Primäre Kniegelenkarthrodese

Die Indikation hierzu wird aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Alloarthroplastik heute nur noch selten gestellt. Weiterhin anerkannte Indikationen sind

  • Gelenkdestruktionen durch Infekt, Verschleiß oder Trauma, wenn ein Gelenk erhaltender Eingriff nicht mehr möglich und ein Gelenkersatz kontraindiziert sind

  • Knieinstabilitäten bei Lähmung oder neuropathischer Gelenkerkrankung

  • kniegelenknahe Tumoren und ihre Folgezustände mit knöchernen und muskulären Defekten [9].

Die primäre Arthrodese hat hohe Erfolgsraten mit bereits 1958 berichteter Fusionsrate von >98% bei 171 Patienten mit unterschiedlichsten Diagnosen und Therapieverfahren [2].

Sekundäre Kniearthrodese

Sie erlangt heute bei Lockerung oder Infekt einer Endoprothese zunehmende Bedeutung. Geschätzt 2% der primär implantierten Endoprothesen enden in der Arthrodese, nach Revisionsalloarthroplastik werden in etwa 8% der Fälle Arthrodesen erforderlich [13].

Die Anzahl derartiger Eingriffe ist auch in größeren Kliniken pro Jahr einstellig, mitgeteilte Fallzahlen in aktuellen Publikationen bewegen sich zwischen 15 und 53 [3]. Verwendete Arthrodeseverfahren sind vielfältig, diverse Implantate werden eingesetzt.

Die jeweils untersuchten Patientengruppen sind inhomogen und schwierig zu vergleichen. Schlagworte sind: jung, posttraumatisch, gute Knochenqualität vs. alt, Osteopenie, infizierte Endoprothese, knöcherne Defekte.

Die aktuelle deutschsprachige Literatur zum Thema ist spärlich, in den letzten 60 Ausgaben der Zeitschrift „Der Unfallchirurg“ fanden sich 1 [7], in der Zeitschrift „Aktuelle Traumatologie“ seit 1995 2 Artikel [10].

Arthrodeseverfahren

Bereits 1985 berichteten Engelbrecht et al. [5] über Kniearthrodesenägel, ein Verfahren, auf das besonders hingewiesen werden soll.

Folgende Verfahren werden verwendet:

  • Rahmenfixateur

  • Ringfixateur nach Ilizarov

  • Druckplatten

  • Marknägel

  • Modulare Stabsysteme

Fixateur externe

In seiner Anwendung nach Charnley u. Müller und modifiziert nach Hierholzer ist er immer noch eine vielfach gebrauchte Methode, insbesondere bei akuten und chronischen Infekten mit Weichteilschaden. Herbst et al. [10] berichteten 1998 über 26 Kniearthrodesen mittels Fixateur externe für durchschnittlich 17 Wochen, bei 17 Patienten waren jedoch insgesamt 44 Revisionseingriffe erforderlich, davon 10 Neukonstruktionen bzw. Umsetzungen des Fixateurs.

Arroyo et al. [1] wiesen auf 2 Einschränkungen hin: häufige Pintraktinfekte und die begrenzte Anwendbarkeit bei Patienten mit Knochendefekten größeren Ausmaßes. Die Dauer der notwendigen Tragzeit des Fixateurs und der damit u. U. erheblich eingeschränkte Patientenkomfort sind weitere Argumente gegen dieses Verfahren.

Nichtsdestotrotz ist der Fixateur externe geeignet, Infektsituationen erfolgreich zu behandeln, allein dadurch, dass das verwendete Fremdmaterial fern des Infektherds und abseits der oft erheblich kompromittierten Weichteile eingesetzt werden kann.

Unilateraler Fixateur

Auch er wird als Behandlungsmöglichkeit angeführt [13], ist u. E. jedoch aufgrund der geringen Rigidität der Konstruktion nur als Zwischenlösung akzeptabel, aber auch als ventrale Zuggurtung zusätzlich zu einer internen Osteosynthese möglich.

Ringfixateur

Der Ringfixateur nach Ilizarov bietet auch bei höhergradigen Knochendefekten gute Erfolgsaussichten auf eine knöcherne Fusion, wie Wiedel [17] in seiner Literaturübersicht zeigte. Feibel u. Guy [6] erwähnten eine Pseudarthroserate von 27%, alle Fälle davon waren bei ausgedehnten knöchernen Defekten aufgetreten.

Druckplattenarthrodese

Sie wurde erstmals von Lucas u. Murray [14] 1961 beschrieben. Bei der primären Arthrodese hat sie eine hohe Erfolgsrate, bei Knochendefekten, etwa nach fehlgeschlagenem Kniegelenkersatz, und Infekt ist sie ungeeignet.

Ein eigenes Beispiel zeigt Abb. 1: Die Patellafraktur des 50-jährigen Mannes war osteosynthetisch versorgt worden. Nach Infekt wurden Metallentfernung und mehrfache Revisionen unternommen. Unter ausbleibender Heilung erfolgte die Zuweisung an unsere Klinik mit Defektsituation im Streckapparat und vollständig zerstörtem Gelenkknorpel. Nach Débridement und anschließender Druckplattenarthrodese kam es zur stabilen infektfreien Fusion.

Abb. 1a–d
figure 1

Patellafraktur bei 50-jährigem Mann, weitere Erläuterungen s. Text

Marknagelarthrodese

Die Marknagelarthrodese nach Küntscher in ihren Modifikationen ermöglicht auch bei Knochendefekten die rasche Mobilisierung des Patienten. Nicht angewendet werden kann sie bei gleichseitigem Hüftgelenkersatz. Weitere Argumente gegen dieses Verfahren sind die Möglichkeit einer Infektausbreitung in das proximale Femur sowie der zusätzlich zur Inzision am Knie erforderliche 2. Zugang mit seiner möglichen Morbidität.

Donley et al. [4] berichteten über eine Erfolgsrate von 85% bei 20 Patienten mit Infekt nach Knie-TEP, Gore u. Gassner [8] erwähnten eine Fusionsrate von >90% nach Marknagelarthrodese und führten aus, dass diese Methode bei gelockerter, nicht infizierter Knie-TEP ideal sei, ein Infekt vor Marknagelung müsse zunächst beseitigt werden.

Auch Hofmann [11] zählte in seinem Beitrag zur Sanierung eines Spätinfekts die Marknagelarthrodese zu den möglichen Optionen.

Socha et al. [16] dokumentierten eine einzeitige Explantation einer infizierten Knie-TEP bei einer 73-jährigen Diabetikerin mit Débridement, lokaler Lappenplastik und Marknagelarthrodese.

Arthrodese mit modularem Stabsystem

Ein in der aktuellen Literatur mehrfach genanntes und von mehreren Autoren favorisiertes Vorgehen stellt schließlich die Arthrodese mittels eines modularen Stabsystems dar. Folgende Vorteile werden angeführt:

  • fehlende Notwendigkeit eines zusätzlichen Zugangs

  • Möglichkeit, die unterschiedlichen Markraumdurchmesser der Tibia und des Femurs durch jeweils angepasste, unterschiedlich dicke Module zu versorgen

  • Berücksichtigung der Antekurvation des Femurs und des geraden Verlaufs der Tibia

  • stabile Fusion mit sofortiger Belastbarkeit auch bei ausgedehnten und durchaus auch verbleibenden knöchernen Defekten

Es werden verschiedene Implantate verwendet. Arroyo et al. [1] berichteten in ihrer retrospektiven Untersuchung an 21 Patienten, die bei rascher postoperativer Vollbelastung in 90% der Fälle eine knöcherne Fusion innerhalb von 8 Monaten aufwiesen, über den so genannten Neff-nail. Ein vergleichbares Implantat verwendeten White et al. [18] mit dem Mayday-nail und nannten in ihrer retrospektiven Untersuchung bei allerdings nur 9 Patienten eine knöcherne Fusionsrate von 100% nach 10 Monaten, auch sie ließen rasch Vollbelastung zu. Christie et al. [3] dokumentierten mit dem Wichita-fusion-nail bei 54 Patienten ebenfalls nach sofortiger Vollbelastung innerhalb von 13 Wochen eine solide Fusion in 96%.

Auf der letztjährigen DGU-Tagung in Berlin wurde über die Arthrodese mit dem Knie-Arthrodese-Modul von Brehm berichtet [12]. Damit konnte bei 35 Patienten mit infizierter Knie-TEP in 87,5% der Fälle die Infektion beherrscht werden. Die dort getroffene Schlussfolgerung lautete: „Ist nach Infektion einer Kniegelenkprothese die Reimplantation aufgrund von Knochendefekten und Weichteilschädigung nicht möglich, kann mit dem modularen Stab die Belastungsfähigkeit der Extremität wiederhergestellt werden. Die konische Ausführung der Schaftkomponenten verhindert ein Nachsinken auch bei vollständig fehlendem knöchernem Kontakt.

Ein Beispiel aus der eigenen Klinik stellt der Fall eines 45-jährigen Mannes dar, der nach proximaler Tibiafraktur infolge eines Knieinfekts nach Fixateur-externe-Anlage schließlich nach mehrfachen Revisionen mit knöchernem Defekt im Tibiaplateau, vollständig zerstörtem Gelenkknorpel und narbig-rigiden Weichteilen mit dem modularen Arthrodesestabsystem versorgt und schließlich mit infektfreiem Bein vollbelastend gehfähig entlassen werden konnte (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

45-jähriger Mann mit proximaler Tibiafraktur, weitere Erläuterungen s. Text

Verfahrenswahl

Folgende Faktoren bestimmen diese:

  1. 1.

    Knochenqualität (Osteopenie?)

  2. 2.

    Vorliegen knöcherner Defekte (z. B. nach Explantation einer infizierten Knie-TEP oder nach Tumorresektion)

  3. 3.

    Weichteilsituation (z. B. kontrakte Narben, Defekte?)

  4. 4.

    Infektsituation

  5. 5.

    Patientenalter (Fähigkeit zur Teilbelastung?)

  6. 6.

    Patientenkomfort (4–5 Monaten Fixateur externe zumutbar?)

Eine mögliche Hilfestellung bietet die Defektklassifizierung (Abb. 3) nach Prothesenausbau, die Kohn u. Schmolke [13] 1996 vorgestellt haben. Dabei spricht Stadium I für eine interne Stabilisierung mittels Druckplatte oder Marknagel, Stadium III heute eher für ein modulares Stabsystem.

Abb. 3
figure 3

Defektklassifizierung, modifiziert nach Kohn u. Schmolke [13]

Fazit

  • Weichteilprobleme und -defekte sowie akuter Infekt sprechen für den Fixateur externe, ggf. mehrzeitiges Vorgehen und Wechsel auf ein modulares Stabsystem oder Marknagel nach Infektbeherrschung und Weichteilkonsolidierung.

  • Knöcherne Defekte (Stadium II–III), hohes Alter mit Osteopenie und Unfähigkeit zur Teilbelastung legen den Arthrodesestab oder Marknagel nahe.

  • Gute Knochensubstanz bei jungen Patienten mit ausreichender Weichteildeckung ermöglicht die solide Fusion mittels Druckplatte.