Sprungbeinverletzungen sind seltene, aber schwere Verletzungen. Bezogen auf das Fußskelett beträgt ihr Anteil 3%, bezogen auf das Gesamtskelett etwa 0,3%. In der Literatur wird auch in der neueren Zeit nur über kleine Serien berichtet, d. h. auch der erfahrene Unfallchirurg überblickt nur wenige Talusverletzungen.

Anatomie

3/5 der Talusoberfläche sind von hyalinem Gelenkknorpel bedeckt. Die Mehrheit der Frakturen sind daher Gelenkfrakturen. Eingebettet zwischen der Sprunggelenkgabel und den unteren Sprunggelenken besitzt der Talus keine eigenen Sehnen- und Muskelansätze und somit keine aktive Beweglichkeit.

Ein Längsschnitt durch den Talus zeigt am Übergang vom Korpus zu Collum tali eine verminderte Spongiosadichte. Die Trabekel im Korpusbereich sind dicht und zum subtalaren Gelenk nahezu senkrecht angeordnet. Im Bereich des Caput tali verläuft die Trabekelstruktur horizontal, jedoch senkrecht zur Artikulation.

An der Vaskularisation des Talus sind alle 3 Unterschenkelarterien beteiligt. Größte Bedeutung besitzt die A. tibialis posterior mit dem Ast der A. canalis tarsi. Sie anastomosiert mit der A. sinus tarsi. Bei verschobenen Frakturen und Luxationsfrakturen kann somit die Durchblutung erheblich gestört werden. Dies erklärt einerseits die mit zunehmendem Dislokationsgrad ansteigende Nekroserate, andererseits kann eine zeitgerechte knöcherne Heilung ohne aseptische Nekrose auf die große Variabilität dieses Gefäßsystems zurückgeführt werden [6].

Im Stand und beim Gang erfolgt die axiale Lastübertragung von der Tibia in den Talus. Von dort wird sie über das Talonavikulargelenk in die mediale Fußsäule, über die unteren Sprunggelenke zum Fersenbein und über das Kalkaneokuboidalgelenk in die laterale Fußsäule eingeleitet. Talokruralgelenk und die unteren Sprunggelenke sind einheitlich an einer kardanähnlichen Bewegung beteiligt, durch die die Körperlast bei den Stand- und Gangvariationen von der frontalen auf die horizontale Ebene übertragen wird und umgekehrt [7].

Unfallmechanismus

Talusverletzungen entstehen überwiegend infolge von Hochrasanztraumen, bedingt durch Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe. In der Regel sind komplexe multidirektionale Krafteinwirkungen auf den Fuß notwendig, Rotations- und Stauchungsmechanismen sind führend.

Der im Augenblick der deformierenden Energie dorsal extendierte Fuß stellt biomechanisch die Grundlage für die häufige Talushalsfraktur dar, die etwa 50% aller Sprungbeinbrüche ausmacht. Dabei verkeilt sich die distale Tibiavorderkante im Talushals und schert diesen ab. Das Sustentaculum talare fungiert dabei als Hypomochlion.

Die Korpusfraktur entsteht bei plantar flektiertem Fuß. Der Sprungbeinkörper wird nach dorsal durch die hintere Tibiakante abgedrängt. Bei hoher Gewalteinleitung können zusätzlich die Bandverbindungen zwischen Sprung- und Fersenbein zerreißen, sodass der frakturierte Sprungbeinkörper unter der Tibia rotiert und sich dorsal hinter dem Fersenbein verhakt.

Die seltenen isolierten Taluskopffrakturen entstehen am häufigsten bei Ab- und Adduktionstraumen mit kombinierter rotatorischer Komponente des Rückfußes gegenüber der Fußwurzel unter axialer Krafteinwirkung.

Klassifikationen

Die Einteilung aller Talusfrakturen erfolgt nach Marti [4], die der Talushalsfrakturen nach Hawkins [3], erweitert durch Canale u. Kelly [2]. Zwipp [11] klassifizierte die Verletzung nach der Anzahl der durch die Fraktur des Talus und Dislokationen beteiligten Gelenke. Aus detaillierten Angaben zur Verletzungsschwere und zum Grad der Fragmentverschiebung soll das Nekroserisiko abzuschätzen sein. Periphere Verletzungen des Talus sind bezüglich der Nekroserate von 5% prognostisch günstig, wohingegen zentrale Mehrfragmentfrakturen mit bis zu 50% das höchste Nekroserisiko aufweisen.

Bei der Evaluation des Schweregrads ist davon auszugehen, dass in etwa 50% eine isolierte Talusfraktur vorliegt und ebenso häufig mit einer Komplexverletzung der Fußwurzel zu rechnen ist [8]. Das wird um so deutlicher angesichts der Tatsache, dass die Talusbruchlast mit bis zu 4000 N einer hohen Traumaenergie bedarf.

Bildgebende Diagnostik

Die nativröntgenologische Untersuchung der Fußwurzel ist durch vielfache Überlagerungen knöcherner Konturen, Skelettvariationen sowie eine große individuelle Schwankungsbreite der anatomischen Formen erschwert. Für den Traumatologen ist dies für die Differenzialdiagnose „Fraktur oder Anomalie“ von praktischer Bedeutung.

Röntgen

Führen Anamnese, Unfallmechanismus sowie klinisches Erscheinungsbild mit Hämatom, Schwellung, Verrenkungsstellung und lokalem Druckschmerz zur Verdachtsdiagnose einer Talusläsion, gehören seitliche und dorsoplantare Röntgenaufnahmen sowie die Brodén-Projektion für das untere Sprunggelenk zum Standard, um die Diagnose zu sichern.

Computertomographie

Eine enge Kooperation zwischen Radiologen und Traumatologen ist erforderlich, um die Frage des operativen Zugangs (anteromedial, posterolateral, bilateral, median) und der Frakturpathologie zu klären und die mehrdimensionalen Nachverarbeitungen aus präoperativ angefertigten, axialen CT-Datensätzen zu analysieren. Auch postoperativ ist eine CT anzustreben, um Subluxationen und Gelenkinkongruenzen nach Reposition feststellen und in einem sekundären Eingriff beheben zu können.

Magnetresonanztomographie

Sie wird bei persistierenden Beschwerden notwendig. Eine posttraumatische und postoperative partielle oder totale Talusnekrose können so frühzeitig erkannt werden, falsch-negative Untersuchungsergebnisse sind möglich. Um MRT-Artefakte zu minimieren, werden für Sprungbeinoperationen inzwischen ausnahmslos Titanimplantate verwendet.

Indikationen und Therapieverfahren

Ziel der Frakturbehandlung ist die exakte anatomische Wiederherstellung der knöchernen Strukturen zur Vermeidung von Inkongruenzen. Eine möglichst frühzeitige Rekonstruktion soll die Gefäße entlasten und eine schnelle Revaskularisation ermöglichen. Frühfunktionelle Behandlung des gesamten Fußes sowie des oberen und der unteren Sprunggelenke wird angestrebt.

Periphere Frakturen mit unverschobenen kleinen Fragmenten können konservativ behandelt werden. Größere periphere Fragmente sollten mit Kleinfragmentschrauben oder resorbierbaren Stiften refixiert werden [9]. Die konservative Therapie kann bei allen nicht dislozierten Talushals- und Körperfrakturen durchgeführt werden. Das Ausmaß einer evtl. vorliegenden und nativradiologisch nicht erkennbaren Dislokation ist dabei entsprechend dem oben angegebenen Diagnostikalgorithmus sorgfältig zu prüfen. Müller beschrieb bei 44 Talusfrakturen, die in 64% konservativ behandelt wurden, in immerhin 43% die Komplikation der Talusnekrose [5].

Die frühzeitige funktionelle Behandlung von Gelenkfrakturen stellt heute ein zentrales Behandlungskonzept dar, sodass auch undislozierte Talusfrakturen osteosynthetisch versorgt werden sollten.

Dislokation und zentrale Frakturlokalisation steigern die Nekrosegefahr. Aus diesem Grund sollten alle dislozierten Frakturen operativ versorgt werden [10]. Die operative Stabilisierung zum frühest möglichen Zeitpunkt wird angestrebt. Im eigenen Patientengut bestand ein hoher Anteil an verzögert zu versorgenden Verletzungen durch Zuverlegungen primär auswärtig versorgter Patienten. Bei dieser Patientengruppe kam es nahezu zu einer Verdopplung der Nekrosehäufigkeit [1].

Zusatzverletzungen am ipsilateralen Fuß kompromittieren den Weichteilmantel, sodass in diesen Fällen nicht selten eine sekundäre Osteosynthese erforderlich wird. Als Primärmaßnahme ist hier die geschlossene Reposition mit Anlage eines transfixierenden Fixateur externe bis zur Erholung des Weichteilmantels anzusehen.

Bei der Typ-II-Fraktur nach Hawkins besteht eine Dislokation des Halsfragments. Die Stabilisierung erfolgt über einen anteromedialen Zugang durch 2 parallel eingebrachte kanülierte Titanspongiosazugschrauben der Stärke 3,5 mm. Bei den Typ-III-Frakturen mit Dislokation des Taluskörpers soll der Perfusionsschaden durch eine sofortige Operation, d. h. innerhalb von 6 h nach Trauma, zu verbessern sein. Eine Innenknöchelosteotomie kann zur Zugangserweiterung erforderlich werden. Bei Typ-III- und -IV-Verletzungen ist additiv mitunter eine Transfixation zu empfehlen.

Der dorsolaterale paraachilläre Zugang wird vorrangig für Versorgungen des Processus posterior tali und distaler Korpusfrakturen genutzt. Der bilaterale Zugang mit anschließender Osteosynthese ist den Mehrfragment- und Luxationsfrakturen mit Abbruch des Processus fibularis tali vorbehalten.

Operationsverfahren wie die temporäre Spickdrahtarthrodese und die tibiometatarsale Transfixation können zur zusätzlichen Stabilisierung mitunter hilfreich sein. Trotzdem kann der traumatogene Gefäßschaden häufig nur zum Teil kompensiert werden, und es zeigt sich deutlich, dass auch durch eine ideale anatomische Reposition Komplikationen wie Nekrose und Arthrose nicht sicher zu verhindern sind [1].

Bei vollständigen Talusluxationen und Trümmerfrakturen des Sprungbeins kann in Ausnahmefällen die primäre Arthrodese indiziert sein, um dem Verletzten lange Behandlungszeiten mit den bekannten Komplikationen zu ersparen.

Bei Kontraindikation für eine operative Versorgung erfolgt die Immobilisation der verletzten Extremität für 6 Wochen.

Nachbehandlung

Sie wird kontrovers diskutiert. Es werden Entlastungszeiten der betroffenen Extremität von bis zu 12 Monaten angegeben.

Wir streben eine möglichst frühe funktionelle Therapie an. Postoperativ werden die Patienten nach konsequenter Hochlagerung und Kühlung ab dem 2. postoperativen Tag passiv mittels Motorschiene beübt. Nach Konditionierung der Weichteile erfolgt die Mobilisierung an Unterarmgehstützen mit einer Teilbelastung mit Fußsohlenkontakt und Abrollbewegung für insgesamt 8–12 Wochen. Vollbelastung wird bei knöcherner Konsolidierung nach 4 Monaten angestrebt.

Die Durchblutungssituation des Talus und die typische Komplikation der vaskulären Nekrose insbesondere bei den Frakturtypen III und IV nach Marti werden durch MRT kontrolliert. Als seltene Komplikationen sind sekundäre Dislokationen und Taluspseudarthrosen zu nennen.

Diskussion

Talusluxationen und Luxationsfrakuren sind seltene Verletzungen. Sie sind als Notfall zu behandeln. Nach frühzeitiger exakter Diagnosestellung durch Röntgenspezialaufnahmen und einem fakultativ durchgeführten präoperativen CT erfolgt in Kenntnis der Klassifikation eine frühzeitige anatomische Reposition. Sie sollte offen durchgeführt werden, um eine definitive übungsstabile Osteosynthese durch Verschraubung mit kanülierten 3,5-mm-Titanschrauben vornehmen zu können. Die Anzahl der Repositionsversuche muss gering gehalten werden. Die Nekroserate kann durch frühzeitige operative Intervention gesenkt werden. Es können keine Aussagen über das Eintreten einer Talusnekrose getroffen werden. Die Vitalität des Sprungbeins kann im postoperativen Verlauf durch MRT geprüft werden.

Eine frühe funktionelle Behandlung mit Teilbelastung zur Optimierung der Gelenktrophik und Knochenstrukturierung zeigt keine Nachteile gegenüber der Langzeitentlastung.