Entwicklungsgeschichte

Im Gegensatz zum primären Einsatz der Vertebroplastie bei Hämangiomwirbeln wurde die Technik der Kyphoplastie speziell für die Anwendung am osteoporotischen Knochen entwickelt. Neben der Frakturstabilisierung sollte dieses Verfahren auch eine Frakturreposition ermöglichen. Erreicht wurde diese Kombination durch spezielle Ballons, welche minimalinvasiv in den Wirbelkörper eingebracht werden und eine Frakturreposition durch schrittweise, druckkontrollierte Füllung ermöglichen. Nach Entfernen der Ballons verbleibt ein Hohlraum, welcher mit einem Augmentationsmaterial, in der Regel Polymethylmethacrylat (PMMA), ausgefüllt wird.

Nach Zulassung durch die Amerikanische FDA im Juli 1998 wurde die erste Operation am Patienten im September 1998 in den USA durch Mark Reiley, MD, durchgeführt. Die erste Veröffentlichung zu dieser Methode erschien im Jahr 2000 [29]. Seither wurden nach Angaben des Herstellers (Kyphon—Stand September 2002) in den USA und in Europa bei mehr als 17.000 Patienten über 22.000 Wirbel durch Kyphoplastie augmentiert.

Literaturdaten zur Kyphoplastie

Klinische Daten

Im Gegensatz zur Kyphoplastie liegen für die Vertebroplastie bereits veröffentlichte klinische Studien mit einer Nachuntersuchungsdauer von 5–7 Jahren vor [2, 21].

Für beide Verfahren wurde in mehreren Studien eine vergleichbare Schmerzreduktion bei korrekter Indikationsstellung in 80–95% der Patienten belegt [2, 13, 17, 19]. Die durchschnittliche Reduktion in der visuellen Analogskala lag für die Kyphoplastie bei 4,2–7,8 Punkten, ebenso zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Parameter "bodily pain" und "physical function" des SF 36 [19].

Bisher liegen zur Kyphoplastie prospektive Untersuchungen an über 200 Patienten mit einem Nachuntersuchungszeitraum bis zu 2 Jahren sowie retrospektive Untersuchungen an über 1400 Patienten mit einem Nachuntersuchungszeitraum bis zu 18 Monaten vor [8].

Eine randomisierte Multicenterstudie, konservativ gegen operativ, wurde im Frühjahr 2003 begonnen.

Eine Differenzierung der klinischen Resultate zwischen osteoporotischen und traumatischen Frakturtypen steht aus. Die erfolgreiche Anwendung bei neoplastischem Befall der Wirbelsäule, insbesondere bei multiplem Myelom, belegten 2 Studien [11, 12].

Morphologische Daten

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Literatur zeigt bezüglich der Frakturreposition eine durchschnittliche Wiederherstellung von 43–47% des in der Mittellinie gemessenen Höhenverlusts [2]. Innerhalb der ersten 3 Monate kann es zu einem sekundären Höhenverlust von 3–8% kommen, darüber hinaus bleibt die Wirbelkörperhöhe nach bisherigen Kenntnissen konstant [8].

Die Korrektur der kyphotischen Fehlstellung eines Wirbels ist deutlich vom Frakturalter abhängig und liegt durchschnittlich bei bis zu 18°, bzw. 50% [2, 13]. Bei frischen Frakturen kann eine nahezu vollständige Reposition erreicht werden [6]. Im Schnitt nimmt das Volumen des frakturierten Wirbels um 13,7% zu [8].

Biomechanische Daten

Zur biomechanischen Eignung der Kyphoplastie liegen derzeit 3 maßgebliche Untersuchungen vor [1, 27, 28], in welchen eine Wiederherstellung der Festigkeit des frakturierten Wirbels über das Ausgangsmaß hinaus beobachtet wurde [1, 28]. Mit Kyphoplastie bzw. mit Vertebroplastie augmentierte Wirbel zeigen sowohl unter maximaler Kompression [1, 28] als auch unter zyklischer Dauerbelastung vergleichbare Festigkeiten [27].

Um diese Effekte zu erzielen, ist bei der Kyphoplastietechnik eine komplette Materialfüllung der Kaverne im Wirbelkörper notwendig [27]. Eine spongiöse Verzahnung des Augmentationsmaterials scheint zur Vermeidung von Scherkräften an der Knochen-Material-Grenze Voraussetzung zu sein.

Operationsindikationen

Unterschieden wird die Kyphoplastie bei

  • osteoporotischen Wirbelkörpersinterungen,

  • traumatischen Wirbelfrakturen und

  • neoplastischen Wirbelkörpereinbrüchen.

Ausgiebige Erfahrung ist in der perkutanen Anwendung der Kyphoplastie an der Lendenwirbelsäule und der mittleren bis unteren Brustwirbelsäule (BWK5–BWK12) vorhanden [8]. Für die Anwendung an der oberen BWS liegen noch keine Routineerfahrungen vor. Über eine Anwendung an der Halswirbelsäule ist bisher nicht berichtet worden.

In Abhängigkeit vom Höhenverlust, von der Ausdehnung einer Fragmentierung der Wirbelkörperhinterwand und vom Vorliegen neurologischer Ausfälle wird

  • die konventionelle perkutane Technik oder

  • die mikrochirurgische "halboffene " Technik

angewendet [5, 6, 13].

Osteoporotische Frakturen

Die größte Erfahrung liegt hinsichtlich der Behandlung osteoporotischer Frakturen vor. Indiziert ist das Verfahren bei symptomatischen Frakturen der mittleren Brustwirbelsäule bis Lendenwirbelsäule. Da osteoporotische Wirbelfrakturen ohne neurologische Ausfälle grundsätzlich konservativ behandelt werden können und noch keine randomisierte Studie zugunsten der Operation vorliegt, richtet sich die Operationsindikation nach der Schmerzsymptomatik und der Deformität des Wirbels bzw. der zu erwartenden Progredienz einer Deformität. Im letzteren Fall empfiehlt sich eine frühzeitige Operation, da ein Höhengewinn stark vom Frakturalter abhängig ist.

Neoplastische Wirbelfrakturen

Im Bereich der neoplastischen Wirbelkörpersinterungen besteht eine Indikation für die Kyphoplastie in erster Linie bei disseminiertem Tumorbefall durch vorwiegend osteolytische Metastasen [11, 12]. Die Operationstechnik unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Anwendung bei osteoporotischen oder traumatischen Frakturen.

Je nach Ausprägung der Osteolyse ergeben sich Einschränkungen für die Kyphoplastietechnik, so :

  • bei weitgehender Destruktion der Kortikalis, welche zu einem Durchbruch des Ballons führen kann,

  • bei ausgedehntem Verlust der trabekulären Spongiosastruktur, wodurch eine spongiöse Verzahnung des Augmentationsmaterials verhindert wird.

Im Einzelfall müssen daher die isolierte Versorgung durch Kyphoplastie oder das zusätzliche Einbringen einer internen Fixierung abgewogen werden.

Vorteilhaft ist das geringe Operationstrauma der perkutanen Technik, welche eine weitere Behandlung durch Chemotherapie oder Bestrahlung nur um wenige Tage verzögert.

Theoretisch besteht ein Risiko der venösen Zellaussaat durch die Verdrängung der Tumormasse im Wirbelkörper. Obwohl wissenschaftliche Belege für eine solche Aussaat derzeit nicht vorliegen, empfiehlt sich die Kyphoplastie in erster Linie bei disseminiertem Tumorbefall ohne kurative operative Sanierungsmöglichkeit im Bereich der Wirbelsäule.

Operationstechniken mit Falldiskussion

Unterschieden werden

  • die konventionellen perkutanen Techniken über den trans- und extrapedikulären Zugang und

  • die "halboffene" mikrochirurgische interlaminare Technik [5, 6, 13].

Die perkutanen Verfahren sind sowohl in Allgemeinnarkose als auch in örtlicher Betäubung durchführbar. In Vollnarkose muss besonders auf eine vorsichtige Lagerung und Polsterung der osteoporotischen Patienten in Bauchlage geachtet werden, da es durch unvorsichtige Lagerungsmaßnahmen leicht zu Rippenfrakturen kommen kann.

Die intraoperative Bildgebung ist mit Bildwandlertechnik möglich (zitiert nach [7]). Als Zeit sparend hat sich die Anwendung von 2 Bildwandlern, für die simultane Bildgebung in 2 Ebenen, erwiesen. Auch bei Durchführung der Kyphoplastie in der CT ist ein Bildwandler empfehlenswert, um bei der Augmentation des Wirbelkörpers durch eine engmaschige Durchleuchtung einen paravertebralen oder epiduralen Zementaustritt sofort erkennen zu können.

Perkutane transpedikuläre Kyphoplastie

Alle Operationsschritte erfolgen in zeitlicher Abfolge beidseitig. Die Haut wird mit einer Stichinzision kraniolateral des Pedikeleintrittspunkts an der kraniolateralen Pedikelzirkumferenz eröffnet. Die Stärke des Weichteilmantels muss für die Konvergenz der Stichrichtung berücksichtigt werden. Eine Knochenbiopsienadel wird auf den Übergang zwischen Querfortsatz und kranialem Gelenkfortsatz aufgesetzt (Position 1, Abb. 1a,b). Mit leichten Hammerschlägen wird die Biopsienadel in den Pedikel eingetrieben und im seitlichen Strahlengang bis zur Pedikeltaille vorgetrieben (Position 2, Abb. 1a). Sie darf dabei im a.-p.-Strahlengang die mediale Pedikelkortikalis nicht überqueren (Position 2, Abb. 1b). Bei korrekter Lage wird die Nadel weiter bis zur Pedikelbasis an der Wirbelkörperhinterwand vorangetrieben (Position 3, Abb. 1a) und darf sich erst jetzt im a.-p.-Strahlengang auf die mediale Pedikelkortikalis projizieren (Position 3, Abb. 1b). Durch strenges Einhalten dieser radiomorphologischen Landmarken wird eine spinale Perforation vermieden. Die Nadel wird anschließend bis in das anteriore Wirbelkörperdrittel eingetrieben (Position 4, Abb. 1a,b). Über die Biopsienadel wird ein Kirschner-Draht eingebracht (Schritt A, Abb. 1a), welcher als Führung für den kanülierten Arbeitstrokar dient, der über den Draht in den Wirbelkörper eingetrieben wird (Schritt B, Abb. 1a). Nach Entfernen des Kirschner-Drahts und des Arbeitstrokars verbleibt die Arbeitskanüle im posterioren Wirbelkörperdrittel.

Abb. 1a–e.
figure 1

Schematische transpedikuläre Kyphoplastie, Lendenwirbelkörper mit Keilfraktur, Typ A1.2, alle Operationsschritte beidseitig, a,b transpedikuläre Platzierung eines Kyphoplastieballons, Ansicht von a lateral, b dorsal; 1 Ansetzen der Biopsienadel am Pedikeleintrittspunkt im Winkel zwischen oberem Gelenkfortsatz und Querfortsatz, 2 Passage der Pedikeltaille ohne Perforation der medialen Pedikelkortikalis, 3 Eintritt in den Wirbelkörper, 4 endgültige Lage der Nadel im medialen, anterioren Drittel des Wirbelkörpers, A Kirschner-Draht durch die Biopsienadel als Führungsdraht, B Einbringen des kanülierten Arbeitstrokars über Führungsdraht, C Einbringen des Handbohrers durch die Arbeitskanüle in die Frakturzone D Platzierung des Kyphoplastieballons in den Bohrkanal in der Frakturzone, c druckkontrollierte Füllung des Kyphoplastieballons und Aufrichtung des Wirbelkörpers, d Auffüllen der Kaverne mit hochviskösem Augmentationsmaterial über die Applikationskanüle, e mit der Spongiosa verzahnter Augmentationsbereich in der ehemaligen Frakturzone, s. auch Text

Bei sämtlichen anschließenden Arbeitsschritten im Wirbelkörper muss eine Perforation der Kortikalis sorgfältig vermieden werden, da bei der Injektion des Augmentationsmaterials jede Perforationsstelle einen Punkt des geringsten Widerstands darstellt, über welchen es zu einem Materialaustritt kommen kann. Über die Arbeitskanüle kann eine Biopsie des Wirbelkörpers entnommen werden. Anschließend wird mit einem Handbohrer eine zur Mittellinie konvergierende Bohrung bis in das vordere Wirbelkörperdrittel gefertigt (Schritt C, Abb. 1a). In diese Bohrung wird der ungefüllte Kyphoplastieballon platziert (Schritt D, Abb. 1a). Die Ballongröße wird in Abhängigkeit von der Wirbelkörpergröße gewählt (15 mm Länge mit 4 ml Füllvolumen oder 20 mm Länge mit 6 ml Füllvolumen). Die endgültige Lage der nun beidseitig eingebrachten Ballons wird in beiden Ebenen mit Bildwandler verifiziert.

Über ein manuelles Druckinjektionssystem kann ein Druck bis etwa 2800 kPa (~400 PSI) über den kontrastmittelgefüllten Ballon auf die angrenzenden Strukturen ausgeübt werden. In der Regel genügt jedoch bei korrekter Platzierung ein Druck von etwa 700 kPa (~100 PSI). Durch die schrittweise, druckkontrollierte Füllung der Ballons werden die verletzte Spongiosa komprimiert und die angrenzende Endplatte gehoben (Abb. 1c). Dies erfolgt unter Durchleuchtung in 2 Ebenen, wobei auf eine laterale, ventrale oder posteriore Perforation der Kortikalis geachtet werden muss. Nach erreichter Frakturreposition bei frischen Frakturen oder nach Erzeugung einer ausreichenden Kaverne bei älteren osteoporotischen Frakturen werden die Kyphoplastieballons geleert und entfernt.

Die verbleibende Kaverne (Defektzone) im Wirbelkörper wird mit Augmentationsmaterial (in der Regel PMMA) über eine Applikationskanüle aufgefüllt (Abb. 1d). Um einen epiduralen oder paravertebralen Materialaustritt zu vermeiden, sollte das Augmentationsmaterial mit hoher Viskosität und niedrigem Druck eingefüllt werden. Das Füllvolumen ist von dem zuletzt erreichten Volumen der Kyphoplastieballons bekannt und wird geringfügig überschritten, um eine spongiöse Verzahnung zu erreichen (Abb. 1e).

Perkutane extrapedikuläre Kyphoplastie

Der perkutane Zugang an der BWS kann transpedikulär in der gleichen Technik wie an der LWS erfolgen. Im Bereich der mittleren BWS ist jedoch der Pedikelverlauf in der Regel stärker an der Sagittalebene orientiert, sodass bei den meist schmalen Pedikeln keine ausreichende Konvergenz in das anteriore Wirbelkörperdrittel erreicht werden kann.

Eine stärkere Konvergenz bietet der so genannte extrapedikuläre Zugang. Hierbei wird die Knochenbiospienadel kranial des Querfortsatzes mit konvergierender und abfallender Stichrichtung in die Rinne zwischen Rippenhals und lateraler Pedikelkortikalis eingebracht. Dadurch kommt es zu einer stärkeren Konvergenz und einer Perforation der lateralen Pedikelkortikalis nahe der Pedikelbasis. Das Einbringen des Kyphoplastieballons und die Augmentation werden in gleicher Weise vorgenommen, wie für den transpedikulären Zugang beschrieben. Bei kleineren Wirbeln der mittleren BWS kann ein einzelner, konvergent eingebrachter Ballon genügen.

Fallberichte

Fall 1

Der 69-jährige Patient erlitt bei einem Sturz eine Keilfraktur von LWK1, Typ A1.2, die zunächst konservativ versorgt wurde. Aufgrund persistenter, erheblicher Rückenschmerzen nach mehrwöchiger konservativer Therapie wünschte der Patient eine operative Versorgung. In der MRT (Abb. 2a) wurden ein Frakturödem und eine leichte kyphotische Fehlstellung des gebrochenen LWK1 gesehen. Kyphoplastieballons wurden perkutan in die Frakturzone eingebracht (Abb. 2b), die frakturierte Spongiosa wurde durch die druckkontrollierte Füllung der Ballons komprimiert und somit die Deckplatte gehoben (Abb. 2c). Nach Entfernen der Ballons verblieb im Bereich der Fraktur im Wirbelkörper eine Kaverne (Defektzone) (Abb. 2d), die mit hochviskösem PMMA aufgefüllt wurde (Abb. 2e).

Abb. 2a–g.
figure 2

Perkutane transpedikuläre Kyphoplastie, Keilfraktur des ersten Lendenwirbelkörpers, 69-jähriger Patient, a sagittale MRT der LWS, b in die Frakturzone eingebrachter Kyphoplastieballon, c druckkontrollierte Füllung der Kyphoplastieballons, d verbleibende Kaverne (Defektzone) nach Entfernen der Kyphoplastieballons, e mit PMMA augmentierter Wirbelkörper, f postoperatives seitliches Röntgenbild, g postoperatives axiales CT des augmentierten ersten Lendenwirbelkörpers

Das postoperative Röntgenbild zeigte eine Korrektur der leichten kyphotischen Fehlstellung und eine Verteilung des PMMA unter der Deckplatte und in der Spongiosa des Wirbelkörpers (Abb. 2f). Die postoperative CT (Abb. 2g) belegte die Auffüllung des Frakturbereichs unterhalb der kranialen Deckplatte ohne PMMA-Austritt.

Die Operation dauerte 30 min, der Blutverlust war <20 ml. Bereits am ersten postoperativen Tag konnte der Patient nahezu beschwerdefrei voll mobilisiert werden.

Fall 2

Die 77-jährige Patientin litt nach einem häuslichen Sturz an ausgeprägten Rückenschmerzen. Im CT zeigte sich eine inkomplette Berstungsfraktur (Typ A3.1) von LWK1 bei vorbestehender Osteoporose (Abb. 3a,b). Beide angrenzenden Wirbel und die gesamte untere Lendenwirbelsäule wiesen osteoporotische Frakturen auf. Eine Abgrenzung weiterer frischer Frakturen mit MRT war aufgrund einer Platzangst der Patientin nicht möglich. Beim Vorliegen multipler Frakturen wurde die Indikation zur perkutanen, transpedikulären Kyphoplastie mit PMMA von BWK12–LWK5 gestellt. Bei LWK1 erfolgte die Perforation der Pedikel nahe der Basis, um eine Manipulation der vermuteten Pedikelfraktur zu minimieren.

Abb. 3a–d.
figure 3

Perkutane transpedikuläre Kyphoplastie, 77-jährige Patientin mit multiplen osteoporotischen Frakturen und inkompletter Berstungsfraktur (Typ A3.1) von LWK1; a sagittale CT-Rekonstruktion der LWS, Nachweis von Frakturen von BWK12–LWK5, Stern LWK1; b axiale CT von LWK1, Nachweis einer Hinterkantenfraktur mit beidseitiger Ausstrahlung in die Pedikelbasis; c,d postoperative sagittale (c) und axiale (d) CT, Nachweis der PMMA-Lage innerhalb der Wirbelkörper nach perkutaner Kyphoplastie von BWK12–LWK5, bei LWK1 Perforation der Pedikel nahe der Basis (weiße Pfeile)

Die Operationszeit betrug 150 min bei einem Blutverlust von <50 ml. In der postoperativen CT bestand kein Hinweis für epiduralen oder paravertebralen Materialaustritt (Abb. 3c,d).

Bei deutlicher Schmerzreduktion war die Patientin am ersten postoperativen Tag mit Rollator mobilisierbar.

Komplikationen

Insgesamt ist die in der Literatur angegebene Komplikationsrate sehr niedrig. In einer Zusammenfassung der ersten 2194 Operationen ergab sich eine Rate an ernsthaften Komplikationen von 0,2% pro Fraktur [14]. Zugangsbedingt wurden in den ersten 100 Fällen 3 thorakale Paraparesen durch spinale Instrumentenfehllage, ein A.-spinalis-anterior-Syndrom durch beidseitige infrapedikuläre Fehllage und ein spinales epidurales Hämatom bei systemischer Antikoagulation gesehen. Ähnliche Komplikationen sind seither nicht veröffentlicht worden [8].

Austritt von PMMA

Die häufigste Komplikation stellt der Austritt von PMMA dar. Im Vergleich zur Vertebroplastie fällt diese Rate jedoch deutlich geringer aus [8]. PMMA-induzierte Lungenembolien, paradoxe zerebrale Embolien und thorakale Paraparesen, wie sie für die Vertebroplastie in Einzelfällen beschrieben worden sind [4, 9, 15, 16, 18, 20, 22, 24, 25], fanden sich für die Kyphoplastie nicht. Dennoch sollte für den Fall einer Komplikation eine operative Interventionsmöglichkeit gegeben sein.

Fettembolie

Eine bisher wenig untersuchte Komplikationsmöglichkeit stellt die Fettembolie dar. Beim Aufdehnen der Ballons im Bereich des Wirbelkörpers wird Knochenmark verdrängt, welches über den venösen Abfluss in die Lungenstrombahn gelangt. Entsprechende Veränderungen und Reaktionen der Lungenstrombahn, wie sie z. B. aus der Hüftendoprothetik bekannt sind, sind anzunehmen. Eine suffiziente Überwachungsmöglichkeit für diese Problematik besteht bisher nicht.

Risiko einer angrenzenden Fraktur

Das Risiko einer angrenzenden Fraktur nach Augmentation wird kontrovers diskutiert. Hier lässt sich noch keine endgültige Entscheidung fällen, ob eine angrenzende Fraktur grundsätzlich als Komplikation zu werten ist. Biomechanisch ergab sich kein Beleg für eine erhöhte Steifigkeit der Wirbel im normalen Belastungsbereich [1, 28], jedoch wird die Frakturschwelle angrenzender Wirbel herabgesetzt [3]. Klinisch wurde in der größten retrospektiven Studie von 2194 Frakturen allerdings keine erhöhte Inzidenz von angrenzenden Frakturen in der mittelfristigen Nachuntersuchung gefunden [14]. Insgesamt scheint beim Vorhandensein einer einzelnen, nicht spontanen Fraktur ein sehr geringes Risiko (in einzelnen Berichten <3%) einer neuen angrenzenden Spontanfraktur zu bestehen [8].

Bei Patienten mit multiplen Spontanfrakturen ist jedoch das Risiko für eine neu auftretende Wirbelfraktur auch ohne Operation deutlich erhöht (bei 2 Frakturen bis 7fach, bei mehr als 3 Frakturen bis über 17fach) [23]. Da insbesondere im thorakolumbalen Übergang die Inzidenz neuer Frakturen erhöht ist [10], kann bei Augmentation in diesem Bereich leicht der Eindruck einer operationsbedingt erhöhten Frakturrate erweckt werden. Bei Patienten mit multiplen Spontanfrakturen erscheint daher eine Ausweitung der Augmentation auf angrenzende Wirbel des thorakolumbalen Übergangs sinnvoll. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu liegen allerdings noch nicht vor.

Schlussfolgerung

Für Patienten mit osteoporotischen und disseminierten neoplastischen Wirbeleinbrüchen stellen die konventionellen, implantatgebundenen Verfahren aufgrund ihrer Invasivität oftmals keine praktikable Therapieform dar. Die Technik der Kyphoplastie und Vertebroplastie, als minimalinvasive Verfahren, haben bei sorgfältiger Indikationsstellung innerhalb dieser Krankheitsbilder bereits sehr gute erste klinische Ergebnisse gezeigt. Die sofortige Stabilität der behandelten Wirbelkörper erzielt eine schnell einsetzende Schmerzreduktion und erlaubt eine rasche Mobilisierung der Patienten. Dabei kann meist auf eine Korsettversorgung verzichtet werden. Die klinischen Ergebnisse der Kyphoplastie sind mit denen der Vertebroplastie vergleichbar, zeichnen sich jedoch durch die deutlich geringere Rate an ernsthaften Komplikationen aus. Das Hauptrisiko eines unkontrollierten Austritts von Augmentationsmaterial in den Epiduralraum oder in die Lungenstrombahn mit dem Risiko der Embolisierung wird durch die Augmentation mit geringem Druck und hoher Materialviskosität in eine präformierte Kaverne im Wirbelkörper sichtlich gemindert. Damit besteht für die Kyphoplastie eine Erweiterungsmöglichkeit auf die Behandlung von komplexeren Frakturen mit Fragmentierung oder Osteolysen der Hinterwand. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Verletzung der Hinterwand und dem Vorhandensein einer neuralen Kompressionssymptomatik kann die Wahl zwischen der konventionellen perkutanen und der halboffenen mikrochirurgisch interlaminaren Technik getroffen werden.

Abschließend muss betont werden, dass die beschriebenen Operationstechniken, insbesondere bei osteoporotischen und neoplastischen Wirbelfrakturen, nicht das Ziel haben, die Therapie der Grunderkrankung zu ersetzen. Hier ist weiterhin ein interdisziplinäres Therapiekonzept gefordert, um die individuelle operative, medikamentöse und rehabilitative Behandlung zu optimieren.