In der Diskussion um steigende Ausgaben im Gesundheitswesen bei nachlassenden Erträgen durch die Beitragszahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es verständlich, dass auch seitens der gesetzlichen Unfallversicherungen (GUV) Überlegungen stattfinden, wie die verfügbaren Mittel gezielter und effizienter eingesetzt werden können.

In der stationären Behandlung von Arbeitsunfällen ist die Physiotherapie ein unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung. Neben der berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung ( BGSW) stehen zur Sicherung des Behandlungserfolgs für die ambulante Therapie die erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) oder die Einzelverordnung von Physiotherapie und/oder physikalischer Therapie zur Verfügung.

Hier soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit es Erfahrungen oder Vorgaben über die Dauer der ambulanten Physiotherapie seitens der Unfallversicherungsträger gibt.

Gesetzesgrundlagen

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Sie formuliert in ihren gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß §125, SGB V, zum Ziel der Heilmittelbehandlung:

„Heilmittel dienen dazu, eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.“

Dabei haben Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte darauf zu achten, dass die Leistung wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen wird.

Neben den Forderungen nach Effizienz und Wirtschaftlichkeit wird in §70 SGB V formuliert:

Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.

Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Gesetzliche Unfallversicherung (GUV)

Ihre Zielsetzung in der stationären und ambulanten Behandlung Unfallverletzter sind das Wiedererreichen der Arbeitsfähigkeit und die Wiederaufnahme der Arbeit. Dazu stehen dem betreuenden Arzt für die poststationäre Weiterbehandlung 3 bewährte Konzepte

  • Physiotherapie

  • EAP

  • BGSW

zur Auswahl.

In den Richtlinien zur Übungsbehandlung nach Arbeitsunfällen findet sich der Hinweis:

„Vor der Verordnung ist zu prüfen, ob das angestrebte Behandlungsziel durch andere Maßnahmen (z. B. sportliche Betätigung, Änderung der Lebensführung u. a.) erreicht werden kann.“

Offen ist die Frage, wie dies seitens des Verordners ermittelbar ist oder wie der Verletzte durch den Arzt zu dieser Eigenaktivität motiviert werden kann. Sollte die Eigenaktivität laut ärztlicher Meinung nicht ausreichend sein, finden sich Angaben über die Indikation und den Umfang der Verordnungsmöglichkeiten. Die Einzelverordnung von Physiotherapie und/oder physikalischer Therapie kann den funktionellen Problemen des Verletzten angepasst werden. Hingewiesen wird in den Richtlinien u. a. auf die Indikationen

“.. kommt krankengymnastische Therapie im regionalen Bereich als Standardtherapie in Betracht,

  • wenn die Beweglichkeit verletzter und/oder mitbetroffener Gelenke zu verbessern oder wiederherzustellen ist,

  • verringerte Muskelkräfte gestärkt werden müssen und

  • das Koordinationsvermögen zu verbessern ist.“

Poststationäre Weiterbehandlung

Allgemeines

Durch die 2-wöchige Verordnungsdauer mit Wiedervorstellung ist die Überprüfbarkeit der Wirksamkeit gegeben. In der Regel soll die Behandlung nach 2 Verordnungen, also 4 Wochen, beendet sein. Mit Begründung können die Therapie verlängert oder eine umfassendere Behandlung (EAP oder BGSW) verordnet werden.

In der EAP kann neben der Physiotherapie und physikalischen Behandlung auch das medizinische Aufbautraining verordnet werden. Diese Maßnahme wird ambulant durchgeführt und umfasst eine tägliche Behandlungsdauer von mindestens 120 min. Die Verordnung ist für 2 Wochen zu erstellen, nach einer Wiedervorstellung können 2 weitere Wochen verordnet werden. Anschließend besteht die Möglichkeit, Physiotherapie als Einzeltherapie oder eine BGSW zu verordnen.

Physiotherapie oder EAP können eingesetzt werden, so lange ein erkennbarer, messbarer Funktionsgewinn zur völligen Wiederherstellung zu verzeichnen ist oder einer drohenden Verschlimmerung vorgebeugt werden kann. Von der Physiotherapie ist zu erwarten, dass sie über valide Testverfahren und Dokumentation dem Arzt, der über die Dauer der Nachbehandlung entscheidet, die Funktionsgewinne mitteilen kann.

Die Richtlinie zur Übungsbehandlung gibt Indikationen zur Verordnung von Physiotherapie, EAP und BGSW vor, wobei individuelle Problemstellungen durch Maßnahmenkombinationen berücksichtigt werden können. Durch die 2-wöchige Wiedervorstellung ist eine engmaschige Überprüfung der Effizienz, durch die in der Regel 4-wöchige Verordnungsdauer eine gewisse Mengenregelung gegeben.

Arzt-Therapeut-Patient-Interaktion

Bisher unbeachtet blieb die Frage, welche Zielsetzung der Unfallverletzte hat. Die Dauer der Therapie wird sich deutlich unterscheiden, wenn neben der Selbstständigkeit im Alltag und der Arbeitsfähigkeit auch die Wiederherstellung der vollen Sportfähigkeit erwartet wird. Hier sind vom Verordner und Therapeuten realistische Zielvorgaben mit dem Patenten abzustimmen, um überzogene Erwartungen zu vermeiden. Erreichbar scheint das nur durch eine gute Kommunikation zwischen Verletztem, Arzt und Therapeut.

  • Sind sich Arzt und Therapeut über das angestrebte und erreichbare Behandlungsziel einig und vermitteln sie dies dem Verletzten?

  • Liefert der Therapeut erkennbare und messbare Ergebnisse der Funktionsverbesserungen?

  • Endet mit Wiederreichen der Arbeitsfähigkeit zwingend die ambulante Therapie?

  • Wo endet die medizinische Therapie, wo beginnt das Training?

Kosten-Nutzen-Abwägung bei Physiotherapie

Hier ist auch die Frage nach den Vergütungen für physiotherapeutische Einzelbehandlung von Belang. Die Einzelbehandlung

  • basiert auf einer physiotherapeutischen Befunderhebung,

  • orientiert sich an Patientenproblemen,

  • denkt in Funktionssystemen,

  • wählt eigenständig und wirkungsbewusst Therapiekonzepte aus,

  • passt die Therapie dem Behandlungsverlauf an und

  • dokumentiert die Befunde und Veränderungen.

In Tabelle 1 sind einige Vergütungen für PT-Leistungen (GKV-Satz) aufgeführt. Für diese erhält der Verletzte die umfassende geschilderte Therapie, verbunden mit der Anleitung zu Eigenaktivität mit kontinuierlichem Therapeutenkontakt. Die genannten Summen scheinen in Relation zur EAP- oder BGSW-Vergütung äußerst kostenbewusst.

Tabelle 1 Vergütungen einiger PT-Leistungen

Fazit

Für den Bereich der GUV liegen keine präzisen verletzungsorientierten Regelmengen für ambulante Physiotherapie, wie sie die GKV im Heilmittelkatalog formuliert hat, vor. Durch die 2-wöchige Wiedervorstellung und die Regeldauer von 2-mal 2 Wochen Physiotherapie oder EAP und 1–4 Wochen BGSW sind aber eine Überprüfung der Effizienz und die Option zur Reduzierung oder Steigerung des Therapieumfangs gegeben.

Bei einer guten Kommunikation zwischen Betroffenem, Arzt und Therapeut kann unter der Vorgabe „erkennbarer und messbarer Funktionsgewinn“ gezielt über die Dauer und den Umfang der ambulanten Weiterbehandlung entschieden werden.