1 Einleitung

Bistabile Metallbleche mit einer vollständig geschlossenen Geometrie im entfalteten Zustand und einer aufgerollten Transportgeometrie sind von großem Interesse für den Leichtbau. Solche Strukturen können ohne Gehäuse transportiert und schließlich am Einsatzort entfaltet werden. Die verwendeten Bleche sollten eine relativ geringe Dicke um 0,1 bis 0,2 mm und eine hohe Streckgrenze von mehr als 600 MPa aufweisen, um bistabile Eigenschaften durch die Einbringung von Eigenspannungen zu ermöglichen [1]. Aus der Literatur ist bereits bekannt, dass sich über das inkrementelle Biegen der Blechhalbzeuge in zwei entgegengesetzte orthogonale Richtungen solche bistabilen Strukturen herstellen lassen [2]. Die in [3] durchgeführten Messungen der Eigenspannungsverteilung über die Dicke der bistabilen Bleche zeigen eine gute qualitative Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen Werten. Aufgrund der hohen Streckgrenze und der entsprechend hohen Rückfederung wurde bisher ein inkrementeller Biegeprozess mit kleinen Biegeradien (< 10 mm) eingesetzt. Allerdings beschränkt die Breite des Biegewerkzeugs die maximale Länge der finalen bistabilen Struktur.

In diesem Beitrag wird daher die Anwendbarkeit eines Walzprofilierprozesses zur Erzeugung bistabiler Strukturen untersucht. Das Walzprofilieren ist ein Herstellungsprozess, bei dem das Blech kontinuierlich durch eine Reihe konturierter Walzen geführt wird, die hintereinander angeordnet sind, um schrittweise die endgültige Produktform mit einem gewünschten gleichmäßigen Querschnitt zu erreichen [4]. Durch diesen Fertigungsprozess lassen sich also nahezu beliebige Bauteilgrößen erzeugen. Allerdings stellt die hohe Streckgrenze des Materials kombiniert mit der geringen Blechdicke eine wesentliche Herausforderung in dieser Prozessvariante dar, da eine ausreichende Plastifizierung entsprechend kleine Biegeradien benötigt. Die Notwendigkeit kleiner Biegeradien konnte auch bereits für das inkrementelle Biegen nachgewiesen werden [2], wobei in diesem Prozess direkt über die gesamte Blechbreite umgeformt wird und nicht nur eine lokale Umformzone wie beim Walzprofilieren auftritt. Es gilt also zu prüfen, ob bistabile Strukturen durch Walzprofilieren erzeugt und welche finalen Geometrien im entfalteten Zustand erreicht werden können.

In der Arbeit von Groche und Breitenbach [5] wurden verschiedene Ansätze des Walzprofilierens von Rohren hinsichtlich der Biegefolge diskutiert. Dabei wurde der Radius beispielsweise gleichmäßig im Prozess und über die gesamte Blechbreite verändert, um kontinuierlich zum gewünschten finalen Rohrradius zu gelangen. Alternativ wurde der Prozess so durchgeführt, dass der angestrebte Rohrradius frühzeitig an den Außenkanten des Blechs erreicht wurde und in den weiteren Prozessschritten nach und nach, zur Blechmitte hin, eingestellt wurde. In der Arbeit von Ona [6] wurden vielversprechende Ergebnisse der Rohrherstellung aus hochfestem (2100 MPa) Stahl mit 0,1 mm Dicke und 40 mm Breite mittels Walzprofilierens erzielt. Unter Verwendung von 21 Walzgerüsten wurde ein vollständig geschlossenes Rohr mit einem Durchmesser von ungefähr 12,7 mm hergestellt. Die beiden genannten experimentellen Arbeiten zeigen somit, dass die Herstellung vollständig geschlossener Rohre aus hochfesten Werkstoffen im Walzprofilieren möglich ist, dabei aber durchaus eine signifikante Anzahl an Walzgerüsten benötigt wird. In beiden Arbeiten stand die Erzeugung bistabiler Blechstrukturen nicht im Fokus.

In der Arbeit von Xia et al. [7] wurden numerische Simulationen des mehrstufigen Biegens von Blechen mit einer Dicke von 2 mm und einer Streckgrenze von ca. 170 MPa in ein zylindrisches Rohr mit der kommerziellen Software LS-DYNA durchgeführt. Die numerische Simulation stimmte gut mit den experimentellen Werten überein. Brunet el al. [8] nutzten neben einem aufwändigeren 3D-Modell auch ein 2D-FE-Modell um den sich einstellenden Querschnitt beim Walzprofilieren abschätzen zu können. Die beiden numerischen Arbeiten zeigen, dass bereits eine grobe Abschätzung der sich einstellenden Geometrien nach dem Walzprofilieren simulativ möglich ist, wenngleich eine vollständige Abbildung des Gesamtprozesses rechenaufwändig ist.

Ziel dieser Arbeit ist die Abschätzung der Einsetzbarkeit des Walzprofilierens zur Herstellung bistabiler dünner Blechstrukturen, sodass nahezu beliebige Strukturlängen erzeugt werden können. Die zitierten Arbeiten lassen vermuten, dass sowohl simulativ (komplexe Modell, lange Rechenzeiten) als auch experimentell (viele Walzen und Walzgerüste, Führung der Bleche) ein größerer Aufwand zu betreiben ist, um die Nachweisbarkeit der Eignung des Walzprofilierens für die Fertigung vollständig geschlossener bistabiler Rohre führen zu können. Da allerdings die Anzahl notwendiger Walzendurchläufe, die genauen Walzenkonturen und der Einfluss der lokalen Umformzone im Walzprofilieren auf die sich einstellenden Eigenspannungen und letztlich auf die Erreichbarkeit bistabiler Eigenschaften unbekannt sind, liefert die vorliegende Arbeit erste Einschätzungen zu den zuvor genannten Aspekten. Es wird gezeigt, dass durch stark vereinfachte 2D-FE-Modelle eine grobe Abschätzung der Anzahl nötiger Walzendurchläufe sowie die Auslegung der Walzengeometrien möglich ist. Die experimentellen Vorstudien mit nur einem Walzgerüst, weisen zudem nach, dass durch eine Kombination von inkrementellem Gesenkbiegen (1. Fertigungsschritt) und anschließender mehrfacher Verformung des Blechs in nur einem einzelnen Walzprofiliergerüst (2. Fertigungsschritt) bistabile Strukturen herstellbar sind. Die präsentierten Vorarbeiten legen somit nahe, dass das Walzprofilieren geeignet für die Einbringung von Eigenspannungsverläufen zur Erreichung bistabiler Blechstrukturen ist, wenngleich weiterführende Untersuchungen, z. B. zur gegenseitigen Beeinflussung mehrerer Gerüste in einer Walzprofilierstraße, noch ausstehen.

2 Experimenteller Aufbau und Simulationsmodell

2.1 Materialien

Zur Untersuchung der Erzeugung von bistabilen Eigenschaften durch Walzprofilieren wurden zwei Arten von Materialien mit einer Dicke von 0,2 mm verwendet: Der Federstahl 1.1274 (AISI 1095) und der austenitische Stahl 1.4310 (AISI 301). Diese beiden Materialien wurden aufgrund ihrer hohen Streckgrenze ausgewählt, welche zur Erreichung bistabiler Eigenschaften erforderlich ist [1]. Die mechanischen Eigenschaften der Materialien sind in Tab. 1 gezeigt. Fließkurven aus Zugversuchen und passend gefittete Fließkurven für ein isotropes Verfestigungsgesetz sind in Abb. 1 dargestellt. Die Blechzuschnitte wurden zu 300 × 300 mm2 für den Federstahl und zu 230 × 300 mm2 für den weicheren austenitischen Stahl gewählt.

Tab. 1 Mechanische Eigenschaften der Materialien und gefittete Parameter (Q, b) für ein isotropes Materialmodell (Abgleich dargestellt in Abb. 1)
Abb. 1
figure 1

Fließkurven aus Zugversuchen und gefittete Fließkurven für das verwendete isotrope Verfestigungsgesetz: σ0 – Streckgrenze, Q – maximale Veränderung der isotropen Fließfläche, b – Änderungsrate der isotropen Fließfläche

2.2 Versuchsaufbau

Die Walzprofilierversuche wurden auf einer Dreistern P3 und zur Reduktion des Versuchsaufwands mit nur einem Walzgerüst durchgeführt. Abb. 2a zeigt die genutzten Walzenpaare mit einem Durchmesser (D) von 280 mm und Formradien (Rf) von 6 bzw. 8 mm. Der kleinere Radius wurde für die Bearbeitung des festeren Federstahls eingesetzt während der größere Radius beim Walzen des austenitischen Stahls zum Einsatz kam. Die Bleche wurden zunächst zwischen den beiden Walzen ausgerichtet und nach jedem Walzschritt manuell in Querrichtung verschoben und neupositioniert (siehe Abb. 2b). Zur besseren Ausrichtung wurden entsprechend der vorgesehenen Anzahl an Walzdurchläufen äquidistante Linien vorab auf dem Blech aufgezeichnet. Die Tab. 2 und 3 zeigen die gewählten Schrittweiten bzw. die nötige Anzahl an Walzdurchläufen für die beiden verwendeten Werkstoffe bzw. Blechformate. Dabei ist zu beachten, dass der erste und letzte Walzdurchlauf einen Abstand von mindestens 25 mm zum Blechrand aufweist. Aufgrund der geringeren Blechbreite des austenitischen Stahls und der Ausrichtung der längeren Blechseite in Walzrichtung, ergeben sich geringere maximale Walzdurchläufe für diesen Werkstoff. Zusätzlich wurde in unterschiedlichen Versuchsreihen der initiale Zustand des Blechs variiert. Zunächst wurden unverformte Bleche genutzt, welche lediglich durch den Walzprofilierprozess verformt werden. Hierdurch können keine bistabilen Eigenschaften erreicht werden, aber die Versuche können generell aufzeigen, mit welcher Prozessführung geschlossene Rohre erzeugt werden können. In der zweiten Versuchsreihe wurden die Bleche vorab über einen Biegeprozess, wie in [2] beschrieben, vorverformt. Die Bleche wurden also zunächst inkrementell um den Biegeradius (RB) von 6 mm (für 1.1274) bzw. 8 mm (für 1.4310) mit einer konstanten Schrittweite von 10 mm um die kürzere Blechachse gebogen. Der inkrementelle Biegeprozess ist schematisch in Abb. 3 abgebildet. Das anschließende Walzprofilieren (mit der längeren Blechachse in Walzrichtung) wurde mit den gleichen Parametern wie bei den zuvor nicht vorverformten Blechen durchgeführt.

Abb. 2
figure 2

Skizze der Walzprofilieranlage (a) und Skizze des Ablaufs der Walzprofilierversuche (b)

Abb. 3
figure 3

Skizze des inkrementellen Biegeprozesses

Tab. 2 Versuchsparameter für den Federstahl 1.1274 (300 × 300 mm2) bearbeitet mit Formradius Rf = 6 mm; Hinweis: Der erste und letzte Walzschritt haben einen Abstand von mindestens 25 mm zum Blechrand
Tab. 3 Versuchsparameter für den austenitischen Stahl 1.4310 (230 × 300 mm2) bearbeitet mit Formradius Rf = 8 mm; Hinweis: Der erste und letzte Walzschritt haben einen Abstand von mindestens 25 mm zum Blechrand

2.3 Simulation des Walzprofilierprozesses

Das Walzprofilieren wurde zusätzlich mit einem stark vereinfachten 2D-Modell in Abaqus simuliert, um den Einfluss der Anzahl an Walzdurchläufen auf die erreichbaren Krümmungsradien vorab simulativ abschätzen zu können. Die Vereinfachung des Walzprofilierprozesses in ein 2D-Biegemodell wurde als zweckmäßig angesehen, da für die Versuche nur ein Walzgerüst verwendet wird und die Verformungen nacheinander durchgeführt wurden. Das numerische Ersatzmodell ist in Abb. 4 dargestellt. Es besteht aus dem formgebenden Walzenpaar (Kavität in der unteren Walze) und Hilfswerkzeugen. Diese Hilfswerkzeuge sind starr modelliert und übertragen einfache Randbedingungen zur Lagerung des Blechs, während die Walzenpaare nach jedem Umformschritt horizontal versetzt werden. Das verformbare Blech hat eine Dicke von 0,2 mm und die zugehörigen Materialeigenschaften wurden entsprechend des verwendeten Werkstoffs (vergleiche Tab. 1) ausgewählt. Die Breite des Blechs beträgt 300 mm für den Federstahl 1.1274 und 230 mm für den austenitischen Stahl 1.4310. Aufgrund der Dicke des Blechs weist die Kavität der unteren Walze einen um 0,2 mm größeren Biegeradius als die Oberwalze auf. Der eigentliche Walzschritt wird durch ein vertikales Verschieben der Oberwalze dargestellt, sodass das Blech in der Kavität der unteren Walze gebogen wird. Nach jedem Walzschritt wird das Walzenpaar um die vorgegebene Schrittweite (vergleiche Tab. 2 und 3) horizontal verschoben.

Abb. 4
figure 4

Numerisches 2D-Ersatzmodell des Walzformprozesses

Die Simulationen verwenden einen Penalty-Kontakt mit einem Reibungskoeffizienten von 0,15 zwischen Blech und Walzen. Die Kontakte mit den Hilfswerkzeugen sind reibfrei. Das Blech ist mit 21 CPS4R Elementen (4 Knoten, ebene Spannung, bilinear, reduzierte Integration unter Verwendung von Hourglass-Kontrolle) in Dickenrichtung vernetzt. Die Elementbreite ist so gewählt, dass der Biegeradius des Formwerkzeugs mindestens mit 19 Elementen (bei Rf = 6 mm) bzw. 25 Elementen (bei Rf = 8 mm) des Werkstücks in Kontakt steht.

Zur abschließenden Simulation der Rückfederung des Blechs, wurde zusätzlich ein implizites Modell in Abaqus/Standard verwendet. Dieses Modell enthält ein Blech mit gleicher geometrischer Größe und Netzgröße und berechnet in einem „Static General“-Step die Rückfederung auf Basis der aus der expliziten Simulationen importierten Spannungs- und Dehnungswerte nach der Abbildung aller Umformschritte im Walzprofilieren.

3 Ergebnisse und Diskussion

Durch das Walzprofilieren mit einer unterschiedlichen Anzahl an Walzschritten ändert sich die sich einstellende Geometrie der Struktur nach der Rückfederung auf Basis der eingebrachten Eigenspannungen. Nach jedem Walzprofilierversuch wurde die Krümmung des verformten Stahlblechs auf ein Blatt Papier übertragen. Anschließend wird der Krümmungsradius der Struktur aus der Sehnenlänge und dem Abstand der Sehne zur Oberfläche der Kreisgeometrie entsprechend Abb. 5 berechnet.

Abb. 5
figure 5

Bestimmung des Krümmungsradius R

3.1 Simulation des Walzprofilierprozesses

Abb. 6 zeigt beispielhaft die simulierten Strukturen nach dem Walzprofilieren für den Federstahl 1.1274 nach 12 und 26 Walzschritten. Es ist klar zu erkennen, dass ein vollständig geschlossenes Rohrprofil (r < 40 mm) erst nach deutlich mehr als 12 Walzschritten erreicht werden kann. Die Anzahl benötigter Profiliergerüste kann somit schon einmal grob abgeschätzt werden. Abb. 7 zeigt die simulierten Krümmungsradien der erzeugten Strukturen in Abhängigkeit der Anzahl an Walzdurchläufen. Zusätzlich ist für die unterschiedlichen Blechformate derjenige Krümmungsradius markiert, unterhalb dessen ein vollständig geschlossenes Rohr vorliegt. Beim Federstahl 1.1274 nimmt der Rückfederungsradius mit steigender Anzahl an Walzschritten linear ab. Der austenitische Stahl 1.4310 weist ab etwa 16 Walzschritten keine weitere Veränderung des Krümmungsradius, trotz weiteren Walzschritten, auf. Dies kann dadurch begründet werden, dass bei der Verwendung eines Biegeradius von 8 mm und einer Blechbreite von 230 mm (Stahl 1.4310) nach 16 Walzschritten keine unverformten Bereiche mehr zwischen den einzelnen Walzspuren vorliegen und eine homogene Verformung über die Blechbreite erreicht ist. Im Gegensatz dazu sind beim Biegeradius von 6 mm und einer Blechbreite von 300 mm (Stahl 1.1274) auch nach 23 Walzschritten noch unverformte Blechbereiche zwischen den einzelnen Walzspuren vorherrschend.

Abb. 6
figure 6

Simulierte Strukturen nach dem Walzprofilieren für den Federstahl 1.1274 nach 12 (a) und 26 (b) Walzschritten

Abb. 7
figure 7

Simulierte und experimentelle Krümmungsradien der erzeugten Strukturen in Abhängigkeit der Anzahl an Walzdurchläufen

Abb. 8 zeigt die Eigenspannungsverteilung über die Blechdicke für die Stähle 1.1274 und 1.4310 nach erfolgter Rückfederung. Die Eigenspannungen wurden in einem Blechbereich ausgewertet, in dem das Blech in direktem Kontakt mit den Walzen war. Der Grund für den Unterschied im Krümmungsradius über die Anzahl der Walzschritte ist die unterschiedliche Verteilung der Eigenspannungen in Querrichtung. Die resultierenden Spannungen in x‑Richtung sind vergleichbar mit denjenigen die in [2] über das inkrementelle Gesenkbiegen erreicht wurden. Das Walzprofilieren kann also genutzt werden, um ähnliche Eigenspannungsverteilungen zu erreichen.

Abb. 8
figure 8

Simulierte Eigenspannungen in x‑Richtung über die Blechdicke für die Stähle 1.1274 (a) und 1.4310 (b)

3.2 Walzprofilierversuche an unverformten Blechen

Die simulierten Ergebnisse können aufgrund der starken Vereinfachungen des FE-Modells nur einen groben Einblick in die Abhängigkeiten beim Walzprofilieren geben. Daher zeigt Abb. 7 zusätzlich die zugehörigen experimentellen Ergebnisse an zuvor unverformten Blechen. Trotz der bereits angeführten Vereinfachungen des Simulationsmodells ist in den experimentellen Ergebnissen die gleiche Abhängigkeit wie in den Simulationen zu erkennen: Mit abnehmender Schrittweite nimmt auch der Radius der endgültigen Krümmung des Blechs ab. Es ist jedoch zu beachten, dass die Ergebnisse der Experimente generell oberhalb der simulierten Krümmungsradien liegen. Für die Abweichungen zwischen Experimenten und Simulationen ist neben den Vereinfachungen des FE-Modells auch das herausfordernde Handling der Bleche in den Experimenten (genaue Positionierung der Walzen auf dem Blech, paralleles Durchlaufen des Walzschritts auf der zuvor markierten Bahn, etc.) verantwortlich. Hierdurch lassen sich vermutlich auch einzelne Ausreißer innerhalb der Versuchsreihen, z. B. der erhöhte Krümmungsradius für 1.1274 bei 14 Walzdurchläufen, erklären. In Abb. 9 sind beispielhaft die walzprofilierten Bleche mit minimal erreichtem Krümmungsradius für das jeweilige Material dargestellt.

Abb. 9
figure 9

Walzprofilierte Bleche aus 1.1274 nach 26 Walzschritten (a) und 1.4310 nach 22 Walzschritten (b)

3.3 Walzprofilierversuche mit vorgebogenen Blechen

Durch eine vorherige Biegung der Bleche in einem inkrementellen Biegeprozess mit Biegeradien von 6 mm für den Federstahl 1.1274 und 8 mm für den austenitischen Stahl 1.4310 (mit einem Abstand zwischen den Biegungen von 10 mm) und eine anschließende Bearbeitung im Walzprofilieren können bistabile Strukturen erzeugt werden. In Abb. 10 sind ausgewählte bistabile Bleche beider Materialien gezeigt, die durch die Abfolge von inkrementellem Biegen und Walzprofilieren hergestellt wurden. Die experimentell erreichten Krümmungsradien der bistabilen Strukturen sind für beide stabilen Geometrien und in Abhängigkeit der gewählten Anzahl an Walzdurchläufen in Abb. 11 für beide verwendeten Stähle dargestellt. In den Walzfällen, in denen keinen bistabilen Eigenschaften erreicht wurden, ist nur der Krümmungsradius des monostabilen Zustands eingezeichnet.

Abb. 10
figure 10

Bistabile Bleche, hergestellt durch inkrementelles Biegen und anschließendes Walzprofilieren. Der Federstahl 1.1274 nach 26 Walzschritten im ersten (a) und zweiten (c) stabilen Zustand und der austenitische Stahl 1.4310 nach 22 Walzschritten im ersten (b) und zweiten (d) stabilen Zustand

Abb. 11
figure 11

Experimentell erreichte Krümmungsradien der erzeugten Strukturen in den beiden stabilen Lagen in Abhängigkeit der Anzahl an Walzdurchläufen bei der Verwendung vorverformter Bleche

Aus Abb. 11 wird ersichtlich, dass der Krümmungsradius des ersten stabilen Zustands mit abnehmender Schrittweite nahezu linear abnimmt. Für den zweiten stabilen Zustands ergibt sich ebenfalls eine signifikante Abhängigkeit von der Schrittweite beim Walzprofilieren. Auch in dieser experimentellen Versuchsreihe lassen sich Diskontinuitäten und Unregelmäßigkeiten der Werte, z. B. zwischen 15 und 18 Walzdurchläufen, vermutlich durch die Herausforderungen bei der Blechpositionierung und der genauen Durchführung des Walzschritts entlang der vorgezeichneten Bahn erklären.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Ergebnisse der Simulation zeigen bereits die Möglichkeit auf, Rohrgeometrien für dünne hochfeste Bleche im Walzprofilieren zu erzeugen. Eine Bistabilität der Strukturen tritt dabei noch nicht auf. Die experimentellen Ergebnisse zeigen gleiche Tendenzen, weisen aber einen gewissen Versatz gegenüber den Simulationen auf. Zur Erzeugung einer fast geschlossenen Rohrstruktur ist eine große Anzahl von Walzschritten erforderlich: 26 Walzschritte für den Federstahl 1.1274 bei einer Blechbreite von 300 mm und 22 Walzschritte für den austenitischen Stahl 1.4310 bei einer Blechbreite von 230 mm.

Durch eine vorgeschaltete Verformung der Bleche mittels inkrementellen Biegens und ein anschließendes Walzprofilieren können bistabile Eigenschaften für beide Blechmaterialien eingestellt werden. Es muss jedoch auch hier eine hohe Anzahl von Walzschritten durchgeführt werden, um eine nahezu vollständig geschlossene Rohrgeometrie zu erreichen.

Zur weiteren Absicherung der Ergebnisse und zur genaueren Vorhersage der Bistabilität und der erreichten Krümmungsradien muss das Handling der Bleche in den experimentellen Versuchen weiter optimiert werden. Des Weiteren steht noch die experimentelle Abbildung eines realen Walzprofilierprozesses mit mehreren, gleichzeitig im Eingriff befindlichen, Walzgerüsten aus. Darüber hinaus sollten rechenaufwändigere dreidimensionale FE-Modelle genauere Vorberechnungen der Prozessrouten ermöglichen. Neben dem größeren Rechenaufwand sind allerdings auch hier Herausforderungen hinsichtlich des Blechhandlings bzw. der Lagerung des Blechs während der Umformung zu erwarten. Nichtsdestotrotz deuten die vereinfachten experimentellen und simulativen Arbeiten bereits jetzt auf eine Einsetzbarkeit des Walzprofilierens hin.