1 Motivation

Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines systematischen Vorgehens zur Identifizierung und Teilquantifizierung von Einflussfaktoren auf das Phänomen des zwangserregten Kupplungsrupfens. Durch strenger werdende Umweltauflagen und stetige Weiterentwicklung, werden Antriebssysteme zunehmend komplexer, was zu weiteren Einflussfaktoren führt die zum Teil stark wechselwirken. Besonders Kupplungssysteme stellen eine große Herausforderung sowohl in der Analyse als auch der Synthese dar, da eine Vielzahl an tribologischen, thermischen und schwingungsdynamischen Effekten zu berücksichtigen sind. Rupfen ist bei der Entwicklung von Pkw-Kupplungen nach wie vor relevant, da dieses beim Anfahrvorgang zu Schwingungen in Fahrtrichtung führen kann, die von Fahrzeuginsassen als unangenehm wahrgenommen werden. Obwohl bereits einige Wirkzusammenhänge von Einflussfaktoren auf Rupfen qualitativ bekannt sind, werden diese häufig noch nicht ausreichend quantifiziert. Aufgrund der Anzahl möglicher Einflussfaktoren, sollen diese systematisch identifiziert, bewertet und priorisiert sowie relevante Einflussfaktoren mit einem Prüfaufbau quantifiziert werden.

2 Stand der Forschung

2.1 Kupplungsrupfen und Erklärungsmodell für zwangserregte Schwingungen

Das Rupfen der Kupplung ist ein Phänomen, das per Definition während der Synchronisierungsphase bei Anfahrvorgängen auftritt. Dabei werden von der Kupplung Torsionsschwingungen in den Antriebsstrang eingeleitet, die durch die Antriebsräder in Längsschwingungen des Fahrzeugs umgewandelt werden (siehe Abb. 1). Die Torsionsschwingungen werden durch verschiedene Einflussfaktoren hervorgerufen. Je nach Ursache wird unterschieden zwischen:

  • Selbsterregtes Rupfen

    Ursächlich ist eine Reibwertänderung in Abhängigkeit von der Gleitgeschwindigkeit [2]

  • Zwangserregtes Rupfen

    Es wird durch periodische Anregungen einer äußeren Erregerquelle verursacht [2]

Abb. 1
figure 1

Längsschwingungen durch Kupplungsrupfen [2]

An einem einfachen Modell (siehe Abb. 2) erläutern Albers und Herbst, dass zur Erzeugung der Zwangsanregung immer „mindestens zwei Abweichungen“ auftreten müssen. Eine Bauteilabweichung, wie von ihnen als eine „Erhebung der Abtriebskupplungsscheibe“ dargestellt (siehe linke Seite von Abb. 2), „führt noch zu keiner Anpresskraftschwankung“. Sie umläuft lediglich mit der Antriebsdrehzahl n1 und gleitet mit der Relativdrehzahl an der „abtriebsseitigen Kupplungsscheibe“. Kommt eine zweite Abweichung hinzu, wie als „Winkelversatz der antriebsseitigen Kupplungsscheibe“ dargestellt (siehe rechte Seite von Abb. 2), so „schwankt die Anpresskraft während der Rutschphase je nach Stellung der Druckplatte relativ zur abtriebsseitigen Kupplungsscheibe“ und die Abtriebsdrehzahl n2 wird dadurch ungleichförmig [2].

Abb. 2
figure 2

Symbolische Modellbetrachtung für zwangserregte Schwingungen [2]

2.2 Unsicherheiten bei der Modellierung

Alle Modelle, wie auch das Erklärungsmodell von Albers und Herbst, sind abstrakte Repräsentationen der Realität, die immer mit einer Reduktion des Informationsgehalts der Realität einher gehen. Nach der allgemeinen Modelltheorie von Stachowiak sind Modelle durch das Abbildungs-, das Verkürzungs- und das Pragmatische Merkmal charakterisiert. Das Abbildungsmerkmal drückt aus, dass Modelle natürliche oder künstliche Originale abbilden beziehungsweise repräsentieren. Das Verkürzungsmerkmal beschreibt, dass Modelle im Allgemeinen nur die für den Modellzweck erforderlichen Attribute erfassen und dadurch einige Attribute des Originals verkürzt werden. Durch das Pragmatische Merkmal wird beschrieben, dass es keine per se eindeutige Zuordnung von Modellen zu ihren Originalen gibt, sondern diese eine Ersetzungsfunktion erfüllen [3]. Die Reduktion des Informationsgehalts für eine verbesserte Anwendbarkeit seht im Widerspruch zu einer ganzheitlichen Betrachtung eines Systems, was Lohmeyer unter dem Begriff des Reduktionsdilemmas zusammenfasst [4]. Da das Modell bei der Modellbildung mit seiner Umgebung in Interaktion [5, 6] steht, müssen relevante Einflüsse aus der Systemumgebung identifiziert werden [6, 7]. Die Wahl der Systemgrenze hat dabei einen hohen Einfluss auf den Modellierungsaufwand [8] und unmittelbaren Einfluss auf die Identifikation von Unsicherheiten bzgl. Wissens über das System [9]. Ursachen für Unsicherheiten lassen sich nach Hastings und McManus in zwei Bereiche unterscheiden – Lack of Knowledge und Lack of Definition [10]. Diese zeigen sich insbesondere bei der Identifikation von relevanten Einflüssen und Modellelementen bei der meist auf eine unvollständige und komplexe Informationsgrundlage zurückgegriffen werden muss. Dabei werden auf Basis des aktuellen Wissensstandes Annahmen über die Relevanz der Informationen getroffen, wodurch relevante Informationen vernachlässigt, als irrelevant angesehen oder nur oberflächlich abgebildet werden [11]. Bei der Modellerstellung kann grundsätzlich auf zwei Weisen vorgegangen werden – induktiv und deduktiv [5, 12]. Bei der induktiven Vorgehensweise geht der Modellbildende von einfachen Modellen aus und erweitert diese stetig, beim einem deduktiven Vorgehen wird der Informationsgehalt auf Basis von Wissen und Annahmen kontinuierlich auf das wesentliche reduziert. Unterstützung kann in dem Prozess eine visuelle Abbildung des Systems liefern, diese unterstützt den Denkprozess und dabei, die Komplexität handhabbar zu machen [5, 13].

2.3 PGE – Produktgenerationsentwicklung

In diesem Forschungsvorhaben werden Möglichkeiten zur zukünftigen Entwicklung von Kupplungen mit möglichst geringer Neigung zum Rupfen untersucht. Das Modell der PGE – Produktgenerationsentwicklung nach Albers erklärt dazu, wie neue Entwicklungsgenerationen entstehen. Es beruht auf der Beobachtung, dass Produkte nie von Grund auf neu entwickelt werden, sondern immer auf Referenzprodukten und voran gegangenen Entwicklungsgenerationen basieren. Diese Referenzprodukte müssen dabei nicht zwingend aus dem eigenen Unternehmen oder der eigenen Branche stammen. Durch die Analyse von Referenzprodukten, können geeignete Referenzsystemelemente (RSE) identifiziert werden. Aus diesen lässt sich ein Referenzsystem bilden, welches sich durch Variation zu einem neuen Produkt bzw. einer neuen Produktgeneration entwickeln lässt. Die drei Aktivitäten, die die Variation der RSE aus dem Referenzsystem beschreiben sind die Übernahmevariation, die Gestaltvariation und die Prinzipvariation. Da die Übernahmevariation nur mit geringfügigen Anpassungen verbunden ist, wird generell eine möglichst hoher Übernahmevariationsanteil in der Entwicklung angestrebt. Bei der Gestaltvariation wird die Gestalt bei Beibehaltung des Lösungsprinzips variiert. Großes Innovationspotenzial, aber einen höheren Neuentwicklungsanteil können typisch für die Prinzipvariation sei. Hierbei wird ausgehend von einer vorherigen Entwicklungsgeneration das Lösungsprinzip verändert, was praktisch immer mit einer Veränderung der Anzahl an Wirkflächenpaaren (WFP) und Leitstützstrukturen (LSS) einher geht und durch Gestaltvariation realisiert wird. Bei der Gestaltvariation selbst bleibt die Anzahl an WFPen und ihre Anordnung weitgehend gleich [14,15,16,17].

2.4 Systemtheorie

Zur systematischen Untersuchung technischer Systeme bietet es sich an, diese als Systemmodelle zu modellieren. Als ein System wird dabei ein beliebiger Gegenstand bezeichnet, der mit den Grundbegriffen der Systemtheorie beschrieben werden kann. Voraussetzung zur Betrachtung eines Systems ist die Abgrenzung des Systems zu seiner Umgebung, die nicht zum betrachteten Gegenstand gehört (siehe Abb. 3). Ein System zeichnet sich gegenüber seiner Umgebung durch sogenannte Attribute (z. B. A1) aus, die Kennzeichen, Merkmale oder Eigenschaften sein können. Verbindungen zwischen Umgebung und System werden als Eingangs- bzw. Ausgangsgrößen oder auch Input bzw. Output genannt. Ein Zustand beschreibt ein Attribut, welches weder Input noch Output ist. Werden mehr als zwei Attribute in Beziehung gesetzt, können Funktionen formuliert werden. Ein System kann als sogenannte Blackbox betrachtet werden. Dabei erfüllt das System eine Funktion, indem ein Input in einen Output verwandelt wird. Für viele Anwendungen ist die Betrachtung als Blackbox ausreichend. Für genauere Untersuchungen von Phänomenen kann ein System in Subsysteme unterteilt werden, welche wiederum selbst weiter unterteilt werden können. Stehen Attribute zwischen zwei oder mehreren Subsystemen in Beziehung, spricht man von Relationen zwischen den Subsystemen [1].

Abb. 3
figure 3

Eigene Darstellung der Systemtheorie angelehnt an Ropohl [1]

2.5 Analyse von Gestalt-Funktion-Zusammenhängen mit dem C&C2-Ansatz

Für die Analyse von Gestalt-Funktions-Zusammenhängen in technischen Systemen kann der C&C2-Ansatz (Contact&Channel-Ansatz) verwendet werden, welcher den Konstrukteur in seinen Denkprozessen unterstützt [18]. Hierzu stehen dem Modellersteller verschiedene Kernelemente bereit, welche bei der Analyse und Synthese von technischen Systemen unterstützen. Die visuelle Repräsentation des Systems stellt in dem Modell das zentrale Element dar. Der Gestalt-Funktion-Zusammenhang kann mithilfe der drei Kernelemente Wirkflächenpaar (WFP), Leitstützstruktur (LSS) und Connector (C) unter Berücksichtigung der drei Grundhypothesen analysiert werden (siehe Abb. 4; [19]). Der Vorteil des Ansatzes ergibt sich unter anderem auch durch die geringe Anzahl an Kernelementen, die für die Modellierung von selbst komplexen Wirknetzen erforderlich ist [20]. Für die Analyse des zu untersuchenden Systems kann der Modellersteller grundsätzlich frei wählen, welche Elemente er zuerst modellieren möchte. Dementsprechend kann er entweder zunächst die relevanten Wirkflächenpaare identifizieren und anschließend die zugehörigen Leitstützstrukturen oder zunächst die Systemgrenze mittels der Connectoren definieren und anschließend das Wirknetz. Anzumerken ist hierbei, dass der Connector und dessen Beschreibung ein zentrales Element in der Lösung von Gestaltungsproblemen darstellt [21]. Während der Analyse von Gestalt-Funktion-Zusammenhängen wird häufig nicht nur ein C&C2-Modell erstellt, sondern für eine umfassende Analyse eine Vielzahl von Modellen aus unterschiedlichen Perspektiven, Detaillierungsgraden und zu unterschiedlichen Zeitpunkten modelliert. Zur Beschreibung, wie systematisch auf weitere Modelle geschlossen werden kann, stehen dem Anwender vier Aktivitäten zur Verfügung [22]:

  • Zoom-In und Zoom-Out: Zoom-In fokussiert die Analyse auf einen Ausschnitt des Modells, wodurch eine detailliertere Darstellung der Zusammenhänge detaillierter ermöglicht wird. Zoom-Out erweitert die Systemgrenze und ermöglicht es somit, die Wechselwirkungen zur Systemumgebung zu analysieren.

  • Shift: Der Analysefokus wird auf benachbarte Subsysteme für eine detailliertere Analyse anderer Aspekte im Wirknetz verschoben.

  • C&C2-Sequenzmodell: Darstellung und Analyse zeitlicher Veränderungen im Wirknetz mithilfe des Sequenzmodells.

  • Perspektivenwechsel: Beobachtungsbarrieren werden durch eine Änderung der Betrachtungsrichtung überwunden.

Abb. 4
figure 4

Übersicht über den C&C2-Ansatz und seine Elemente [19]

2.6 Integration von Versuchsergebnissen in die C&C2-Modellierung für die Entwicklung von Variationsideen

Zur Entwicklung von Variationsideen im Sinne der PGE muss zunächst der Gestalt-Funktion-Zusammenhang verstanden sein. Die C&C2-Modellierung muss dafür ausgehend von einer ersten Hypothesenbildung an neue Erkenntnisse durch z. B. praktische oder simulative Versuche angepasst werden. Dadurch wird die Präzisierung relevanter WFP ermöglicht (siehe Abb. 5). Ausgehend von einem vereinfachten WFP, ohne Informationen über die Wirkkontakte innerhalb des WFP, werden in dem Beispiel die effektiven Wirkflächen durch eine Messung der Temperaturverteilung beim Synchronisationsvorgang einer Einscheibentrockenkupplung identifiziert. Daraufhin wird das C&C2-Modell der ersten Produktgeneration im dem untersuchten WFP präzisiert. Durch die gewonnenen Erkenntnisse über die tatsächlichen Wirkkontakte und Wirknetze innerhalb des Systems, können Optimierungspotenzial und damit Variationsideen abgeleitet werden. Im Beispiel werden die Steifigkeitseigenschaften der Leitstützstruktur verändert, um die WFPe in denen der tatsächliche Wirkkontakt stattfindet zu vergrößern. Es zeigt sich eine homogenere Temperaturverteilung über das Wirkflächenpaar. In der zweiten Generation besteht das präzisierte WFP aus drei größeren tatsächlichen Wirkkontakten gegenüber zwei kleineren Wirkkontakten in der ersten Generation [23].

Abb. 5
figure 5

Visualisierung der WFP-Optimierung durch eine Integration von Versuchsergebnissen in die nächste Entwicklungsgeneration einer Anpressplatte [23]

3 Forschungsfragen und Forschungsansatz

3.1 Forschungsbedarf

Qualitativ gehen aus dem erarbeiteten Stand der Forschung einige Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen hervor. Hierzu zählen unter anderem die erläuterten geometrischen Bauteilabweichungen. Durch komplexer werdende Antriebssysteme steigt allerdings auch die Anzahl potenzieller Einflussfaktoren. Um Kupplungen in Zukunft sicher gegen zwangserregtes Rupfen auslegen zu können, müssen sowohl noch nicht berücksichtigte Einflussfaktoren identifiziert als auch die bereits bekannten Einflussfaktoren quantifiziert werden. Zur Quantifizierung von Einflussfaktoren ist es erforderlich zunächst die Wirkzusammenhänge dieser auf das zwangserregte Kupplungsrupfen zu verstehen. Anschließend können aus der Vielzahl potenzieller Einflussfaktoren die vielversprechendsten durch geeignete Methoden ausgewählt und als Ausgangspunkt für Variationsideen genutzt sowie ihre Einflussstärke quantifiziert werden. Für die visuelle Modellierung der Wirkzusammenhänge mit dem C&C2-Ansatz ist noch unbekannt, welchen Detailgrad C&C2-Modelle des zu untersuchenden Gegenstands sowie der Referenzsystemelemente aufweisen müssen, um systematisch potenziell zielführende Variationsideen ableiten zu können. Da die Modellierung von C&C2-Modellen auf Annahmen beruht, ist noch zu klären, an welchen Stellen eine Ergänzung der qualitativen Gestalt-Funktion-Modelle durch quantitative Versuchsdaten zielführend ist und inwieweit auf Basis der Modelle Aussagen über das Entwicklungsrisiko von Variationen getroffen werden können. Für die Quantifizierung von Einflussfaktoren muss ein geeigneter Prüfaufbau als Versuchsumgebung entwickelt werden. Dazu müssen Anforderungen an diesen ermittelt und umgesetzt werden.

3.2 Forschungsfragen und Forschungsansatz

In diesem Beitrag werden zur Schließung des Forschungsbedarfs zunächst die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden:

  • Wie können relevante Einflussfaktoren und deren Wirkzusammenhänge auf das Kupplungsrupfen systematisch identifiziert werden?

  • Wie können die ermittelten Einflussfaktoren bewertet und für eine anschließende Quantifizierung selektiert werden?

  • Wie können identifizierte Einflussfaktoren quantifiziert werden?

Zur systematischen Identifikation relevanter Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen wird zunächst der Stand der Forschung der systemtribologischen Anregungsmechanismen in der Kupplungsentwicklung und dem Kupplungsdesign ermittelt und die dabei identifizierten Einflussfaktoren dokumentiert (siehe Abb. 6). Für die Identifikation weiterer Einflussfaktoren und zur Erklärung ihres Wirkzusammenhangs wird ein C&C2-Systemebenenmodell modelliert (siehe Abb. 7). Durch die Modellierung des C&C2-Modells entlang des Kraftflusses wird die funktionsrelevante Ausgestaltung der Reibkontakte auf weitere bisher unbeachtete Einflussfaktoren und Wechselwirkungen im System untersucht. Dazu werden Hypothesen zu Wirkzusammenhängen von bekannten und potenziellen Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen gebildet (siehe Abb. 8). Es werden zudem Möglichkeiten zur Prüfung der jeweiligen Hypothese und die anschließende Quantifizierung der Einflussfaktoren erarbeitet. Aufgrund der Vielzahl an identifizierten potenziellen Einflussfaktoren wurden diese unter anderem durch einen Workshop mit sieben Experten des VDI Kupplungsausschuss einer Kritikalitätsbetrachtung unterzogen und anschließend für die Prüfung priorisiert. Dazu wurden die Einflussfaktoren von den Workshop-Teilnehmern bezüglich ihrer Wechselwirkungen auf das Kupplungsrupfen auf einer Skala von 0 für keinen Einfluss bis 3 für sehr großen Einfluss bewertet (siehe Abb. 9).

Abb. 6
figure 6

Forschungsdesign

Abb. 7
figure 7

Ausschnitt des erweiterten C&C2-Systemebenenmodells in Anlehnung an [27]

Abb. 8
figure 8

Beispiel-Hypothese bezüglich eines potenziellen Einflusses des Winkels der Tellerung der Sekundärscheibe

Abb. 9
figure 9

Kritikalitätsmatrix angelehnt an Albers et al. [31]

Für die späteren Untersuchungen wurde ein neuer Prüfaufbau entwickelt. Dazu wurde ein Referenzsystem mit Referenzsystemelementen von existierenden Prüfaufbauten erstellt und durch Anpassung von Subsystemen als Übernahmevariation als auch durch die Neuentwicklung von Subsystemen konstruktiv umgesetzt. Als Referenzsystem, dient unter anderem ein reales Antriebssystem (siehe Abb. 7 Ebene 1). Das zu untersuchende Antriebssystem besitzt wie fast alle modernen PKW-Antriebsstränge mit Verbrennungsmotor ein Zwei-Massen-Schwungrad (ZMS) sowie eine Einscheibentrockenkupplung mit weggesteuertem Nachstellmechanismus zur Anpassung an den Verschleiß. Im ersten Schritt der Untersuchung wurden Vereinfachungen vorgenommen, um die Balance zwischen einer ganzheitlichen Systembetrachtung und Anwendbarkeit zu halten. Zu diesen Vereinfachungen gehört unter anderem die Substitution des ZMS durch eine starre Schwungscheibe. Die Entwicklung vieler Subsysteme des Prüfaufbaus erfolgte als Übernahmevariation von Prüfaufbauten aus vergangenen Forschungsarbeiten, die als Referenzen herangezogen werden. Zu den Referenzen gehören die Prüfaufbauten und Validierungsmethoden aus den folgenden Arbeiten:

  • Der Prüfaufbau zur Untersuchung von Kupplungsrupfen von Krüger [24]

  • Der Prüfaufbau zur Validierung von Antriebssystemen mit Bezug auf kupplungs- und motorinduzierte Schwingungen von Stier [25]

  • Der Prüfaufbau zur Validierung mehrdimensionaler angeregter Triebstrangsubsysteme von Berger [26]

  • Der Prüfaufbau zur Untersuchung von nasslaufenden Lamellenpaketen aus Anfahrelementen von Fahrzeugen im Betriebszustand geregelter Dauerschlupf von Basiewicz [27]

  • Weitere unveröffentlichte Arbeiten mit Prüfaufbauten zur Durchführung von Verschleißtests und Lebensdaueruntersuchungen an Einscheibentrockenkupplungen

4 Ergebnisse

4.1 C&C2-Systemebenenmodell zur Identifikation von Einflussfaktoren und Erklärung ihrer Wirkzusammenhänge

Zur Identifikation weiterer Einflussfaktoren sowie zur Erklärung deren Wirkzusammenhänge, wird ein existierendes C&C2-Systemebenenmodell um weitere Einflussfaktoren erweitert (siehe Abb. 7) [28]. Durch die Aktivität Zoom-Out, wird der Antriebsstrang des Gesamtfahrzeugs durch die Aktivität Zoom-Out in Ebene −1 betrachtet. Mit der Aktivität Shift werden die angrenzenden Systeme in der Umgebung der Kupplung für die Analyse mit berücksichtigt. Die Modellierung der angrenzenden Subsysteme entlang der Kraftflüsse ermöglicht die Analyse potenzieller Einflussfaktoren auf das Kupplungsrupfen. Zu dieser näheren Umwelt und den angrenzenden Systemen gehören unter anderem das Getriebe bis hin zu den Wirkflächenpaaren zwischen den Reifen und der Fahrbahn sowie die Eingaben des Fahrers. In der Abbildung ist in Ebene 0 zunächst nur die Kupplung und der Ausrücker dargestellt. In der Ebene +1 werden schließlich die Subsysteme der Kupplung selbst modelliert und analysiert. Für jedes durch die Modellierung und Analyse des C&C2-Modells identifizierten Subsystems, werden mögliche geometrische und physikalische Einflussfaktoren identifiziert.

4.2 Hypothesen zur Erklärung des Wirkzusammenhangs von Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen

Zur Erklärung der Wirkzusammenhänge und als Grundlage für eine spätere Bewertung, werden Hypothesen zu den bekannten und potenziellen Einflussfaktoren auf das zwangserregte Kupplungsrupfen formuliert. Diese beschreiben den Gestalt-Funktion-Zusammenhang von Einflussfaktoren auf das zwangserregte Kupplungsrupfen als Leitsätze (siehe Abb. 8). In jedem Leitsatz wird der Einflussfaktoren inklusive seiner Ausprägung sowie seines Einflusses, ob er sich positiv oder negativ auf Kupplungsrupfen auswirkt, beschrieben. Es folgt anschließend eine Begründung beziehungsweise Erklärung des vermuteten Wirkmechanismus. Im Feld „Prüfung“ wird ein Ansatz zur Validierung der Hypothese beschrieben. Die Ergebnisse der Prüfung werden im Anschluss an die Prüfung in das Feld „Ergebnis“ eingetragen. Zur Veranschaulichung des vermuteten Gestalt-Funktions-Zusammenhangs wird ein oder mehrere C&C2-Modelle der Hypothese hinzugefügt. Im dargestellten Beispiel wird für die Tellerung der Sekundärscheibe die Hypothese aufgestellt, dass ein größerer Winkel der Tellerung zu einer Abnahme des Rupfens führt, da die reibaktiven Bereiche durch eine verstärkte Tellerung eher am äußeren Radius verbleiben und nicht in Richtung innerer Radius wandern. Zur Verifizierung der Hypothese und zur anschließenden Quantifizierung des Einflussfaktors können neue Entwicklungsgenerationen der Sekundärscheibe entwickelt werden. Dazu wird der Winkel der Tellerung der Sekundärscheiben in verschiedenen Entwicklungsgenerationen durch Gestaltvariation verändert.

4.3 Möglichkeit zur Priorisierung von Einflussfaktoren

Ziel der Priorisierung ist die Auswahl geeigneter Einflussfaktoren für die später durchzuführende Quantifizierung. Dazu können die Modelle und hinterlegten Informationen hinsichtlich drei Kriterien bewertet werden. Zu diesen Kriterien gehören die Wirkung des Einflussfaktors auf das Phänomen, die Unsicherheit hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Informationen und die Einstellbarkeit des Einflussfaktors. Die Summe dieser drei Faktoren ist ein Kritikalitätswert, der zur Einschätzung mit einer Kritikalitätsmatrix (siehe Abb. 9) verglichen werden kann. Dieses Vorgehen ist an Gundlach [8] und Kleppmann [29] angelehnt:

  • Wirkung (W) beschreibt den Einfluss eines Faktors auf das zu untersuchende Phänomen. Die Skala reicht von „keine Aussage möglich“ über „keine Wirkung“ bis „hohe Wirkung“.

  • Unsicherheit (U) bezieht sich auf die Informationen, welche der Einschätzung der Wirkung zugrunde liegen. Liegen keine Versuchsdaten oder Erfahrungswerte der Einschätzung zugrunde so ist von einer hohen Unsicherheit auszugehen. Können Versuchsdaten die Einschätzung stützen so ist von einer geringen Unsicherheit bzgl. der Wirkungseinschätzung auszugehen.

  • Einstellbarkeit (E) vorgegebener Werte (Faktorstufen). Die Einschätzung basiert auf der Kontrollierbarkeit (Reproduzierbarkeit und Genauigkeit der Faktorstufen) sowie des zeitlichen Aufwands für die Einstellung der Faktorstufen. Die Skala reicht von „schlecht einstellbar“ bis „gut einstellbar“.

4.4 Prüfaufbau zur Verifizierung der Hypothesen und zur Quantifizierung der Einflussfaktoren

Der entwickelte Prüfaufbau zur Verifizierung der Hypothesen sowie zur Quantifizierung von zuvor priorisierten Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen besteht aus virtuellen und physischen Subsystemen (siehe Abb. 10). Die Schnittstelle zwischen den virtuellen und den physischen Subsystemen bilden sogenannten Koppelsysteme, welche grün markiert sind. Ein solches Koppelsystem stellt der E‑Motor dar. Dieser überträgt das Drehmoment der Verbrennungskraftmaschine, welches als virtuelles Subsystem mit einem Simulationsmodell in Echtzeit berechnet, auf das physische Schwungrad. Des Weiteren wird zwischen den untersuchten und den verbundenen Subsystemen unterschieden. Untersucht und variiert werden zunächst die physischen Subsysteme Kupplung, Ausrücker und Getriebeeingangswelle inklusive deren Lagerung. Weitere physische Bauteile sind neben dem Schwungrad eine einstellbare Torsionssteifigkeit, welche aus einer Reihenschaltung einer Torsionswelle und einem Federpaket besteht sowie ein einstellbares Massenträgheitsmoment. Dadurch können die ersten beiden Eigenfrequenzen, welche anhand von Fahrzeugdaten berechnet werden, am neuen Prüfaufbau durch physische Komponenten abgebildet und für die Untersuchung mitberücksichtigt werden. Des Weiteren ermöglichen die leistungsfähigen Elektromotoren (max. Drehzahl 10.000 \(\min ^{-1}\), 1200 Nm, Drehmomentanregung: bis 500 Hz) in Kombination mit einem Echtzeitsystem eine weitere Eigenfrequenz virtuell abzubilden. Um Rupfschwingungen so wenig wie möglich zu dämpfen, werden nach der Kupplungsscheibe nur noch berührungslose Dichtungen eingesetzt.

Abb. 10
figure 10

Physische und virtuelle Subsysteme des Prüfaufbaus

Die physischen Subsysteme sind zudem in Abb. 11 dargestellt. Um bei dem gegebenen Bauraum die für die Eigenfrequenzen notwendige Torsionssteifigkeit zu realisieren, ist die Torsionswelle durch die hohle Welle des Abtriebs geführt und mit einem Federpaket in Reihe geschaltet. Eine Sicherheitskupplung schützt die Torsionswelle und das Federpaket, indem sie das Drehmoment begrenzt.

Abb. 11
figure 11

Prüfaufbau zur Untersuchung von Kupplungsrupfen

Der Einbau der Kupplung in den Prüfaufbau lässt sich durch die jeweiligen mit dem C&C2-Ansatz modellierten Connectoren beider Systeme darstellen (siehe Abb. 12). In den Prüfaufbau (siehe Abb. 12 links) wird die Kupplung eingebaut. Die Connectoren der Kupplung sind nach dem Schema „Cx.1“ benannt. Wobei das x für die laufende Nummerierung des Connectors ist und „.1“ für die Kupplung steht. C1.1 bezeichnet den Connector Sekundärscheibe der Kupplung. Der Connector C1.2, der mit C1.1 ein WFP bildet ist im tatsächlichen Prüfaufbau nicht direkt an der Eingangswelle montiert, sondern an einem in der Abbildung nicht dargestellten Schwungrad. Mithilfe des virtuellen Subsystems, kann C1.2 über ein dem E‑Motor vorgeschaltetes Programm Fahrer, Umwelt und die rotatorische Anregung durch die Verbrennungskraftmaschine abbilden. Die WFP der Verzahnung sind durch C2.1 und C2.2 abgebildet. Die das Ausrücklager betreffenden Connectoren werden mit C3.x bezeichnet. Weitere mit dem Prüfaufbau abbildbare Einflüsse werden durch die Connectoren C4 für die hydraulische Aktuierung des Ausrücklagers und C5 für die Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Partikel dargestellt.

Abb. 12
figure 12

Schnittstellen-Modellierung als Connectoren des Prüfaufbaus und der zu untersuchenden Kupplung

4.5 Ableitung erster Variationsideen und erste Untersuchungsergebnisse

Durch die C&C2-Analyse lassen sich Einflussfaktoren und Gestaltungsgrößen systematisch identifizieren und erste Variationsideen ableiten (siehe Abb. 13). Einige Variationsideen lassen sich durch die Koppelung der virtuellen Systeme mit dem Prüfaufbau abbilden. Beispiele dafür sind die Schwächung der Kraftstoffversorgung eines einzelnen Zylinders, Variationen der Ausrück- und Drehmomentregelung sowie Variationen von Dämpfung und Steifigkeit. Zusätzlich werden durch die Klimakammer Variationen der Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit) simuliert [28].

Abb. 13
figure 13

Erste abgeleitete Variationsideen mit unterschiedlich hohem Umsetzungsaufwand

Erste Untersuchungen wurden bereits mit dem virtuellen Modell einer Verbrennungskraftmaschine und der gezielten Schwächung der Kraftstoffzufuhr (100 %, 80 % und 0 % Kraftstoffzufuhr) eines einzelnen Zylinders bei unterschiedlichen Drehzahlen (800 U/min und 1500 U/min) durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die maximale Drehmomentdifferenz \(\Updelta M_{\max }\) als Indikator für Rupfen zunahm (Tab. 1).

Tab. 1 Untersuchungsergebnisse durch Variation der Kraftstoffzufuhr eines einzelnen Zylinders

Bei einer Untersuchung des Einflusses der Luftfeuchtigkeit zeigte sich beispielsweise, dass die Umgebungsbedingungen einen großen Einfluss auf die Neigung zum Rupfen haben. Steigerungen der Drehmomentendifferenz von bis zu 65 % in den ersten Anfahrvorgängen waren Folge einer Zunahme der Dicke der Kupplungsscheibe vom 0,117 mm (+1,27 %) durch das Quellen des Kupplungsbelags [28].

Im weiteren Vorgehen folgen weitere Untersuchungen zur Variationen mit unterschiedlichem Montage‑, Fertigungs- und Implementierungsaufwänden. Zudem werden während des Vorhabens durch neue Ergebnisse und Erkenntnisse neue Hypothesen-basierte Variationsideen entwickelt und untersucht.

5 Diskussion

5.1 C&C2-Systemebenenmodell zur Identifikation von Einflussfaktoren und Erklärung ihrer Wirkzusammenhänge

Zur möglichst vollständigen Erklärung des Schwingungsphänomens zwangserregtes Kupplungsrupfen, sind die im bisherigen C&C2-Modell modellierten drei Ebenen möglicherweise nicht ausreichend, da das tribologische System noch nicht mitbetrachtet wird. Dieses ändert als dynamisches System kontinuierlich durch äußere Einflüsse seine für das Rupfen relevanten Eigenschaften, weshalb diese mitmodelliert werden sollten [30]. Es ergibt sich daher ein erweiterter Modellierungsbedarf.

Zu Beginn des Forschungsvorhabens werden die Systemebenen ausgehend vom Gesamtfahrzeug definiert. Zur Erarbeitung eines Leitfadens, auf einer abstrahierten Ebene, scheint es sinnvoller, die Systemebenen ausgehend vom zu untersuchenden Gegenstand zu definieren. Daher wird im weiteren Verlauf des Forschungsvorhabens die Lage der Kupplung als Gegenstand der Untersuchung als Systemebene „Ebene 0“ definiert werden (siehe Abb. 14) [28]. Die Lupe stellt verallgemeinert den untersuchten Gegenstand dar. Im vorliegenden Fall ist dies die Kupplung. Die Aktivität Zoom-In führt dann zur „Ebene +1“, „Ebene +2“ und so weiter und die Zoom-Out entsprechend zu „Ebene −1“, „Ebene −2“. Diese Definition der Nomenklatur der Systemebenen hilft dem Betrachter, schneller zu begreifen, auf welcher Ebene er sich relativ zum untersuchten System im Modell befindet. Zusätzlich soll die angepasste Nomenklatur die Erstellung eines für verschiedene Systeme gültigen Leitfadens vereinfachen, da die Ebenendefinition vereinheitlicht wird.

Abb. 14
figure 14

Schematische Darstellung einer möglichen Nomenklatur für die Tätigkeiten Zoom-In und Zoom-Out

5.2 Hypothesen zur Erklärung des Wirkzusammenhangs von Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen

Die Bildung von Hypothesen erweist sich als geeignetes Instrument, um schnell verschiedene potenzielle Einflussfaktoren und ihren vermuteten Gestalt-Funktion-Zusammenhang zu dokumentieren. Die Struktur, die Hypothesen als Leitsatz zu formulieren ermöglicht die übersichtliche Darstellung einer Vielzahl an potenziellen Einflussfaktoren in einer Tabelle, die für eine anschließende Bewertung und Priorisierung verwendet werden kann. Im dargestellten Beispiel einer Hypothese (siehe Abb. 8) ist aus dem dargestellten C&C2-Modell noch nicht verständlich, wie der Gestalt-Funktion-Zusammenhang der Tellerung einen Einfluss auf das Kupplungsrupfen hat. Dazu ist neben verschiedenen Perspektiven zusätzlich noch ein Sequenzmodell notwendig, um beispielsweise das Wandern der reibaktiven Fläche darstellen zu können. Diese Erkenntnisse sind auch auf andere Hypothesen übertragbar, weshalb im weiteren Projektverlauf die C&C2-Modelle überarbeitet und erweitert werden.

5.3 Möglichkeit zur Priorisierung von Einflussfaktoren

Zur Bewertung von Einflussfaktoren kann die Berechnung der individuellen Kritikalität verwendet werden. Dies ermöglicht bei einer großen Anzahl an zu bewertenden und für eine Quantifizierung auszuwählenden Einflussfaktoren eine erste Vorauswahl zu treffen. Hier sei allerdings darauf hingewiesen, dass auch die Bestimmung der Kritikalität ein gewisses Vorwissen erfordert und stark durch die bewertende Person beeinflusst werden kann. Die Bestimmung eines Kritikalitätswerts kann dem Modell-Ersteller dabei unterstützten, zu hinterfragen, ob seine Annahmen abgesichert und gut begründet sind.

5.4 Prüfaufbau zur Verifizierung der Hypothesen und zur Quantifizierung der Einflussfaktoren

Durch die systematische Analyse von bereits existierenden Prüfaufbauten konnten für die Entwicklung des neuen Prüfaufbaus mithilfe der PGE einige Subsysteme durch Übernahmevariation übernommen werden und so schnell ein neuer, komplexer Prüfaufbau entwickelt werden. Zu diesen Subsystemen gehören beispielsweise die klimatisierte Prüfkammer, die Lagerung des Antriebs, der hydraulische Aktuator der Kupplung sowie das Simulationsmodell zur Abbildung der Verbrennungskraftmaschine. Für einige Subsysteme wurden neue Entwicklungsgenerationen durch Gestalt- und Prinzipvariation neu entwickelt, da sie aufgrund von ermittelten Randbedingungen nicht durch Übernahmevariation in den neuen Prüfaufbau übernommen werden konnten. Die Bauteile des Antriebsstrangs, wie die Reifen und die Querwellen, beeinflussen die Längsschwingungen des Fahrzeugs, welche bei Kupplungsrupfen auftreten, maßgeblich. Sie bestimmen die Eigenfrequenzen und Eigenformen des durch die Kupplung dynamisch getrennten Antriebsstrangs. Der umgesetzte Prüfaufbau ermöglicht detaillierte Untersuchungen, aus denen neue Erkenntnisse zu den Ursachen des zwangserregten Kupplungsrupfen hervorgehen werden. Damit die Ergebnisse vergleichbar bleiben, werden für die Untersuchungen mit dem Prüfaufbau immer die gleichen Betriebspunkte angefahren. Für eine umfassende Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse sind weitere Untersuchungen bei unterschiedlichen Betriebspunkten notwendig.

5.5 Ableitung erster Variationsideen und erste Untersuchungsergebnisse

Die Aufteilung der Untersuchungen in virtuelle und physische Variationsideen ermöglicht eine frühzeitige Durchführung der Untersuchungen, da nicht auf die Fertigung der Prototypen gewartet werden muss. Hierbei zeigt sich die Stärke des IPEK XiL-Framework mit den Koppelsystemen. So konnten bereits erste Untersuchungen durchgeführt werden, indem die virtuellen Teilsysteme und einfach anzupassenden physischen Teilsysteme des Prüfaufbaus variiert wurden.

In den bereits durchgeführten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Variation der Kraftstoffzufuhr eines einzelnen Zylinders einen Einfluss auf das Kupplungsrupfen hat. Eine Schwächung eines einzelnen Zylinders verstärkt die Neigung zu Rupfen. Daher müssen auch Mängel an der Gemischbildung und Selbstzündung (wie z. B. durch Rußablagerungen in der Ansaugbrücke (bei Dieselmotoren mit Abgasrückführung), Fehlansteuerung oder schwergängige Einspritzventile) für eine ganzheitliche Untersuchung des Phänomens zwangserregtes Kupplungsrupfen berücksichtigt werden. Auch die bereits durchgeführten Versuche zum Einfluss der Luftfeuchtigkeit bestätigen die Relevanz der ganzheitlichen Betrachtung der Kupplung, der angrenzenden Teilsysteme sowie den Umweltbedingungen.

6 Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird ein systematisches Vorgehen zur Analyse von Gestalt-Funktion-Zusammenhängen komplexer und dynamischer Prozesse durch den C&C2-Ansatz am Beispiel einer Einscheibentrockenkupplung beschrieben. Damit werden Schwingungsphänomene wie das zwangserregte Kupplungsrupfen besser verstanden, wodurch gezielte Reduktionsmaßnahmen abgeleitet werden können. Im Beitrag wird eine Möglichkeit gezeigt, wie potenzielle Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen systematisch durch die Bildung von logischen Hypothesen sowie durch C&C2-Modelle identifiziert werden können. Neben dem vorgestellten methodischen Teil des Beitrags wird durch eine Analyse bestehender Prüfaufbauten ein neuer Prüfaufbau entwickelt, der die Quantifizierung einer Vielzahl von Einflussfaktoren auf das zwangserregte Kupplungsrupfen ermöglicht.

7 Ausblick

Nachdem in diesem Beitrag ein C&C2-Systemebenenmodell erstellt wurde, zeigte sich in der Diskussion, dass dieses zur Identifikation weiterer Einflussfaktoren noch nicht ausreichend ist. Zur Erklärung des Wirkzusammenhangs von Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen muss das Modell um weitere Ebenen und Perspektiven sowie um die Zeit durch Sequenzmodelle erweitert und weiter verfeinert werden. Dadurch kann der Designraum, in welchem potenzielle Variationen erfolgversprechend sind, identifiziert werden. Anschließend sollen Variationsideen abgeleitet und der jeweilige Einfluss auf zwangserregtes Kupplungsrupfen mit dem für dieses Forschungsvorhaben entwickelten Prüfaufbau untersucht werden. Ziel der Untersuchung ist die Verifizierung der verschieden detaillierten C&C2-Modelle und der damit verbundenen Hypothesen zu den möglichen Einflussfaktoren. Zudem sollen Einflussfaktoren quantifiziert werden, um ein zumindest teilquantifiziertes Systemmodell für die sichere Auslegung gegen Rupfen erarbeiten zu können. Das dabei gewählte Vorgehen und die gewonnenen Erkenntnisse werden durch die Erstellung eines übergreifenden Leitfadens für die Analyse und Synthese von unerwünschten Phänomenen am Beispiel einer Einscheibentrockenkupplung Entwicklern zugänglich gemacht.

Durch das systematische Vorgehen werden neben potenziellen Einflussfaktoren auf zwangserregtes Kupplungsrupfen auch potenzielle Einflussfaktoren auf selbsterregtes Kupplungsrupfen identifiziert. Einige dieser identifizierten Einflussfaktoren sind mit der aktuellen Generation des Prüfaufbaus noch nicht abbildbar und können deshalb noch nicht verifiziert und quantifiziert werden. Daher soll der Prüfaufbau für weitere Untersuchungen weiterentwickelt werden. Zur Quantifizierung des Einflusses von Axial- und Biegeschwingungen ist eine Erweiterung des Prüfaufbaus um zwei sogenannte Shaker denkbar. Mit der bereits in den Prüfaufbau integrierten Klimakammer lassen sich mit dem aktuellen Prüfaufbau bereits weitere Einflussfaktoren wie etwa die Luftfeuchtigkeit einstellen und quantifizieren. Diese sind aufgrund der Fokussierung auf zwangserregtes Kupplungsrupfen noch nicht untersucht worden.

Im Weiteren Projektverlauf werden viele weitere Variationen unter anderem mit Hardwareprototypen untersucht, von denen stärkere Auswirkungen auf das zwangserregte Kupplungsrupfen erwartet werden. In den folgenden Veröffentlichungen werden unter anderem die komplexen Wechselwirkungen geometrischer Abweichungen detailliert modelliert und die Untersuchungsergebnisse vorgestellt.