An der Vielzahl einschlägiger Publikationen im nationalen und internationalen Schrifttum lässt sich die anhaltende Diskussion zu geeigneten Osteosyntheseverfahren bei proximalen metaphysären Tibiafrakturen bis heute erkennen. Die bekannten Probleme unzureichender Stabilität und relevanter Achsenabweichung bei Verwendung herkömmlicher Implantate mit der Folge verzögerter knöcherner Konsolidierung und bleibender Fehlstellung sind Anlass für klinische Follow-ups und biomechanische Tests, um Hinweise zu geeigneten Versorgungsstrategien zu erhalten, mit welchen Fehlschläge zuverlässig vermieden werden können.

Die Fraktur der proximalen metaphysären Tibia neigt nach dem dazu vorliegenden Schrifttum offenkundig in einer Vielzahl von Fällen zu Problemen—sowohl im Sinne einer verzögerten knöchernen Konsolidierung als auch im Sinne der Ausheilung in Fehlstellung. Knöcherne Verletzungen dieser Lokalisation zwischen der gelenkbeteiligenden Schienbeinkopffraktur und der Fraktur des Schienbeinschaftes werden bislang kaum als eigene Entität wahrgenommen [6, 9].

Frakturen der proximalen Tibiametaphyse sind regelmäßig Folge direkter lokaler Gewalteinwirkung mit entsprechend ausgeprägtem geschlossenem oder offenem Weichteilschaden. Typisches Beispiel ist die Stoßstangenverletzung des Zweiradfahrers. Auf Torsions- und Biegebelastung beruhende Brüche infolge indirekter Krafteinwirkung oder pathologische Frakturen sind deutlich seltener, insgesamt liegt der Anteil der proximalen metaphysären Frakturen bei ca. 10% aller Schienbeinbrüche. Nach Hansen [10] liegt der Anteil der proximalen metaphysären Tibiafrakturen nach Verkehrsunfällen bei 37,5%, im Gefolge von Sportverletzungen bei 31% und ausgelöst durch Stürze aus größerer Höhe bei 26,5%. Das Altersmittel der Patienten liegt mit insgesamt knapp 50 Jahren deutlich höher als bei der diaphysären Tibiafraktur beidseits der knöchernen Verletzung des distalen Tibiadrittels.

Durch die Dorsalversetzung des Schienbeinkopfes gegenüber dem Schaft und die physiologische Neigung der Gelenkfläche nach kniekehlenwärts entsteht eine Tendenz zur Dorsalabkippung des proximalen Fragmentes. Zudem wirken bei proximal metaphysären Tibiafrakturen die Kräfte der Quadrizepsmuskulatur, welche ventral über die Patellarsehne an der Tuberositas tibiae ansetzen sowie die dorsale kniegelenküberbrückende Wadenmuskulatur auf die Fragmente ein und leisten der Antekurvationsneigung weiteren Vorschub [1, 5, 14].

Aus mechanischer Sicht ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Gelenkfläche des Schienbeinkopfes und die Tibiaschaftachse nicht in der gleichen Flucht liegen. Zum einen ist das Tibiakopfplateau gegenüber dem Schienbeinschaft schon physiologischerweise nach dorsal verlagert, zudem fällt die Gelenkfläche im Mittel 4–5° nach hinten ab (sog. „posterior slope“). Die anatomische Form der proximalen Tibiametaphyse mit „trompetenartiger“ Erweiterung des Markraumes und spongiöser Knochenarchitektur verhindert eine wirksame intramedulläre Verklemmung eines Marknagels in dieser Region. Die im metaphysären Bereich relativ dünn ausgeprägte Kortikalis führt, insbesondere bei osteoporotischem Knochen, zusätzlich zu einer weniger stabilen Verankerung der proximalen Verriegelungsschrauben [6, 9, 10].

Osteosynthesetechniken

Nach Hansen [11] findet sich bei Durchsicht der Literatur eine Reihe von Hinweisen über verschiedene Möglichkeiten der operativen Stabilisierung. Obwohl im metaphysären Abschnitt grundsätzlich von einer guten knöchernen Heilung auszugehen sei und ein überwiegender Konsens hinsichtlich der Indikation zur operativen Versorgung dort angesiedelter Brüche bestehe, seien durch die spezifischen anatomischen und biomechanischen Gegebenheiten bei der Frakturbehandlung erhebliche und implantatspezifische Probleme zu erwarten.

Plattenosteosynthese

Eine Standardversorgung bei metaphysären Brüchen am proximalen Tibiaschaft ist die Plattenosteosynthese, welche eine exakte Reposition und Fixation der Fraktur erlaubt. Durch die Möglichkeiten der winkelstabilen Fixation bei extramedullärer Stabilisierung hat sich die Stabilität mit dieser Versorgungsmethode insgesamt erhöht. Allerdings ist, sofern man die Platte nicht in der eingeschobenen Technik verwendet, eine erhöhte Rate von Wundheilungsstörungen und Infektionen zu beobachten. Daher wird die Platte in dieser Indikation primär nicht selten mit einem Fixateur externe als Zuggurtung kombiniert. Kombinationsosteosynthesen einer eingeschobenen winkelstabilen Patte mit einem Fixateur externe sind nach wie vor eine gute Möglichkeit zur Versorgung instabiler proximaler Tibiafrakturen (Abb. 1; [2, 8]).

Abb. 1
figure 1

K.M., ♀, 83 Jahre. a 1° offene proximale Unterschenkelfraktur, b Primärstabilisierung mit Fixateur externe in 3-Rohr-Modulartechnik, c nach Weichteilkonsolidierung Verfahrenswechsel zum LISS, d nach Mobilisierung unter Teilbelastung Implantatversagen wegen verzögerter Frakturkonsolidierung, e Reosteosynthese mit LISS und medial angelegtem Fixateur externe als mediale Zuggurtung, f klinische Fotos mit Fixateur externe, g knöcherne Heilung nach 8 Wochen

LISS

Mit dem LISS (less invasive stabilization system) kann zum einen das Prinzip der Winkelstabilität, zum anderen das Verfahren der MIPPO (minimal-invasive perkutane Plattenosteosynthese)—und dies in Kombination—verwirklicht werden, was letztlich keine Plattenosteosynthese, sondern vielmehr eine Stabilisierung im Sinne eines Fixateur interne darstellt [6, 7, 9, 10].

Fixateur externe

Die Primärversorgung mit einem gelenkübergreifenden Fixateur externe oder mittels Hybrid-Fixateur stellt ein Verfahren dar, welches insbesondere beim Polytrauma oder beim ausgeprägten Weichteilschaden zur Anwendung kommt. Der Hybrid-Fixateur erlaubt auch eine Bewegung im Kniegelenk, während z. B. die Weichteilrekonstruktion mit lokalen oder freien Lappen erfolgt. Ein gelenkübergreifender Fixateur externe sollte frühestmöglich entweder in einen Hybrid-Fixateur umgewandelt oder durch eine Platten- oder Marknagelosteosynthese abgelöst werden (Abb. 2). Bei offenen Defektfrakturen ist es evtl. notwendig, einen Transportfixateur anzulegen, wenn man einen Segmenttransport erwägt [16].

Abb. 2
figure 2

1° offene proximale Tibiafraktur. a Primärversorgung mit Fixateur externe, b Verfahrenswechsel zum Marknagel, unzureichende Reposition, c Umstieg auf LC-DCP und Dekortikation, d Ausheilungsbild nach ME

Eine Sonderform äußerer Stabilisierung ist der sog. Pinless-Fixateur, der proximal und distal der Fraktur mittels perkutan eingebrachter Zangen und äußerer Rohrverbindungen eine Versorgung darstellt, die den Markraum selbst nicht tangiert. Insofern kann bei liegendem Pinless-Fixateur eine Marknagelung im Sinne der definitiven internen Osteosynthese vorgenommen und der Zangenfixateur so lange belassen werden, wie dies aus Stabilitätsgründen notwendig ist [17].

Intramedulläre Schienung

Die intramedulläre Schienung von Frakturen langer Röhrenknochen ist eine etablierte Methode, die allerdings im Bereich der Metaphysen an ihre Grenzen stößt. Durch die Verriegelung kann die Versorgung von Frakturen im metaphysären Bereich auch mit einem Marknagel vorgenommen werden, wobei die Problematik der proximalen metaphysären Tibiafraktur darin liegt, dass es bei der Marknagelung zu Fehlstellungen sowohl in der Frontal- als auch der Sagittalebene kommen kann. Neuere Entwicklungen an Verriegelungsnägeln erlauben durch eine verbesserte Verriegelung im proximalen Tibiafragment eine etwas zuverlässigere Stabilisierung. Dennoch ist der Marknagel bei der proximalen Tibiafraktur häufig auf eine zusätzliche Stabilisierung, z. B. mit kleiner Platte oder mit einem Fixateur externe, angewiesen [3, 5, 12].

Grundsätzlich besteht die Frage, welche Art der Osteosynthese bei instabilen proximalen Tibiafrakturen die geeignetste ist, um verzögerte Knochenbruchheilungen bzw. implantatbedingte Fehlstellungen zu vermeiden. Aus diesem Grunde werden entsprechende experimentelle Studien im Vergleich verschiedener Implantate bzw. Kombinationsosteosynthesen durchgeführt, speziell was das Ausmaß der erreichten Stabilität anbelangt.

Klinische Studien

Lang et al. [14] stellen eine Serie mit 32 proximalen Tibiaschaftfrakturen vor, die mit einem Marknagel überwiegend in ungebohrter Technik versorgt worden waren. Bei 13 dieser 32 Frakturen war eine operative Reintervention erforderlich. Neun Implantatwechsel und 4 Spongiosaplastiken mussten durchgeführt werden, bei der Nachuntersuchung waren in 27 von 32 Fällen (84%) Achsabweichungen entweder in der Frontal- oder der Sagittalebene bzw. in beiden Ebenen von 5° oder mehr zu beobachten. 19 Frakturen zeigten eine Verschiebung im Frakturbereich von 1 cm oder mehr. Bei 1/4 der Fälle kam es im Verlauf der Behandlung zu einem Stabilitätsverlust mit sekundärer Dislokation, sodass die Autoren auf die Ungenauigkeiten der Operationstechnik bezüglich des Nageleintrittspunktes und auf alternative Osteosyntheseverfahren wie die Plattenosteosynthese bzw. den Fixateur externe verweisen.

Technik der Marknagelung

Tornetta und Collins [18] gehen auf die technische Durchführung der Marknagelung ein und zeigen, dass nach einer medialen parapatellaren Inzision und der Lateralisation der Patella die Nagelung in leichter Beugung von ca. 15° vorgenommen wird. Aufgrund der weitgehenden Streckstellung seien ventrale Zugkräfte zu verringern, weshalb mit größter Sicherheit ein korrigiertes Alignment des proximalen Fragmentes erreicht werden könne. Bei 25 von 30 Patienten mit einer proximalen Tibiafraktur war in 6 Fällen eine Achsabweichung von weniger als 5° zu erkennen, bei 19 Patienten lag kein Achsenfehler vor. Bei 5 Patienten mit konventioneller Nageltechnik fanden sich Achsabweichungen von im Mittel 8°.

Krettek [13] empfiehlt zur Verbesserung der Stabilität und zur Korrektur intraoperativ nicht vollständig reponierter proximaler Tibiafrakturen die additive Applikation sog. Poller-Schrauben, welche den Nagel in die korrekte Bahn lenken. Außerdem ist mit dieser Technik ein Zugewinn an Stabilität zu erzielen.

Stabilisierung bei begleitender Fibulafraktur

Für die proximale Tibiaschaftfraktur finden sich kaum relevante Publikationen, welche sich der Frage der verbesserten Stabilität durch zusätzliche Stabilisierung einer begleitenden proximalen Fibulafraktur widmen. Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass bei knöcherner Verletzung im körpernahen Wadenbeinabschnitt die Instabilität erhöht und damit die Notwendigkeit einer stabilen Versorgung der Tibia besonders wichtig ist.

1989 bis 1999 wurden in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen 34 Patienten mit 35 proximalen metaphysären Tibiaschaftfrakturen behandelt. Bei 26 von 35 Frakturen erfolgte die Primärstabilisierung mittels Fixateur externe, bei 14 Patienten musste wegen eines drohenden oder manifesten Kompartmentsyndroms eine Faszienspaltung vorgenommen werden. Vor der internen Osteosynthese war bei insgesamt 14 Patienten eine operative Sanierung des begleitenden Weichteilschadens erforderlich. Insgesamt handelte es sich im Wesentlichen um Frakturen mit erhöhtem Weichteilschaden oder solche bei polytraumatisierten Patienten.

Bei 14 Patienten wurde zur definitiven Stabilisierung eine Marknagelosteosynthese durchgeführt, bei 2 Patienten erfolgte eine zusätzliche Plattenosteosynthese mit schmaler 3,5 mm-LC-DCP. 18 Frakturen wurden mittels Plattenosteosynthese stabilisiert, in 7 Fällen kombiniert mit einem Fixateur externe.

Bei 8 Patienten musste wegen einer frakturbezogenen Komplikation ein Revisionseingriff durchgeführt werden. Bezogen auf das Gesamtkollektiv von 35 Frakturen entspricht dies einer Komplikationsrate von 23%. In 7 Fällen handelte es sich dabei ausschließlich um den Zustand nach Marknagelung mit UTN oder AO-Universalnagel. Bei 4 Patienten erfolgte der Revisionseingriff wegen einer Pseudarthrose, in 4 Fällen musste eine Stellungskorrektur wegen Fehlstellung vorgenommen werden (Tabelle 1, 2, Abb. 3, 4).

Tabelle 1 Erstversorgung
Tabelle 2 Komplikationen
Abb. 3
figure 3

Verfahrenswechsel

Abb. 4
figure 4

Behandlungsdauer

Zum Nachuntersuchungszeitpunkt betrug der durchschnittliche Rückgang der Punktewertung auf der Aktivitätsskala nach Tegner 1,4 Punkte—von prätraumatisch 4,8 Punkten zu 3,4 Punkten [6].

Experimentelle Studie

Die Unsicherheit bei der Auswahl des geeigneten Osteosyntheseverfahrens und die klinischen Erfahrungen haben Eingartner [6] dazu veranlasst, basierend auf den Ergebnissen biomechanischer Untersuchungen der Frage nachzugehen, welches Verfahren zur Stabilisierung proximaler Tibiafrakturen am besten geeignet ist. Nach Untersuchung der genannten Teilaspekte sollte dann eine zusammenführende Wertung und Würdigung der Teilergebnisse unter dem Gesichtspunkt ihrer klinischer Bedeutung erfolgen. Dabei war die Frage besonders interessant, mit welcher Form der additiven oder alternativen Osteosynthese an der proximalen Tibia unter klinischen Gesichtspunkten gegenüber der solitären Marknagelung eine durchgreifende Verbesserung der Stabilität zu erzielen ist.

Augmentierte Marknagelung

Speziell wurde untersucht, mit welchen additiven Osteosyntheseverfahren im Sinne einer augmentierten Marknagelung eine Verbesserung der Stabilität der Versorgung metaphysärer Tibiafrakturen erreicht werden kann. Unter diesem Aspekt wurde eine additive Plattenosteosynthese mit einer schmalen LC-DCP hinsichtlich des mit ihr zusätzlich zu erreichenden Stabilitätsgewinns untersucht, ebenso der Pinless-Fixateur der AO sowie eine vom Entwicklungsinstitut der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen entwickelte, an das proximale Nagelende koppelbare und mit 2 winkelstabilen Verriegelungsbolzen versehene Querplatte.

Operative Alternativen

Des Weiteren wurde untersucht, ob es operative Alternativverfahren zur augmentierten Marknagelung gibt; hierbei wurde die Abstützplattenosteosynthese, der Fixateur externe in seiner Standardform als AO-Rohrfixateur mit unilateraler Montage sowie in der Alternativform eines Hybrid-Fixateurs, das LISS der AO sowie der kanülierte Tibianagel (CTN) der AO untersucht. Aus der zusammenschauenden Wertung klinischer und experimenteller Daten sollten dann Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Experimentelle Methoden

Die biomechanischen Untersuchungen von Eingartner [6] erfolgten an 54 kältekonservierten humanen Tibiae. An diesen wurde eine quere Osteotomie am Übergang der Dia- zur Metaphyse mit einer Defektstrecke von 10 mm angelegt, welche einer Fraktur 42C3.3 gemäß der AO-Klassifikation entspricht. Die Präparate wurden mit den genannten Stabilisierungsverfahren entsprechend den dafür gültigen Operationsanleitungen instrumentiert.

Mechanischer Präparatetest

Zur mechanischen Testung wurden die Präparate distal mittels Kunststoff in einen Fixationszylinder eingebettet, welcher über ein doppelkardanisches Gelenk mit der Testapparatur verbunden war und Kippbewegungen in alle Richtungen erlaubte. Für die proximale Krafteinleitung wurde eine mit einer sphärischen Ausfräsung versehene Stahlplatte an der proximalen Tibiagelenkfläche befestigt. Zur Ermittlung des den physiologischen Verhältnissen entsprechenden, dorsomedial gelegenen Krafteinleitungspunktes an der proximalen Tibiagelenkfläche wurde auf Daten einer dreidimensionalen Finite-Elemente-Analyse zurückgegriffen.

Als Testapparatur gelangte ein elektrospindelgesteuerter Zug- und Druckprüfstand zur Anwendung (Abb. 5). Es erfolgte eine ausschließlich axiale Krafteinleitung. Bei einem Osteotomiespalt von 10 mm wurde ein Testweg von 9 mm mit einer konstanten Geschwindigkeit von 10 mm/min vorgegeben. Der zurückgelegte Weg und die hierzu eingeleitete Kraft wurden durch die Testapparatur dokumentiert und mit einer Frequenz von 10 Hz digital ausgegeben. Aus der Steigung der Kraft-Weg-Kurve bei 50 N wurde die Steifigkeit des Implantat-Knochen-Verbundes ermittelt, darüber hinaus wurde die Steifigkeit als Steigung einer Regressiongerade über den jeweils weitest möglichen, überwiegend linearen Bereich der Lastaufnahme überprüft. Die maximale Leisteinleitung wurde als Versagenslast bzw. als höchste Last am Ende der Wegstrecke definiert.

Abb. 5
figure 5

Optoelektronische Messeinrichtung

Erfassung der Relativbewegungen

Relativbewegungen der Fragmente und der Implantate wurden über ein videooptisches System erfasst. Hierzu wurden die Fragmente und Implantate mit reflektierenden Kugeln als optische Marker versehen, deren Bewegungen über 2 Videokameras aufgezeichnet und mit einer Frequenz von 30 Hz digital weiterverarbeitet. Über eine vektorielle Umrechnung sowie die Definition eines Koordinatensystems konnte für jedes markierte Fragment dessen Relativbewegung hinsichtlich der Angulation im Varus- oder Valgussinne („Neigung“, Winkel α) der Ante- und Retrokurvation („Kippung“, Winkel β) sowie der Rotation (Winkel γ) in Abhängigkeit von der Krafteinleitung errechnet werden.

Es wurde ein inkomplettes Blockdesign mit 25 Knochenpaaren gewählt. Je 5 Wiederholungen von 10 Implantattypen wurden auf die 50 Paarlinge so aufgeteilt, dass Vergleiche zwischen den Implantaten innerhalb eines Knochenpaares gleich häufig möglich waren. Bei jedem Knochenpaar wurde die Knochendichte gemessen. Anschließend wurden die Paare bezüglich Knochendichte rangiert, sodass die Implantate auch in dieser Sicht gleichmäßig auf die Werte aufgeteilt sind.

Danach erfolgte eine Varianzanalyse, wobei dieses Blockmodell Normalverteilung voraussetzt. Die Verteilung wurde mittels Box-Plots, Tukey-Anscombe-Plots und QQ-Plots überprüft. Alle Gruppenvergleiche wurden nach dem Tukey-Test adjustiert getestet.

Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen

Die qualitative Analyse der Kraft-Weg-Kurven weist bei allen Implantaten zunächst einen Bereich des linearen Anstieges auf, wobei die Steilheit des Anstieges der Steifigkeit des jeweiligen Implantat-Knochen-Verbundes entspricht. Nach Erreichen einer Schwelle kommt es zu Nichtlinearitäten im Sinne von Setzbewegungen, welche sich als rascher Abfall der Kraft bei weiter zunehmendem Weg dokumentieren.

Die Gruppe UTN wies eine mittlere Steifigkeit von 385,0 (±131,8) N/mm. In der Gruppe der kanülierten Tibianägel wurde etwa die gleiche Steifigkeit gemessen (376,5±63,56 N/mm). Eine erheblich höhere Steifigkeit konnte nur mit der Kombination des UTN mit einer additiven Platte (831,85±426,17 N/mm) erzielt werden.

Die höchste mittlere Maximallast war bei der Kombination des UTN mit einer LC-DCP (1,6±0,5 kN) und beim kanülierten Tibianagel (1,6±0,6 kN) möglich. Die niedrigste Last nahmen die Abstützplatte mit 0,55 (±0,12) kN sowie das LISS mit 0,58 (±0,14) kN auf.

Die geringste Auslenkung in der Frontalebene erfahren die Präparate, welche mittels einer Kombination aus UTN und additiver LC-DCP stabilisiert sind. Auch die Kombination des Zangenfixateurs mit dem UTN sowie der CTN und etwas geringer auch der konventionelle Fixateur externe erwiesen sich als einigermaßen stabil. Die größte Abkippung in der Frontalebene erfuhren die Präparate, welche mit einer lateralen Abstützplatte oder dem LISS stabilisiert wurden.

Im Hinblick auf die Relativbewegungen in der Sagittalebene verläuft die Kurve der Kombinationsosteosynthese UTN+LC-DCP am flachsten, wobei auch die mittels 4,9 mm TVP, mittels Pinless-Fixateur oder LC-DCP augmentierte UTN-Osteosynthese, ebenso der CTN und das LISS relativ stabil sind. Als instabilstes Implantat erweist sich der UTN ohne Zusatzimplantat.

Die statistische Auswertung zeigt, dass die Zielgrößen der Steifigkeit, der maximalen Lasteinleitung und der Auslenkung im Varus-/Valgussinne sensitiv waren; hier konnten signifikante Unterschiede zwischen den Implantaten gefunden werden, wobei der UTN mit augmentierender Kombinationsosteosynthese am besten abschnitt.

Die translationalen Relativbewegungen wurden wegen nicht systematischer Messfehler von der Auswertung ausgeschlossen und hier nicht weiter dargestellt.

Diskussion

Bezogen auf die proximale Tibiaschaftfraktur sind die mangelnde Stabilität der Osteosynthese und die Neigung zu Achsabweichungen ein klinisch relevantes Problem [4]. Die dargestellten Fälle einer alleinigen Versorgung mit einem intramedullären Implantat zeigen, dass die infolge der Auslockerung der proximalen Verriegelungsbolzen zunehmende Instabilität fast unausweichlich zu verzögerter Bruchheilung bis hin zur Pseudarthrose führt [5, 15, 19].

Nach Hansen [10, 11] ist auf der Basis biomechanischer Erkenntnisse für experimentelle Untersuchungen insbesondere die axiale Belastungskomponente zu berücksichtigen. Dabei sei der Vergleich der verschiedenen Stabilisierungsprinzipien von besonderer Bedeutung, speziell die Gegenüberstellung intra- und extramedullärer Verfahren und des Fixateur externe. In diesem Zusammenhang sei auch auf neue Implantate, z. B. Platten mit winkelstabiler Verankerung oder neuere Marknagelmodelle zu verweisen. Experimentelle Untersuchungen von Hansen [10, 11] zeigen für den neu entwickelten proximalen Tibianagel (PTN) nach Durchführung biomechanischer Testbelastungen eine deutliche Überlegenheit gegenüber den anderen Osteosyntheseverfahren. Diese Überlegenheit wird auf die hochstabile proximale Fixation des Osteotomiefragmentes zurückgeführt.

Andererseits hätten die minimal-invasiv implantierbaren neuen Plattenmodelle Vorteile bezogen auf die häufig problematische Weichteilsituation im Vergleich zu den offenen Verfahren, im Vergleich zur intramedullären Schienung als alleiniges Verfahren, jedoch mehr oder weniger Nachteile im Vergleich zum Marknagel.

Die biomechanischen Untersuchungen von Eingartner [6] belegen, dass bei allein mittels UTN versorgten proximalen Tibiaschaftfrakturen ein erhebliches Maß an Instabilität verbleibt, gemessen an der Steifigkeit bzw. der Auslenkbarkeit des Implantat-Knochen-Verbundes. Kombinationsverfahren, insbesondere der UTN mit einer additiven LC-DCP erzielen eine signifikant höhere Primärstabilität. Die hier vorgelegten Daten der experimentellen Untersuchung durch Eingartner sind mögliche Grundlage für rationale Entscheidungen im Hinblick auf die differenzialtherapeutischen Optionen (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Knöcherne Heilungsstörung nach Marknagelung. a Verzögerte Heilung der proximalen Tibia nach intramedullärer Stabilisierung und Dynamisierung; proximal Überstand des Nagelendes. b Eintreiben des Nagels bei distal ausreichendem Abstand zwischen Nagelende und Sprunggelenkspalt, zusätzliche rotationsstabilisierende LC-DCP. c Zeitgerechte knöcherne Heilung bei guter Funktion

Fazit für die Praxis

Zur Prävention von Knochenheilungsstörungen und/oder Achsenfehlstellungen nach Stabilisierung proximaler metaphysärer Tibiafrakturen stehen mehrere Osteosynthesetechniken zur Verfügung, wobei kombinierte Verfahren umso mehr Vorteile bieten, je instabiler die Fraktur ist. Als definitives Osteosyntheseverfahren kann bei der isolierten proximalen Tibiafraktur die Abstützplatte erfolgreich eingesetzt werden, sofern es sich nicht um instabile Frakturformen handelt. In Zweifelsfällen ist zur Erhöhung der Stabilität ein klein dimensionierter, medial angebrachter Klammerfixateur hilfreich. Diese additive Stabilisierung ist insbesondere bei Frakturen mit Trümmerzone und ohne direkte Fragmentabstützung zu empfehlen.

Die intramedulläre Osteosynthese hat ihre Vorteile besonders in Fällen mit Mehretagenfraktur des Schienbeines. Die proximale Frakturkomponente kann nicht in jedem Falle allein mit dem Marknagel ausreichend stabilisiert werden, sodass eine additive Osteosynthese dringend notwendig ist. Hierfür erscheint die LC-DCP 3,5 mm am besten geeignet. Eine Alternative ist der Pinless-Fixateur, speziell im Falle problematischer Weichteilverhältnisse.