Haut- und Weichgewebsinfektionen sind häufig. Die Inzidenz liegt zwischen 5 und 10% im chirurgischen Krankengut. Das Spektrum der Erkrankungen reicht von der harmlosen Furunkulose und begrenzten Phlegmonen bis zu lebensbedrohlichen Infektionen wie die nekrotisierende Fasziitis, die unbehandelt rasch zum Tode führen. Der englische Mikrobiologe Kingston [8] hat 1990 für den chirurgischen Bereich eine praktikable Einteilung vorgelegt, die auf der Rasanz der Entwicklung der Infektionen beruht (Tabelle 1). Dabei ist es wichtig für den Therapeuten, das Ausmaß einer Infektion korrekt einzuschätzen. Dies gilt ebenso für die schweren Weichteilinfektionen als auch für postoperative Wundinfektionen, die oft verschleiert verlaufen können und bei denen die Entscheidung zur operativen Revision nur anhand mehrerer klinischer Kriterien gefällt werden kann. Im angloamerikanischen Schrifttum wird häufig der Ausdruck „komplizierte Haut-Weichgewebs-Infektionen“ gebraucht. Die Definition beruht auf Kriterien der amerikanischen Food and Drug Administration (Tabelle 2).

Tabelle 1 Einteilung der Weichteilinfektionen entsprechend der Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung
Tabelle 2 Kriterien der amerikanischen FDA für komplizierte Haut- und Weichteilinfektionen

Ätiologie

Die Entstehung von Haut und Weichgewebsinfektionen erfolgt am häufigsten durch Verletzung der Hautbarriere. Zumeist besteht eine direkte Abhängigkeit vom Ausmaß der Traumatisierung und dem dabei erfolgten Verschmutzungsgrad. Andererseits können auch kleine Bagatellverletzungen wie intramuskuläre Injektionen zu desaströsen Verläufen führen [3, 4]. Es wurde immer wieder versucht, durch Scoresysteme Weichgewebsinfektionen untereinander vergleichbar zu machen. Bislang gibt es kein etabliertes Scoresystem. Die Erklärung dafür liegt in den unterschiedlichen Formen und der Virulenz der auslösenden Erreger. So können einzelne Stämme von Streptokokken oder Staphylococcus aureus eine extreme Virulenz aufweisen, die in seltenen Fällen zu schnellen tödlichen Verläufen führen kann [1, 13]. Andererseits können Wunden durch Staphylococcus aureus kontaminiert werden, ohne dass eine begleitende schwere Infektion auftritt. Ausschlaggebend für die Virulenz der Erreger sind bestimmte Virulenzfaktoren, bei denen man im wesentlichen 5 funktionelle Klassen unterscheidet:

  1. 1.

    Adhäsine,

  2. 2.

    Aggressine,

  3. 3.

    Invasine,

  4. 4.

    Impedine,

  5. 5.

    Moduline.

Diese Virulenzfaktoren können extrem unterschiedlich ausgeprägt sein. Wichtig für den Therapeuten zu wissen ist, dass Virulenzfaktoren und antibiotisches Resistenzverhalten in keiner Weise miteinander zusammenhängen und in Korrelation zu bringen sind.

Bei den Adhäsinen handelt es sich meist um fibronektinbindende Proteine, die es dem Erreger möglich machen, sich an Geweben festzusetzen. Zu den Aggressinen gehören meist wenig spezifische zytolytische Faktoren („Spreading-Faktoren“), Streptolysine, Hyaluronidasen oder die Streptokinase, die auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird. Um sich innerhalb von Geweben ausbreiten zu können, benötigen Bakterien ferner Invasine, denen es möglich ist, durch Epithel- und Endothelzellen hindurch zu dringen. Die Impedine führen zu einer Herabsetzung der Abwehrreaktion des Wirtes. Sie greifen meist bei den Makrophagen und Leukozyten an und führen dort zu einer Hemmung der Phagozytose. Durch die Moduline werden Erreger derartig verändert, dass sie von den Abwehrmechanismen des Wirtes nicht mehr richtig erkannt werden und sich somit über Jahre und Jahrzehnte in einem Organismus etablieren können (Tuberkulose).

Die am meisten nachgewiesenen Erreger von Haut- und Weichgewebsinfektionen sind grampositive Erreger mit den häufigsten Vertretern Staphylococcus aureus und den Streptokokken. Auch Anaerobier können an Weichgewebsinfektionen beteiligt sein (Clostridium perfringens als ursprünglicher Erreger des Gasbrandes). Gramnegative Erreger wie Klebsiellen und Pseudomonaden sind besonders in Krankenhäusern als persistierende nosokomiale Erreger gefürchtet.

Die klinischen Erkrankungen

Gasbrand

1. Stadium

Schon Hippokrates hat Krankheitsbilder beschrieben, die auf die Gasbrandinfektion zutreffen. Die Erkrankung ist selten und gehört zu den meldepflichtigen Erkrankungen. 1997 wurden im Bundesgebiet 150 Fälle registriert. Weinstein [17] hat 3 Stadien der Erkrankung charakterisiert, dabei handelt es sich um differente Krankheitsbilder, die nicht in einander übergehen (Tabelle 3). Das 1. Stadium („simple contamination“) zeigt einen grünschwärzlichen Wundbelag oberflächlicher Wunden. Meist lässt sich Clostridium sporogines, Clostridium bifermentans und Clostridium putrificum nachweisen. Diese Erkrankungsform bedarf einer offenen Wundbehandlung wie bei jeder verschmutzten Wunde.

Tabelle 3 Ausprägungsformen des clostridialen Gasbrandes

2. Stadium

Für das 2. Stadium der anaeroben Zellulitis wird eine Inkubationszeit von 3–4 Tagen angegeben. Meist zeigt sich ein scharf begrenzter, lokalisierter „Gasabszess“ bei einer schmutzig stinkenden Wunde, besonders im Subkutangewebe. Bei dieser Erkrankung ist eine umgehende Spaltung des Subkutangewebes erforderlich. Vor allem ist chirurgisch zu klären, ob die Muskulatur mit befallen ist. Liegt nur eine lokalisierte subkutane gasbildende Infektion mit Clostridium perfringens vor, so muss eine lokalisierte Wundbehandlung vorgenommen werden, was zu einer raschen Ausheilung der Infektion führt.

Zur antibiotischen Behandlung wird die Kombination von Penicillin G und Metronidazol empfohlen. Man muss jedoch davon ausgehen, dass die meisten verletzungsbedingten Gasbrandfälle polymikrobielle Infektionen sind. Insofern sollten Antibiotika mit einem breiteren Spektrum eingesetzt werden [5, 6].

3. Stadium

Die 3. Erkrankungsform, die Myonekrose, ist der eigentliche Gasbrand. Es handelt sich um eine Infektion quergestreifter Muskulatur mit einem charakteristischen Krankheitsbild. Nach akutem Beginn mit kurzer Inkubationszeit zeigen sich die Anfangssymptome mit schwerer Reduktion des Allgemeinzustandes und zerebraler Dysfunktion. Die Muskulatur ist von zerfließlicher Struktur, blutet wenig, und bei Druck auf die Muskulatur lassen sich Luftblasen abpressen. Eine Eiterbildung ist nicht vorhanden. Im Spätstadium kommt es zur Hämolyse mit Ikterus. Der Tod folgt im septischen Schock. Auffallend ist der oft stechende aasähnliche Geruch. Die Diagnose wird neben dem klinischen Bild durch das mikrobiologische Präparat verifiziert. Jedes mikrobiologische Institut ist in der Lage, innerhalb von 20 min durch eine Gramfärbung den grampositiven Erreger nachzuweisen.

Therapie

Im Stadium der Myonekrose sind abladierende Maßnahmen zur Lebensrettung unumgänglich. Aufgrund der Rasanz der Ausbreitung der Infektion sollte der Zeitpunkt zur Ablation nicht zu lange hinausgezögert werden. Die hyperbare Oxygenation hat adjuvanten Charakter, sie sollte niemals im Stadium der Myonekrose primär als singuläre Therapie eingesetzt werden [7a].

Die toxischen Schockyndrome

Todd veröffentlichte 1978 ein Krankheitsbild von Weichgewebsinfektionen mit einer schweren Symptomatik, dass durch Staphylokokken verursacht wurde. In den 1980er Jahren wurde eine ähnliche Krankheitsbeschreibung auch auf Streptokokken zurückgeführt [18]. Seitdem werden schwere Wundinfektionen durch Streptokokken bzw. Staphylokokken „streptococcal toxic shock-like syndrome“ bzw „staphylococcal toxic shock syndrome“ genannt. Die Diagnose wird dann gestellt, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind (Tabelle 4). Am häufigsten werden diese Schocksyndrome durch Wunden verursacht, durch die virulente Streptokokken oder Staphylokokken in den Organismus eindringen. Die Therapie besteht in einem Wunddébridement und einer entsprechenden antibiotischen Therapie und einer intensivmedizinischen Behandlung mit Organersatztherapie.

Tabelle 4 Kriterien zur Diagnose eines „toxic shock-like syndrome“ (STSS)

Nekrotisierende Fasziitis

Diese Erkrankung ist durch eine rasche Progredienz mit sich rasch ausbreitenden Nekrosen der Faszienstrukturen gekennzeichnet. Besonders in der vorantibiotischen Ära gab es in Kriegslazaretten nach Verwundung schwere Epidemien mit extremer Letalität. Fisher [7] definierte 6 entscheidende Diagnosekriterien (Tabelle 5). Die Inzidenz der Erkrankung wird auf 3–5: 100.000 pro Jahr in Nordamerika und Europa angegeben. Vom mikrobiologischen Standpunkt werden 2 Formen unterschieden: Typ 1 beschreibt eine synergistisch wirkende anaerob-aerobe Mischinfektion, beim Typ 2 steht die Infektion mit Streptokokken im Vordergrund.

Tabelle 5 Diagnosekriterien der nekrotisierenden Fasziitis

Symptome

Leitsymptom der Erkrankung ist der extreme Schmerz. Dieser Schmerz lässt sich zu Beginn der Erkrankung mit dem klinischen Erscheinungsbild nicht immer in Einklang bringen („pain out of proportion“; [9]). Es zeigt sich ein unscharf begrenztes Erythem, dass später in eine livide, landkartenartige Hautverfärbung mit zentralen Nekrosen übergeht. Entsprechend dem Ausmaß der Erkrankung bestehen Allgemeinsymptome wie eine zerebrale Dysregulation und Fieber mit gelegentlichem Schüttelfrost. Die Lymphknoten sind nur selten geschwollen. In der Sonographie zeigt sich ein echoarmer Saum als Flüssigkeitsstruktur zwischen Faszie und Subkutangewebe. Eine Computertomographie oder ein MRT bringen nur selten weitere diagnostische Informationen. Bei dringendem Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis sollte eine Probeinzision bis zur Faszie vorgenommen werden. Klinisch lässt sich dann die Fasziitis durch Zerfall der Faszienstrukturen und auffallende Thrombosen kleinerer Gefäße gut nachweisen. Bewiesen wird die Erkrankung durch den histologischen Befund.

Therapie

Die Therapie der Wahl ist ein frühzeitiges und radikales chirurgisches Débridement. Eine nicht ausreichende Exzision der nekrotischen Bezirke führt zu einer hohen Letalität. Je nach Ausmaß der Erkrankung sollte ein programmiertes Débridement vorgenommen werden (Abb. 1). Ziel des Redébridements ist es, die weitere Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern und weitere Nekrosebezirke zu exzidieren. Das Redébridement sollte so lange fortgesetzt werden, bis die Infektion beherrscht ist. Während dieser Zeit ist der Patient meist intensivpflichtig.

Abb. 1
figure 1

Therapie der nekrotisierenden Fasziitis

Die weitere Behandlung offener Wunden sollte nach einem standardisierten Therapieplan erfolgen, der sich an den Phasen der Wundheilung orientiert. Nach Aufsprießen von Granulationen sollte die Wunde durch ein plastisches Verfahren wie Meshgraft, Sekundärnaht oder Schwenklappen gedeckt werden. Zwischenzeitlich kann auch ein Vakuumverband angelegt werden. Dies sollte jedoch erst nach Beherrschung der Infektion vorgenommen werden. Da nach Beherrschung der Infektion auch ein Verschluss der Wunden gut möglich ist, sollte der Vakuumverband nicht zu lange eingesetzt werden. Die nekrotisierende Fasziitis bedarf einer frühen antibiotischen Therapie, empfohlen wird der Einsatz eines β-Lactam-geschützten Penicillins [15]. Durch Anwendung der hyperbaren Oxygenation konnte bisher kein Vorteil in der Therapie der nekrotisierenden Fasziitis belegt werden. Die Prognose ist nach wie vor vom Ausmaß der Infektion und vom Zeitpunkt der operativen Revision abhängig. Sie liegt in unterschiedlichen Kollektiven zwischen 30 und 60% [16, 12, 11].