Die periprothetische Infektion ist und bleibt die schwerste Komplikation in der Gelenkendoprothetik. Die frühen Implantate scheiterten hauptsächlich an der Infektion. Erst seit Charnley [3] dieses Problem systematisch analysiert und bearbeitet hat, konnte die Endoprothetik in großer Fallzahl verbreitet werden. Die aktuellen Infektionsraten für die primäre endoprothetische Versorgung des Hüftgelenkes liegen zwischen <1% und 17%, wobei diese Höchstrate [13] möglicherweise von einer abweichenden Infektdefinition beeinflusst ist. Eine konstante, allgemeine Absenkung der Infektionsrate unter 1% ist nicht realistisch (Tabelle 1).

Tabelle 1 Übersicht Infektraten bei Primär-TEP

Bei kontinuierlicher Zunahme der Endoprothesenimplantationen wird die zu versorgende Fallzahl periprothetischer Infektionen entsprechend steigen. Trotz forcierter Anstrengungen in der Entwicklung von wirksamen Therapiekonzepten ist hier seit Jahren eine deutliche Stagnation zu verzeichnen ohne kurzfristige Aussichten auf wesentliche Fortschritte. Eine gute Erfolgsrate liegt bei ca. 85% (Tabelle 2).

Tabelle 2 Erfolgsraten aus der Literatur für Hüft-TEP-Wechsel bei Infektion

Wirtschaftliche Aspekte

Versorgungsengpass

War es bislang in erster Linie ein schwerer Leidensweg für die Patienten und eine Herausforderung an den Chirurgen, so wird jetzt die Infektionsbehandlung zunehmend zu einem wirtschaftlichen Problem unter Einbeziehung des einzelnen Patienten. Maßgeblich hierfür ist, dass die enormen zusätzlichen Therapiekosten im DRG-System nicht abgebildet und bei der Vergütung durch die Kostenträger infolgedessen negiert werden. Diese Praxis limitiert die möglichen Behandlungszahlen bei großen Kliniken deutlich, und kleine Häuser werden die Verluste, die bei jeder Behandlung gegenüber einer „aseptischen“ Revision rechnerisch anfallen, nicht mehr tragen können. Der so verursachte Versorgungsengpass lässt eine zunehmende Wartezeit für Patienten mit akut zu versorgenden Krankheitsbildern entstehen, die sich deutlich verschlimmernd auswirkt und sogar zu Todesfällen führt, die aus verzögerter Behandlung resultieren.

Inadäquate Behandlung

Inadäquate Behandlungsversuche wie Fistelexzisionen, Spülungen, Ketteneinlagen, Polyäthylenkomponentenwechsel, Vakuumversiegelungen etc. als Überbrückungstherapien bleiben weiterhin bestehen und verschlechtern die Ausgangssituation für den letztlich doch erforderlichen Sanierungseingriff.

Diese Kleinsteingriffe werden im DRG-System sehr gut vergütet (Tabelle 3).

Tabelle 3 Kleinsteingriffea: Erlöse nach DRG Baserate 2004

Ein wirtschaftlicher Aspekt soll dieser Handlungsweise nicht unterstellt werden, zumal es sich um eingefahrene Therapieversuche mit langer Tradition handelt. Für die Kostenträger ist diese Handlungsweise grob unwirtschaftlich, da viele stationäre Aufenthalte abgerechnet werden und die erforderliche kurative Therapie verzögert und in der Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Die Gesamtkosten liegen dadurch weit über einer planvoll und zeitgerecht durchgeführten Behandlung. Auch dieses Argument bleibt bei den Kostenträgern bislang ohne Resonanz. Gleichbehandlung bei dem Erstattungsbetrag eines Prothesenwechsels bei infizierter und aseptischer Situation, wie z. B. beim Kniegelenk ist absurd, da die adäquate Infektbehandlung erhebliche Zusatzkosten verursacht. Hierzu 2 treffende Zitate:

“... die Preise werden bundesweit vorgegeben für eine bestimmte Leistung, und das Krankenhaus muss seine Kosten entsprechend anpassen oder kann die Behandlung nicht mehr anbieten“ [6].

Die Umsetzung dieser Erkenntnis wäre für die Patientenversorgung fatal und kann seitens des Gesetzgebers so nicht gewollt sein. Auch in den USA besteht seit langem die gleiche Problematik, sodass Sculco [14] sich schon 1993 entsprechend geäußert hat:

“... rapid, aggressive and definitive treatment must be rendered to the patient. ... Reimbursement to hospitals must more realistically reflect the magnitude of resources consumed by these patients.“

Kostenvergleich

Ein direkter Kostenvergleich ist mit vielen diskutierbaren Variablen verbunden, aber Zusatzkosten der Wechseleingriffe bei infizierten Gelenken lassen sich leicht beispielhaft aufzählen. Längere Operationszeiten und erhöhter Personalaufwand sind deutlich kostenträchtig. Ein besonders plausibles Beispiel zur Verdeutlichung der Mehrkosten ist der Antibiotikaverbrauch. Der einzeitige Prothesenwechsel—seit über 30 Jahren anerkanntes Therapieverfahren—erfordert eine topische und systemische Antibiotikagabe. Auch der mehrzeitige Revisionseingriff wird regelhaft mit topischer und systemischer Antibiotikatherapie kombiniert, sodass bei genauer Auslegung dieses Verfahrens sogar die doppelten Kosten anfallen. Hendrich und Frommelt [11] haben die Preise für die Antibiotika bei der Verwendung von 160 g Knochenzement und die adjuvante systemische Therapie für unterschiedliche Keime zusammengestellt (Tabelle 4).

Tabelle 4 Antibiotikakostena in EUR bei Verwendung von 160 g Zement/Patient/Keimsituation

Vergleicht man nun die Erlöse der gängigen chirurgischen Therapieverfahren mit denen der aseptischen Revision und bringt nur die Kosten für die erforderlichen Antibiotika in Abzug, zeigen sich deutliche Verluste in nur einem beispielhaften Punkt (Tabelle 5).

Tabelle 5 Erlöse beim Hüftendoprothesenwechsel, abzüglich Antibiotikakosten

Lediglich ein zweizeitiger Wechsel mit 2 stationären Aufenthalten liegt bei Anrechnung des Antibiotikaverbrauchs in der Erstattung über dem aseptischen Wechsel. Hier muss natürlich auch die längere stationäre Versorgung einbezogen werden. Bei der üblichen Verfahrensweise, z. B. dem einzeitigen Wechsel, entsteht ein rechnerischer Verlust von 1440,- EUR. Weitere Kosten wie oben erwähnt bleiben hier erst einmal unberücksichtigt.

Noch absurder ist die Situation beim Kniegelenkwechsel wegen Infektion, da hier die Erstattung gleich wie beim aseptischen Eingriff ist. Die Wundrevision wird jedoch überproportional hoch vergütet (Tabelle 6).

Tabelle 6 Erstattungen bei der Kniegelenksrevision

Bringt man nun noch die rechnerischen Kosten für die verlängerte Op.-Zeit in Ansatz (mit ca. 30,-EUR/min = 1800,-EUR/h), ist klar, dass kurzfristig eine adäquate Anpassung erfolgen muss.

Aus der Sicht unserer Spezialklinik hat sich die Situation des Versorgungsengpasses für Patienten mit periprothetischen Infektionen im Laufe der letzten 2–3 Jahre deutlich verschärft. Eine Lösung dieses Problems wurde seitens der Kostenträger bzw. des Gesetzgebers bislang nicht in Aussicht gestellt.

Medizinische Aspekte

Die medizinisch-chirurgische Therapie der periprothetischen Infektion ist klar definiert mit verschiedenen Optionen bei entsprechenden Indikationen (Tabelle 7).

Tabelle 7 Therapeutische Optionen bei periprothetischer Infektion—Indikationen

Der Prothesenerhalt gelingt bei sofortiger Intervention früh postoperativ zu einem vertretbaren Prozentsatz [5, 15]. Erforderlich ist ein radikales Débridement und die Anlage einer Spül-Saug-Drainage in Verbindung mit einer systemischen Antibiose. Nicht alle Keime lassen sich gleich erfolgreich therapieren. Die besten Chancen bestehen bei Streptokokken, gefolgt von Staphylokokken.

Die allein antibiotische Suppressionstherapie [16] ist nur in den genannten Ausnahmesituationen ersatzweise zu versuchen, wenn eine Operation nicht durchgeführt werden kann oder soll. Hierunter kann es durchaus zu langanhaltenden beschwerdearmen Intervallen kommen. Bei Absetzen der Therapie ist mit Wiedereinsetzen der Symptome zu rechnen. Teilweise lässt sich jedoch kein Einfluss auf die Infektion nehmen.

Die Resektion einer prothesenversorgten Extremität als Ultima ratio in lebensbedrohlicher Situation ist der Einzelfall und nicht als Therapie zu propagieren.

Wechselkonzept—Therapie der Wahl

Der einzeitige Prothesenwechsel—nach unserer Auffassung die Therapie der Wahl bei periprothetischen Infekten—soll im Folgenden kurz skizziert werden:

Pathogenese

Die Pathogenese der periprothetischen Infektion unterscheidet sich von der anderer Infektionskrankheiten [8, 9]. Dieser Unterschied wurde von Gristina [10] eindrucksvoll am Beispiel der ersten künstlichen Herzen dargestellt, die alle aufgrund von Infektionen versagten. Costerton [4] hat dazu die wesentlichen Erkenntnisse für die bakteriellen Mechanismen beschrieben. Bakterien, die in der Lage sind, Oberflächen von Fremdkörpern zu besiedeln, tun dies, indem sie von der planktonischen, frei beweglichen Phase in die sessile übergehen. Dabei bilden sie Biofilm aus und haben damit eine irreversible Besiedelung der Prothese erreicht. Antibiotika und die körpereigene Abwehr sind in diesem Stadium nicht mehr in der Lage, diese Bakterien zu eliminieren. Für die Therapie ergibt sich daraus, dass der Fremdkörper zusammen mit allem infizierten Hart- und Weichgewebe entfernt werden muss, um die Infektion zu beherrschen.

Therapie

Buchholz [1] hat 1969 begonnen, dem Knochenzement Antibiotika beizumischen, mit denen Wirkstoffkonzentrationen vor Ort erzeugt werden, die durch eine systemische Gabe nicht erzielt werden können. Dieses Prinzip wurde zeitgleich zur Prophylaxe und Therapie eingesetzt. Im weiteren Verlauf entwickelte Buchholz daraus das Konzept des einzeitigen Wechsels [2], wobei jetzt unter Antibiotikaschutz direkt reimplantiert wurde.

Grundbedingung für den erfolgreichen einzeitigen Prothesenwechsel bei periprothetischer Infektion ist die präoperative Keimidentifikation. Das Antibiogramm muss Empfindlichkeit auf ein zementgängiges Antibiotikum ausweisen. Der 2. Schritt ist die Entfernung allen Fremdmaterials in Verbindung mit einem radikalen Débridement. Drittens wird reimplantiert unter Verwendung eines speziell antibiotikaverstärkten Zements nach Antibiogramm. Die 4. und letzte Säule des Konzeptes ist die postoperative systemische Antibiose, ebenfalls selbstverständlich individuell nach Antibiogramm.

Der einzeitige Wechsel als „golden standard“ hat anerkannte und nachgewiesene Vorteile, sodass mehrzeitiges Vorgehen Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben sollte (Tabelle 8).

Tabelle 8 Vorteile des einzeitigen Prothesenwechsels bei periprothetischer Infektion

Vorteile

Die Vorteile lassen sich subsummieren als geringere Belastung für Patient, Arzt und Kostenträger bei gleichen Ergebnissen (Tabelle 2).

Die physische und psychische Belastung des Patienten ist auf einen Eingriff begrenzt, und der Patient erfährt das Ergebnis sofort. Die Phase der Unsicherheit, ob und wann reimplantiert werden kann, entfällt. Die Erfolgsbeurteilung einer Operation nicht nur nach Gelingen oder nicht Gelingen, wie bis etwa vor einem Jahrzehnt, sondern auch nach dem Komfort, wie das erreicht wird, ist ein wesentlicher Gesichtspunkt [7].

Vielfach bestehen die Patienten unbeirrbar auf der Versorgung in einem Schritt. Operationsimmanente Risiken wie Thrombose, Nerven- und Gefäßläsionen, Wundheilungsstörungen etc. werden minimiert. Das Ausmaß der Kostenreduktion ist erheblich.

Die sofortige Reimplantation ist für den Chirurgen sehr viel komfortabler als ein Zweiteingriff. Die anatomischen Verhältnisse sind klar und nicht durch Verklebungen, Vernarbungen und Verknöcherungen beeinträchtigt und verschlechtert. Zudem erübrigt sich das Zweitdébridement, wie bei mehrzeitigem Vorgehen erforderlich, und der Substanzverlust im Knochen- und Weichteilbereich wird reduziert. Es resultiert ein besseres funktionelles Ergebnis [12]. Auch die sofortige endgültige physikalische Therapie begünstigt den Verlauf gegenüber einer Phase der Entlastung des Gelenkes bzw. sogar wochenlanger Immobilisation.

Für das mehrzeitige Vorgehen gibt es Indikationen aus medizinischer Sicht, die eingehalten werden sollten (Tabelle 9).

Tabelle 9 Indikationen für den zwei- oder mehrzeitigen Wechsel

Antibiotikatherapie

Adjuvante topische und systemische Antibiotikatherapie als Schutz für das neue Implantat und als Vervollständigung des Débridements im Weichteilbereich sind nur effektiv zu verwenden, wenn die Keimsituation bekannt ist und damit ein gezielter Einsatz von Antibiotika möglich ist. Bei unbekannter Keimlage ist man angewiesen auf das radikale Débridement und eine kalkulierte Antibiotikatherapie, die selbstverständlich auch greifen kann. Durch intensive Probengewinnung und -bearbeitung im Rahmen des ersten Eingriffs lässt sich dann oft eine Keimidentifikation erreichen und die Antibiotikatherapie entsprechend adaptieren. Gelingt dies nicht, so kann es trotz klinischer und makroskopischer Unbedenklichkeit immer noch Überraschungen und Misserfolge bei der Reimplantation geben.

Spezialfälle

Außergewöhnliche Resistenzlagen bei Keimen und analog spezielle Antibiotikaallergien beim Patienten schaffen eine höchst komplizierte Situation. Der Ausweg muss immer im Einzelfall unter Führung eines infektiologisch erfahrenen Mikrobiologen gesucht werden. Hier kann es durchaus zu unbefriedigenden Lösungen mit Infektpersistenz oder Gliedmaßenverlust kommen.

Zeigt sich intraoperativ bei der Hüftrevision ein azetabulärer Defekt mit einer lokal weit ins kleine Becken fortgeschrittenen Weichteilinfektion mit begrenzter Möglichkeit für ein radikales Débridement, sollte primär keine neue Pfannenrekonstruktion diesen unsicheren Bereich verschließen. Hier ist eine intraoperative Umstellung auf zweizeitiges Vorgehen zu empfehlen.

Schlussfolgerungen

Das Prinzip der Therapie der periprothetischen Infektion ist nicht zu reduzieren auf die Frage, ob ein- oder mehrzeitig vorgegangen wird. Entscheidend ist, dass, von Ausnahmen abgesehen, die infizierte Prothese entfernt wird und ein radikales Débridement durchgeführt wird. Diese chirurgische Therapie muss von einer qualifizierten Antibiotikatherapie begleitet werden, um den Erfolg des chirurgischen Vorgehens zu sichern. Voraussetzung ist für beide Verfahren, dass ein erfahrenes Team von Chirurgen, ein qualifiziertes mikrobiologisches Labor und ein klinisch tätiger Mikrobiologe oder Infektiologe die jeweilige Therapie optimieren können.

Das Postulat nach der einzeitigen Versorgung ist vor diesem Hintergrund zu sehen, aber auch das mehrzeitige Vorgehen sollte Kompetenzzentren vorbehalten sein. Ziel muss es sein, allen Patenten, die an einer periprothetischen Infektion erkrankt sind, eine zeitgerechte adäquate Therapie in einem solchen Zentrum zu ermöglichen. Nur so können die Behandlungsergebnisse in der Zukunft stabilisiert und verbessert werden. Es profitiert in erster Linie der Patient, für den wir mitverantwortlich sind, und durch die erhebliche Kostenreduktion die Allgemeinheit.

Bei der gegenwärtigen Vergütung, die davon ausgeht, dass diese Fälle gleichmäßig über alle Krankenhäuser verteilt sind und im Rahmen einer Mischkalkulation für diese Institutionen die Vergütung damit betriebswirtschaftlich hinreichend ist, sind solche Kompetenzzentren nicht finanzierbar, da hier kostenträchtige Fälle ohne finanziellen Ausgleich konzentriert werden. Solange diese Zentren nicht kostendeckend betrieben werden können, ist die volkswirtschaftlich sinnvolle Entwicklung zu Kompetenzzentren weder attraktiv noch wirtschaftlich möglich. Dieser Gedanke muss den Kostenträgern und den politisch Verantwortlichen deutlich gemacht werden.