1 Einleitung

In modernen Antriebssträngen stellen nasslaufende Lamellenkupplungen funktions- und sicherheits- sowie komfortrelevante Komponenten dar. So werden nasslaufende Lamellenkupplungen beispielsweise in Sperren von aktiven Längs- und Querdifferenzialen verwendet. Hinterachs-Sperrdifferentiale realisieren eine hohe Sperrwirkung typischerweise durch den Einsatz nasslaufender Lamellenkupplungen.

Ziele von Forschung und Entwicklung sind ein stabiles und hohes Reibungszahlniveau bei gleichzeitig günstiger Reibcharakteristik (Verlauf der Reibungszahl über der Gleitgeschwindigkeit), um ein gutes Übertragungsverhalten bei gleichzeitig hohem Schaltkomfort zu realisieren (vgl. z. B. [1]).

Insbesondere zu Lebensdauerbeginn, wenn Einlaufvorgänge noch nicht abgeschlossen sind, kann sich das Reibungsverhalten durch Einglätten und Anpassen der Reibpaarung sowie den Aufbau chemischer Grenzschichten signifikant ändern (vgl. z. B. [2,3,4]). Dieses Einlaufverhalten ist in Abhängigkeit der Charakteristika des tribologischen Systems, bestehend aus den im Reibkontakt befindlichen Reibpartnern sowie dem Schmierstoff und den Betriebsbedingungen, stark unterschiedlich ausgeprägt (vgl. z. B. [5,6,7,8]).

Mit dem Ziel einer guten Regelbarkeit und damit hohen Zuverlässigkeit der Kupplung ab der ersten Schaltung stehen zwei Punkte im Vordergrund der Entwicklungen. Zum einen sollen Einlaufvorgänge, also Änderungen des Reibungsverhaltens zu Betriebsbeginn, möglichst wenig ausgeprägt und schnell abgeschlossen sein. Zum anderen soll die Kupplung bereits im Einlauf ein gutes Reibungsverhalten (Reibungszahlniveau und Reibcharakteristik) aufweisen.

Im Stand des Wissens wird das Ende des Einlaufs typisch mit dem Erreichen eines stabilen Reibungsverhaltens gleichgesetzt (vgl. z. B. [9,10,11]). In den Versuchen zur Entwicklung der Methodik „Einlaufverhalten Lamellenkupplung“ [12] treten zu Versuchsbeginn stets deutliche, nichtkonstante Änderungen im Reibungsverhalten auf. Im weiteren Versuchsverlauf werden diese Änderungen im Reibungsverhalten konstant, d. h. der Trendverlauf nimmt einen linearen Verlauf an. Typisch ist die Steigung der Trendverläufe nach dem Einlauf sehr gering. Anhand von stichprobenartig durchgeführten, länger laufenden Versuchen ist erkennbar, dass der Trendverlauf mit zunehmender Versuchslaufzeit ein näherungsweise konstantes Reibungszahlniveau annimmt. In Zusammenarbeit mit Experten aus der Industrie wird erarbeitet, dass insbesondere nichtkonstante Änderungen im Reibungsverhalten, also ein nichtlinearer Trendverlauf, eine sehr große Herausforderung für die Kupplungsansteuerung darstellen, während konstante Änderungen des Reibungsverhaltens, also ein linearer Trendverlauf, für den Kupplungscontroller erlernbar sind. Damit ist aus Anwendungssicht der Einlauf einer Kupplung – im Sinne eines instabilen Zustands – durch einen nichtlinearen Trend des Reibungsverhaltens gekennzeichnet. Der Einlauf gilt als abgeschlossen, wenn der Reibungszahltrend einen näherungsweise linearen Verlauf annimmt.

2 Methoden und Versuchsteile

In [12] wird auf Basis definierter Anforderungen eine Methodik „Einlaufverhalten Lamellenkupplungen“ zur Charakterisierung des Einlaufverhaltens nasslaufender Lamellenkupplungen entwickelt. Die Methodik umfasst Versuchs- und Auswertemethoden.

2.1 Versuchsmethode

Die Versuchsmethode für Kupplungen im Schlupfbetrieb wird aus der bereits in [13] veröffentlichten Versuchsmethode für lastschaltende Kupplungen abgeleitet. Mit dem Ziel, das Reibungsverhalten schlupfender Kupplungen möglichst anwendungsnah zu untersuchen, wird als Betriebsart Instationärschlupf (vgl. Abb. 1) gewählt.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung eines Schlupfzyklus im Instationärschlupf [12]

Analog zur Versuchsmethode für lastschaltende Kupplungen wird auch für Instationärschlupf ein Lastkollektiv bestehend aus je einem Schlupfzyklus auf verschiedenen anwendungstypischen Laststufen entwickelt (vgl. Abb. 2). So kann das Einlaufverhalten auf mehreren anwendungsnahen Lastniveaus charakterisiert werden. Um die spezifischen Belastungen der Kupplungen im Versuch möglichst anwendungsnah zu wählen, werden Fahrzeugdaten aus verschiedenen Testfahrten (Rennstrecken, Passstraßen, µ‑split) ausgewertet und relevante Lastzustände identifiziert. Das Vorgehen ist in [12] umfassend beschrieben. Zudem finden die Produktspezifikationen der verwendeten Reibbeläge Berücksichtigung.

Abb. 2
figure 2

Lastkollektiv für schlupfende Kupplungen – schematische Darstellung des Kollektivs (a) und spezifische Belastungen in den Laststufen (b) [12, 14]

Das Lastkollektiv wird zyklisch wiederholt, bis der Einlauf sicher abgeschlossen ist (hier 250 Kollektivwiederholungen).

2.2 Auswertemethoden

Die Auswertung des Einlaufverhaltens erfolgt in mehreren Schritten. Ein grundlegender und wichtiger Schritt besteht in einer umfassenden Betrachtung der Reibcharakteristiken sowie der Identifikation charakterisierender Reibungszahlkennwerte. Im Schlupfbetrieb werden die neu entwickelten Reibungszahlkennwerte µtop und mµ herangezogen [12, 13]. µtop beschreibt hierbei die Reibungszahl bei maximaler Gleitgeschwindigkeit (100 % vg,max) und charakterisiert damit das Reibungszahlniveau. Der Kennwert mµ quantifiziert die Steigung einer Ausgleichsgeraden (lineare Regression nach der Methode der kleinsten Quadrate) im Gleitgeschwindigkeitsbereich 30…80 % vg,max und charakterisiert somit die Reibschwingneigung. Abb. 3 zeigt exemplarische Messsignalverläufe von Axialkraft FA, Drehmoment TR, Drehzahl n und errechneter Reibungszahl µ (Abb. 3a) und die zugehörigen Reibcharakteristiken der fallenden und steigenden Flanke des fünften Schlupfzyklus samt den Werten für µtop und mµ (Abb. 3b).

Abb. 3
figure 3

Messschrieb (a) und Reibcharakteristik der fünften Schlupfphase (b) [12]

Die Reibungszahlkennwerte werden in Reibungszahltrends über der Schaltungszahl aufgetragen, um die Entwicklung des Reibungsverhaltens zu visualisieren. Das Ende des Einlaufs wird mittels mathematischer Methoden identifiziert; [12] stellt hierzu zwei verschiedene mathematische Methoden vor. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse mittels der Methode der linearen Regressionsanalyse ermittelt, da diese aufgrund ihrer breiten Anwendbarkeit eine hohe Anwendungsorientierung aufweist. Hierbei wird beginnend mit den Reibungszahlkennwerten der letzten zwanzig Kollektivdurchläufe des Versuchs (hier 231 bis 250) eine lineare Regressionsanalyse durchgeführt und die Messwerte dieser zwanzig Kollektivdurchläufe durch eine parametrierbare Geradengleichung (1) beschrieben; dann werden die Residuen, also Abweichungen der Einzelmesswerte von der Ausgleichsgeraden, aller vorherigen Kollektivdurchläufe (hier 1 bis 230) bestimmt. Im nächsten Schritt wird für die Bestimmung der Geradengleichung der letzte vorhergehende Kollektivdurchlauf (hier 230, dann 229, usw.) hinzugezogen, sodass die Basis der Geraden größer wird. Dies wird iterativ durchlaufen, bis alle Residuen der vorher gefahrenen Kollektivdurchläufe das gleiche Vorzeichen aufweisen, also entweder ober- oder unterhalb der Regressionsgeraden liegen. Ist dieses Abbruchkriterium erreicht, so ist der Übergang vom nichtlinearen Bereich des Trendverlaufs in den linearen und damit das Ende des Einlaufs gefunden.

$$\upmu _{\mathrm{top}}=\mathrm{f}(\mathrm{x})=\mathrm{a}+\mathrm{d}\cdot (\mathrm{x}-\mathrm{n})$$
(1)
a:

Regressionsparameter, Reibungszahlniveau zu Versuchsende

d:

Regressionsparameter, Steigung der Ausgleichsgeraden

n:

Anzahl Kollektivdurchläufe im Versuch

Neu entwickelte Kennwerte charakterisieren das Einlaufverhalten: Der Kennwert xlin gibt die Dauer des Einlaufs an; der Kennwert ∆µstart beschreibt die maximale Reibungszahländerung im Einlauf.

In Abb. 4 umfasst die Dauer des Einlaufs xlin = 69 Kollektivdurchläufe; die Reibungszahländerung im Einlauf beträgt ∆µstart = 0,027.

Abb. 4
figure 4

Trendverlauf µtop – Einzelmesswerte und Ausgleichsgerade mit charakterisierenden Kennwerten xlin und ∆µstart [12]

Die Kennwerte ∆µstart und xlin quantifizieren das Einlaufverhalten. Bei einer Gegenüberstellung mehrerer Reibsysteme ist es das Ziel, deren Einlaufverhalten anhand eines Kennwerts ganzheitlich bewerten zu können. In [12] wird deshalb der Kennwert Einlauf-Systembewertung EW entwickelt, der die charakterisierenden Kennwerte ∆µstart und xlin zusammenführt. Zur Ermittlung des Kennwerts werden die charakterisierenden Kennwerte ∆µstart und xlin normiert, indem diese ins Verhältnis zu Bezugsgrößen ∆µstart,N und xlin,N gesetzt werden (vgl. Formeln (2) und (3)). Diese Bezugsgrößen können z. B. Sollanforderungen (aus Praxisfunktionalität), der IST-Zustand des derzeit in Serie befindlichen Systems oder Mittelwerte über alle betrachteten Reibsysteme sein. Die so berechneten, normierten Kennwerte \(\Updelta \upmu _{\text{start}}^{\mathrm{*}}\) und \(\mathrm{x}_{\mathrm{lin}}^{\mathrm{*}}\) zum Einlaufverhalten werden gemäß Formel (4) mit den Faktoren q1 und q2 gewichtet und in den Kennwert Einlauf-Systembewertung EW zur ganzheitlichen Bewertung des Einlaufverhaltens überführt. Ein System mit identischem Einlaufverhalten wie das Bezugssystem hat hierbei einen Wert EW von 0. Weist das betrachtete System ein besseres Einlaufverhalten als das Bezugssystem auf, ist der Wert EW positiv, bei einem schlechteren Einlaufverhalten ist der Wert EW negativ. Formel (5) gibt die mathematischen Grenzen der Gewichtungsfaktoren vor.

$$\Updelta \upmu _{\text{start}}^{\mathrm{*}}=\frac{\Updelta \upmu _{\text{start}}}{\Updelta \upmu _{\text{start},\mathrm{N}}}$$
(2)
$$\mathrm{x}_{\mathrm{lin}}^{\mathrm{*}}=\frac{\mathrm{x}_{\mathrm{lin}}}{\mathrm{x}_{\mathrm{lin},\mathrm{N}}}$$
(3)
$$\mathrm{EW}=1-(\mathrm{q}_{1}\cdot \Updelta \upmu _{\text{start}\,}^{\mathrm{*}}+\mathrm{q}_{2}\cdot \mathrm{x}_{\mathrm{lin}}^{\mathrm{*}})$$
(4)
$$\mathrm{q}_{1}+\mathrm{q}_{2}=1\mathrm{ mit }0< \mathrm{q}_{1}< 1\mathrm{ und }0< \mathrm{q}_{2}< 1$$
(5)
xlin:

Kennwert zum Einlaufverhalten, Dauer des Einlaufs

Δμstart:

Regressionsparameter, Steigung der Ausgleichsgeraden

\(\Updelta \upmu _{\text{start}\,}^{\mathrm{*}}, \ \mathrm{x}_{\mathrm{lin}}^{\mathrm{*}}\):

normierte Kennwerte zum Einlaufverhalten

Δμstart,N, xlin,N:

Bezugsgrößen (Sollanforderungen, IST-Zustand, Mittelwerte,...)

EW:

Kennwert zum Einlaufverhalten, Einlauf-Systembewertung

q1, q2:

Gewichtungsfaktoren

Analog der Kennwerte ∆µstart und xlin sind die Werte EW für jede Laststufe des Lastkollektivs zu bestimmen. Um das Einlaufverhalten unterschiedlicher Reibsysteme gegenüberzustellen, wird in der vorliegenden Arbeit der Mittelwert \(\overline{\mathrm{EW}}\) über die Werte EW aller Laststufen gebildet.

2.3 Versuchsteile und Schmierstoffe

Die Untersuchungen werden an Kupplungen in zwei Baugrößen BCI und BCII aus den Anwendungsfeldern Verteilergetriebe und Sperrdifferential durchgeführt. Es erfolgt eine Variation der Stahllamellenbeschaffenheit, des Reibbelags und des Schmierstoffs. Hierbei kommen je zwei typische Stahllamellenvarianten, Reibbeläge und Schmierstoffe zum Einsatz. Abb. 5 zeigt Fotos der Stahl- und Belaglamellen mit Angabe der mittleren Reibradien rm.

Abb. 5
figure 5

Kupplungen in Baugröße BCI (a) und BCII (b) – Stahllamelle und Belaglamellen

Tab. 1 führt die Stahllamellenvarianten beider Baugrößen auf.

Tab. 1 Stahllamellenvarianten

Die Reibbeläge sind Carbonreibbeläge und tragen die Bezeichnungen LSD‑A und LSD‑B. Reibbelag LSD‑A ist Serienbelag in der Baugröße BCI, LSD‑B in der Baugröße BCII. Die Reibbeläge wurden auch auf die Serienbelagträger der jeweils anderen Baugröße aufgebracht.

Als Schmierstoffe werden typische Serienöle aus den Anwendungen Sperrdifferential (LSD-I) und Verteilergetriebe (LSD-II) verwendet. In Tab. 2 sind die technischen Daten der Schmierstoffe gemäß Datenblatt zusammengestellt.

Tab. 2 Schmierstoffe – technische Daten [12]

3 Ergebnisse

Die Einlauf-Systembewertung EW ermöglicht eine ganzheitliche Charakterisierung der Systemeigenschaften hinsichtlich des Einlaufverhaltens. Die systematische Auswertung von Einflüssen des Reibsystems auf das Einlaufverhalten erfolgt deshalb im Folgenden anhand dieses Kennwerts. Im Rahmen dieser Veröffentlichung wird das Einlaufverhalten bezogen auf den Reibungszahlkennwert µtop betrachtet. Auswertungen des Reibungszahlkennwerts mµ sind in [12] aufgeführt. Auch bezüglich dieses Kennwerts zeigen sich deutliche Einflüsse des Reibsystems.

Als Bezugsgrößen ∆µstart,N und xlin,N werden Mittelwerte aus den Versuchen mit Baugröße BCI und BCII herangezogen. Da nicht immer die gleiche Anzahl Versuche je Reibsystem durchgeführt wurde, wird zunächst für jedes Reibsystem ein Mittelwert aus allen Versuchen dieses Reibsystems gebildet. Diese hier acht Mittelwerte (vier je Baugröße) gehen dann in die Ermittlung der Bezugsgrößen ∆µstart,N und xlin,N ein. Tab. 3 führt die Bezugsgrößen ∆µstart,N und xlin,N für die Laststufen S1 bis S6 auf. Es zeigt sich eine teils deutliche Abhängigkeit von der spezifischen Belastung in den unterschiedlichen Laststufen. xlin wird mit q2 = 20 % gewichtet, die Gewichtung des Parameters ∆µstart beträgt damit q1 = 80 %; die Werte können anwendungsspezifisch abweichend gewählt werden.

Tab. 3 Bezugsgrößen ∆µstart,N und xlin,N aus Mittelwertbildung über alle Versuche der Baugrößen BCI und BCII [12]

Die folgenden Bilder zeigen die Mittelwerte \(\overline{\mathrm{EW}}\) für die Versuche mit Baugröße BCI in drei unterschiedlichen Gruppierungen, um die Einflüsse des Schmierstoffs (Abb. 6), des Reibbelags (Abb. 7) und der Stahllamellenbeschaffenheit (Abb. 8) darzustellen. Hierbei entspricht jeder Balken einem Versuch mit jeweils unterschiedlichem Lamellenpaket. Es werden bis zu drei Versuche mit Kupplungspaketen eines Reibsystems durchgeführt, um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.

Abb. 6
figure 6

Einlauf-Systembewertung – Einflüsse des Schmierstoffs auf das Einlaufverhalten (Baugröße BCI) [12]

Abb. 7
figure 7

Einlauf-Systembewertung – Einflüsse des Reibbelags auf das Einlaufverhalten (Baugröße BCI) [12]

Abb. 8
figure 8

Einlauf-Systembewertung – Einflüsse der Stahllamellenbeschaffenheit auf das Einlaufverhalten (Baugröße BCI) [12]

Der Schmierstoff hat in den Versuchen mit Kupplungen der Baugröße BCI einen sehr deutlichen Einfluss auf das Einlaufverhalten. Versuche mit Schmierstoff LSD‑I weisen in allen Stahllamellen-Reibbelag-Kombinationen positive Werte \(\overline{\mathrm{EW}}\) auf, während die Werte \(\overline{\mathrm{EW}}\) von Versuchen mit Schmierstoff LSD-II negativ sind. Zudem besteht eine Wechselwirkung zum Reibbelag: In Versuchen mit Reibbelag LSD‑A sind Unterschiede zwischen den beiden Schmierstoffen deutlicher ausgeprägt als mit Reibbelag LSD‑B. In Versuchen mit Reibbelag LSD‑B zeigt sich zudem eine Wechselwirkung zwischen Schmierstoff und Stahllamellenbeschaffenheit. Der Einfluss des Schmierstoffs ist bei diesem Reibbelag mit Stahllamellen BCI-St1 deutlicher als mit Stahllamellen BCI-St2.

Einflüsse des Reibbelags auf das Einlaufverhalten sind ebenfalls deutlich zu erkennen. Der Reibbelag LSD‑B zeigt in allen Versuchen mit Kupplungen der Baugröße BCI höhere Werte \(\overline{\mathrm{EW}}\) und damit das bessere Einlaufverhalten als Versuche mit Reibbelag LSD‑A bei gleicher Stahllamellen-Schmierstoff-Kombination. Die Wechselwirkung zwischen Reibbelag und Schmierstoff tritt deutlich hervor, da Unterschiede im Einlaufverhalten der Reibbeläge LSD‑A und LSD‑B mit Schmierstoff LSD-II deutlicher ausgeprägt sind als mit Schmierstoff LSD‑I. Wechselwirkungen mit der Stahllamellenvariante sind nicht eindeutig erkennbar.

Einflüsse der Stahllamellenbeschaffenheit auf das Einlaufverhalten sind in der Tendenz erkennbar, allerdings unterliegen diese starken Wechselwirkungen mit Reibbelag und Schmierstoff. In Versuchen mit Reibbelag LSD‑A und Schmierstoff LSD‑I zeigen Stahllamellen BCI-St2 höhere Werte \(\overline{\mathrm{EW}}\) als Stahllamellen BCI-St1. Im Mittel ist dies tendenziell auch in Versuchen mit Reibbelag LSD‑A und Schmierstoff LSD-II erkennbar. Mit Reibbelag LSD‑B und Schmierstoff LSD-II tritt hingegen ein gegenteiliges Verhalten auf: hier weisen Versuche mit Stahllamellen BCI-St1 höhere Werte \(\overline{\mathrm{EW}}\) auf als Stahllamellen BCI-St2. In Kombination mit dem anderen Schmierstoff ist im Mittel die gleiche Tendenz erkennbar.

In den Versuchen mit Kupplungen der Baugröße BCII zeigen sich ebenfalls Einflüsse von Schmierstoff, Reibbelag und Stahllamellenbeschaffenheit auf das Einlaufverhalten charakterisiert durch den Kennwert \(\overline{\mathrm{EW}}\).

Tab. 4 fasst die Einflüsse des Reibsystems auf das Einlaufverhalten zusammen.

Tab. 4 Einflüsse des Reibsystems auf das Einlaufverhalten in Versuchen mit Kupplungen BCI (Verteilergetriebe) und BCII (Sperrdifferential)

Einflüsse des Reibsystems auf das Einlaufverhalten sind somit sehr komplex und von deutlichen Wechselwirkungen geprägt.

4 Diskussion

Die Methodik „Einlaufverhalten Lamellenkupplungen“ wird herangezogen, um Einflüsse des Reibsystems bestehend aus Stahllamelle, Reibbelag und Schmierstoff auf das Einlaufverhalten systematisch zu untersuchen. Es kommen unterschiedliche Kupplungen (Baugrößen BCI und BCII gemäß Abschn. 2.3) mit verschiedenen Stahllamellenvarianten, Reibbelägen und Schmierstoffen zum Einsatz.

Es zeigt sich kein für alle Baugrößen und Beanspruchungen dominanter Einfluss eines einzelnen Bestandteils des Reibsystems. Zudem sind die Einflüsse von starken Wechselwirkungen geprägt. In Versuchen mit Baugröße BCI sind Einflüsse des Schmierstoffs dominant, mit Baugröße BCII zeigt die Stahllamellenbeschaffenheit die deutlichsten Einflüsse auf das Einlaufverhalten (vgl. Abschn. 3). Hierbei ist zu beachten, dass die Versuche im gleichen Lastkollektiv und unter Verwendung identischer Schmierstoffe sowie nominell gleicher Reibbeläge und Stahllamellen vergleichbarer Fertigungsverfahren durchgeführt werden. Topographische Vermessungen in [12] zeigen allerdings, dass die Beschaffenheit der Stahl- und Belaglamellen trotz gleicher Bezeichnungen deutlich voneinander abweichen.

Eine Systembetrachtung ist somit von zentraler Bedeutung. Soll das Einlaufverhalten einer Kupplung charakterisiert werden, so ist dieses für relevante Lastniveaus an der Kupplung im Komponenten- oder Getriebeversuch zu ermitteln. Die im Rahmen dieser Veröffentlichung dargelegten Untersuchungen ergeben eindeutig, dass Aussagen zum Einlaufverhalten trotz identischer Schmierstoffe und nominell gleicher Reibbeläge und Stahllamellenvarianten nicht ungeprüft auf andere Kupplungen (andere Bauart, Baugröße, usw.) übertragbar sind. Eine Charakterisierung des Einlauf- und Reibungsverhaltens sollte also stets an der in der Anwendung vorliegenden Kupplung erfolgen.

5 Zusammenfassung

Die Methodik „Einlaufverhalten Lamellenkupplungen“ realisiert die Charakterisierung des Einlaufverhaltens nasslaufender Lamellenkupplungen. Im vorliegenden Beitrag werden die Versuchs- und Auswertemethoden zur Charakterisierung des Einlaufverhaltens nasslaufender Lamellenkupplungen im Schlupfbetrieb dargestellt. Mit dem Ziel, das Einlaufverhalten auf mehreren anwendungsnahen Lastniveaus zu charakterisieren, erfolgt die experimentelle Untersuchung des Reibungsverhaltens in einem Lastkollektiv. Die Auswertung des Einlaufverhaltens basiert auf der Betrachtung von Reibcharakteristiken und neu definierten Reibungszahlkennwerten µtop (Reibungszahlniveau) und mµ (Reibschwingneigung). Diese werden in Trendverläufen über der Schaltungszahl aufgetragen; die Phase des Einlaufs, gekennzeichnet durch einen nichtlinearen Trendverlauf, wird iterativ mittels Regressionsanalyse identifiziert.

Neu entwickelte Kennwerte zum Einlaufverhalten quantifizieren die Dauer des Einlaufs xlin und die maximale Reibungszahländerung im Einlauf ∆µstart. In Gegenüberstellung mehrerer Reibsysteme liefert der Kennwert EW eine Einlauf-Systembewertung.

Anhand dieses Kennwerts wird das Einlaufverhalten von Kupplungen in zwei Baugrößen unter Variation des Reibsystems – je zwei Reibbeläge, Stahllamellenvarianten und Schmierstoffe – quantifiziert gegenübergestellt. Es zeigt sich kein für alle Baugrößen und Beanspruchungen dominanter Einfluss eines einzelnen Bestandteils des Reibsystems. Zudem sind die Einflüsse von starken Wechselwirkungen geprägt. Für eine Charakterisierung des Einlaufverhaltens ist somit eine Systembetrachtung unbedingt erforderlich.