Vorgestellte Studien

Studie 1

Der Inhalt der Studie von Hinkeltheim [19] zur Therapie des Schleudertraumas lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Schleudertrauma der HWS (whiplash) ist eine häufige Verletzung, deren adäquate Therapie für leichte Verletzungsstufen ohne strukturelle Schädigungen fachlich umstritten ist. Dennoch lag es bei einem leichten Schleudertrauma (Grad 1 nach Erdmann), bei dem keine strukturellen Schäden vorlagen, nahe, sich von der Osteopathie – einer funktionellen Methode – Therapieerfolge zu versprechen [24].

Es wurden 100 Patienten untersucht und beobachtet, um die Hypothese zu stützen, dass durch einmalige osteopathische Behandlung eine direkte Verbesserung der HWS-Flexion erreicht wird und dass diese Behandlung eine signifikante Verbesserung der posttraumatischen Bewegungseinschränkung gegenüber der schulmedizinischen Standardtherapie bewirkt.

Studie 2

In ihr wurde die Rolle der Osteopathie nach Patellarsehnenersatz bei vorderem Kreuzbandriss untersucht [13].

Bei Sportunfällen sind meist die unteren Extremitäten des Körpers betroffen (72,4%), wobei mit steigender Tendenz das Kniegelenk mit 12.708 Verletzungen (36,6%) im Vordergrund steht. Der Autor selbst verfügt in der Arbeit mit Kniepatienten über große Erfahrung (über 3500 Fälle) [11, 12] und nahm die im Folgenden beschriebenen Untersuchungen vor.

Für die randomisierte Cross-over-Studie wurden Patienten ausgewählt, die bei einer Operation eine Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands mit autologer Patellasehne erhalten hatten. Es wurde eine Zuteilung per Losverfahren in Gruppe A und B vorgenommen. Alle Patienten erhielten eine segmentale Behandlung auf dem Niveau L3 („osteopathic manipulative treatment“: OMT) in Kombination mit einem standardisierten Trainingsprogramm, wobei die Behandlungsreihenfolge in den Gruppen variierte. Auch diese Untersuchung sollte auf der Grundlage von Messungen die These belegen, dass die osteopathische Behandlung effektiver wirkt als die schulmedizinische.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studie 1

Sie wurde über einen Zeitraum von 5 Monaten (01.09.2000–28.02.2001) durchgeführt. Einbezogen wurden Patienten, die mit maximal 6 Wochen altem Schleudertrauma in der Notfallaufnahme der Margarethenklinik Kappeln untersucht bzw. behandelt wurden. Je 50 Teilnehmer wurden als Gruppe A der schulmedizinischen Therapie zugeordnet (Halskrawatte und verordnete 6 Wochen Sportpause), während Gruppe B (ebenfalls 50 Patienten) eine osteopathische Behandlung zuteil wurde, die nach folgendem Schema ablief:

  • Phase 1: Mobilisation der Nieren in latero-lateraler Richtung („liegende Acht“ = ∞)

  • Phase 2: Mobilisation der Nieren nach kranial

  • Phase 3: Dekoaptationsmanipulation des thorakolumbalen Übergangs (T12 gegenüber L1)

  • Phase 4: Mobilisation der Sutura occipitomastoidea

Vor der Behandlung wurde bei jedem Patienten die HWS-Beweglichkeit anhand des Kinn-Jugulum-Abstands gemessen (zunächst in Neutralstellung, dann sowohl in maximaler Extension als auch in maximaler Flexion der HWS). Außerdem wurden die Schmerzen auf der visuellen Analogskala (VAS) bestimmt.

Nach Abschluss der Behandlung wurden nach 15-minütiger Wartezeit erneut die Bewegungsausmaße der HWS (Kinn-Jugulum-Abstand sowie Goniometer) gemessen sowie die Schmerzen nach der VAS überprüft.

Studie 2

Sie wurde vom 01.07.–30.11.2000 im Rehabilitationszentrum Westend in Berlin durchgeführt. Die Patientengruppe, die an der Studie teilnahm, setzte sich aus sportlich aktiven Personen zusammen (männlich und weiblich, Alter zwischen 18 und 39 Jahren), die sich in der Remodellierungsphase nach einer Operation am vorderen Kreuzband (ACL) befanden. Die Teilnehmer wurden per Losverfahren in 2 Gruppen (A und B) à 10 Personen eingeteilt. Alle postoperativen ACL-Patienten verfügten zum Zeitpunkt der Studie über ein partielles Bewegungsausmaß im Knie und waren belastungsstabil.

Die Behandlung der Teilnehmer war dualistisch (OMT und MTT) und von 3 Messungen begleitet, die mit dem CYBEX 6000 durchgeführt wurden. Dieser erfasst:

  • maximales Drehmoment [Nm] der Flexoren und Extensoren

  • beste Arbeitswiederholung [J] der Flexoren und Extensoren

  • Bewegungsausmaß [°]

Im Zuge der OMT wurden alle Patienten vom behandelnden Osteopathen auf dem Niveau L3 manipuliert. Bei allen Patienten wurde darüber hinaus eine einheitliche sportphysiotherapeutische Behandlung (MTT) durchgeführt: Dem standardisierten Aufwärmprogramm auf einem Fahrradergometer folgte eine koordinative Trainingsübung auf dem Therapiekreisel (10 Wiederholungen, 3 Serien, 2 min Pause je Serie), der sich nach 3–6 min Ruhezeit eine Übung zur Kräftigung der Beinmuskulatur auf einer „leg press“ anschloss (zu bewegendes Gewicht: 60% des Eigengewichts des jeweiligen Patienten; 20 Wiederholungen, 4 Serien, 90 s Pause je Serie).

Der Studienverlauf wurde wie in dargestellt Tab. 1 gegliedert.

Tab. 1 Schema des Designs von Studie 2

Ergebnisse

Studie 1

Um die Verbesserung der HWS-Beweglichkeit durch die jeweils angewandte Therapieform bestimmen zu können, wurde die Differenz der Werte von Neutralstellung, Flexion und Extension, gemessen vor der Behandlung und 15 min danach, berechnet.

Bei Gruppe A wurde in keinem Fall eine Verbesserung durch die schulmedizinische Behandlung erzielt. Bei allen Patienten der Gruppe B kam es zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Diese Ergebnisse wurden mit Hilfe des Student-t-Test für verbundene Stichproben statistisch verglichen: Sowohl die Verbesserung von Flexion und Extension als auch die Verringerung des Kinn-Jugulum-Abstands in Neutralstellung waren höchst signifikant (p<0,0001) (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verbesserung der HWS nach Therapie, höchstsignifikante Verbesserung von Flexion und Extension direkt nach schulmedizinischer bzw. osteopathischer Therapie sowie höchstsignifikante Verringerung des Kinn-Jugulum-Abstands in Neutralstellung (p<0,0001)

Die Verbesserung des Schmerzes wurde durch Berechnung der Differenz aus den Werten der VAS vor der jeweiligen Therapie und jenen, die 15 min danach erhoben wurden, bestimmt. Während bei schulmedizinischer Behandlung (Gruppe A) in keinem der 50 Fälle eine Verbesserung zu verzeichnen war, berichteten alle 50 Patienten der Gruppe B nach der osteopathischen Behandlung von einem stark verringerten Schmerzempfinden. Auch diese Ergebnisse wurden nach dem oben genannten Verfahren statistisch verglichen: Die Verbesserung war höchst signifikant (p<0,0001) (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verbesserung des Schmerzes nach Therapie, höchstsignifikante Verbesserung der VAS direkt nach schulmedizinischer bzw. osteopathischer Therapie (p<0,0001)

Studie 2

Die vom CYBEX 6000 erfassten Daten wurden in 5 abhängige Variablen unterteilt:

  • maximales Drehmoment der Flexoren

  • maximales Drehmoment der Extensoren

  • WBA (beste Arbeitswiederholung) der Flexoren

  • WBA (beste Arbeitswiederholung) der Extensoren

  • BAM (Bewegungsausmaß)

Die Ergebnisse der 3 Messungen wurden untersucht. Bei Gruppe A kam es nach der erstmaligen Behandlung mit OMT (zwischen der 1. und 2. Messung) zu einer signifikanten Verbesserung in allen abhängigen Variablen, während durch die darauf folgende Standardbehandlung keine signifikanten Verbesserungen zwischen der 2. und 3. Messung mehr zu erzielen waren. Für die Variable „WBA der Extensoren“ ergab sich zu diesem Zeitpunkt sogar eine signifikante Verschlechterung. Lediglich für BAM kam es zwischen der 2. und 3. Messung zu einer marginalen Verbesserung.

Die Patienten der Gruppe B, die zuerst die Standardtherapie erhielten, wiesen zwischen der 1. und 2. Messung in lediglich 3 abhängigen Variablen signifikante Verbesserungen auf:

  • Drehmoment der Flexoren,

  • WBA der Flexoren und

  • BAM.

Nach der im Anschluss durchgeführten OMT zeigten sich zwischen der 2. und 3. Messung in allen abhängigen Variablen signifikante Verbesserungen (Tab. 2, 3).

Tab. 2 Overallsignifikanzen der Messwiederholungen
Tab. 3 Signifikanzen der einzelnen Messwiederholungen

Diskussion

Studie 1

Direkt nach der primären Behandlung mit der funktionellen osteopathischen Therapie verbesserte sich die HWS-Beweglichkeit höchstsignifikant in Flexion (6,7 mm), Extension (6,0 mm) und in Neutralstellung (13,6 mm). Nacken- und ventrale Halsmuskulatur wiesen Tonusverringerung bzw. -normalisierung auf. Bei keinem der schulmedizinisch behandelten Patienten zeigte sich eine Veränderung der Werte. Dies war auch prinzipiell zu erwarten, da die Standardtherapie eine Ruhigstellung zur Schonung der HWS zum Ziel hat [15, 28].

Die durch die osteopathische Therapie erwirkte Verbesserung erklärt sich durch das biomechanische fasziale und neurologische Prinzip der Bewegungseinschränkung [5, 10]: Die Bewegungsschmerzen und -störungen der HWS beruhen nicht allein auf den gut untersuchten Bewegungsabläufen der HWS [3, 8], sondern sind v. a. in einer Veränderung der propriorezeptiven Informationen sowie einer Sensibilisierung der zentralen neurologischen Strukturen zu suchen [6, 18]. Darüber hinaus werden fasziale Retraktionen der Halsfaszien (mit Verbindung zu den Organfaszien) als Ursache für Irritationen der HWS-Region geschildert [9, 20].

Die Messung des Schmerzes erfolgte mit Hilfe der subjektiven VAS, da es sich um eine subjektive Wahrnehmung handelt. Die Qualität der exakten mathematisch-statistischen Berechnung wird dadurch nicht negativ beeinflusst [1, 4].

Die Schmerzintensität in der osteopathischen (Mittelwert 4,84) und in der schulmedizinischen Gruppe (Mittelwert 5,36) war etwa gleich. Bei den osteopathisch behandelten Patienten reduzierte sich dieser Wert höchstsignifikant um etwa 2 Punkte auf einen Mittelwert von 2,80, während er bei der schulmedizinischen Kontrollgruppe unverändert blieb.

Somit besteht bei der Therapie des Schleudertraumas mit der in Studie 1 genannten osteopathischen Technik eine wirkungsvolle Behandlungsmethode, die sowohl die Schmerzen als auch die Bewegungsausmaße der HWS signifikant verbessert.

Studie 2

Bei der differenzierten Betrachtung der Signifikanzen zwischen den jeweiligen in dieser Studie durchgeführten Messungen war nach der erstmaligen Behandlung mit OMT (Gruppe A) eine signifikante Verbesserung in allen abhängigen Variablen auszumachen. Nach der MTT waren keine Verbesserungen festzustellen. In qualitativ hochwertigen Untersuchungen [16, 17] wurde der M. quadriceps femoris als Kennmuskel für das Segment L3 bestimmt, d. h. eine somatische Dysfunktion auf dem Niveau L3 bewirkt, dass der M. quadriceps femoris nicht seine volle Kontraktionsfähigkeit besitzt.

Jede vordere Kreuzbandverletzung sowie die anschließende operative Versorgung ziehen u. a. ein koordinatives Defizit nach sich [26, 29]. Als Ursache hierfür werden eine verschlechterte Fähigkeit zur Eigenwahrnehmung (Propriozeption) durch die Verletzung von propriozeptiven Gelenkrezeptoren und ein damit verbundenes vermindertes Koordinationsvermögen vermutet [21, 23]. Es wird angenommen, dass das veränderte Feedback der sensorischen Strukturen über die afferente Informationsvermittlung zu Modifikationen auf spinaler und kortikaler Ebene führt. Als efferente Folge einer VKB-Operation lassen sich Veränderungen der neuromuskulären Ansteuerungsmuster und des koordinativen Leistungsvermögens feststellen.

Durch eine Manipulation der HVLA-thrust-Technik (high velocity – low amplitude) auf das Niveau L3 konnte ein positiver Einfluss auf die Kontraktionsfähigkeit des M. quadriceps femoris durch Parmentier [25] gezeigt werden. Ähnliche Resultate konnten auch in der vorliegenden Studie erzielt werden: Die Komponenten der Flexoren und das BAM hatten sich nach der OMT auf Niveau L3 (Abb. 3) signifikant verbessert.

Abb. 3
figure 3

OMT auf Niveau L3

Nach dem standardisierten Rehabilitationsprogramm fand bei Gruppe A keine signifikante Verbesserung statt, darüber hinaus ergab sich zwischen der 2. und 3. Messung für die WBA der Extensoren eine signifikante Verschlechterung.

In Gruppe B, in der zuerst das standardisierte Rehabilitationsprogramm zum Einsatz kam, verbesserten sich die Variablen bezüglich der Flexoren und das BAM. Dies ist auf die aktive Stabilisierung durch die ischiokrurale Muskulatur zurückzuführen, die auf neurophysiologischer Ebene mittels Mechanorezeptoren mit dem Kreuzband verbunden ist.

In elektromyographischen Studien nach einer ACL-Operation ließen sich bei unterschiedlichen Testbewegungen veränderte neuromuskuläre Ansteuerungsmuster feststellen [2, 30]. In der Mehrzahl der Untersuchungen mit dynamischen Testbewegungen konnte ein längerfristig veränderter Synergismus der Muskulatur durch eine geringere Aktivierung des M. vastus medialis und eine verstärkte Aktivierung des M. vastus lateralis und des M. bizeps femoris gemessen werden [14, 27].

Durch den Einsatz von OMT zwischen der 2. und 3. Messung zeigten alle abhängigen Variablen signifikante Verbesserungen, die auch bereits bei Gruppe A festgestellt wurden.

Resümee

Es muss entschieden werden, welche Form der Nachbehandlung bei einem betroffenen Patienten angewandt werden sollte, um den höchstmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Fest steht, dass es einem postoperativen ACL-Patienten neben einem muskulären Defizit [7] an Bewegungsausmaß [22] und an propriorezeptiven Fähigkeiten [29] fehlt. Die Entscheidung über die Therapieform wird anhand der gesamten Gelenkfunktion getroffen, die sich aus verschiedenen Einzelparametern zusammensetzt (Streckung, Beugung, Schmerzen, Erguss, Muskelzustand, Stabilität, Propriorezeption) und damit als Summationseffekt der Einzelparameter zu definieren ist [29].

Fazit

Die osteopathische Therapie erreicht – wie in Studie 1 nachgewiesen – im Vergleich zur schulmedizinischen eine höchstsignifikante Verbesserung der Beweglichkeit der HWS. Dadurch sinkt das Schmerzniveau (um durchschnittlich 2 Punkte) unmittelbar, und es werden Folgeerscheinungen aufgrund von eventuellen Haltungsfehlern vermieden. Zusätzlich können durch die Verbesserungen der Schmerzsituation die negativen Folgen eines Schleudertraumas (WAD) gemildert oder sogar verhindert werden, wodurch die Folgekosten gesenkt werden können [28].

Die Bedeutung einer ganzheitlichen Therapie von Patienten mit Schleudertrauma wird an den signifikant besseren Behandlungsergebnissen ersichtlich.

Aus den Resultaten der Studie 2 geht eindeutig hervor, dass die OMT-Maßnahmen in allen gemessenen Variablen umfassendere Behandlungseffekte erzielen als das standardisierte Rehabilitationsprogramm. Die Kombination einer osteopathischen Technik mit standardisierten therapeutischen Verfahren induziert eine generelle und grundsätzliche Optimierung der Rehabilitation. Die Rehabilitationsphase wird verkürzt, der Patient schneller arbeitsfähig und alle anfallenden Kosten (Arbeitsausfall, Krankengeld, Behandlungskosten) werden reduziert.

Es gibt keine festen Behandlungspläne für Patienten mit einer vorderen Kreuzbandoperation. Allerdings müssen Grundregeln wie die Berücksichtigung der Zeiträume der Wundheilungsphasen eingehalten werden.