer Stelle eingeheilt. Die klinischen Untersuchungsergebnisse zeigten nur bei 1 Patientin eine wesentliche Funktionseinschränkung und bei 2 weiteren eine endgradiges Beugedefizit von 10°. Alle anderen 118 Patienten hatten ein seitengleiches Bewegungsspiel (Tab. 2, 3).

Tab. 2 Ergebnisse der Healing-response-Technik
Tab. 3 Stabilitätsstests

Resümee

  • Die Healing-response-Technik funktioniert.

  • Die Healing-response-Technik ist eine sehr wirtschaftliche Alternative zur Kreuzbandplastik.

  • Die Healing-response-Technik sollte auf ältere Patienten ausgedehnt werden.

  • Eine prospektive Studie sollte sich anschließen.

Hinteres Kreuzband

Eine Ruptur desselben ist eher selten, die Häufigkeitsangaben schwanken je nach Zitat zwischen 3 und 44% bei schweren Kapsel-Band-Verletzungen [2]. Insbesondere bei Ballsportlern wurde über eine relativ hohe Zahl berichtet [4].

Klinik und Diagnostik

Häufige Ursachen sind direkte Anpralltraumen (dash-board injury), auch sollte man bei Polytraumen mit Knieverletzungen an eine mögliche hintere Kreuzbandruptur denken.

Bei der frischen Verletzung des hinteren Kreuzbands zeichnet sich die Klinik im Gegensatz zur VKB-Verletzung durch deutlich größere Schmerzen und seltenere Ergussbildung aus. Ein Hämatom lässt sich oft in der Kniekehle finden, dort ist auch meist der Schmerz lokalisiert. Typische Tests sind der Hyperextensions- und der Step-off-Test (Abb. 6) [4].

Abb. 6
figure 6

Step-off-Test

Eine knöcherne Verletzung muss dringlich ausgeschlossen werden (Standardröngten). Eine wesentliche Aussage ergibt die gehaltene Aufnahme nach Scheuba in der Auswertungstechnik von Jacobsen [3]. Die Magnetresonanztomographie kann die Diagnostik ergänzen.

Operation

Nach wie vor ist sie beim akuten hinteren Kreuzbandesriss die Ausnahme (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Hintere Kreuzbandruptur, posterior-medialer Zugang

Bedingt durch die gute Heilungstendenz und die guten funktionellen Ergebnisse der konservativen Therapie besteht eine Indikation zum chirurgischen Eingriff in erster Linie bei komplexen Bandverletzungen mit Beteiligung des posterolateralen Komplexes oder des vorderen Kreuzbands [5].

Bei einer hinteren Schublade >12 mm muss von einer kombinierten Verletzung ausgegangen werden.

Einige Autoren stellen die Indikation zur primären Operation zur Vermeidung der fixierten hinteren Schublade [7].

Operationstechniken

Die konkurrierenden Verfahren sind

  • die anatomische Rekonstruktion des anterolateralen Hauptbündels in Single-incision-Technik mittels Hamstring-Sehnen [12],

  • die anatomische Rekonstruktion beider Bündel sowie

  • die Tibial-Inlay-Technik [7].

Die anatomische Doppelbündeltechnik mit einem Semitendinosus-Grazilissehnen-Y-Transplantat ist für uns derzeit die Methode der Wahl.

Bei 2 Patienten haben wir bei einer kombinierten Kreuzbandverletzungen eine Healing-response-Technik für das hintere Kreuzband erprobt.

Wesentlich für das postoperative Ergebnis ist eine adäquate Nachbehandlung. Lagerung in der PTS-Schiene für 6 Wochen Tag und Nacht und krankengymnastische passive Mobilisation bis 70° in Bauchlage sind Inhalte derselben [12].

Fazit

Bei der akuten vorderen Kreuzbandverletzung ist die Healing-response-Technik eine beachtenswerte Alternative, deren Stellenwert zukünftig durch eine prospektive Studie erhärtet werden muss.

Die Versorgung der akuten hinteren Kreuzbandverletzung ist derzeit die Domäne der konservativen Versorgung. Die Healing-response-Technik wird erprobt.