Mit der Einführung winkelstabiler Implantate eröffnet sich eine neue Dimension der operativen Frakturbehandlung. Durch die Schraubenkopfverriegelung im Plattensystem wird das Prinzip eines Fixateurs interne verwirklicht. Die dadurch erhaltene Durchblutung des Knochens fördert die Frakturheilung und senkt die Infektionsrate. Durch die größere axiale Stabilität können diese Implantate insbesondere bei strukturschwachem Knochengewebe sowie bei gelenk- und gelenknahen Frakturen mit guten Ergebnissen eingesetzt werden [2, 3, 4, 11, 12, 15].

Über positive Erfahrungen in den unterschiedlichen Anwendungen von der Halswirbelsäule bis zum Fersenbein wurde u. a. in der Zeitschrift „Trauma und Berufskrankheit“ berichtet [1, 7, 8, 9, 13, 14].

Die Gesamtkomplikationsraten erscheinen geringer. Es kommt zu einem verminderten Einsatz von Spongiosaplastiken [5, 9, 11] und seltener zu verzögerter Frakturheilung [11]. Erfolgreiche Behandlungsergebnisse ließen sich bei Problemfrakturen wie z. B. den periprothetischen Frakturen erzielen [5, 6].

Die Frage, ob durch winkelstabile Implantate Korrekturverluste vermieden oder minimiert werden können, ist von Bedeutung, da ihr Einsatz hierdurch eine zusätzliche Rechtfertigung erlangt.

Korrekturverlust und Fehleranalyse

“...experts indicated that mechanical complications arose entirely from technical errors of applications [12]“.

Korrekturverlust bedeutet immer eine Minderung des Behandlungsergebnisses. Seine Ursachen sind im Rahmen einer Komplikationsanalyse zu klären und müssen in Lernprozessen umgesetzt werden. Er ist grundsätzlich als sekundäres Ereignis nach einer primär durchgeführten Osteosynthese zu verstehen und unabhängig vom primär erzielten Operationsergebnis in Bezug auf Gelenkrekonstruktion sowie Wiederherstellung von Achse, Länge und Rotation zu analysieren.

Retrospektive Analyse

Im eigenen Krankengut wurde eine retrospektive Analyse an 491 Osteosynthesen mit winkelstabilen Implantaten durchgeführt. Eine Übersicht über die Art der durchgeführten Osteosynthesen gibt Tabelle 1. Die gesamte Komplikationsrate und die sekundären Korrekturverluste sind in Tabelle 2 aufgezeigt.

Tabelle 1 Lokalisation der Implantate
Tabelle 2 Komplikationen

Unter Betrachtung der sekundären Korrekturverluste ergibt eine Fehleranalyse anhand dieser Untersuchung folgende Ursachen:

Operationstechnische Fehler — Falsche Implantatwahl

Unzureichende Verankerung/Fragmentstabilisierung

Fall 1

Eine proximale Humerusfraktur wurde initial mit 3,5-mm-Radius-T-Platte versorgt (Abb. 1a). Im Verlauf kam es zum Implantatversagen mit Ausriss der distalen Schrauben (Abb. 1b), da die Radius-T-Platte nur monokortikal und kurzstreckig und damit unzureichend im distalen Fragment eines strukturschwachen Knochens verankert war. Die Reosteosynthese wurde mit der Löffelplatte durchgeführt (Abb. 1c), die für diese Art von Frakturen entwickelt wurde. Das distale Fragment wurde mit 4 bikortikalen Schrauben sicher erfasst.

Abb. 1
figure 1

Komplikation bei proximaler Humerusfraktur, a Initialversorgung mit 3,5-mm-Radius-T-Platte, b Implantatversagen mit Ausriss der distalen Schrauben, c Reosteosynthese mit Löffelplatte

Fall 2

Die Humerusfraktur der 85-jährigen Patientin wurde initial mit LCP-Implantat versorgt (Abb. 2a), wobei insgesamt nur 11/2 Schrauben sicher im proximalen Fragment verankert waren. Es kam zu einem Ausschlagen der proximalen Schrauben (Abb. 2b), die bei Dislokation der Fragmente weiterhin in der Platte verriegelt waren. Die Instabilität der Osteosynthese verursachte einen zusätzlichen Knochendefekt. Die erneute Osteosynthese wurde mittels winkelstabilem Implantat und als Verbundosteosynthese durchgeführt.

Abb. 2
figure 2

Komplikation Humerusfraktur, a Initialversorgung mit LCP-Implantat, weiße Linien Frakturlinien, b Ausschlagen der proximalen Schrauben, bei Dislokation der Fragmente Schrauben weiterhin in der Platte verriegelt, weiße Linien zusätzlicher, durch die Instabilität der Osteosynthese erzeugter Knochendefekt, c Reosteosynthese mit winkelstabilem Implantat

Frakturheilungsstörung mit sekundärer Implantatdeformierung/Plattenbruch

Fall 3

Eine distale Femurfraktur wurde mit einem LISS-Implantat versorgt, das für eine angestrebte funktionelle Nachbehandlung nicht geeignet ist. Die spezifische Implantatwahl war somit nicht korrekt erfolgt. Unter Belastung kam es zu einer Deformierung des Implantats mit Korrekturverlust. Die Reosteosynthese wurde mit längerem LISS-Implantat durchgeführt. Bei ausbleibender Frakturheilung kam es zum erneuten Implantatversagen mit Plattenbruch. Nach erneuter Reosteosynthese mit einem LISS-Implantat—auch hier ohne Spongiosaplastik—kam es zur Ausheilung der Fraktur (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Komplikation distale Femurfraktur, a Fraktur, b Versorgung mit LISS-Implantat, c Deformierung des Implantats unter Belastung mit Korrekturverlust, d Reosteosynthese mit längerem LISS-Implantat, e erneutes Implantatversagen mit Plattenbruch. f Ausheilung nach erneuter Reosteosynthese mit LISS-Implantat

Implantatunabhängiger Korrekturverlust

Im Rahmen einer prospektiven Studie wurde der Korrekturverlust nach Versorgung distaler Radiusfrakturen mit winkelstabiler Radius-T-Platte bei 100 Patienten ermittelt [10]. Das Ergebnis zeigte, dass auch bei korrekter Osteosynthese ein implantatunabhängiger Korrekturverlust stattfindet, der auf spongiösen Knochen und damit verbundene Sinterung zurückzuführen ist. Dabei ist vorrangig der palmare Neigungswinkel betroffen. Auf alle Nachuntersuchten betrug der Korrekturverlust beim palmaren Neigungswinkel 3,06°, beim radioulnaren Neigungswinkel 1,06°. Der relative Ulnavorschub war 0,72 mm (Abb. 4, Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Korrekturverlust distaler Radius

Abb. 5
figure 5

Korrekturverlust bei winkelstabiler Radius-T-Platte

Fazit für die Praxis

  1. 1.

    Korrekturverluste treten auch bei winkelstabilen Implantaten auf.

  2. 2.

    Hauptursache sind technische Fehler mit unzureichender Implantatverankerung im strukturschwachen Knochen.