In der Beckenchirurgie werden für die präoperative Diagnostik und Planung zahlreiche Modalitäten eingesetzt. Als Basis dient die konventionelle Röntgendiagnostik, Becken a.-p., erweitert durch Schrägaufnahmen.

Für viele Fragestellungen in der Traumatologie ist jedoch die dreidimensionale Schnittbildgebung unerlässlich. Hier hat sich die Spiralcomputertomographie durchgesetzt. Mit den multiplanaren Reformationen und der Oberflächendarstellung sind eine exakte Frakturanalyse, -klassifikation und Therapieplanung möglich (Zugänge, Strategien) [3].

Diese hervorragende Bildgebung mit Darstellungsmöglichkeiten im Submillimeterbereich steht im Gegensatz zu den bisher vorhandenen intraoperativen Möglichkeiten der Visualisierung. Diese ist begrenzt durch den operativen Zugang und die nur zweidimensionale operative Bildgebung (C-Bogen).

Eine Möglichkeit, die Visualisierung zu verbessern, ist die Erweiterung der Zugänge. Allerdings steigt der durchschnittliche Blutverlust bei Azetabulumfrakturen von 680 ml bei so genannten einfachen Zugängen (z. B. Kocher-Langenbeck- oder ilioinguinaler Zugang) auf 1400 ml bei erweiterten Zugängen (280 Patienten aus 10 Kliniken, Jahrgang 1998, AG Becken II der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie) [5].

Zusätzliche intraoperative Röntgenaufnahmen haben eine erhöhte Strahlenbelastung des Patienten und des Chirurgen zur Folge. Zudem ist die Einstellung der Schrägaufnahmen manchmal nicht ganz einfach, und Darmgase oder Adipositas können die Bildqualität erheblich einschränken.

Die computerassistierte Chirurgie, auch Navigation genannt, wird seit etwa 10 Jahren im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie eingesetzt. Neben einer erhöhten Präzision bei der Platzierung von Pedikelschrauben im Bereich der Wirbelsäule konnte auch eine 90%ige Reduktion der Strahlenexpositionen bei navigierten Operationen nachgewiesen werden [7]. Mit der Navigation besteht die Möglichkeit, die präoperativen, exakten dreidimensionalen Bildinformationen direkt in die Operation zu transferieren.

Navigationsmethoden

CT-basierte Navigation

Die Bilddaten werden—entweder über Netzwerk oder über Datenträger—vom CT in das Navigationssystem transferiert. Ein notwendiger Arbeitsschritt ist der Abgleich des präoperativen Datensatzes mit dem Patienten, bei welchem eine Referenzbasis fest an den Knochen montiert wird (Abb. 1). Dieser Vorgang heißt Registrierung und erfolgt in der Regel 2-stufig mit Paar-Punkt- und Oberflächenregistrierung [1]. Bei der Paar-Punkt-Registrierung werden intraoperativ mit einem Zeigeinstrument (Pointer) mindestens 3 präoperativ im Datensatz geplante Landmarken angesteuert. Bei der Oberflächenregistrierung müssen vorher nicht zu definierende Punkte der Knochenoberfläche abgegriffen werden.

Abb. 1a, b
figure 1

Paar-Punkt-Registrierung, präoperative Definition von Landmarks im virtuellen Objekt (b), Digitalisierung der Landmarks im therapeutischen Objekt (a) mit dem Pointer, im virtuellen Objekt: Landmarks werden in Deckung gebracht, c, d Oberflächenregistrierung, Digitalisierung eines Punktenetzes im therapeutischen Objekt (d), welches mit virtuellem Objekt in Deckung gebracht wird

Bei korrekter Durchführung kann eine hohe Präzision mit Abweichungen der Realität vom virtuellen Datensatz <1 mm erzielt werden. Die Standardinstrumente (Bohrer, Meißel, Schraubendreher) sind ebenfalls mit Referenzbasen versehen und werden virtuell auf dem Monitor des Navigationssystems in Relation zum Patientendatensatz (Knochen) dargestellt.

Die CT-basierte Navigation ist nur bei stabilen Fraktursituationen, Osteotomien oder in der Tumorchirurgie einsetzbar, da bei instabilen Frakturen durch Fragmentänderungen zwischen CT und Operation die intraoperative Fragmentlage nicht mehr die Situation während der präoperativen Computertomographie widerspiegelt.

2D-Fluoroskopiebasierte Navigation

Dieso genannte Fluoroskopienavigation stützt sich auf die zweidimensionalen Bilddaten vom C-Bogen mit dem Vorteil des flexiblen Einsatzes. So können nach einer Reposition die Bilddaten mit dem C-Bogen akquiriert und in das Navigationssystem importiert werden. Eine manuelle Registrierung durch den Chirurgen ist nicht notwendig. Die weitere Operation, d. h. Implantatplatzierung, kann navigiert ohne weitere Röntgenaufnahmen erfolgen.

Nachteilig ist der zweidimensionale Bilddatensatz mit den oben angeführten Limitierungen.

3D-Fluoroskopiebasierte Navigation

Diese neue Methode ist seit 2003 auf dem Markt erhältlich. Sie stützt sich auf die dreidimensionale Bilddaten des Iso-C-3D-Bildwandlers (Siremobil, Fa. Siemens, Erlangen). Mit der isozentrischen Bewegung des C-Bogens werden bis zu 100 Bilder akquiriert und durch spezielle Algorithmen dreidimensional, ähnlich dem CT, dargestellt. Der Operateur hat somit die Möglichkeit, während der Operation auf diese Bildinformationen zurückgreifen zu können. Eine Einschränkung, insbesondere im Bereich der Beckenchirurgie, besteht im limitierten Abbildungsvolumen des Iso-C-3D mit 12 cm3 und der gegenüber dem CT eingeschränkten Bildqualität. Dies macht v. a. den Einsatz an den Extremitäten sinnvoll. Im Bereich des Beckens erfolgte kürzlich die Zulassung. Mit spezieller intraoperativer Nachbearbeitung kann eine für die Beurteilung von Reposition und Implantatlage im Azetabulum oder Beckenring ausreichende Bildqualität erhalten werden.

Navigation in der Beckenchirurgie

Wir setzen die Navigation im Bereich der Tumorresektion ein. Weitere Anwendungsgebiete sind Frakturosteosynthese (sakroiliakale Schraubenosteosynthese bei Becken-C-Verletzungen) sowie navigierte Reposition und Implantatplatzierung bei Korrektur fehlverheilter Beckenringfrakturen.

Tumorchirurgie

Hier sind in konventioneller Technik 2 Probleme evident:

  • Tumorlokalisation

  • Resektion im Gesunden

Mit der Navigation können diese gelöst werden. Es wird ein präoperatives Computertomogramm des Beckens durchgeführt und in das Navigationssystem eingeladen. Nach Registrierung können die knöchernen Tumorstrukturen exakt lokalisiert und der Tumor ausreichend im Gesunden reseziert werden.

Bei ausgedehnten Tumorresektionen kann die Implantation einer Hemipelvisprothese erforderlich werden. Die konventionellen Prothesen sind nicht passgenau und limitieren die Mobilisation des Patienten. Mit speziellen passgenauen Hemipelvisprothesen mit der Möglichkeit der ossären Integration sollten diese Probleme überwunden werden können. Dazu ist eine äußerst präzise Resektion notwendig, die im eigenen Vorgehen mit der Navigation möglich war.

Klinischer Fall

Bei einem 54 Jahre alten Patienten wurde die Diagnose eines etwa 7 cm×7 cm×5 cm großen Chondrosarkoms im Bereich des linken Azetabulums gestellt (Abb. 2). Filialisierungen wurden ausgeschlossen.

Abb. 2
figure 2

Patient mit Chondrosarkom links periazetabulär, CT-Beckenuntersuchung: Ausdehnung des Tumors im Bereich des linken Azetabulums und großer Weichteilanteil gut erkennbar

Durch die Resektion, die einzige kurative Behandlungsoption des Tumors, würde das Femur vom Stammskelett getrennt und eine Prothese notwendig werden.

Für die Planung einer maßangefertigten Prothese wurde basierend auf CT-Daten im Rapid-prototyping-Verfahren ein Kunststoffmodell des Beckens hergestellt und hieran die Operation geplant. Anhand des Resektats wurde eine Beckenprothese mit integrierter Hüftpfanne angefertigt.

Ein 2. CT-Datensatz vom Beckenmodell ohne Resektat wurde erstellt und intraoperativ registriert, sodass der Operateur bei der navigierten Resektion am Monitor des Navigationssystems die Resektionslinien sehen konnte. Die Resektion wurde mit Hilfe von navigierten Meißeln unterschiedlicher Kröpfung durchgeführt (Abb. 3). Die Operation erfolgte zweizeitig:

Abb. 3
figure 3

a Resektionsoperation, äußerst präzise navigiert durchgeführt, Ziel: Möglichkeit des Einsetzens einer passgenau maßangefertigten Prothese, Einsatz des navigierten Meißels erkennbar; Tumor in toto mit ausreichenden Grenzen reseziert, b postoperative Röntgenuntersuchung: exakte Passgenauigkeit der Prothese

  1. 1.

    Resektion

  2. 2.

    Planmäßige Revision (Washout)

  3. 3.

    Implantation der Hemipelvisprothese

Hierbei zeigte sich eine exakte Passgenauigkeit. (Abb. 3b).

Die pathologische Begutachtung ergab tumorfreie Resektionsränder. Die Vollmobilisation des Patienten erfolgte nach 16 Wochen.

Beckenringosteosynthese

Bei der perkutanen sakroiliakalen Schraubenosteosynthese kann es bei der konventionellen Technik, bedingt durch die eingeschränkte Visualisierung (Darmgase, Adipositas), zu Fehlplatzierungen kommen [2, 6]. Die navigierte Technik kann sowohl mit CT- als auch fluoroskopie- als auch Iso-C-basierter Navigation durchgeführt werden. Jede dieser Applikationen hat ihre Vor- und Nachteile (s. oben). Im eigenen Vorgehen haben sich die fluoroskopiebasierte und die Iso-3D-Navigation durchgesetzt. Vorteil ist, dass die notwendigen Röntgenaufnahmen nach Frakturreposition durchgeführt werden. Zudem entfällt der fehleranfällige Prozess der bei der CT-basierten Navigation erforderlichen Datenregistrierung.

Bei navigierten Bohrungen ist zu beachten, dass die Bohrerbiegung ein nicht unerhebliches Problem darstellt. Sie wird im Navigationssystem nicht abgebildet. In der Regel ist eine navigierte Bohrhülse für den Bohrvorgang erforderlich. Nach dessen Abschluss muss vor der Schraubeninsertion obligatorisch intraoperativ geröntgt werden. Dennoch ist die Strahlenbelastung im Vergleich zur konventionellen Technik deutlich reduziert.

Klinischer Fall

Bei einem jungen Patienten, der sich im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine Becken-C-Verletzung mit transpubischer Instabilität der transforaminalen Sakrumfraktur zugezogen hatte, wurde eine sakroiliakale Verschraubung geplant. Es wurde die fluoroskopiebasierte Navigation angewendet, wobei simultan die a.-p. Ebene, Inlet und Outlet auf dem Monitor dargestellt werden. Mit dem navigierten Bohrer kann ohne weitere Röntgenaufnahmen simultan in den 4 Ebenen die Bohrung erfolgen (Abb. 4). Im klinischen Bild wird die minimale Invasivität dieser Methode ersichtlich (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Navigierte sakroiliakale Schraubenosteosynthese: navigierte Bohrung und Applikation der Schraube simultan in mehreren fluoroskopischen Ebenen möglich (Vector Vision System, Brainlab AG, Heimstetten)

Abb. 5
figure 5

Navigierte SI-Verschraubung, ipsilaterale Anbringung der Referenzbasis am Beckenkamm

Navigierte Beckenkorrekturoperation

Diese Entität stellt eine äußerst seltene Indikation dar. In der Regel handelt es sich um junge Patienten mit konservativ behandelten oder versorgten, in Fehlstellung verheilten Beckenringfrakturen. Klinisch bestehen erhebliche Probleme mit Sitz- und Gangunsicherheiten, zudem häufig unfallbedingte Nervenschäden. Bei den fehlverheilten Frakturen hat sich außerdem straffes Narbengewebe gebildet. Somit ist ein mehrschrittiges Vorgehen notwendig. Der Beckenring muss dorsal und ventral in der verheilten Frakturzone osteotomiert werden. Im dorsalen Bereich ist weiterhin die Dissektion der sakrotuberalen Bänder notwendig, um eine Mobilisation durchführen zu können. Bei der posterioren Osteotomie, meist im Bereich des Sakrums, sind die Nervenwurzeln gefährdet.

Die Navigation ist für die präzise Osteotomie und Reposition indiziert. Die CT-basierte Navigation kann am besten die komplexe dreidimensionale Problematik abbilden. Der Registrierungsprozess wird präzise durchgeführt. Mögliche Zeitverzögerungen sind bei diesen ausgedehnten Operationen unerheblich. Mit den navigierten Meißeln kann die Osteotomie exakt durchgeführt werden.

Mit dem Modul periazetabuläre Osteotomie (PAO) des Navigationssystems Surgigate (Firma Praxim-Medivision) ist die navigierte Reposition nach erfolgter Osteotomie möglich. Dabei wird das mobile Hemipelvis rot dargestellt und kann mit Winkelangaben präzise navigiert werden (Abb. 6b).

Abb. 6
figure 6

a Präoperatives Röntgenbild nach auswärtig konservativ behandelter Beckenfraktur: deutliche Fehlstellung im Bereich des linken Hemipelvis mit Malrotation und deutlichem Höhenversatz der beiden Beckenschaufeln, b Monitoransicht des Navigationssystems (Surgigate-Praxim-Medivision, Grenoble, Frankreich), bei der die linke Beckenhälfte (rot) im Verhältnis zum Sakrum und rechten Hemipelvis navigiert korrigiert wird, c postoperatives Röntgenbild: deutliche Verbesserung der Beckenanatomie

Klinischer Fall

Bei einem jungen Patienten war eine Beckenringverletzung Typ C (AO/OTA) mit Symphysensprengung und transiliosakraler Luxationsfraktur auswärts konservativ behandelt worden. Sie war in erheblicher Fehlstellung verheilt (Abb. 6a). Diese bereitete dem Patienten erhebliche Probleme mit einer Beinlängendifferenz, Hinken und Sitzdysbalance. Mit Hilfe der navigationsgestützten Korrekturoperation (Abb. 6b) konnte eine deutliche Verbesserung der Beckenringanatomie und der Beschwerden erzielt werden (Abb. 6c).

Kosten-Nutzen-Problematik der Navigation in der Traumatologie

Derzeit können bei der Versorgung von Beckenfrakturen nur wenige Operationsschritte navigiert werden, die Implantatplatzierung, z. B. SJ-Schrauben und azetabuläre Pfeilerschrauben. Die Kosten für ein Navigationssystem sind mit 250.000–350.000 € und Wartungskosten von etwa 10% des Anschaffungspreises pro Jahr erheblich. Weiterhin ist für die Operation zurzeit zusätzliches Personal erforderlich, welches den Computer bedient und die Kamera des Navigationssystems nachjustiert. Mit der durch das Arbeitszeitgesetz verschärften Personalsituation ist dies nicht überall zu leisten.

Es stellt sich die Frage, ob sich die Anschaffung eines Navigationsgeräts für die Beckenchirurgie lohnt. Unter der Voraussetzung, dass sich Komplikationen wie eine implantatbedingte Nervenläsion verringern lassen, ist dem aus volkswirtschaftlicher Sicht zuzustimmen.

Allein für die Beckenchirurgie ist diese Anschaffung aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch nicht zu vertreten. Berechnet man allerdings ein, dass ein Navigationssystem nicht nur für die Beckenchirurgie angewendet werden kann, sondern auch für andere Operationen wie z. B. Wirbelsäulenoperationen oder die Implantation von Kniegelenkprothesen, kann sich die Anschaffung durchaus lohnen. Gerade unter Berücksichtigung der Abrechnung nach DRG ist eine Komplikation erheblich Kosten steigernd.

Weitere Entwicklungen, welche die navigierte Reposition durch dreidimensionale Visualisierung unterstützen [4], können in Zukunft, insbesondere im Bereich der Beckenchirurgie, eine zusätzliche Reduzierung des perioperativen Risikos bewirken, bessere Repositionsergebnisse erzielen lassen und damit die Komplikationen und direkten Kosten möglicherweise minimieren.

Ausblick

Die Computernavigation hat sich in den letzten 10 Jahren rasant weiterentwickelt. Neben der ursprünglichen CT-Navigation stehen jetzt die Fluoroskopie und Iso-C-3D-Navigation zur Verfügung. Sie ermöglichen dem Chirurgen eine Reihe von Anwendungen im Beckenbereich. Gerade Beckenoperationen sind sehr gute Indikationen für den Einsatz der Navigation, da die präzise dreidimensionale präoperative Bildgebung bei der konventionellen Beckenoperation nur unzureichend verwendet werden kann. Mit der Navigation können eine Reihe von Operationsschritten exakter als bisher durchgeführt werden. Diese Möglichkeiten müssen jedoch zurzeit noch in Relation zum Aufwand gesehen werden. Die Navigation selbst beinhaltet systemimmanente Probleme. Diese liegen im Bereich des Datenabgleichs (Registrierung), aber auch intraoperativ z. B. bei der Bohrung (Bohrerbiegung).

Eine erhebliche Ausweitung der Einsätze erwarten wir nach Realisierung der navigierten Frakturreposition. In einem eigenen kooperativen Projekt im Rahmen der AO-International wird diese Fragestellung weiter entwickelt. Wesentliche Teilkomponenten sind eine virtuelle Implantatdatenbank, die Reposition aufgrund von C-Arm-Bildinformation, aber auch von präoperativen CT-Bilddaten, eine Planungsstation sowie spezielle, neu entwickelte Instrumente für die perkutane Manipulation von Fragmenten.