Technischer Überblick

Die periprothetische Fraktur ist nicht nur eine Herausforderung an den Operateur, sondern auch an das Implantat. Über 100.000 primäre Totalendoprothesen der Hüfte und ca. 60.000 Knietotalendoprothesen werden jährlich in Deutschland implantiert [33]. Die Patienten werden immer jünger und die körperlichen sowie sportlichen Aktivitäten immer größer. Periprothetische Frakturen sind zwar seltene Frakturen, aber die Häufigkeit scheint durch die höhere Lebenserwartung der Bevölkerung zuzunehmen.

Meist handelt es sich bei den von periprothetischen Frakturen Betroffenen um ältere Patienten mit zahlreichen Begleiterkrankungen, denen eine längere Operation mit hohem Blutverlust nicht zugemutet werden kann. Die oft schlechte Knochenqualität erschwert eine sichere Verankerung von Schrauben bei der Plattenosteosynthese. Durch großvolumige Implantate ist die Platzierung von Schrauben erschwert.

Zur Lösung eines Teils dieser Probleme setzen wir winkelstabile Fixateur-interne-Systeme ein, deren Schrauben in frei wählbaren Richtungen eingebracht werden können. Der entscheidende Unterschied im Vergleich zu herkömmlichen Plattenosteosynthesen ist die Art der Lastübertragung. Bei konventionellen Osteosyntheseplatten erfolgt ein großer Teil der Lastübertragung vom Implantat zum Knochen und umgekehrt in einem kleinen Bereich unterhalb des Schraubenkopfs. Bei Implantaten mit einer kraftschlüssigen Verbindung zwischen Schraubenkopf und Platte, den so genannten Fixateur-interne-Systemen, werden die Lasten gleichmäßig flächenhaft über der gesamten Schraubenlänge auf den Knochen übertragen. Die Möglichkeit, Schrauben in frei wählbare Richtung zu platzieren, ist dabei aus mehreren Gründen unverzichtbar:

  • Durch eine schrägverlaufende Schraubenlage kann eine lange und große Schraubenkontaktfläche erreicht werden. Dies bedeutet eine weitere Verbesserung der Lastübertragung.

  • Zum anderen erlaubt die freie Wählbarkeit der Richtung, die Schraube in die mechanisch beste Position zu bringen.

  • Drittens kann der Operateur die Schraubenlage der individuellen Situation anpassen.

Material und Methode

Zur Versorgung von periprothetischen Frakturen wird der Druckplattenfixateur interne und das TiFix-System eingesetzt.

Fixateur-interne-Systeme

Beim Druckplattenfixateur handelt es sich um eine winkelstabile Wellenplatte aus Titan. Nach Fixierung der Platte mittels Schrauben wird auf diese Platte eine Deckelplatte geschraubt. Dadurch werden die Schraubenköpfe in der Platte in der jeweiligen Richtung fixiert.

Als weiteres Fixateur-interne-System wird der Kondylenfixateur (TiFix) eingesetzt. Hierbei ist die Platte aus weicherem Titan (Titan 0). In diese Platte wird mit einem Gewindedränger ein Gewinde geformt. Die Schraube, welche aus härterem Titan (Titan 4) besteht, trägt an ihrem Kopf ein Gewinde. Durch Einschrauben geht das Gewinde im Schraubenkopf mit dem gedrängten Gewinde im Plattenloch eine winkelstabile Verbindung in der gewünschten Richtung ein. Das Gewinde des Schraubenkopfs und das Gewinde der Schraube haben eine unterschiedliche Steigung, wodurch ein Heranziehen der Platte an den Knochen resultiert. Bei größeren Abständen zum Knochen kann durch Großfragmentschrauben die Platte an den Knochen herangezogen werden. Diese Schrauben werden später durch winkelstabile Schrauben ersetzt.

Den Fixateur-interne-Systemen ist zu eigen, dass die Schrauben in einem freien Winkel von bis zu über 30° eingebracht werden können. Zudem können beide Platten mit herkömmlichen Schränkeisen gebogen und dem Knochen angepasst werden. Eine Verformung der Plattenlöcher durch den Biegevorgang ist unbedeutend, da diese Verformung beim Eindrehen von Gewindeformer und Schraube wieder aufgeweitet wird. Es resultiert eine hohe Variabilität, um auch an liegenden Prothesenimplantaten Schrauben platzieren zu können (Abb. 1, 2).

Abb. 1
figure 1

Druckplattenfixateur interne: die Winkelstabilität wird durch Aufschrauben der Deckelplatte erreicht

Abb. 2
figure 2

KondylenTifix: als Links- und Rechtsversion in 4 Längen vorhanden

Auch und gerade bei osteoporotischem Knochen kann durch die Winkelstabilität eine hohe Stabilität erreicht werden. Die Schrauben-Plattenverbindung ist jederzeit wieder lösbar, sodass eine Materialentfernung ohne Einschränkung erfolgen kann.

Es existieren zahlreiche Klassifikationen für die periprothetischen Frakturen. Eine sehr einfache aber hilfreiche Klassifikation ist die Vancouver-Klassifikation nach Masri u. Duncen (Tabelle 1).

Tabelle 1 Vancouver-Klassifikation nach Masri u. Duncen [16]

Patienten

Wir berichten über unsere Ergebnisse bei periprothetischen Frakturen bei fester Prothese, also dem Typ B1 der Vancouver-Klassifikation. Die gelockerte Prothese erfordert ein anderes Vorgehen.

Von 1997 bis 2003 haben wir im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg 32 Patienten mit periprothetischen Frakturen operativ versorgt. Das Verhältnis weiblich/männlich betrug 21 zu 11. Das Durchschnittsalter lag bei 74,9 Jahre (56–87 Jahre). 18-mal handelte es sich um Frakturen bei einliegender Hüfttotalendoprothese und 13-mal bei einliegender Knieendoprothese. 1-mal lag sowohl eine Hüft- als auch Knieprothese ein.

Der Druckplattenfixateur interne wurde 16-mal bei Hüfttotalendoprothese (Abb. 3), 2-mal bei Knietotalendoprothese und 1-mal bei Hüft- und Knietotalendoprothese eingesetzt. Der Kondylenfixateur interne wurde 2-mal bei liegender Hüfttotalendoprothese und 11-mal bei Knieendoprothese eingesetzt. 4-mal konnte ein minimal-invasiver Zugang verwendet werden (Abb. 4a–c). In 4 Fällen wurde eine Verbundosteosynthese vorgenommen, in 7 Fällen eine Spongiosaplastik. In 10 Fällen wurden zur Infektionsprophylaxe PMMA-Ketten eingelegt.

Abb. 3
figure 3

Periprothetische Fraktur Typ B1 bei stabiler TEP, Versorgung mit Druckplattenfixateur

Abb. 4a–c
figure 4

Periprothetische Fraktur. a Frakturbilder bei liegendem Oberflächenersatz. b Versorgung mit KondylenTifix. c Minimal-invasives Vorgehen mit Einschieben der Platte

Ergebnisse

Bei allen Patienten kam es zu einer primären Wundheilung ohne Infektion. 28 von 32 Patienten erreichten die Vollbelastung, teilweise unter Zuhilfenahme von Gehhilfen. Diese Gehhilfen wurden zum Teil aus frakturunabhängigen Gründen benötigt. 3 Patienten waren bereits vor der Fraktur bettlägerig. In 31 Fällen war die sofortige frühfunktionelle Behandlung möglich.

Es traten 7 Komplikationen auf. Eine Patientin verstarb an ihrer internistischen Begleiterkrankung im kardiopulmonalen Versagen. Es waren 4 postoperative Beinvenenthrombosen zu verzeichnen. 2-mal kam es zu proximalen Ausrissen der Fixateur-interne-Systeme bei liegender Knieendoprothese (Tabelle 2). 1-mal handelte es sich um einen Ausriss eines Druckplattenfixateurs und 1-mal um einen Ausriss des Kondylenfixateurs. Beide Komplikationen konnten durch eine erneute Osteosynthese mittels Druckplattenfixateur beherrscht werden. Auch diese 2 Patienten erreichten nach der Revision die Vollbelastung.

Tabelle 2 In der Studie aufgetretene Komplikationen

Diskussion

Periprothetische Frakturen sind selten. In einer Serien von 30.000 Hüftendoprothesen, die in einem einzigen Institut eingesetzt wurden, fand sich eine postoperative Inzidenz von Femurfrakturen von 1,1% nach der primären Hüftendoprothetik und von 4% nach Revisionseingriffen [5]. Durch höheres Lebensalter, steigende Implantationszahlen von Endoprothesen und vermehrte sportliche Aktivität werden periprothetische Frakturen in ihrer Häufigkeit zunehmen. Masri berichtet, dass postoperative periprothetische Frakturen in über 80% durch Bagatelltraumen entstehen [16]. Berry findet bei 50% der Frakturen überhaupt kein Trauma in der Anamnese [5]. Als Risikofaktoren werden Osteoporose, Osteolysen, rheumatoide Arthritis, Kortikoidtherapie, zementierte Prothesen und Prothesenwechsel gesehen [17, 22, 30].

Stadiengerechte Therapie

Die periprothetische Fraktur stellt nicht nur für den Chirurgen, sondern auch für das Implantat eine Herausforderung dar. Entscheidend für die Art der operativen Versorgung sind die Lokalisation der Fraktur in Bezug zur Prothese, die Knochenqualität und die Implantatstabilität. Diese Kriterien liegen der Vancouver-Klassifikation nach Duncen u. Masri zugrunde [8]. Als Basis dient die Frakturlokalisation am proximalen Femur. Sie wird in 3 Zonen eingeteilt.

Entsprechend dieser Klassifikation lässt sich ein stadiengerechtes Therapieschema ableiten.

Die Typ-A-Frakturen (Trochanterfrakturen) werden in der Regel konservativ behandelt, nur bei größerer Dislokation des Trochanter ist ein operatives Vorgehen nötig.

Die Frakturen vom Typ B2 und B3 mit Prothesenlockerung werden in der Regel mit einer Revisionsprothese versorgt, wobei sowohl die zementierte als auch unzementierte Version, Verriegelungsprothesen und die Anlagerung von autologen oder allogenen Spongiosa- bzw. Knochenchips oder „allograft struts“ diskutiert werden [4, 9, 19, 26, 28, 29].

Frakturen vom Typ C werden wie einfache distale Femurfrakturen behandelt.

Bei Frakturen vom Typ B1 also bei ungelockerter Prothese sollte eine konservative Therapie auf Grund der schlechten Ergebnisse die Ausnahme sein [14]. Standard ist das operative Vorgehen. Dabei kommen Platten in Kombination mit Schrauben und Zerklagen, Spezialplatten, Titanbänder in Kombination mit Knochenchips und winkelstabile Implantate zum Einsatz. Von verschiedenen Autoren werden aber auch Revisionsprothesen bei B1-Frakturen eingesetzt, obwohl die einliegende Prothese nicht gelockert ist [23].

Plattenosteosynthese-Techniken

AO-Standardplatten und Schrauben werden bei B1-Frakturen eingesetzt. Die konventionelle Plattenosteosynthese zeigt jedoch eine hohe Komplikationsrate [3, 22]. So berichtet Aigner über 30–50% Versagensraten [2]. Parks empfiehlt, Schrauben an der Prothesenspitze zu vermeiden [18]. Deshalb wurden Spezialplatten entwickelt, die mit Zerklagen oder Bändern kombiniert werden.

Die Ogden-Platte (Fa. Zimmer) war eine der ersten Platten, die eine Kombination von Platte mit Kabel oder Schraube ermöglichte. Zenni berichtet über 19 Patienten, die er mit einer Ogden-Platte versorgte. Es waren 2 verzögerte Knochenbruchheilungen, 1 Pseudarthrose, 1 Plattenbruch, 1 Plattenausriss und 1 Fraktur unterhalb der Platte zu verzeichnen. Die Ogden-Platte ist nicht für periprothetische Frakturen bei liegenden Knieendoprothesen geeignet [32].

Das Dall-Miles-Kabel-Plattensystem (Fa. Howmedica) zeigt ähnliche Ergebnisse. Bei dieser Platte besteht die Möglichkeit, sowohl distal als auch proximal eine Fixierung mit Zerklagen vorzunehmen. Venu beschreibt 3 Pseudarthrosen bei 12 Patienten, die mit einer Dall-Miles-Platte versorgt wurden [27]. Tandross erzielte mit der Dall-Miles-Platte nur bei 3 von 7 periprothetischen Frakturen einen knöchernen Durchbau [25].

Die Mennen-Platte erwies sich als zu schwach. Ahuja beschreibt 75% Komplikationen mit der Mennen-Platte [1]. Kamineni berichtet über 5 Versager bei 5 Patienten und erachtet die Mennen-Platte als nicht geeignet für den Einsatz bei periprothetischen Frakturen [15]. Bei der Mennen-Platte handelt es sich um eine Platte mit Krallen, die das Femur umfassen. Die Fixierung erfolgt durch das Umbiegen dieser Krallen und nicht durch Schrauben.

Aus der Revisionschirurgie bei Schaftlockerungen ist die Verwendung von kortikalen Allografts, so genannten Strut Grafts (Strut = englisch Stütze/Strebe) bekannt. Chandler berichtete 1993 über 19 periprothetische Frakturen, die er mit Allograft Strut stabilisierte. Bei 16 von diesen 19 Patienten kam es zu einem knöchernen Durchbau innerhalb von 4 1/2 Monaten. In einer Kombination von einer Metallplatte auf der lateralen Kortikalis und einem Allograft Strut auf der gegenüberliegenden Kortikalisseite beschreibt Chandler einen klinischen Erfolg bei 21 von 22 Patienten mit periprothetischen Frakturen [6, 7]. Auch Aigener berichtet bei einem Vergleich von allogenen Struts mit der konventionellen Plattenosteosynthese von einem gutem bis sehr guten Ergebnis bei 7 von 7 Patienten [2].

Winkelstabile Systeme

Nachdem sich winkelstabile Fixateur-interne-Systeme vor allem bei Problemfrakturen bewährt hatten, berichteten wir 2001 über unsere Ergebnisse mit dem Kondylen-Tifix und dem Druckplattenfixateur bei periprothetischen Frakturen [10, 11, 12, 13]. Wolter u. Seide konnten nachweisen, dass winkelstabile Fixateur-interne-Systeme (Fa. Litos) vor allem auch bei osteoporotischem Knochen einen deutlich verbesserten Halt gegenüber nicht winkelstabilen Systemen zeigten [21, 31]. Diese Fixateur-interne-Systeme erlauben es, die Schrauben variabel mit einem Winkel von bis zu 30° einzubringen. Zudem können die Platten den anatomischen Gegebenheiten angepasst und gebogen werden.

Bei 31 der 32 von uns mit winkelstabilen Fixateur-interne-Systemen versorgten Patienten konnte eine sofortige frühfunktionelle Behandlung erreicht werden. Ein Patient verstarb frakturunabhängig. 28 Patienten erreichten die Vollbelastung, 3 Patienten waren bereits vor der Fraktur bettlägerig.

2-mal kam es zu proximalen Ausrissen der Fixateur-interne-Systeme bei liegenden Knieprothesen. Hier handelte es sich um technische Fehler. Die Gewinde im proximalen Femur wurden mit einem zu kleinen Gewindeschneider angelegt, sodass es zu einem medialen Ausbruch eines Knochenfragments beim Einbringen der Schrauben kam. Dies führte letztendlich zum Ausriss des Fixateurs. Durch Verwenden eines längeren Fixateurs wurde die Problematik überwunden.

In unserer Serie traten erfreulicherweise die sonst häufig beschriebenen Probleme der Infektion und der Pseudarthrosebildung nicht auf. Als Ursachen sehen wir die hohe Stabilität und Verminderung der Mikrobewegungen bei der Winkelstabilität sowie die Verwendung von Refobacin- und Palacos-Ketten.

Vergleich mit dynamischer Kondylenschraube

Suprakondyläre Femurfrakturen bei liegenden Knieprothesen werden mittels DCS, retrograden Nägeln oder winkelstabilen Fixateur-interne-Systemen stabilisiert. Retrograde Nägel sind nur bei einem Oberflächenersatz möglich, der vom Design eine Nagelung zulässt [24, 30]. Andere winkelstabile Fixateursysteme wie z. B. das LISS-System lassen weder das Anmodellieren der Platte noch ein variables Einbringen der Schrauben zu.

Wenn wir das Kondylen-Tifix-System mit der dynamischen Kondylenschraube (DCS) vergleichen, findet sich ein geringeres Volumen der winkelstabilen Schrauben bei deutlich größerer knöcherner Abstützfläche im Knochen. Vergleicht man die knöcherne Abstützfläche und das Volumen von 4 winkelstabilen Schrauben einer Fixateur-interne-Platte mit einer DCS mit zusätzlicher Spongiosaschraube, welche regelhaft nötig ist, so zeigt sich, dass das Volumen der DCS samt Spongiosaschraube ca. 38% größer ist. Die Auflagefläche von 4 winkelstabilen TiFix-Schrauben dagegen ist um ca. 70% größer, als die einer DCS mit Spongiosaschraube. Dieses bedeutet für die Fixateur-interne-Platte eine größere knöcherne Abstützung bei geringerer Knochenschädigung durch großvoluminöse Implantate [11].

Bewertung der Ergebnisse

Die Komplikationsrate bei periprothetischen Frakturen wird in der Literatur mit ca. 35% angegeben [20]. Somit sind unsere Ergebnisse mit 2 Versagensfällen der Montage sowie 5 allgemeinen Komplikationen bei 32 Patienten als günstig anzusehen.

Die flächenhafte Lasteinleitung, die Schonung des häufig geschwächten Knochens, seine höhere Belastbarkeit, die geringere Mikrobewegung und das leichtere operative Einbringen sind Gründe für diese Ergebnisse.