Wichtige Definitionen

  • Schulterluxation

    Sie ist als eine pathologisch vermehrte Translation mit komplettem Kontaktverlust der Gelenkflächen definiert.

  • Schulterinstabilität

    Es liegt eine Unfähigkeit, den Humeruskopf im Glenoid zu zentrieren, vor. Es werden uni- (1 Richtung) und multidirektionale (mindestens 2 Richtungen) Instabilitäten unterschieden.

  • Hyperlaxität

    Es handelt sich um eine gesteigerte physiologische Translation. Sie kann einen Risikofaktor für die Entstehung einer Instabilität darstellen oder mit ihr kombiniert sein. Die Hyperlaxität selbst besitzt primär keinen Krankheitswert [34].

Klassifikation

Die im klinischen Alltag verbreitetste Klassifikation der Schulterinstabilitäten ist die Gerber-Einteilung [11]. Sie umfasst die dynamischen Instabilitäten (Gerber-Nyffeler-Klasse B [13]) und differenziert nach Richtung, Hyperlaxität und Willkürlichkeit.

2002 wurde sie von Gerber u. Nyffeler [13] um die Gruppen der statischen Instabilitäten (Gerber-Nyfeller-Klasse A) und willkürlichen Luxationen (Gerber-Nyfeller-Klasse C) erweitert (Tabelle 1). Als statische Instabilitäten gelten eine fixe superiore, inferiore, anteriore oder posteriore Dezentrierung des Humeruskopfes. Ursächlich können Rotatorenmanschettenläsionen, degenerative oder traumatische Veränderungen, anatomische Glenoidvarianten, Nervenverletzungen oder Längenunterschiede nach prothetischer Versorgung sein [13, 34].

Tabelle 1 Klassifikation der Schulterinstabilität nach Gerber u. Nyffeler [13]

Die dynamischen Instabilitäten sind durch ein subjektives Instabilitätsgefühl und einen momentanen reversiblen Verlust der Gelenkkongruenz gekennzeichnet. Sie werden immer durch ein Trauma initialisiert. Dabei können ein Makrotrauma oder repetitive Mikrotraumen vorliegen [13].

95% die Schulterluxationen sind unidirektional nach anterior-inferior gerichtet. 30% der unidirektionalen Instabilitäten weisen zusätzlich eine multidirektionale Hyperlaxität auf. In 2–4% liegt eine hintere Luxation, in 3–5 % eine multidirektionale Instabilität mit Hyperlaxität vor [12, 17].

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Entscheidende Hinwiese ergeben sich bereits aus der Anamnese. Es gilt

  • Ursache (traumatisch-habituell),

  • Häufigkeit,

  • Richtung (uni-/multidirektional),

  • Willkürlichkeit,

  • Ausmaß (Sub-/Luxation) und

  • Repositionsverhalten (Eigen-/Fremdreposition)

zu erfassen.

Die klinische Untersuchung erfolgt immer im Seitenvergleich und beginnt mit der Beurteilung der Schulterlaxität.

Schulterlaxität

Zunächst werden schulterunspezifische Hyperlaxitätsparameter überprüft. Hinweisend sind die Überstreckbarkeit der Finger- und Ellbogengelenke sowie ein Daumen-Unterarm-Abstand <6 cm [3, 34]. Der Schubladentest evaluiert die anteriore und posteriore Translation, die nach Hawkins u. Bokor [18] graduiert wird (Tabelle 2). Die inferiore Translation wird im Sulcuszeichen (Neutralposition) erfasst und entsprechend seiner Ausdehnung (0–2 cm) nach Altcheck et al. [1] klassifiziert (Abb. 1). Ein positives Sulcuszeichen in Außenrotation deutet auf eine Insuffizienz des Rotatorenintervalls, in Innenrotation auf eine Instabilität der dorsalen Kapselstrukturen hin. Eine Hyperlaxität der inferioren Kapsel manifestiert sich in einem positiven Gagey-Test (bei fixierter Skapula passive Abduktion >105°) [9].

Tabelle 2 Einteilung des Translationsgrads nach Hawkins u. Bokor [18]
Abb. 1
figure 1

Sulcuszeichen

Schulterinstabilität

Es folgt die Untersuchung der Schulterinstabilität. Die vordere Instabilität wird durch den vorderen Apprehension-Test (Abduktion, Außenrotation und dorsaler Druck auf den Humeruskopf) geprüft. Dieser sollte in 60, 90 und 120° Abduktion erfolgen, um das Ausmaß der Kapsel-Labrum-Schädigung zu erfassen. Dabei werden in 60°-Stellung das mittlere, in 90 und 120° das inferiore glenohumerale Band getestet. Die posteriore Instabilität wird mit dem Jerk-Test (90° Abduktion, zunehmende Adduktion und Innenrotation unter axialem Druck) beurteilt [18].

Intraartikuläre Verletzungen

Ihr Schweregrad bei einer traumatischen Luxation hängt vom Ausmaß der Laxität ab. Dabei kann der Labrum-Ligament-Komplex am glenoidalen Ansatz (Bankart-Läsion: Labrumabriss, Perthes-Läsion: Riss des medialen Kapselursprungs ohne Labrumläsion), im Verlauf der Kapsel oder am humeralen Ansatz (HAGL-Läsion, HAGL: humerale Avulsion der glenohumeralen Ligamente) geschädigt werden. Zusätzlich wird von einer plastischen Deformierung der Kapsel und glenohumeralen Ligamente ausgegangen. Bei spontanem Verlauf kann es nach Bankart-Läsion zu einer medialen Fehlverheilung des Labrum-Kapsel-Komplexes (ALPSA-Läsion, ALPSA: „anterior labroligamentous periosteal sleeve avulsion“) kommen [25].

Bei über 30-jährigen Patienten wird nach Erstluxation in bis zu 100% der Fälle eine Kapsel-Labrum-Läsion beobachtet. 30–80% der >40-Jährigen erfahren eine begleitende Rotatorenmanschettenruptur unterschiedlichen Ausmaßes [21, 28], wobei zu berücksichtigen ist, dass die dynamischen Stabilisatoren (Rotatorenmanschette) ab dem 40. Lebensjahr zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Knöcherne Läsionen

Sie werden am Glenoid und korrespondierend am Humeruskopf beobachtet. Bei der vorderen Luxation führt der anterior-inferiore Pfannenrand zu einer Impressionsfraktur am posterolateralen Humeruskopf (Hill-Sachs-Läsion); entsprechend führt eine dorsale Luxation zu einer Impression am anteromedialen Humeruskopf (Reversed-Hill-Sachs- oder MacLaughlin-Läsion). Abscherfrakturen am anterior-inferioren Pfannenrand werden als Bankart-Frakturen bezeichnet. Diese Defekte sind umso ausgeprägter, je weniger lax das betroffene Schultergelenk konfiguriert ist. So zeigen sich bei hyperlaxen Gelenken keine oder nur wenig ausgeprägte ossäre Läsionen.

Unidirektionale Instabilität

Charakteristisch für die B1-Instabilität nach Gerber-Nyffeler sind ein stattgehabtes Makrotrauma (Motorradunfall, epileptischer Anfall) und eine ausgedehnte Humeruskopfimpressionsfraktur. Rotatorenmanschettenläsionen oder große Glenoiddefekte sind selten [13].

Die unidirektionalen Instabilitäten ohne Hyperlaxität (B2) sind mit 60% aller Instabilitäten am häufigsten. Typisch sind ein stattgehabtes adäquates Trauma mit Fremdreposition, ein positiver Apprehension-Test bei negativem Schubladentest und Sulcuszeichen. Ein großer Hill-Sachs-Defekt ist mit einer kleinen Läsion des anterior-inferioren Labrumkomplexes assoziiert und umgekehrt [13]. Posteriore Bankart-Läsionen sind weniger ausgedehnt als anteriore; kommen jedoch häufiger vor als früher angenommen [8].

Die unidirektionale Instabilität mit Hyperlaxität (B3) liegt in etwa 30% aller Instabilitäten vor [13]. Durch ein geringes Trauma ausgelöst sind ein positiver anteriorer oder posteriorer Apprehension-Test mit positivem Schubladentest und Sulcuszeichen, eine vermehrte Außenrotation sowie eine hyperlaxe kontralaterale Schulter charakteristisch. Die Kapsel-Labrum- und knöchernen Läsionen sind bei großem Kapselvolumen klein [13, 34].

Multidirektionale Instabilität

Bei Patienten mit der sehr seltenen multidirektionalen Instabilität ohne Hyperlaxität (B4) liegen meist 2 unabhängige Unfallereignisse zugrunde. Sie weisen einen positiven vorderen und hinteren Apprehension-Test auf, die Außenrotation liegt nicht >70°, die Hyperlaxitätszeichen sind negativ. Läsionen der anterioren und posterioren Instabilität werden beobachtet [13, 34].

Die multidirektionalen Instabilitäten mit Hyperlaxität (B5) gilt es von der unidirektionalen Instabilität mit Hyperlaxität abzugrenzen. Die typischen Patienten sind Frauen mit repetitiven Mikrotraumen in der Jugend (Überkopfsport). Häufig sind beide Schultergelenke betroffen. Bei der klinischen Untersuchung finden sich eine generalisierte Hyperlaxität sowie ein vorderes und hinteres Apprehension-Zeichen. Innen- und Außenrotation sind vermehrt. Auffällig sind ein generalisiertes großes Kapselvolumen mit bei der arthoskopischen Untersuchung typischem „Drive-through-Phänomen“ (Abb. 2), ein weites Rotatorenintervall sowie keine oder nur minimale intraartikuläre Verletzungen [13].

Abb. 2
figure 2

Drive-through-Phänomen mit weiter Gelenkkapsel bei Hyperlaxität; arthroskopisches Bild, G Glenoid, H Humeruskopf

Eine willkürliche Instabilität (B6) liegt bei Patienten vor, die ihre Schulter nach Sub-/Luxation selbst reponieren können. Sie ist in der Regel schmerzfrei und wird bilateral beobachtet [13, 34].

Bildgebende Diagnostik

Röntgen:

Grundlage ist die Röntgendiagnostik. Die True-a.-p.-Aufnahme stellt neben der Dislokation den vorderen und hinteren Pfannenrand dar. Knöcherne Begleitverletzungen, wie eine Bankart- oder Tuberculum-majus-Fraktur, können so diagnostiziert werden. Die Y-Aufnahme erlaubt die Differenzierung zwischen ventraler und dorsaler Richtung. Die axiale Darstellung ist bei der akuten Luxation häufig nicht möglich. Eine Alternative zur Beurteilung des Pfannenrandes stellt die Velpeau-Aufnahme dar. Die Hill-Sachs-Läsion lässt sich am besten in der Stryker-Notch-Aufnahme, einer modifizierten axialen Aufnahme, verifizieren [25].

Zusätzliche Computertomographie (CT):

Sie wird beim Verdacht auf eine chronisch verhakte Luxation sowie bei unklarem Befund am Glenoid empfohlen und ermöglicht die therapierelevante Größenbestimmung knöcherner Defekte.

Magnetresonanztomographie (MRT):

Die MRT erfasst begleitende Labrum-Kapsel-, SLAP- („superior labrum anterior to posterior“) und Rotatorenmanschettenläsionen. Die MRT ist nach Schultererstluxation bei älteren Patienten (>40 Jahre) obligat, um die in bis zu 63% auftretenden begleitenden Rotatorenmanschettenrupturen zu diagnostizieren [15, 21]. Generell hat die Arthro-MRT gegenüber der Nativ-MRT und der Arthro-CT die höchste Spezifität und Sensitivität [26]. Innerhalb der ersten 2 Wochen nach Trauma genügt durch den Kontrasteffekt des Hämarthros ein Nativ-MRT [25].

Die Indikation zur MRT bei Patienten <30 Jahren besteht nur, wenn nach Erstluxation nicht sicher zwischen uni- und multidirektionaler Instabilität mit begleitender Hyperlaxität unterschieden werden kann [18].

Das Therapieregime beeinflussende Prognosefaktoren

Patientenalter

Die Reluxationsrate nach konservativer Therapie traumatischer Schultererstluxationen verhält sich umgekehrt proportional zum Patientenalter — je jünger der Patient, desto höher die Reluxationsrate. Die Literatur gibt hier die „Schnittstelle“ von 30 Jahren vor. Lill et al. [27] und Hovelius et al. [21] beschrieben Reluxationsraten von 60–86% bei <30-jährigen und 12–21% bei >30-jährigen Patienten.

Aktivitätsgrad

Wheeler et al. [39] sahen Reluxationsraten von 94% bei Sportlern (Überkopf-, Wurf- und Kontaktsportarten) nach konservativer Therapie. Der Rezidivvergleich sportlich aktiver und nicht/wenig aktiver Jugendlicher zeigte eine Reluxationshäufigkeit von 82:30% [36].

Begleitverletzungen

Burkhart u. De Beer [4] beobachteten eine Rezidivrate von 67% bei Patienten mit knöchernen Läsionen (Bankart-Fraktur, Hill-Sachs-Läsion), bei Patienten ohne knöcherne Begleitverletzungen dagegen nur eine Reluxationsrate von 4%. Sie sahen darin den Grund für das Versagen der arthroskopischen Stabilisierung beim Vorliegen knöcherner Verletzungen [4]. Eine Operationsindikation bei in 3–22% aller traumatischen Schulterluxationen auftretender Bankart-Fraktur besteht ab einer Defektgröße von 25% der kraniokaudalen Glenoidlänge, da die fehlende Auflagefläche eine deutlich vermehrte Translation mit Rezidivinstabilität provoziert [22, 30, 37]. Hill-Sachs-Defekte sind ab einer Größe von 1/3 der Humeruskopfzirkumferenz oder bei zentraler Lage reluxationsrelevant und daher therapiebedürftig [21, 25].

Bei Patienten höheren Alters werden im Zusammenhang mit einer traumatischen Schulterluxation in 10–30% Abrissfrakturen oder Infraktionen des Tuberculum majus beobachtet [20, 27, 33]. Dieses Klientel zeigt vergleichsweise niedrigere Reluxationsraten [27, 38].

Begleitende Rotatorenmanschettenrupturen betreffen ebenfalls vorwiegend ältere Patienten. Ribbans et al. [31] sahen bei 63% der >50-Jährigen eine Rotatorenmanschettenläsion nach Erstluxation. Sie erhöht das Rezidivrisiko [32]. Die tatsächliche Inzidenz von Rotatorenmanschettenrupturen post luxationem ist schwer zu erfassen, da mit zunehmendem Alter häufig auch asymptomatische Rotatorenmanschettendefekte zu beobachten sind [35]. Daher ist nach Schultererstluxation bei Patienten >40 Jahren eine dahingehende initiale Diagnostik (MRT) obligat [26, 27].

Auch begleitende Nervenverletzungen (N. axillaris>N. suprascapularis>N. radialis>N. musculocutaneus) finden sich, häufig in Verbindung mit ausgeprägten Hämatomen, vornehmlich beim älteren Patienten [6]. Die Häufigkeitsangaben schwanken zwischen 8 und 45% nach elektrophysiologischen Messungen [6, 27]. Die meisten sind innerhalb von 4 Monaten reversibel [6].

Liegt die Trias von traumatischer Schulterluxation, Rotatorenmanschettenruptur und N.-axillaris-Schädigung vor, spricht man von der „terrible triad of the shoulder“ [16].

Differenzialtherapie

Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach dem vorliegenden Klassifikationsstadium nach Gerber-Nyffeler [13] (Tabelle 1) und den beschriebenen Prognosefaktoren.

Operation

Eine Notfallindikation stellen begleitende Gefäßschäden und verhakte Luxationen dar. Absolute Operationsindikation besteht bei nicht retinierbarer Luxation, Bankart-Fraktur (>25% der kraniokaudalen Glenoidlänge), dislozierter Tuberculum-majus-Fraktur und M.-subscapularis-Ruptur [17, 25].

Die primäre operative Stabilisierung der traumatischen Erstluxationen ist bei Patienten <25 Jahre, einem hohen sportlichen Anspruch, einem adäquaten Trauma mit Fremdreposition, bei Hill-Sachs-Defekt (>1/3 der Humeruskopfzirkumferenz, zentraler Lage) und der sehr seltenen Luxatio erecta (untere Luxation durch Hyperabduktion) angezeigt [17, 25, 27]. Rotatorenmanschettendefekte sollten frühzeitig rekonstruiert werden [14, 17, 25, 27].

Kommt es nach konservativer Therapie zu Rezidiven, persistieren Subluxation, subjektiver Instabilität oder pathologischen Stabilitätstests, ist die sekundäre operative Stabilisierung anzustreben.

Die operative Stabilisierung umfasst eine Rekonstruktion und Refixation des Labrum-Kapsel-Komplexes mit Kapselshift. Dieser kann in klassischer Weise offen als Bankart-Operation oder arthroskopisch durchgeführt werden. Die Metaanalyse von Mothadi et al. [29] favorisiert unter Auswertung entsprechender Publikationen von 1966–2003 das offene Vorgehen mit geringeren Reluxationsraten gegenüber arthroskopischen Verfahren (transglenoidal, „suture tacs“) bei posttraumatisch rezidivierender anteriorer Instabilität. Aktuell werden unter dem Einsatz von Nahtankern vergleichbare Reluxationsraten nach arthroskopischer Stabilisierung mit geringerer Morbidität und verbesserter postoperativer Beweglichkeit beschrieben [7, 24], sodass zunehmend die arthroskopische Stabilisierung empfohlen wird (Abb. 3). Grenzen des arthroskopischen Verfahrens sind eine unzureichende Qualität des Kapselgewebes (?), große Bankart-Frakturen, einhakende Hill-Sachs- sowie HAGL-Läsionen [23].

Abb. 3
figure 3

Traumatische anterior-inferiore Schultererstluxation (19 Jahre, männlich, Fußballer); arthroskopische Bilder, G Glenoid, H Humeruskopf, a anterior-inferiore Kapsel-Labrum-Läsion (Pfeil), b Débridieren des Glenoidrands mit dem VAPR®, c Mobilisieren des Labrums (L) mit dem Raspatorium, d Anfrischen des Glenoidrands mit der Kugelfräse, e Platzieren des Fadenankers, f Kapselshift (Pfeil; F-Fadenanker), g intraoperatives Ergebnis nach ventraler Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes mit Kapselshift (Pfeil; T-Tasthaken)

Konservative Behandlung

Eine konservative Behandlung ist nach traumatischer Schulterluxation bei Patienten >30 Jahre ohne relevante knöcherne Begleitverletzungen und >40-jährigen Patienten ohne begleitende Rotatorenmanschettenrupturen indiziert. Der Einfluss der Immobilisationsdauer auf die Rezidivrate wird diskutiert. Eine längere Ruhigstellung scheint nicht sinnvoll zu sein. Es sollte eine frühzeitige kontrollierte Physiotherapie mit initialen isometrischen Übungen erfolgen [27].

Besonderheiten bei multidirektionaler Instabilität (MDI)

Die MDI ohne Hyperlaxität ist sehr selten. Für die MDI mit Hyperlaxität liefert die konservative Therapie in bis zu 80% „sehr gute“ und „gute“ Ergebnisse [2, 5]. Ein operatives Vorgehen ist nur bei nach mindestens 6-monatiger kontrollierter Physiotherapie persistierender Instabilität indiziert. Der arthroskopische posterior-anterior-inferiore Kapselshift mit Verschluss des Rotatorenintervalls wird empfohlen [10, 19]. Eigene Untersuchungen zeigen überwiegend „sehr gute“ 1-Jahres-Ergebnisse nach diesem Verfahren bei jungen Überkopfsportlern.

Fazit für die Praxis

Die Gerber-Klassifikation eignet sich für die Einteilung dynamischer Schulterinstabilitäten, da sich anhand der Instabilitätsform eine geeignete Therapie ableiten lässt. Chronisch verhakte Luxationen (B1), unidirektionale Instabilitäten ohne und mit Hyperlaxität (B2, B3) sowie die sehr seltenen multidirektionalen Instabilitäten ohne Hyperlaxität (B4) sind die Domäne der operativen Therapie. Neben dem offenen Vorgehen bei B1-Instabilitäten werden für B2- bis B4-Instabilitäten zunehmend die arthroskopische Rekonstruktion und Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes mit Kapselshift empfohlen.

Multidirektionale Instabilitäten mit Hyperlaxität werden vornehmlich konservativ behandelt. Operative Maßnahmen (arthroskopischer posterior-anterior-inferiorer Kapselshift und Intervallverschluss) erfolgen nur nach erfolgloser kontrollierter Physiotherapie. Willkürliche symptomatische Instabilitäten werden konservativ behandelt.

Patientenalter, Aktivitätsgrad und Begleitverletzungen beeinflussen die Prognose und somit das therapeutische Vorgehen nach traumatischer Schulterluxation. Bei Erstluxation <30-jähriger sowie sportlich aktiven Patienten ist eine primäre operative Stabilisierung indiziert; >30-Jährige ohne wesentliche Begleitverletzungen können, da sie deutlich niedrigere Reluxationsraten aufweisen, konservativ behandelt werden. Begleitende Rotatorenmanschettenrupturen, vornehmlich bei >40-jährigen Patienten, sollten frühzeitig rekonstruiert werden. Bankart-Frakturen und Hill-Sachs-Läsionen sind ab einer Größe von 25% der kraniokaudalen Glenoidlänge bzw. >1/3 der Humeruskopfzirkumferenz operationsbedürftig. Im Zusammenhang mit Tuberculum-majus-Frakturen wird ein deutlich verringertes Reluxationsrisiko beobachtet, sodass diese nur bei Dislokation osteosynthetisch zu versorgen sind.